© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 033/19 Der Kindergeldausschluss für Angehörige anderer Mitgliedstaaten nach dem Entwurf eines neuen § 62 Abs. 1a EStG Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 2 Der Kindergeldausschluss für Angehörige anderer Mitgliedstaaten nach dem Entwurf eines neuen § 62 Abs. 1a EStG Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 033/19 Abschluss der Arbeit: 18. April 2019 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. § 62 Abs. 1a EStG-E und geltende Rechtslage 4 2.1. Wortlaut des § 62 Abs. 1a EStG-E 4 2.2. Geltende Rechtslage in Bezug auf Kindergeldberechtigung – § 62 Abs. 1 und 2 EStG 5 2.3. Zu den geplanten Änderungen durch § 62 Abs. 1a EStG-E 5 2.3.1. Die ersten drei Aufenthaltsmonate 6 2.3.2. Für den Zeitraum ab dem vierten Aufenthaltsmonat 6 2.3.3. Behördenzuständigkeit 6 3. Zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht 7 3.1. Kindergeldausschluss für die ersten drei Aufenthaltsmonate 7 3.1.1. Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL im Anwendungsbereich der Verordnung 883/2004 8 3.1.2. Kindergeld als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL 9 3.1.2.1. Bisherige Rechtsprechung zum Sozialhilfebegriff im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie 10 3.1.2.1.1. Im Lichte der Rechtsprechungsdefinition 11 3.1.2.1.2. Vergleich mit besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen 14 3.1.2.2. Zwischenergebnis 14 3.1.3. Zur personellen Reichweite des Kindergeldausschlusses im Lichte des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL 15 3.1.3.1. Ausschluss von Personen mit Einkommen nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EStG 16 3.1.3.1.1. Selbständige im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie 16 3.1.3.1.2. Sachlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit 19 3.1.3.1.3. Personen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung 20 3.1.3.1.4. Personen mit Einkünften aus Kapitalvermögen 22 3.1.3.1.5. Zwischenergebnis 24 3.1.3.2. Ausschluss von aufenthaltsberechtigten Personen nach Art. 10 der Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union 25 3.2. Kindergeldbezug ab dem 4. Aufenthaltsmonat 26 3.2.1. Zur Rechtsprechung des EuGH 27 3.2.2. Zum Urteil in der Rechtssache Bogatu und der Funktion der Koordinierungsverordnung 883/2004 28 3.2.3. Zur Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung in § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG-E 30 3.3. Kindergeldausschluss für Arbeitssuchende 34 4. Ergebnis 36 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 4 1. Einleitung Der Fachbereich wird um Beantwortung der Frage ersucht, ob eine von der Bundesregierung vorgelegte Änderung des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Kindergeldberechtigung von Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten mit EU-Recht vereinbar ist. Bei der betreffenden Regelung handelt es sich um § 62 Abs. 1a EStG (im Folgenden: EStG-E), der Bestandteil des Entwurfs eines Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch ist.1 Hinsichtlich des relevanten EU-Rechts wird von Seiten des Auftraggebers insbesondere auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-322/19 (Bogatu) vom 7. Februar 2019 sowie auf die Verordnung Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit2 verwiesen. Im Folgenden wird zunächst die geplante Änderung des EStG wiedergegeben und im Lichte der geltenden Rechtslage erläutert (2.). Anschließend erfolgt die Prüfung der Regelung am Maßstab des einschlägigen Unionsrechts (3.). 2. § 62 Abs. 1a EStG-E und geltende Rechtslage 2.1. Wortlaut des § 62 Abs. 1a EStG-E Der vorgeschlagene § 62 Abs. 1a EStG-E lautet wie folgt: „(1a) Begründet ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union […], im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so hat er für die ersten drei Monate ab Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts keinen Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt nicht, wenn er nachweist, dass er inländische Einkünfte im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 mit Ausnahme von Einkünften nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erzielt. Nach Ablauf des in Satz 1 genannten Zeitraums hat er Anspruch auf Kindergeld, es sei denn, die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 oder Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes /EU liegen nicht vor oder es sind nur die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 Nummer 1a des Freizügigkeitsgesetzes/EU erfüllt, ohne dass vorher eine andere der in § 2 Absatz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU genannten Voraussetzungen erfüllt war. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld gemäß Satz 2 vorliegen oder gemäß Satz 3 nicht gegeben sind, führt die Familienkasse in eigener Zuständigkeit durch. Lehnt die Familienkasse eine Kindergeldfestsetzung in diesem Fall ab, hat sie ihre Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen. 1 BT-Drs. 19/8691 vom 25.03.2019. 2 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004, letzte konsolidierte Fassung vom 11. April 2017. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 5 Wurde das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch die Verwendung gefälschter oder verfälschter Dokumente oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetäuscht, hat die Familienkasse die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich zu unterrichten.“3 2.2. Geltende Rechtslage in Bezug auf Kindergeldberechtigung – § 62 Abs. 1 und 2 EStG Diese Regelung ergänzt den bisher in § 62 Abs. 1 und 2 EStG geregelten Kreis der Anspruchsberechtigten . Dieser unterscheidet im Hinblick auf Ausländer nur zwischen solchen, die freizügigkeitsberechtigt sind und solchen, die es nicht sind (vgl. § 62 Abs. 1 und 2 EStG). Während die Kindergeldberechtigung ersterer – wie bei Deutschen – allein von einem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt oder bei deren Fehlen von einer unbeschränkten oder beschränkten Einkommenssteuerpflicht abhängt (vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG), ist sie bei nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern an weitere Voraussetzungen geknüpft (vgl. § 62 Abs. 2 EStG). Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten fallen nach derzeitiger Rechtslage nur dann unter die Gruppe der nicht freizügigkeitsberechtigten, aber ggf. nach allgemeinem Ausländerrecht bleibeberechtigten Ausländer nach § 62 Abs. 2 EStG, wenn ihnen ihre aus dem Unionsrecht folgende Freizügigkeitsberechtigung durch Verwaltungsakt der Ausländerbehörden in Anwendung des Freizügigkeitsgesetzes/EU entzogen wurde.4 Soweit das nicht erfolgt ist, hängt deren Kindergeldberechtigung somit allein an einem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt oder bei deren Fehlen von einer unbeschränkten oder beschränkten Einkommenssteuerpflicht nach deutschem Recht ab. 2.3. Zu den geplanten Änderungen durch § 62 Abs. 1a EStG-E Mit dem vorgeschlagenen § 62 Abs. 1 a EStG-E wird nun eine Sonderregelung für Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten eingeführt, die die Kindergeldberechtigung dieser Personengruppe zum einen im Ergebnis an weitere Voraussetzungen als den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt knüpft und sie zum anderen von einem durch Verwaltungsakt der Ausländerbehörde erfolgten Freizügigkeitsentzug entkoppelt. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen soll nach der geplanten Vorschrift zukünftig im Wesentlichen zwischen zwei Zeiträumen des Aufenthalts (durch Begründung eines Wohnsitzes 3 Auslassungen, Absatzbildung und Hervorhebungen durch Verfasser. Die Auslassung betrifft die den Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten insoweit gleichgestellten Angehörigen der am Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beteiligten drei EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen. 4 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 15.3.2017 – III R 32/15, Rn. 13 ff. In der einschlägigen Dienstanweisung des Bundeszentralamtes für Steuern zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz wird zum Thema „Freizügigkeitsberechtigte Ausländer“ ausgeführt, dass „bei Staatsangehörigen der [EU-Staaten grundsätzlich] von der Freizügigkeitsberechtigung auszugehen [ist]. Werden einer Familienkasse im Einzelfall konkrete Umstände bekannt, aufgrund derer Zweifel an der Freizügigkeitsberechtigung bestehen, wendet sie sich zwecks Überprüfung an die Ausländerbehörde.“ (A 4.5. Absatz 2). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 6 oder gewöhnlichen Aufenthalts) unterschieden werden: den ersten drei Monaten (2.3.1.) und dem sich anschließenden Zeitraum (2.3.2.). 2.3.1. Die ersten drei Aufenthaltsmonate Für die ersten drei Monate besteht nach § 62 Abs. 1a S. 1 EStG-E grundsätzlich kein Anspruch auf Kindergeld. Hiervon macht § 62 Abs. 1 S. 2 EStG-E eine Ausnahme, wenn die betreffende Person bestimmte inländische Einkünfte im Sinne des EStG erzielt (aus Land- und Forstwirtschaft , Gewerbebetrieb, aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit5). Damit wird die Kindergeldberechtigung für diesen Zeitraum an eine abhängige oder selbständige Erwerbstätigkeit geknüpft. Nicht berücksichtigt werden hierbei allerdings Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen.6 Werden nur diese erzielt oder fehlt es überhaupt an Einkünften , so greift der Kindergeldausschluss. 2.3.2. Für den Zeitraum ab dem vierten Aufenthaltsmonat Für den sich anschließenden Zeitraum ab dem vierten Monat wird das oben beschriebene Regel -Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. Ab dieser Aufenthaltsdauer besteht nach § 62 Abs. 1a S. 3 EStG-E grundsätzlich ein Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt jedoch zum einen nicht, wenn die Voraussetzungen der Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz /EU fehlen (§ 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG-E). In diesem Fall ist die Kindergeldberechtigung somit an das Bestehen eines (unionalen) Aufenthaltsrechtsrechts geknüpft, ohne dass es auf eine Erwerbstätigkeit ankommt. Zum anderen ist das Kindergeld auch dann ausgeschlossen, wenn der Aufenthalt zum Zweck der Arbeitssuche erfolgt (§ 62 Abs. 1a S. 3 Var. 2 EStG-E in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU). 2.3.3. Behördenzuständigkeit Ebenfalls Teil der vorgeschlagenen Regelung ist eine eigenständige Zuständigkeit der Familienkasse zur Prüfung, ob in den ersten drei Monaten die Voraussetzungen für einen (ausnahmsweise bestehenden) Kindergeldanspruch vorliegen oder ob dieser für den anschließenden Zeitraum (ausnahmsweise) ausgeschlossen ist. In der Sache prüft die Familienkasse somit im ersten Fall, ob eine Erwerbstätigkeit vorliegt und damit den Grund und die Art des Aufenthaltes, im zweiten Fall das Bestehen eines rechtmäßigen Aufenthalts und seinen Zweck. 5 Diese Einkommensarten ergeben sich aus dem Verweis in § 62 Abs. 1 S. 2 EStG-E auf § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 EStG. Von den erfassten Einkünften ausgenommen sind nach dem dort ebenfalls enthaltenen Verweis auf § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die als zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehörend betrachtet werden. 6 Diese Einkommensarten nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 und 6 EStG werden von dem Verweis in § 62 Abs. 1 S. 2 EStG-E nicht erfasst. Für die weiteren Ausführungen bleiben die ebenfalls nicht erfassten Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 in Verbindung mit § 22 EStG außer Betracht. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 7 3. Zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht Ausweislich der Gesetzesbegründung wird die vorgeschlagene Regelung in § 62 Abs. 1a EStG-E als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen.7 Dabei wird der Kindergeldausschluss für die ersten drei Monate in § 62 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E sowie für einen ggf. längeren Zeitraum zur Arbeitssuche in § 62 Abs. 1a S. 3 EStG-E auf Art. 24 Abs. 2 der sog. Freizügigkeitsrichtlinie 2004/388 (im Folgenden: Freizügigkeitsrichtlinie oder FreizügigkeitsRL) gestützt.9 Die in § 62 Abs. 1a S. 3 EStG-E geregelte Verknüpfung der Kindergeldberechtigung mit dem Freizügigkeitsbzw . Aufenthaltsrecht soll hingegen auf einer entsprechenden ständigen Rechtsprechung des EuGH beruhen.10 Ob die genannte Richtlinienvorschrift (3.1.) und die in Bezug genommene Rechtsprechung (3.2.) die jeweils einschlägigen Regelungsgehalte des § 62 Abs. 1a EStG-E zu tragen vermögen, ist im Folgenden zu untersuchen.11 Gesondert betrachtet wird der Kindergeldausschluss für Personen, deren Aufenthalt dem Zweck der Arbeitssuche dient (3.3.). 3.1. Kindergeldausschluss für die ersten drei Aufenthaltsmonate Nach Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, anderen (aufenthaltsberechtigten ) Personen als Arbeitnehmern, Selbständigen und Personen, denen dieser Status aufrecht erhalten bleibt, für die ersten drei Monate oder bei Aufenthalt aus Gründen der Arbeitsuche für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren.12 Ausweislich ihres Wortlauts stellt diese Bestimmung eine Abweichung von Art. 24 Abs. 1 S. 1 FreizügigkeitsRL dar, wonach „[v]orbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats [genießt ].“ 7 Vgl. Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 33, wobei hier allgemein auf den gesamtem Gesetzesentwurf abgestellt wird, sowie S. 70 ff. in Bezug auf § 62 Abs. 1a EStG-E. 8 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung […], ABl.EU 2004 Nr. L 158/77, letzte konsolidierte Fassung vom 16.6.2011. 9 Vgl. Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 71 f. 10 Vgl. Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 70 f. 11 Siehe zu den unterschiedlichen Einschätzungen hierzu etwa die Stellungnahmen zum Referentenentwurf des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch, online abrufbar auf den Seiten des Bundesfinanzministeriums . 12 Der in dieser Vorschrift ebenfalls geregelte Ausschluss vom Zugang zu Studienbeihilfen ist für die hier untersuchte Fragestellung nicht weiter einschlägig. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 8 Bei der Regelung in Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL handelt es sich folglich um eine Ausnahme (-option) vom richtlinienspezifischen Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit .13 Nach der Rechtsprechung des EuGH sind derartige Ausnahmen eng auszulegen.14 Im Zusammenhang mit der Nutzung dieser unionsrechtlichen Option für den Bereich des Kindergeldes in Gestalt des § 62 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E stellen sich die folgenden Fragen: Gilt der Leistungsausschluss dieser Richtlinienbestimmung überhaupt für Leistungen wie Kindergeld (3.1.1.). Ist dies zu bejahen, setzt die Heranziehung des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL in sachlicher Hinsicht vorliegend voraus, dass es sich beim Kindergeld um eine Leistung der Sozialhilfe im Sinne dieser Richtlinienbestimmung handelt (3.1.2.). Sodann ist zu klären, ob über die Anknüpfung an bestimmte Einkommensarten im Sinne des EStG eine zutreffende Eingrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL vorgenommen wurde (3.1.3.). 3.1.1. Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL im Anwendungsbereich der Verordnung 883/2004 Die mitgliedstaatliche Option zum Leistungsausschluss in Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL gilt ihrem Wortlaut nach nur in Abweichung von Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL und damit nur im Anwendungsbereich dieses Rechtsaktes. Das Kindergeld nach deutschem Recht ist hingegen nach Art. 3 Buchst. j der Verordnung Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit15 (im Folgenden: Koordinierungsverordnung oder VO 883/2004) eine Familienleistung und damit eine Leistung der sozialen Sicherheit im Sinne dieses Rechtsaktes.16 Ebenso wie die Freizügigkeitsrichtlinie enthält die Koordinierungsverordnung in Art. 4 VO 883/2004 ein für ihren Anwendungsbereich eigenständiges Gleichbehandlungsgebot. Auch dieses gilt zwar nicht absolut, erfasst ausdrücklich aber nur Abweichungen, die in der Koordinierungsverordnung geregelt sind. Vor diesem Hintergrund war lange Zeit umstritten, ob die Ausnahmeoption des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL im Anwendungsbereich der Koordinierungsverordnung anwendbar ist. So vertrat etwa die Kommission die Auffassung, dass der Begriff der Sozialhilfe nach der Freizü- 13 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 4.06.2009, verb. Rs. C-22/08 u. C-23/08 (Vatsouras und Koupatantze), Rn. 34; EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 56; EuGH, Urt. v. 11.11.2014, Rs. C-333/13 (Dano), Rn. 64. 14 Siehe zu Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL, wenngleich im Zusammenhang mit Ausschluss des Zugangs zu Studienbeihilfen , EuGH, Urt. v. 21.02.2013, Rs. C-46/12 (L. N.), Rn. 33, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung . Allgemein zum Grundsatz der engen Auslegung bei Abweichungen von subjektiven Unionsrechten , Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäisches Methodenrecht, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 61. 15 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl.EU 2004 Nr. L 166/1, letzte konsolidierte Fassung vom 11.4.2017. 16 Siehe etwa Leopold, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), Beckscher Onlinekommentar Sozialrecht (Stand: 1.3.2019), Art. 1 VO 883/2004, Rn. 118a, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 9 gigkeitsrichtlinie nur solche Leistungen erfasst, die nicht in den Anwendungsbereich der Koordinierungsverordnung fallen.17 In mehreren Urteilen hat der EuGH mittlerweile bestätigt, dass dies nicht der Fall ist, der Begriff der Sozialhilfe in der Freizügigkeitsrichtlinie und damit auch im Sinne der Leistungsausschlussoption in Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL grundsätzlich auch gegenüber Leistungen der sozialen Sicherheit im Sinne der Koordinierungsverordnung zur Anwendung gelangen kann.18 3.1.2. Kindergeld als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL Die entscheidende Frage im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Kindergeldausschlusses nach § 62 Abs. 1a EStG-E bzw. nach § 62 Abs. 1a S. 3 EStG-E für den Zeitraum der Arbeitssuche lautet daher, ob das Kindergeld als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL angesehen werden kann. In den Stellungnahmen zum Referentenentwurf des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch wird dies – soweit die Frage überhaupt aufgeworfen wird – verneint, allerdings teils ohne weitere Begründung und insbesondere ohne auf den Inhalt dieses Begriffs einzugehen.19 Dem Schrifttum lassen sich zu diesem Aspekt, allerdings ohne Bezug zur kürzlich vorgeschlagenen Regelung, nur wenige Aussagen entnehmen, die aber sowohl in die eine wie in die andere Richtung weisen.20 Nach der Rechtsprechung – in der Freizügigkeitsrichtlinie selbst findet sich keine Begriffsdefinition – sind darunter „sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme [zu verstehen ], die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbe- 17 EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 48, 58. So auch die Auffassung des BFH, Beschluss vom 23.10.2009, III S 72/08, allerdings im Hinblick auf den Sozialhilfebegriff in der nicht mehr geltenden Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl.EU 2004 Nr. L 304/12, vgl. dort Art. 28. 18 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 61, wobei es hier um den Begriff der Sozialhilfe im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b FreizügigkeitsRL ging. EuGH, Urt. v. 11.11.2014, Rs. C-333/13 (Dano), Rn. 63; EuGH, Urt. v. 15.09.2015, Rs. C-67/14 (Alimanovic), Rn. 48 ff., 63; EuGH, Urt. v. 25.02.2016, Rs. C- 299/14 (García-Nieto), Rn. 36 ff., 51 f. 19 So etwa in der Stellungnahme der Diakonie, S. 3 (ohne nähere Begründung); des Deutschen Anwaltsvereins durch den Ausschuss Sozialrecht, S. 8 (unter Verweis, dass das Kindergeld eine Leistung der sozialen Sicherheit im Sinne der VO 883/2004 sei und im Übrigen nicht von der Hilfsbedürftigkeit abhängig sei); und des Deutschen Caritasverbandes, S. 3 f. (Kindergeld sei Familienleistung und keine Sozialhilfe, Wertungswiderspruch mit § 2 Abs. 3 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz). 20 Verneint etwa von Janda, Migranten im Sozialstaat, 2012, S. 342, vor allem unter Verweis auf das Kriterium der Hilfsbedürftigkeit, welches bei Familienleistungen keine Rolle spiele. Befürwortend dagegen Steiger, Ausschluss von Kindergeldleistungen für EU-Ausländer ohne Aufenthaltsrecht, Juristische Ausbildung 2018, S. 719 (723 f.), unter Verweis auf den Umstand, dass die Funktion zumindest auch darin bestehe, die Existenz des Kindes sicherzustellen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 10 dürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was geeignet ist, sich auf das gesamte Niveau der Beihilfe auszuwirken, die dieser Staat gewähren kann […].“21 Im Folgenden ist ein Blick auf die bisherige Rechtsprechung zum Sozialhilfebegriff im Sinne dieser Ausnahmebestimmung zu werfen (3.1.2.1.), um anschließend zu erörtern, inwieweit auch das deutsche Kindergeld darunter subsumiert werden kann (3.1.2.2.). 3.1.2.1. Bisherige Rechtsprechung zum Sozialhilfebegriff im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie Ausgehend von den bisher einschlägigen Urteilen hat der EuGH zum einen die österreichische Ausgleichszulage22 sowie die nach deutschem Recht zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II als Sozialhilfeleistungen im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie angesehen.23 Entscheidungen, in denen die Qualifizierung einer nationalen Leistung als Sozialhilfe abgelehnt wurde, liegen – soweit ersichtlich – bisher nicht vor. Während der Gerichtshof im hierzu ersten Fall der österreichischen Ausgleichszulage die Einordnung als Sozialhilfe noch eher aus der Definition dieses Begriffs heraus getroffen hat, ohne allein die unionrechtliche Qualifikation dieser Leistung als besondere beitragsunabhängige Geldleistung im Sinne der Koordinierungsverordnung ausreichen zu lassen,24 verwies er in den nachfolgenden Entscheidungen zu SGB-II-Leistungen im Wesentlichen nur noch auf den letztgenannten Umstand, ohne im Einzelnen unter die Definition zu subsumieren.25 Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass nach der Rechtsprechung jedenfalls besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3, Art. 70 VO 883/2004 als Sozialhilfe im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie anzusehen sind. Diese spezielle Leistungskategorie, die Elemente der vom Anwendungsbereich der Koordinierungsverordnung ausgeschlossenen 21 EuGH, Urt. v. 15.09.2015, Rs. C-67/14 (Alimanovic), Rn. 44; EuGH, Urt. v. 11.11.2014, Rs. C-333/13 (Dano), Rn. 63. Siehe auch EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey)), Rn. 61, wobei es hier um den Begriff der Sozialhilfeleistung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b FreizügigkeitsRL ging. Wie aus den beiden erstgenannten späteren Entscheidungen deutlich wurde, gilt diese Definition auch für den in Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL verwandten Begriff der Sozialhilfe. 22 EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 62. 23 EuGH, Urt. v. 15.09.2015, Rs. C-67/14 (Alimanovic), Rn. 28 ff., 40 ff., 46; EuGH, Urt. v. 11.11.2014, Rs. C- 333/13 (Dano), Rn. 40 ff., 63; EuGH, Urt. v. 25.02.2016, Rs. C-299/14 (García-Nieto), Rn. 30, 37. 24 EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 60-63. 25 EuGH, Urt. v. 11.11.2014, Rs. C-333/13 (Dano), Rn. 63; EuGH, Urt. v. 15.09.2015, Rs. C-67/14 (Alimanovic), Rn. 43-46; EuGH, Urt. v. 25.02.2016, Rs. C-299/14 (García-Nieto), Rn. 37. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 11 klassischen Sozialhilfe enthält (vgl. Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004), wurde erst 1992 in das europäische Koordinierungssekundärrecht einbezogen.26 Nach der Begriffsdefinition in Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 weisen Leistungen dieser Kategorie in materieller Hinsicht folgende Elemente aus: sie gewähren erstens „einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken […]“, die von den klassischen Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind (u. a. Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit), garantieren zweitens „den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts […], das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht, werden drittens „ausschließlich steuerlich finanziert“ und hängen viertens hinsichtlich der Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen der Leistungsempfänger ab.27 Im Vergleich zu den sonstigen (klassischen) Leistungen der sozialen Sicherheit nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis j VO 883/2004 unterliegen besondere beitragsunabhängige Geldleistungen abweichenden Koordinierungsvorgaben ; insbesondere gilt das Exportgebot nicht (vgl. Art. 70 Abs. 3 VO 883/2004). Die Anforderung der Rechtsprechungsdefinition zur Sozialhilfe im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie erfüllt diese Leistungskategorie vor allem durch ihre Bedürfnisabhängigkeit, die dem Element der Garantie eines Mindesteinkommens zur Bestreitung des Lebensunterhalts zugrunde liegt. Auch ist für sie kennzeichnend, dass die betreffenden Leistungen steuerfinanziert und nicht beitragsabhängig sind, so dass ihre Inanspruchnahme zu einer Belastung der öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats führt, die auch für die Gewährung von Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL typisch ist.28 Was die Art und Weise der sozialrechtlichen Koordinierung der betreffenden Leistung angeht, so hat dieses Kriterium in diesem Zusammenhang – bisher jedenfalls – keine Rolle gespielt. Die generell fehlende Exportierbarkeit unterscheidet allerdings besondere beitragsunabhängige Geldleistungen von den übrigen Leistungen der sozialen Sicherheit, die von der Koordinierungsverordnung erfasst werden. 3.1.2.1.1. Im Lichte der Rechtsprechungsdefinition In Bezug auf die Rechtsprechungsdefinition ist zunächst festzuhalten, dass das Kindergeld im Sinne des deutschen Rechts jedenfalls in seiner Gesamtheit betrachtet gerade kein (typisches) Hilfssystem darstellt, welches ein Einzelner regulär in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung eigener Grundbedürfnisse und der seiner Familie verfügt . Denn es knüpft nicht an eine Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers oder seiner Kinder an, 26 Vgl. Verordnung (EWG) Nr. 1247/92 des Rates vom 30. April 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl.EG 1992 Nr. L 136/1 (letztmaliger Abruf am 27.05.19). 27 Die in Art. 70 Abs. 2 Buchst. c VO 883/2004 enthaltene Vorgabe, wonach die betreffende Leistung in Anhang X der Koordinierungsverordnung aufgeführt sein muss, ist nicht konstitutiv, vgl. Fuchs, in: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht, Art. 70 VO 883/2004, Rn. 17, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Siehe zu dieser Leistungskategorie sowie zur Sozialhilfe eingehend Bokeloh, Die Sozialleistungen im europäischen Kontext – Soziale Sicherheit, Sozialhilfe, besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, WzS 2017, S. 105 ff. 28 Vgl. insoweit auch EuGH, Urt. v. 19.9.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 62. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 12 sondern gewährleistet nach § 31 Abs. 1 S. 1 EStG in erster Linie die Freistellung des steuerlichen Existenzminimums von Kindern. Und zwar nicht nur in der Form des steuerlichen Freibetrags , sondern auch in Gestalt des monatlich ausgezahlten Kindergeldes, dass im laufenden Kalenderjahr als Steuervergütung gezahlt wird (vgl. § 31 Abs. 1 S. 3 EStG). Auch das Kindergeld steht damit gerade solchen Personen zu, die erwerbstätig sind und hierdurch über (ausreichende ) Existenzmittel verfügen, die der Einkommensbesteuerung unterliegen. Nur soweit es für diesen steuerlichen Zweck nicht erforderlich ist, weil wenig oder kein Einkommen erzielt wird, dient das Kindergeld nach § 31 Abs. 1 S. 2 EStG der „Förderung der Familie “ und „[wirkt] wie eine Sozialleistung“29. Nach Rechtsprechung und Schrifttum zum deutschen Recht wird das Kindergeld mit seinem Förderanteil materiell-rechtlich als Sozialleistung 30 betrachtet und ihm daher insgesamt eine Doppelfunktion zugeschrieben – als steuerliche und soziale Leistung.31 Dessen ungeachtet wird Kindergeld im Fall der Bedürftigkeit des Anspruchsinhabers und einem parallelen Bezug weiterer, allerdings „formaler“ Sozialhilfeleistungen nach SGB II oder SGB XII als Einkommen gewertet und auf die Höhe der betreffenden Sozialleistung angerechnet .32 Im Fall des Bezugs durch Drittstaatsangehörige wird es nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz zudem nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel angesehen, die dazu führt, dass eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts durch den Ausländer ausgeschlossen wird.33 Dies macht deutlich, dass das Kindergeld aus der Binnensicht des deutschen Rechts jedenfalls nicht einheitlich als Sozialleistung betrachtet wird. Ob allein seine soziale Dimension und Wirkung bei fehlendem Einkommen genügen, um das Kindergeld für derartige Fälle als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL zu qualifizieren, hängt von mehreren Aspekten ab. Zunächst stellt sich die eher formale Frage, ob die Rechtsprechungsdefinition die Aufspaltung einer Leistungskategorie in einen (materiell) sozialen und sonstigen – hier – steuerlichen Teil zulässt. Anhaltspunkte hierfür bietet der Wortlaut, der mit dem Begriff der Hilfssysteme eher auf die Leistungskategorie als auf ihre konstellationsabhängigen Wirkungen abzielt, jedoch nicht. Da auch das Kindergeld beitragsunabhängig und steuerlich finanziert ist, dürfte aus materieller Sicht die entscheidende Frage lauten, ob die Rechtsprechungsdefinition so zu verstehen ist, 29 So die Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 72. 30 Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 8. 6. 2004, 2 BvL 5/00, FPR 2004, 632; Selder, in: Blümich, EStG, § 31 EStG (145. EL v. Dez. 2018), Rn. 21, mit weiteren Nachweisen. 31 Selder, in: Blümich, EStG, § 31 EStG (145. EL v. Dez. 2018), Rn. 21 f. 32 Vgl. § 11 Abs. 1 SGB II, § 82 Abs. 1 SGB XII, siehe auch Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 72. 33 Auf diesen Wertungswiderspruch weist der Deutsche Caritasverband in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch hin, S. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 13 dass die betreffende Leistung eine Bedürftigkeit des Antragstellers voraussetzt. Die jetzige Formulierung ist insoweit mehrdeutig, als sie nur verlangt, dass die Leistung von Einzelnen in Anspruch genommen wird, die nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung ihrer Grundbedürfnisse verfügen. Dass die betreffende Leistung nur für diese Fälle konzipiert sein muss und nur von bedürftigen Personen in Anspruch genommen werden kann, lässt sich diesem Wortlaut zumindest nicht zwingend entnehmen. Insoweit stellt sich die Frage nach dem Sinn und Zweck des Begriffs der Sozialhilfe sowie seiner Verankerung in der Ausschlussoption des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL. In Bezug auf den Begriff selbst lässt sich dem Urteil in der Rechtssache Brey entnehmen, dass dieser „nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen ist.“34 Zwar ging es dort nicht um seine Verankerung in Art. 24 Abs. 2 Freizügigkeits RL, sondern in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b FreizügigkeitsRL, in welchem die Aufenthaltsvoraussetzungen wirtschaftlich nicht aktiver Unionsangehöriger geregelt sind. Die im Urteil Brey entwickelte Begriffsdefinition übertrug der EuGH in späteren Urteilen allerdings auf den Regelungskontext des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL, so dass die zitierte Vorgabe auch in insoweit Geltung beanspruchen kann. Zu fragen ist daher hier, welchen Sinn und Zweck gerade die Ausschlussoption in Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL verfolgt. In dem Urteil in der Rechtssache García-Nieto führt der EuGH dazu Folgendes aus: „Die betreffende Vorschrift steht […] im Einklang mit dem Ziel der Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten, das mit der Richtlinie 2004/38 verfolgt wird […]. Da die Mitgliedstaaten von Unionsbürgern nicht verlangen dürfen, dass diese für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten im Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaats über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts und eine persönliche Absicherung für den Fall der Krankheit verfügen, ist es legitim, dass den betreffenden Mitgliedstaaten nicht auferlegt wird, während dieses Zeitraums die Kosten für sie zu übernehmen.“35 Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass jegliche (Sozial-)Leistungen als Sozialhilfe im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind, soweit sie in der konkreten Situation des Leistungsbeziehers dazu führen, dass hierdurch der Lebensunterhalt im Aufnahmemitgliedstaat überhaupt erst bestritten werden kann, weil eigene oder ausreichende Existenzmittel fehlen. Konkret belegen lässt sich ein solch weites Verständnis in den bisher entschiedenen Fällen allerdings nicht. Gegen eine derart weite Auslegung des Sozialhilfebegriffs streitet zum einen der Grundsatz der engen Auslegung, der angesichts der Abweichung vom Diskriminierungsverbot in Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL nach ständiger Rechtsprechung zu beachten ist.36 Denn dieses Verständnis führt dazu, dass alle staatlichen (Geld-)Leistungen oder sonstigen Vergünstigungen, die auch 34 EuGH, Urt. v. 19.9.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 60. 35 EuGH, Urt. v. 25.02.2016, Rs. C-299/14 (García-Nieto), Rn. 45. 36 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.02.2013, Rs. C-46/12 (L. N.), Rn. 33. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 14 von bedürftigen Personen in Anspruch genommen werden können, jedenfalls im Fall des Bezugs durch diese Personen als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 Freizügigkeits RL anzusehen wären. Zum anderen sprechen auch systematische Gründe gegen ein derart weites Verständnis des Sozialhilfebegriffs . Im Kontext anderer Rechtsakte, wie insbesondere der Koordinierungsverordnung wird dieser auf Leistungen beschränkt, die an die Bedürftigkeit anknüpfen,37 was bei Kindergeld und Familienleistungen gerade nicht der Fall ist. Eine abschließende Beurteilung ist vor diesem Hintergrund – ausgehend von dem bisherigen Rechtsprechungsbefund – nicht möglich. 3.1.2.1.2. Vergleich mit besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen Die Schwierigkeiten der Subsumtion unter die Rechtsprechungsdefinition spiegeln sich auch in einem Vergleich des Kindergeldes in seiner koordinierungsrechtlichen Qualifizierung als Familienleistung mit den besonderen beitragsabhängigen Geldleistungen wieder, die nach bisheriger Rechtsprechung als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL anzusehen sind: Nach der Koordinierungsverordnung handelt es sich hierbei um zwei grundverschiedene Leistungskategorien . Während die zweitgenannten per definitionem bedürfnisabhängige existenzsichernde oder -ergänzende Leistungen des Einzelnen erfassen, dienen Familienleistungen als Sach- oder Geldleistungen dem Ausgleich von Familienlasten, ohne hierbei eine Bedürftigkeit vorauszusetzen (vgl. Art. 1 Buchst. z VO 883/2004).38 Familienleistungen stellen ferner – anders als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen – klassische Leistung der sozialen Sicherheit dar, die seit Anbeginn der europäischen Integration der Koordinierung und dabei insbesondere auch dem Exportgebot (vgl. Art. 67 VO 883/2004) unterliegen. Ob und inwieweit diesen Unterschieden für die Qualifizierung einer Leistung als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL eine entscheidende Bedeutung zukommt, lässt sich angesichts der bisher nur wenigen einschlägigen EuGH-Urteile nicht abschließend bestimmen. Die Unterschiede beider Leistungskategorien streiten jedenfalls gegen eine Einordnung von Kindergeld im Besonderen und Familienleistungen im Allgemeinen als Sozialhilfe nach dieser Richtlinienbestimmung. 3.1.2.2. Zwischenergebnis Ob der Kindergeldausschluss nach § 62 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E für die ersten drei Aufenthaltsmonate in materieller Hinsicht auf Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL gestützt werden kann, lässt 37 Vgl. insbesondere Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004 sowie Art. 3 Abs. 5 VO 883/2004, wenngleich der Begriff im letzten Fall nicht ausdrücklich verwendet wird. Siehe zum Begriffsverständnis jeweils 38 Siehe auch EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 60 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 15 sich aufgrund der Mehrdeutigkeit der Definition des Sozialhilfebegriffs im Sinne dieser Richtlinienbestimmung sowie der nur wenigen EuGH-Entscheidungen hierzu nicht abschließend bestimmen . Möglich wäre dies nur, soweit dieser Sozialhilfebegriff eine Bedürftigkeit für den Leistungsbezug nicht voraussetzt, eine (sozialhelfende) Wirkung der Leistung für den Betroffenen genügen lässt und eventuelle weitere Leistungsfunktionen (hier steuerliche) ausblendet. Zwar lässt sich der bisherigen Rechtsprechung ein solch weiter Sinn und Zweck des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL in abstrakter Hinsicht entnehmen. In der Sache belegen lässt er sich auf Grundlage der relevanten Urteile indes nicht. Gegen eine so weite Auslegung streiten neben dem Grundsatz der engen Auslegung, der in Bezug auf den Ausnahmecharakter des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL zu beachten ist, auch systematische Erwägungen hinsichtlich dieses Begriffsverständnisses, insbesondere im Vergleich zur Koordinierungsverordnung. Und schließlich sprechen auch die Unterschiede zwischen dem Kindergeld als Familienleistung und den als Sozialhilfe im Sinne dieser Richtlinienbestimmung bisher anerkannten besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gegen eine Qualifizierung des Kindergeldes als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL. 3.1.3. Zur personellen Reichweite des Kindergeldausschlusses im Lichte des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL Sollte davon auszugehen sein, dass das Kindergeld in sachlicher Hinsicht als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL anzusehen ist, dann stellt sich die Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 62 Abs. 1a S. 1 und 2 EStG-E für die ersten drei Aufenthaltsmonate in personeller Hinsicht unionsrechtlich zulässig ausgestaltet wurde. Hieran bestehen Zweifel. Diese finden ihre Ursache zum einen darin, weil von dem Kindergeldausschluss auch Personen betroffen sind, die über bestimmte Einkünfte verfügen und daher nicht ohne weiteres als wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger zu betrachten sind (3.1.3.1.). Zum anderen stellt sich die Frage, ob der Ausschluss auch solche wirtschaftlich nicht aktiven Personen umfassen kann, die ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union39 (im Folgenden: VO 492/2011) herleiten (3.1.3.2.). Zur Rechtslage in Bezug auf Arbeitssuchende wird auf die Ausführungen unten unter 3.3. verwiesen .40 39 Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, ABl.EU 2011 Nr. L 141/1, letzte konsolidierte Fassung vom 13.05.2018. 40 Siehe unten S. 33 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 16 3.1.3.1. Ausschluss von Personen mit Einkommen nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EStG Laut Gesetzesbegründung enthält § 62 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E einen „Leistungsausschluss für neu zugezogene, nicht erwerbstätige Unionsbürger“.41 Dies entspricht Art. 24 Abs. 2 Freizügigkeits RL insoweit, als der dort geregelte Leistungsausschluss in dem hier relevanten Bereich nur gegenüber „anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen [und] Personen, denen dieser Status erhalten bleibt“, Anwendung findet.42 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Nichtberücksichtigung von EU-Angehörigen , die ausschließlich43 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen haben (vgl. § 62 Abs. 1a S. 1 u. 2 ESt-G in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EStG), als zulässige Umsetzung von Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL angesehen werden kann. Das ist nur dann der Fall, wenn Personen mit (ausschließlich) diesen Einkünften nicht als Selbständige im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie anzusehen sind. Die Kategorie der Arbeitnehmer oder der Personen, denen diese oder die Eigenschaft als Selbständiger erhalten bleibt,44 ist vorliegend mit Blick auf die beiden genannten Einkommensarten nicht einschlägig. Im Folgenden ist zunächst der Begriff des Selbständigen im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie zu bestimmen (3.1.3.1.1. und 3.1.3.1.2.) und sodann zu prüfen, ob dieser Personen mit Einkünften Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (3.1.3.1.3.) sowie aus Kapitalvermögen erfasst oder ausnimmt (3.1.3.1.4.). 3.1.3.1.1. Selbständige im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie Die Freizügigkeitsrichtlinie selbst enthält keine Begriffsbestimmung des dort verwandten Terminus des Selbständigen. Auch in der Rechtsprechung findet sich hierzu – soweit ersichtlich – keine Definition. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff aus dem Normkontext heraus zu bestimmen . Dieser ergibt sich zum einen aus den primärrechtlichen Vorgaben zu Aufenthaltsrechten von Unionsbürgern, den einschlägigen Rechtsgrundlagen, auf die die Freizügigkeitsrichtlinie gestützt wurde, sowie den durch sie aufgehobenen Rechtsakten zum Aufenthaltsrecht von 41 Siehe Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 70. Vgl. auch S. 71, wonach sich „für wirtschaftlich aktive Unionsbürger […] keine Einschränkungen des Kindergeldanspruchs [ergeben].“ 42 Daneben erfasst der Leistungsausschluss noch „andere Personen […] gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b)“. Aus diesem Verweis wird ersichtlich, dass es sich um Arbeitssuchende handelt. Diese erzielen per definitionem keine Einnahmen, so dass der Ausschluss dieser Personengruppe vom Kindergeldbezug zumindest in personeller Hinsicht unionsrechtlich unbedenklich ist. Siehe zur materiellen Bewertung unten unter 3.3., S. 33 ff. 43 Werden daneben noch Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG erzielt, so genügt dies für den Kindergeldbezug . Das zusätzliche Vorliegen der an sich in den Ausschluss einbezogenen Einkunftsarten ist dann irrelevant. 44 Durch diese Formulierung wird auf § 7 Abs. 3 FreizügigkeitsRL Bezug genommen, der mehrere Tatbestände enthält, in denen eine vormals bestehende Erwerbstätigkeit und damit das daran geknüpfte Aufenthaltsrecht als fortbestehend fingiert wird (u. a. vorübergehende Krankheit und unfreiwillige Arbeitslosigkeit). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 17 EU-Angehörigen. Zum anderen sind die durch die Richtlinie selbst getroffenen Differenzierungen zum Kreis der aufenthaltsberechtigten Personen zu berücksichtigen. Primärrechtlich gibt es nur zwei Rechtsquellen für Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern: Das allgemeine Aufenthalts- und Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 Abs. 1 AEUV sowie die personenbezogenen Grundfreiheiten – die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV, die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV sowie die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 f. AEUV.45 Das Aufenthaltsrecht als akzessorisches Begleitrecht der eine Erwerbstätigkeit voraussetzenden Grundfreiheiten ergibt sich nur für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ausdrücklich aus deren Wortlaut (vgl. Art. 45 Abs. 3 Buchst. c AEUV). Für die anderen beiden Grundfreiheiten folgt das nach ständiger Rechtsprechung aus deren Sinn und Zweck.46 Die Einschlägigkeit der genannten subjektiven Unionsbürgerrechte spiegelt sich sodann auch in den Rechtsgrundlagen wieder, auf welche die Freizügigkeitsrichtlinie gestützt wurde. Es handelt sich hierbei – soweit es das Aufenthaltsrecht und seine Konkretisierung angeht – um Vertragsvorschriften aus dem Bereich einerseits der allgemeinen Freizügigkeit und andererseits der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit, die nach Art. 62 AEUV insoweit auch für die Dienstleistungsfreiheit Anwendung finden.47 Aus dieser Dualität der primärrechtlichen Rechtsquellen folgt letztlich auch die Unterscheidung von wirtschaftlich nicht aktiven und wirtschaftlich aktiven Unionsbürgern. Denn während das allgemeine Freizügigkeitsrecht einen bestimmten Aufenthaltszweck nicht voraussetzt, aber (v. a. sekundärrechtlich) an „Beschränkungen und Bedingungen“ geknüpft werden kann,48 können sich auf die grundfreiheitlichen Aufenthaltsrechte nur solche Personen berufen, deren Tätigkeit im Aufenthaltsstaat in den sachlichen Anwendungsbereich der drei genannten Grundfreiheiten fällt. Das daran geknüpfte Aufenthaltsrecht ist sodann weiteren Beschränkungen und Bedingungen nicht unterworfen, insbesondere nicht dem Erfordernis ausreichender Existenzmittel . Bis zum Inkrafttreten der Freizügigkeitsrichtlinie verteilte sich die sekundärrechtliche Konkretisierung der unionalen Aufenthaltsrechte auf mehrere Richtlinien. An diesen wurde nicht nur die grundlegende Unterscheidung zwischen wirtschaftlich aktiven und nicht aktiven Unions- 45 Die sachbezogenen Grundfreiheiten der Waren- und der Kapitalverkehrsfreiheit, vgl. Art. 28 ff. AEUV bzw. Art. 63 Abs. 1 AEUV, gewähren – soweit ersichtlich – kein Aufenthaltsrecht. Die von diesen beiden Grundfreiheiten erfassten wirtschaftlichen Vorgänge erfordern gerade keinen Grenzübertritt von Personen, vgl. etwa für die Kapitalverkehrsfreiheit Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 63 AEUV (62. EL Juli 2017), Rn. 120. 46 Vgl. grundlegend EuGH, Urt. v. 8.4.1976, Rs. 48/75 (Royer), Rn. 19/23; EuGH, Urt. v. 5.2.1991, Rs. C-363/89 (Roux), Rn. 9. 47 Angegeben werden im Rechtsaktsrubrum insoweit die Artikel 18, 40, 44, und 52 EG-Vertrag, heute Art. 21 (Abs. 2), Art. 46, Art. 50 und 59 AEUV. 48 Siehe hierzu Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, 2018, Art. 21 AEUV, Rn. 30 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 18 bürgern deutlich, sondern weitergehend auch Differenzierungen zwischen den grundfreiheitlichen Aufenthaltsrechten – aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit einerseits und der Niederlassungs - und Dienstleistungsfreiheit andererseits.49 Die letztgenannte Differenzierung beruht auf der Unterscheidung von abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, die zugleich die sachlichen Schutzbereiche insbesondere der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit voneinander abgrenzt.50 Die Freizügigkeitsrichtlinie greift beide Unterscheidungen auf, zunächst die grundlegende Unterscheidung von wirtschaftlich aktiven und nicht aktiven Unionsbürgern, aber auch die zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen. Dies betrifft vor allem den Aufenthalt von mehr als drei Monaten und die daran geknüpften Voraussetzungen. Nach Art. 7 Abs. 1 FreizügigkeitsRL haben Unionsbürger ein im Übrigen voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht, wenn sie Arbeitnehmer oder Selbständige sind (vgl. Buchst. a), während das Aufenthaltsrecht anderer, wirtschaftlich nicht aktiver Personen davon abhängig ist, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen u. a. über ausreichende Existenzmittel verfügen (vgl. Buchst. b). Obgleich nicht an allen Stellen in der Freizügigkeitsrichtlinie durchgehend (auch) zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen unterschieden wird, sondern teils nur an eine Erwerbstätigkeit angeknüpft wird (vgl. etwa Art. 7 Abs. 3, Art. 17 FreizügigkeitsRL), machen insbesondere Art. 7 Abs. 1 Buchst. a sowie Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL deutlich, dass diese beiden Formen der wirtschaftlichen Betätigung weiterhin unter aufenthaltsrechtlichen Gesichtspunkten unterschieden werden. Da diese Unterscheidung ihren Grund in den beiden unterschiedlichen primärrechtlichen Schutzbereichen beider Grundfreiheiten findet und die Freizügigkeitsrichtlinie beide unter dem Gesichtspunkt des Aufenthaltsrechts lediglich konkretisiert, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass beide Begriffe – des Arbeitnehmers und des Selbständigen – jedenfalls nicht hinter die sachlichen Schutzbereiche der beiden Grundfreiheiten zurückfallen, sondern mit diesen in Übereinstimmung zu bestimmen sind. Ob diese beiden Begriffe darüber hinaus einen weitergehenden Inhalt aufweisen und Tätigkeiten oder Situationen umfassen, die zwar im Aufnahmestaat nicht den sachlichen Schutzbereichen einer der genannten Grundfreiheiten unterfallen, aber in der Gesamtbetrachtung, etwa weil sich die wirtschaftliche Tätigkeit des betreffenden Unionsbürgers in einem dritten Mitgliedstaat manifestiert, den Grundfreiheiten gleichwohl zuzuordnen sind, soll an dieser Stelle 49 Vgl. dazu auch Erwägungsgrund Nr. 4 der Freizügigkeitsrichtlinie (Fn. 8), in welchem die betreffenden Rechtsakte aufgeführt werden. 50 Auch die Dienstleistungsfreiheit erfasst selbständige Erwerbstätigkeiten. Im Unterschied zur Niederlassungsfreiheit werden diese nur vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Grundfreiheiten manifestiert sich hingegen im Merkmal der Niederlassung, die im Fall der Dienstleistungsfreiheit eben nicht in einem anderen Mitgliedstaat begründet wird, sondern im Herkunftsstaat verbleibt, vgl. dazu Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 56 AEUV, Rn. 34 ff. Für die Freizügigkeitsrichtlinie spielt diese Unterscheidung offensichtlich keine Rolle, da in beiden Fällen unzweifelhaft ein Aufenthaltsrecht besteht. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 19 nicht weiter vertieft werden.51 Grund hierfür ist, dass sich diese Frage nur für die Fälle stellt, in denen der Ausschluss in Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL auch Leistungen wie das Kindergeld erfasst, die keine Bedürftigkeit voraussetzen und dem Grunde nach sowohl wirtschaftlich aktiven als auch nicht aktiven Personen zugutekommen. Hier stellt sich nämlich die Frage nach dem Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL in anderer Weise als wenn von dieser Vorschrift nur Leistungen erfasst würden, die eine Bedürftigkeit voraussetzen. In letztgenannten Fällen kommt eine Inanspruchnahme nämlich nur in Betracht, wenn die betreffenden Personen nicht über eigene ausreichende Existenzmittel verfügen, weil sie nirgendwo wirtschaftlich aktiv sind. Da die Mitgliedstaaten ausreichende Existenzmittel für die ersten drei Monate nicht als Aufenthaltsvoraussetzung einfordern dürfen, ist es nach der Rechtsprechung des EuGH „legitim, dass den betreffenden Mitgliedstaaten nicht auferlegt wird, während dieses Zeitraums die Kosten für [wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger] zu übernehmen .“52 Ist Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL hingegen so zu verstehen – wie hier für die weitere Prüfung unterstellt –, dass er auch auf nicht an die Bedürftigkeit gebundene Leistungen Anwendung findet , so werden von einem Ausschluss ggf. auch solche Unionsbürger erfasst, die zwar im Aufnahmemitgliedstaat wirtschaftlich nicht aktiv sind, aber etwa aufgrund einer in anderen Mitgliedstaaten ausgeübten wirtschaftlichen Betätigung über ausreichende Existenzmittel verfügen und hierauf in Deutschland zur Einkommenssteuer herangezogen werden. Ob Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL auch den Leistungsausschluss für solche Konstellationen bezweckt, erscheint im Lichte des obigen EuGH-Zitats allerdings fraglich und begründet einen weiteren Zweifel an einem solch weiten sachlichen Verständnis dieser Ausnahmebestimmung.53 Für die weitere Untersuchung zum personellen Anwendungsbereich soll sie daher außer Betracht bleiben. 3.1.3.1.2. Sachlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit Im Folgenden ist daher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV eröffnet ist. Diese ergeben sich zum einen aus dem Begriff der Niederlassung in Art. 49 Abs. 1 S. 1 AEUV sowie zum anderen aus den Vorgaben des Art. 49 Abs. 2 AEUV, wonach „die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen [… erfasst].“ In der Rechtsprechung wird unter dem Begriff der Niederlassung „die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat 51 So ist etwa an Konstellationen zu denken, in denen ein Unionsbürger in Deutschland wohnt, seine Einkünfte ausschließlich durch Direkt- oder Portfolioinvestitionen in anderen Mitgliedstaaten bestreitet. Ein solcher Vorgang unterfällt zwar der Niederlassung- oder Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 49 AEUV bzw. 63 Abs. 1 AEUV, führt aber nicht zu einem Aufenthaltsrecht in Deutschland aus diesen Grundfreiheiten. Einschlägig dürfte insoweit vielmehr das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 21 Abs. 1 AEUV sein. 52 EuGH, Urt. v. 11.11.2014, Rs. C-333/13 (Dano), Rn. 45, in Bezug auf den Sinn und Zweck des Ausschlusses nach Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL im Hinblick auf Sozialhilfeleistungen, vgl. Rn. 43 ff. 53 Siehe bereits oben unter 3.1.2., S. 10 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 20 auf unbestimmte Zeit […]“ verstanden.54 Er wird „sehr weit gefasst und impliziert die Möglichkeit für einen [Unions]angehörigen, in stabiler und kontiniuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen , wodurch die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der [Union] im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert wird.“55 Die in Art. 49 Abs. 2 AEUV enthaltenen Begriffe der Erwerbstätigkeit und Selbständigkeit wurden – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung nicht weiter definiert. Im Schrifttum werden sie auf Grundlage der Rechtsprechung und der dort entschiedenen Konstellationen dahingehend verstanden, dass zum einen nur wirtschaftliche, dem Erwerb dienende Sachverhalte erfasst sind (Erwerbstätigkeit) und die betreffenden Tätigkeiten zum anderen – in Abgrenzung zur abhängigen Beschäftigung – auf eigene Rechnung und eigenes Risiko ausgeübt werden (Selbständigkeit ).56 3.1.3.1.3. Personen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Nach deutschem Recht sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG u. a. solche, die aus unbeweglichem Vermögen erzielt werden, insbesondere aus Grundstücken, Gebäuden , Gebäudeteilen (vgl. Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift). Kennzeichnend für derartige Tätigkeiten sind in der Regel neben der Selbständigkeit und Nachhaltigkeit die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sowie die Gewinnerzielungsabsicht.57 Insoweit entsprechen Tätigkeiten , die dieser Einkunftsart zuzurechnen sind, gewerblichen und selbständigen Tätigkeiten, die vom Ausschluss nach § 65 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E ausgenommen sind.58 Für die Abgrenzung insbesondere zu einer gewerblichen Vermietung und Verpachtung kommt es im Wesentlichen darauf an, wie die Tätigkeit nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen ist. Grundsätzlich handelt es sich bei Vermietung und Verpachtung nach der Rechtsprechung um eine private Vermögensverwaltung und keine gewerbliche (oder selbständige) Tätigkeit, und zwar auch 54 Ständige Rechtsprechung, siehe etwa EuGH, Urt. v. 25.7.1991, Rs. C-221/89 (Factortame u. a.), Rn. 20. Aus dem Schrifttum siehe etwa Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 45), Art. 49 AEUV (43. EL März 2011), Rn. 16, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 55 Ständige Rechtsprechung, siehe etwa EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Rn. 25; EuGH, Urt. v. 14.09.2006, Rs. C-386/04 (Stauffer), Rn. 18. 56 Vgl. etwa Schlag, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 49 AEUV, Rn. 18 bzw. Rn. 21 ff.; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Netteshein (Fn. 45), Art. 49 AEUV (43. EL 2011), Rn. 18 ff. bzw. Rn. 51. 57 Vgl. etwa Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG (145. EL Dez. 2018), Rn. 112, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 58 So Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG (145. EL Dez. 2018), Rn. 112. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 21 dann, wenn das vermietete oder verpachtetete Vermögen sehr umfangreich ist, die darauf bezogene Tätigkeit eine erhebliche Verwaltungstätigkeit erfordert oder die hiervon betroffenen Räume gewerblichen Zwecken der Mieter bzw. Pächter dienen.59 Damit erfüllt auch eine als private Vermögensverwaltung zu qualifizierende Vermietung und Verpachtungstätigkeit jedenfalls die im Schrifttum gestellten Anforderungen an eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne der Niederlassungsfreiheit, da sie als wirtschaftliche Tätigkeit dem Erwerb dient sowie auf eigene Rechnung und eigenes Risiko erfolgt. Was das Niederlassungserfordernis angeht, so kann zumindest darauf verwiesen werden, dass der unionsangehörige Vermieter bzw. Verpächter in den hier relevanten Konstellationen seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben muss. Dass eine Vermietung und Verpachtung eigenen Vermögens von der Niederlassungsfreiheit umfasst sein kann, ergibt sich sodann auch aus der Rechtsprechung des EuGH. Danach ist diese Tätigkeit jedenfalls dann als unter die Niederlassungsfreiheit fallend anzusehen, wenn „eine dauernde Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt ist und […] im Fall des Erwerbs und des Besitzes von Grundstücken deren Verwaltung aktiv erfolgt.“60 Was unter einer dauernden Präsenz zu verstehen ist, lässt sich den einschlägigen Entscheidungen nicht entnehmen. Denn in beiden Fällen ging es um Grundstücke im Eigentum von Gesellschaften, wobei letztere über keinerlei Präsenz in dem jeweiligen Belegenheitsstaaten verfügten. Hinsichtlich der Vorgabe einer aktiven Verwaltung folgt aus der einen Rechtssache lediglich, dass die Einbeziehung einer Hausverwaltung dies wohl ausschließt.61 Zu beachten ist allerdings, dass es in beiden Rechtssachen nicht um die Frage ging, ob die streitgegenständlichen Vermietungen und Verpachtungen überhaupt einer Grundfreiheit zuzuordnen waren, sondern allein welcher: der Niederlassungs- oder der Kapitalverkehrsfreiheit. In beiden Fällen ordnete der EuGH die Konstellationen – auch wegen mangelnder Präsenz im Belegenheitsstaat – der letztgenannten Grundfreiheit zu. Diese Möglichkeit besteht in den hier relevanten Fällen jedoch nicht, da die betroffenen Personen einen Wohnsitz bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Belegenheitsstaat haben (müssen), was im Fall der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV zu einem rein inländischen Sachverhalt und somit zum einer Nichtanwendung dieser Grundfreiheit führt. Was der vom EuGH vorgenommenen Einordnung allerdings in jedem Fall entnommen werden kann, ist, dass der wirtschaftliche Charakter von Vermietungen und Verpachtungen außer Frage steht, da die Grundfreiheiten generell nur wirtschaftliche Vorgänge erfassen. Dienen die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dem im Belegenheitsstaat wohnhaften oder sich gewöhnlich aufhaltenden Unionsbürger als Erwerbsquelle, so spricht der weit zu verstehende 59 Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG (145. EL Dez. 2018), Rn. 113. Siehe aus der Rechtsprechung etwa BFH, Urt. v. 14.07.2016, IV R 34/13, wonach auch die Vermietung eines Einkaufszentrums grundsätzlich als private Vermögensverwaltung anzusehen ist und. keinen Gewerbebetrieb darstellt. 60 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.10.2007, Rs. C-451/05 (ELISA), Rn. 64; EuGH, Urt. v. 14.09.2006, Rs. C-386/04 (Stauffer), Rn. 19. 61 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.09.2006, Rs. C-386/04 (Stauffer), Rn. 19. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 22 Niederlassungsbegriff für eine Qualifizierung solcher Sachverhalte als Ausübung der Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 49 AEUV. Dass derartige Tätigkeiten in solchen Konstellationen allein aufgrund der Einschaltung Dritter und einer daraus folgenden bloßen „passiven“ Verwaltung nicht von der Niederlassungsfreiheit und damit auch von keiner anderen Grundfreiheit erfasst sein sollen, erscheint mit der Intention dieser wirtschaftlichen Gewährleistungen des primären Unionsrechts schwerlich vereinbar. Und selbst wenn dies der Fall sein sollte, dürfte jedenfalls der pauschale Ausschluss von Unionsbürgern mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht auf Art. 24 Abs. 2 Freizügigkeits RL gestützt werden können, da er eben auch solche Unionsbürger erfassen würde, die ihr eigenes Vermögen im Sinne der Rechtsprechung aktiv verwalten. 3.1.3.1.4. Personen mit Einkünften aus Kapitalvermögen Einkünften aus Kapitalvermögen werden nach der Aufzählung in § 20 EStG verschiedenen Konstellationen zugeordnet. Von besonderem Interesse sind vorliegend Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung usw. (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Erfasst werden allerdings bspw. auch Zinsen aus Hypotheken und Grundschulden und Renten aus Rentenschulden (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Ebenso wie im Fall der Vermietung und Verpachtung werden auch Kapitaleinkünfte und darauf bezogene Tätigkeiten grundsätzlich als private Vermögensverwaltung angesehen, die es insbesondere von einer gewerblichen Tätigkeit abzugrenzen gilt, wobei auch hier die Verkehrsanschauung maßgeblich ist.62 So begründet etwa allein die Inhaberschaft von Anteilen an Kapitalgesellschaften noch keinen Gewerbebetrieb, selbst wenn der betreffende Gesellschafter sämtliche Anteile einer Gesellschaft besitzt und dadurch in der Lage ist, einen entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen auszuüben.63 Als private Vermögensverwaltung dürfte daher erst recht eine reine Investitionsbeteiligung anzusehen sein, die keinen Einfluss auf die Gesellschaft ermöglicht, soweit nicht besondere Umstände hinzutreten. Aus Sicht der Grundfreiheiten werden solche Unternehmensbeteiligungen in der Regel wie folgt beurteilt: Der erste Fall einer Beteiligung, die einen entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ermöglicht, unterliegt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich der Niederlassungsfreiheit, die nach Art. 49 Abs. 2 AEUV ausdrücklich auch die Gründung und Leitung von Unternehmen erfasst. Danach sind Beteiligungen, „die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen, [dem] Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit [zuzuordnen].“64 Hiervon abzugrenzen sind sog. Portfolioinvestitionen, d. h. „Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage 62 Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG (145. EL Dez. 2018), Rn. 110, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 63 Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG (145. EL Dez. 2018), Rn. 111. 64 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28.02.2013, Rs. C-168/11 (Beker), Rn. 25; EuGH, Urt. v. 13.11.2012, Rs. C-35/11 (Test Claiments in the FII Group Litigation), Rn. 91, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 23 erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll […].“65 Diese werden ausschließlich von der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV erfasst.66 Soweit ersichtlich, zeichnet die Entscheidungen zu beiden Konstellationen in tatsächlicher Hinsicht aus, dass sich Investor und Investitionsobjekt jeweils in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten befunden haben. Für die Niederlassungsfreiheit erscheint dieser Umstand zunächst befremdlich , weil diese Grundfreiheit eine dauerhafte Präsenz in einem anderen (Niederlassungs-)Mitgliedstaat erfordert. In der genannten Konstellation, auch als sog. Direktinvestition bezeichnet, wird der Anforderung allerdings bereits durch das in dem Investitionsmitgliedstaat ansässige (niedergelassene) Unternehmen Genüge getan, welches über die beherrschende Beteiligung des Investors kontrolliert wird; dessen „Niederlassung“ im Investitionsstaat ist insoweit nicht erforderlich , um diese Voraussetzung der Grundfreiheit zu erfüllen. Im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit ist die mitgliedstaatlich-räumliche Trennung von Investor und Investitionsstaat hingegen konstitutiv, da diese Grundfreiheit eine grenzüberschreitende (einseitige) Wertübertragung erfordert.67 Befindet sich der Investor im Investitionsstaat, liegt – unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Investors – hingegen ein rein innerstaatlicher Sachverhalt vor, der von dem Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nicht erfasst wird.68 Für die hier relevanten Konstellationen der Beteiligungseinkünfte aus Kapitalvermögen ist kennzeichnend , dass der Investor seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben muss. Ist hier auch die Gesellschaft ansässig, an der die Direkt- oder Portfolioinvestition besteht,69 so stellt sich die Frage, wie sich dieses räumlich-mitgliedstaatliche Zusammenfallen von Investor und Investitionsobjekt auf die grundfreiheitliche Beurteilung des Vorgangs auswirkt , insbesondere auf die Einschlägigkeit der Niederlassungsfreiheit, nach der sich die Reichweite des Selbständigenbegriffs im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL richtet. 65 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28.02.2013, Rs. C-168/11 (Beker), Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13.11.2012, Rs. C-35/11 (Test Claiments in the FII Group Litigation), Rn. 92, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 66 Siehe die in der vorangegangenen Fußnote angegebenen Nachweise. Wo die Grenze zwischen den von der Niederlassungsfreiheit erfassten sog. Direktinvestitionen einerseits und den allein durch die Kapitalverkehrsfreiheit geschützten Portfolioinvestitionen andererseits verläuft, ist umstritten und dürfte auch vom Einzelfall abhängen, siehe hierzu etwa Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 45), Art. 63 AEUV (62. EL Juli 2017), Rn. 303 ff. Im vorliegenden Kontext spielt diese Frage nur eine untergeordnete Rolle, siehe hierzu die Ausführungen weiter unten zu diesem Gliederungspunkt. 67 Vgl. Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 45), Art. 63 AEUV (62. EL Juli 2017), Rn. 133 ff. 68 Vgl. Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 45), Art. 63 AEUV (62. EL Juli 2017), Rn. 133 ff. 69 Zwingend ist letzteres nicht. Möglich ist auch, dass sich die Gesellschaft, an der man beteiligt ist, in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Dieser Vorgang unterfällt je nach Umfang der Beteiligung zwar ebenfalls der Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit. Es stellt sich aber die Frage, ob dies als wirtschaftliche Aktivität im Aufenthaltsstaat anzusehen ist. Siehe zu dieser, sich als personelles Folgeproblem darstellenden Konsequenz der Einordnung des Kindergeldes als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL oben unter 3.1.3.1.1., S. 16 ff. (aE). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 24 Betrachtet man zunächst die Direktinvestitionensfälle, so dürfte der Umstand, dass nun auch der Investor selbst im Investitionsstaat ansässig ist, nichts an der Einschlägigkeit der Niederlassungsfreiheit ändern. Erstens lässt sich den einschlägigen Urteilen nicht entnehmen, dass eine Niederlassung im Sinne einer dauernden Präsenz in diesen Fällen nur durch die beherrschte Gesellschaft ausgefüllt werden kann oder, dass diese sogar einer daneben bestehenden Präsenz des Investors im Niederlassungsstaat entgegensteht. Zweitens würde eine Nichtanwendung der Niederlassungsfreiheit in diesen Konstellationen auch dem Sinn und Zweck dieser Grundfreiheit zuwiderlaufen, die es den Unionsbürgern ermöglichen soll, „in stabiler und kontiniuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen.“70 Wohnt oder lebt der Investor in dem Investitionsstaat, so entspricht dies sogar eher diesem Leitbild als beim Auseinanderfallen von Investor- und Investitionsmitgliedstaat . Zudem erfasst Art. 49 Abs. 2 AEUV ausdrücklich auch die Gründung und Leitung von Unternehmen. Dass eine solche nur aus einem anderen Mitgliedstaat heraus erfolgen kann, lässt sich der Vorschrift gerade nicht entnehmen und würde zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung des sachlichen Anwendungsbereichs führen. Anders stellt sich der Fall für Portfolioinvestitionen dar. Wie oben ausgeführt, schließt das mitgliedstaatlich -räumliche Zusammenfallen von Investor und Investitionsobjekt eine Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit aus. Als von der Niederlassungsfreiheit erfasste Leitung von Unternehmen lässt sich der Vorgang nicht betrachten, da die Portfoliobeteiligung per definitionem keinen „sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft“ erlaubt. Hieraus den Schluss ziehen zu müssen, dass diese Art der Investition in der Konsequenz durch das grundfreiheitliche Raster fällt, erscheint jedoch zweifelhaft. Denn auch diese Art der Investition weist – ebenso wie eine Vermietung und Verpachtung eigener Immobilien etc. – die Merkmale einer selbständigen Erwerbstätigkeit auf: sie ist wirtschaftliche Tätigkeit, die dem Erwerb dient, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko erfolgt. Schließlich wird sie auch „vor Ort“ ausgeübt und damit von einer dauerhaften (tatsächlichen) Präsenz im Investitionsstaat aus. Damit stellt eine Portfolioinvestition zwar weiterhin keine Gründung oder Leitung von Unternehmen dar. Mit Blick auf die genannten Merkmale spricht viel dafür, Portfolioinvestitionstätigkeiten im Wohnmitglieds- bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsstaat als Fälle (sonstiger) selbständiger Erwerbstätigkeit anzusehen, die – ebenso wie die Vermietung und Verpachtung eigener Immobilien – der Niederlassungsfreiheit unterfallen. Geht man diesen Weg, dann dürfte eine solche Zuordnung nicht auf Gesellschaftsbeteiligungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG beschränkt sein, sondern grundsätzlich für alle Investitionskonstellationen gelten, die von § 20 EStG erfasst sind. Somit dürfte auch hier jedenfalls der pauschale Ausschluss von Personen mit Einkünften aus Kapitalvermögen nicht auf Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL gestützt werden können. 3.1.3.1.5. Zwischenergebnis Als Selbständige im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL sind zumindest diejenigen Unionsbürger anzusehen, deren (wirtschaftliche) Tätigkeit in sachlicher Hinsicht der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV unterfällt. Darunter dürften jedenfalls dem Grunde nach auch solche Tätigkeiten fallen, die nach deutschem Steuerrecht zu Einkünften aus Vermietung und 70 Ständige Rechtsprechung, siehe etwa EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Rn. 25; EuGH, Urt. v. 14.09.2006, Rs. C-386/04 (Stauffer), Rn. 18. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 25 Verpachtung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG als auch zu solchen aus Kapitalvermögen nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG als selbständige Erwerbstätigkeiten gehören. Ungeachtet der Frage, ob jegliche Vermietung und Verpachtung eigenen Vermögens sowie jede Form von Kapitaleinkünften die tatbestandlichen Anforderungen der Niederlassungsfreiheit erfüllen, ist davon auszugehen, dass jedenfalls der pauschale Ausschluss von Unionsbürgern mit diesen Einkünften nicht auf Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL gestützt werden kann. 3.1.3.2. Ausschluss von aufenthaltsberechtigten Personen nach Art. 10 der Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union Mit § 62 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E sollen auf Grundlage des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL in erster Linie wirtschaftlich nicht aktive Unionsangehörige vom Kindergeldbezug ausgeschlossen werden. Dazu zählen auch Unionsangehörige, die ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO 492/201171 herleiten. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift können „die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats , der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, […], wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.“ Aus diesem Gleichbehandlungsgebot leitet der EuGH in ständiger Rechtsprechung sowohl ein Aufenthaltsrecht des betreffenden Kindes als auch des Elternteils her, das die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich wahrnimmt,72 und zwar ohne, dass diese Rechte davon abhängig sind, dass die betreffenden Personen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen.73 Aufgrund der Eltern-Kind-Verbindung dürfte diese Aufenthaltsrechtskonstellation für den Kindergeldbezug in sachlicher Hinsicht zwar durchaus relevant sein. Allerdings stellt sich mit Blick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen die Frage, ob sie in zeitlicher Hinsicht überhaupt unter den Kindergeldausschluss nach § 62 Abs. 1a S. 1 und 2 EStG-E fallen könnte. Denn dieser betrifft nur die ersten drei Aufenthaltsmonate. Die sich aus Art. 10 VO 492/2011 ergebenden Aufenthaltsrechte setzen hingegen tatbestandlich voraus, dass zumindest ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat einer abhängigen Beschäftigung nachgegangen sein muss. Es wird also in der Regel nicht um einen erstmaligen Aufenthalt gehen bzw. dieser schon andauern . Gleichwohl ist es aber denkbar, dass bspw. der andere Elternteil erstmals zur Betreuung des Kindes nach Deutschland kommt und ab diesem Zeitpunkt Kindergeld beansprucht. Fraglich ist allerdings, ob Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL auf diese Aufenthaltkonstellation überhaupt anwendbar ist. Wie oben ausgeführt, handelt es sich bei dieser Richtlinienbestimmung dem Wortlaut nach um eine Abweichung von Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL. Das dort 71 Zu den Rechtsaktangaben, siehe oben Fn. 39. 72 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.09.2002, Rs. C-413/99 (Baumbast), Rn. 63, 75; EuGH, Urt. v. 23.02.2010, Rs. C-310/08 (Ibrahim), Rn. 59; EuGH, Urt. v. 23.02.2010, Rs. C-480/08 (Teixeira), Rn. 36, 61. 73 EuGH, Urt. v. 23.02.2010, Rs. C-310/08 (Ibrahim), Rn. 59; EuGH, Urt. v. 23.02.2010, Rs. C-480/08 (Teixeira), Rn. 70. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 26 geregelte Gleichbehandlungsgebot gilt zum einen nur „vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen“ und bezieht sich zum anderen nur auf einen „Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält […].“ Daraus lässt sich zum einen schließen, dass die Freizügigkeitsrichtlinie nicht alle Aufenthaltsrechte erfasst bzw. nicht für alle dieser Rechte Konkretisierungen enthält. Zum anderen gilt das richtlinienspezifische Gleichbehandlungsgebot in Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL nur für solche Aufenthalte, die ihre Rechtsgrundlage in der Freizügigkeitsrichtlinie finden. Das hat zur Folge, dass auch die Ausnahmen von diesem Gebot in Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL nur in Bezug auf solche Aufenthaltskonstellationen Geltung beanspruchen können. Hierzu gehört das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 gerade jedoch nicht.74 Vor diesem Hintergrund gilt auch hier, dass jedenfalls der pauschale Kinderausschluss von Unionsbürgern mit einem Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 durch § 62 Abs. 1a S. 1 und 2 EStG-E nicht auf Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL gestützt werden kann, da diese Richtlinienvorschrift auf das aus dieser Verordnungsvorschrift folgende Aufenthaltsrecht nicht anwendbar ist.75 3.2. Kindergeldbezug ab dem 4. Aufenthaltsmonat § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG-E knüpft den Kindergeldbezug ab dem 4. Aufenthaltsmonat an die Aufenthaltsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU. Zur Begründung dieser Verknüpfung wird in der Gesetzesbegründung auf eine entsprechende Rechtsprechung des EuGH verwiesen (3.2.1.). Von Seiten des Auftraggebers ist hingegen auf das Urteil in der Rechtssache Bogatu hingewiesen worden, welches hier einer gesonderten Erörterung bedarf (3.2.2.). Schließlich ist zu untersuchen, ob die zur Begründung der Verknüpfung herangezogene EuGH-Rechtsprechung in § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG-E auch zutreffend umgesetzt wurde (3.2.3.). Anders als im Hinblick auf den Kindergeldausschluss für die ersten drei Aufenthaltsmonate nach § 61 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E stellen sich in diesem Kontext keine Probleme hinsichtlich der personellen Reichweite des Ausschlusses. Dies gilt vor allem in Bezug auf das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011, da dieses von den in Bezug genommenen Vorschriften des 74 Vgl. hierzu – allerdings noch mit Bezug auf die Vorgängerregelung der VO 492/2011, die durch die aufgehobene Verordnung 1612/68 – EuGH, Urt. v. 23.02.2010, Rs. C-310/08 (Ibrahim), Rn. 25 ff., 59; EuGH, Urt. v. 23.02.2010, Rs. C-480/08 (Teixeira), Rn. 34 ff., 61, 62 ff., 70. Siehe auch Derksen, Keine Sozialhilfe oder Grundsicherung für Arbeitssuchende für EU-Ausländer mit Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO492/2011, infoalso 2016, S. 257 (258); sowie Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 45 AEUV, Rn. 96. 75 Ähnlich, wenngleich nicht nur in Bezug auf den hier relevanten ersten Dreimonatszeitraum, die Stellungnahme der Diakonie, S. 2; des Deutschen Anwaltsvereins durch den Ausschuss Sozialrecht, S. 8 f.; und des Deutschen Caritasverbandes, S. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 27 Freizügigkeitsgesetzes/EU erfasst wird, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 3 Abs. 4 Freizüg G/EU.76 Elternteile, deren Aufenthaltsrecht sich hieraus ableitet, sind vom Kindergeldbezug somit nicht ausgeschlossen. Zur Situation der arbeitssuchenden Angehörigen anderer Mitgliedstaaten , siehe unten unter 3.3. 3.2.1. Zur Rechtsprechung des EuGH Nach der in der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des EuGH sind die Mitgliedstaaten berechtigt „die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger , die wirtschaftlich nicht aktiv sind, von dem Erfordernis abhängig [zu machen], dass diese die Voraussetzungen für einen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllen […].“77 Die Verknüpfung von rechtmäßigem Aufenthalt und dem Anspruch auf Gleichbehandlung bei wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern hat der Gerichtshof sodann ausdrücklich mit Blick auf Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL bestätigt. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung hat er geschlossen , „dass ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen […] nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt.“78 In beiden Fällen ging es dabei um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die aus unionsrechtlicher Sicht sog. besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne des Art. 3 Abs. 3, Art. 70 VO 993/2004 darstellen.79 Bereits hieraus konnte der Schluss gezogen werden, dass die Verknüpfung von rechtmäßigem Aufenthalt nach der Freizügigkeitsrichtlinie und dem Zugang zu sozialen Leistungen auch im Anwendungsbereich der Koordinierungsverordnung zulässig ist, obgleich das dort in Art. 4 VO 883/2004 geregelte Gleichbehandlungsgebot – anders als der Wortlaut des freizügigkeitsrechtlichen Pendants in Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL – eine solche Verbindung nicht vorsieht. Die sich daraus ergebenden und im Schrifttum zum Teil geltend gemachten Zweifel dürften sich spätestens mit dem Urteil in der Rechtssache Dano erledigt haben, in welchem der EuGH die Zulässigkeit dieser Verknüpfung ausdrücklich auch für das Gleichbehandlungsgebot in Art. 4 VO 883/2004 bestätigt hat.80 76 Vgl. zu § 3 Abs. 4 FreizügG/EU, Brinkmann, in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 3 FreizügG/EU, Rn. 24. 77 EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 44; EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission /Vereinigtes Königreich), Rn. 68. 78 EuGH, Urt. v. 11.11.2014, Rs. C-333/13 (Dano), Rn. 69; EuGH, Urt. v. 15.09.2015, Rs. C-67/14 (Alimanovic), Rn. 50. 79 Siehe dazu oben unter Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.., S. 11 f. 80 EuGH, Urt. v. 11.11.2014, Rs. C-333/13 (Dano), Rn. 82 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 28 Dass damit dem Grunde nach alle Sozialleistungen bzw. Leistungen der sozialen Sicherheit, die in den Anwendungsbereich der Koordinierungsverordnung fallen und damit auch Familienleistungen wie das Kindergeld, von einem rechtmäßigen Aufenthalt des Anspruchstellers abhängig gemacht werden können, lässt sich an der Entscheidung des EuGH zu britischen Kindergeldvorschriften erkennen. Auch insoweit sah es der Gerichtshof als zulässig an, dass deren Gewährung „an Unionsbürger, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, von dem Erfordernis abhängig gemacht wird, dass diese die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllen.“81 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Kommission in ihrem aktuellen Vorschlag zur Änderung der Koordinierungsverordnung u. a. unter Berufung auf die hier zitierte EuGH-Rechtsprechung eine Ergänzung des Art. 4 VO 883/2004 um einen Absatz 2 vorschlägt.82 Dieser soll wie folgt lauten: „Ein Mitgliedstaat kann den Zugang einer in seinem Hoheitsgebiet wohnhaften und nicht erwerbstätigen Person zu seinen Leistungen der sozialen Sicherheit von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts gemäß der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen , sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten abhängig machen.“ 3.2.2. Zum Urteil in der Rechtssache Bogatu und der Funktion der Koordinierungsverordnung 883/2004 In diesem Kontext ist auf das Urteil in der Rechtssache Bogatu vom 7. Februar 2019 einzugehen , auf welches der Auftraggeber für die Prüfung der Unionsrechtmäßigkeit des § 62 Abs. 1a EStG-E ausdrücklich hingewiesen hat. In dem Fall ging es um einen Anspruch auf Familienleistungen für Kinder nach irischem Recht, die einem rumänischen Unionsbürger für einen bestimmten Zeitraum verweigert wurden. Die nationale Behörde berief sich hierfür darauf, dass der Anspruchsteller keine der Voraussetzungen erfüllt habe, die ihn zum Bezug berechtigten, da er in dem betreffenden Zeitraum „in Irland weder eine Beschäftigung ausgeübt noch eine beitragsabhängige Leistung bezogen habe.“83 Der EuGH stellte insoweit zwar fest, „dass die [Koordinierungsverordnung] dahin auszulegen ist, dass für den Anspruch einer Person auf Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens weder Voraussetzung ist, dass diese Person in 81 EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 54 ff. zur Qualifizierung der in Rede stehenden Kindergeldleistungen als Familienleistungen, in Rn. 68 findet sich die oben zitierte Aussage . 82 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, COM(2016) 815 final, vgl. dort Art. 1 Nr. 11, im Dokument auf S. 31. 83 EuGH, Urt. v. 7.2.19, Rs. C-322/17 (Bogatu), Rn. 13. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 29 diesem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, noch, dass sie von ihm aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung bezieht.“84 Hieraus kann jedoch weder geschlussfolgert werden, dass die Verknüpfung von rechtmäßigem Aufenthalt und Zugang zu Sozialleistungen generell unzulässig ist, noch, dass der Anspruch auf Kindergeld seitens der Mitgliedstaaten von einem rechtmäßigen Aufenthalt oder anderen Voraussetzungen nicht abhängig gemacht werden darf. Wie aus dem Gesamtkontext des Urteils deutlich wird, bezog sich die zitierte Aussage des EuGH allein auf die Vorgaben, die der Koordinierungsverordnung für die Bestimmung des für eine Leistung der sozialen Sicherheit zuständigen Mitgliedstaates zu entnehmen sind. Aus den Angaben in den Urteilsausführungen folgt nämlich, dass die betroffene Behörde das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen nicht auf das einschlägige irische Recht stützte – dieses erforderte nach Auskunft des vorlegenden Gerichts für die Gewährung der Leistung weder eine Beschäftigung noch den Bezug einer beitragsabhängigen Leistung, sondern war in einem Fall wie in dem des Ausgangsverfahrens „ausschließlich von der Einhaltung einer Voraussetzung in Bezug auf das Alter des Kindes [abhängig.]“85 Damit konnte die Verweigerung des Anspruchs von Seiten der Behörde nur auf die Koordinierungsverordnung gestützt werden. Und nur auf den Inhalt ihrer Vorgaben bezog sich auch die oben zitierte Feststellung des EuGH. Den insoweit einschlägigen Vorschriften der Koordinierungsverordnung ließen sich nämlich derartige Voraussetzungen für die Bestimmung des für die Leistungsgewährung zuständigen Mitgliedsstaats nicht entnehmen . Der EuGH führte insoweit mit Blick auf die entscheidende Koordinierungsvorgabe in Art. 67 VO 883/2004 aus: „Wie sich aus seinem Wortlaut ergibt, bezieht sich dieser Artikel auf die einer „Person“ zuerkannten Rechte, ohne indessen zu verlangen, dass eine solche Person über eine besondere Stellung und somit insbesondere über die Stellung eines Arbeitnehmers verfügt. Allerdings legt er nicht selbst die Anforderungen fest, denen der Anspruch dieser Person auf Familienleistungen unterliegen kann, sondern verweist in diesem Punkt auf die Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats.“86 Von entscheidender Bedeutung ist die darin zum Ausdruck kommende Trennung der Zuständigkeiten von Mitgliedstaaten einerseits und EU anderseits im Bereich des Sozialrechts. Während erstere weiterhin festlegen, unter welchen Voraussetzungen Leistungen gewährt werden, bestimmen die unionsrechtlichen Koordinierungsvorschriften lediglich, quasi als Vorfrage, welches mitgliedstaatliche Sozialrecht in einem Fall mit grenzüberschreitenden Bezügen anzuwenden ist.87 84 EuGH, Urt. v. 7.2.19, Rs. C-322/17 (Bogatu), Rn. 33, siehe auch Rn. 29. 85 EuGH, Urt. v. 7.2.19, Rs. C-322/17 (Bogatu), Rn. 17. 86 EuGH, Urt. v. 7.2.19, Rs. C-322/17 (Bogatu), Rn. 22. 87 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 39 ff.; EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 63 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 30 Bei den entsprechenden Vorschriften des EU-Rechts handelt sich somit um sog. Kollisionsnormen , deren Zweck darin besteht, „nicht nur die gleichzeitige Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, [zu vermeiden ], sondern […] auch [zu] verhindern, dass Personen, die in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fallen, der Schutz im Bereich der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind […].“88 Dagegen sollen sie „als solche nicht die inhaltlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anspruchs auf [Sozialleistungen ] festlegen.“89 Art. 67 VO 883/2004 als Kollisionsnorm waren vor diesem Hintergrund keine materiellen Einschränkungen hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu entnehmen. Ob und inwieweit das zur Anwendung berufene mitgliedstaatliche Sozialrecht Einschränkungen hinsichtlich der Leistungsgewährung vorsieht, ist dann alleine eine Frage des nationalen Rechts. Wie sich aus den obigen Rechtsprechungszitaten ergibt, gehört zu den grundsätzlich zulässigen Voraussetzungen, die die Mitgliedstaaten insoweit geltend machen können, auch die Anforderung eines rechtmäßigen Aufenthalts nach der Freizügigkeitsrichtlinie. 3.2.3. Zur Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung in § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG-E Diese Verknüpfung liegt auch § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG-E zugrunde, der den grundsätzlich bestehenden Kindergeldanspruch ab dem vierten Aufenthaltsmonat für den Fall ausschließt, dass die Voraussetzungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU in seinem § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 nicht vorliegen. Mit diesen Vorschriften des deutschen Rechts werden die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen der Freizügigkeitsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Vor diesem Hintergrund ist der daraus folgende Kindergeldausschluss im Fall des Nichtvorliegens aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen unionsrechtlich zumindest dem Grunde nach zulässig. Einschränkungen hinsichtlich dieser Zulässigkeit ergeben sich jedoch aus dem Umstand, dass der Anknüpfung an einen rechtmäßigen Aufenthalt eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zugrunde liegt, die der Rechtfertigung bedarf. Auf diesen Umstand hat der EuGH im vorliegenden Kontext erstmals in seinem Urteil zu britischen Kindergeldvorschriften aus dem Jahr 2016 ausdrücklich hingewiesen: „Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass […] grundsätzlich nichts dagegen spricht, dass die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, von der inhaltlichen Voraussetzung abhängig gemacht wird, dass diese die Erfordernisse für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllen. Allerdings begeht ein 88 EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 40; EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission /Vereinigtes Königreich), Rn. 64. 89 EuGH, Urt. v. 19.09.2013, Rs. C-140/12 (Brey), Rn. 41; EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission /Vereinigtes Königreich), Rn. 65 (Hervorhebung durch Verfasser). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 31 Aufnahmemitgliedstaat, der für die Gewährung von Sozialleistungen wie den in Rede stehenden Sozialleistungen verlangt, dass der Aufenthalt eines Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats in seinem Hoheitsgebiet rechtmäßig ist, eine mittelbare Diskriminierung.“90 Ob es sich bei der Regelung in § 62 Abs. 1a S. 3 EStG-E ebenfalls um eine mittelbare oder nicht vielmehr um eine unmittelbare Diskriminierung handelt,91 kann letztlich dahinstehen, da auch letztere der Rechtfertigung zugänglich sein dürfte – hierauf deuten jedenfalls neuere Urteile des EuGH zu dieser Frage hin, die früher im Schrifttum stark umstritten war.92 Maßgeblich ist vielmehr, unter welchen Voraussetzungen diese Diskriminierung gerechtfertigt werden kann. Blickt man insoweit auf die EuGH-Entscheidung zu britischen Kindergeldvorschriften , so ist dieser zu entnehmen, dass der Schutz der öffentlichen Finanzen als Rechtfertigungsgrund in derartigen Konstellationen anerkannt ist: „In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Notwendigkeit, die Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats zu schützen, grundsätzlich ausreicht, um die Möglichkeit zu rechtfertigen, zum Zeitpunkt der Gewährung einer Sozialleistung insbesondere an Personen aus anderen Mitgliedstaaten, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts durchzuführen, da diese Gewährung geeignet ist, sich auf das gesamte Niveau der Beihilfe auszuwirken, die dieser Staat gewähren kann […].“93 90 EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 75-76 (Hervorhebung durch Verfasser). 91 Zweifel, ob vorliegend eine (nur) mittelbare Diskriminierung vorliegt, ergeben daraus, dass diese Norm den Kindergeldbezug nicht für alle Personen von einem rechtmäßigen Aufenthalt abhängig macht, sondern bereits eine ausschließlich für Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten geltende Sonderregelung darstellt, die nur deren Kindergeldbezug von einem rechtmäßigen Aufenthalt abhängig macht. Damit entspricht sie nicht der Rechtsprechungsdefinition einer mittelbaren Diskriminierung, die dann gegeben ist, „wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten als auf Inländer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie die Erstgenannten besonders benachteiligt […].“ (EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 [Kommission/Vereinigtes Königreich], Rn. 77, mit Verweis auf weitere Rechtsprechung). Hier knüpft die Regelung vielmehr direkt an eine andere EU-Staatsangehörigkeit an und sieht nur für diese Fälle eine solche Aufenthaltsvoraussetzung vor, während Inländern ein Anspruch in der Regel allein aufgrund von Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt oder bei Fehlen aufgrund einer (un-/beschränkten) Steuerpflicht zusteht. Eine solche Vorschrift entspricht dem EuGH-Verständnis einer unmittelbaren Diskriminierung, die sich dadurch kennzeichnet, dass direkt anhand des Kriteriums der Staatsangehörigkeit differenziert, vgl. EuGH, Urt. v. 23.1.1997, Rs. C-29/95 (Pastoors), Rn. 15. 92 Vgl. hierzu Michl, in: Pechstein/Nowak/Häde (Fn. 48), Art. 18 AEUV, Rn. 29, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung ; Streinz, in: Streinz (Fn. 50), Art. 18 AEUV, Rn. 59. Siehe allgemein zu einem einheitlichen Verständnis des Diskriminierungsverbots im Sinne eines finalen Diskriminierungsbegriffs, Fuchs, Das Gleichbehandlungsverbot im Unionsrecht, 2015, S. 121 ff. 93 EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 80, mit zahlreichen Verweisen auf weitere Urteile. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 32 Diese Motivation liegt auch der gesamten Regelung des § 62 Abs. 1a EStG-E zugrunde, wie aus der Gesetzesbegründung deutlich wird.94 In dieser findet sich auch eine ausdrückliche Bezugnahme auf die zitierte Passage des EuGH-Urteils.95 Entscheidende Bedeutung kommt hier somit – ebenso wie in dem Urteil – nicht der Ebene des Rechtfertigungsgrundes zu, sondern der sich anschließenden Verhältnismäßigkeitsprüfung. Und die in diesem Kontext daraus folgenden Vorgaben leitet der EuGH aus der Freizügigkeitsrichtlinie her. Die Voraussetzung eines rechtmäßigen Aufenthalts versteht er „als eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von Unionsbürgern nach der Richtlinie 2004/38 […], auf die sich deren Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie bezieht, und sie muss daher auch den dort genannten Anforderungen genügen.“ 96 Art. 14 Abs. 2 FreizügigkeitsRL lautet: „Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. In bestimmten Fällen, in denen begründete Zweifel bestehen, ob der Unionsbürger oder seine Familienangehörigen die Voraussetzungen der Artikel 7, 12 und 13 erfüllen, können die Mitgliedstaaten prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Prüfung wird nicht systematisch durchgeführt.“97 Geht man allein vom Wortlaut dieser Vorgaben aus, so stellt sich zunächst die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Regelung wie hier, die das Nichtbestehen eines rechtmäßigen Aufenthalts als negative Tatbestandsvoraussetzung für den Leistungsanspruch normiert , den daraus folgenden Anforderungen überhaupt genügen kann. Zwar ist § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG so formuliert, dass Kindergeld in der Regel zu gewähren ist, wenn nicht ausnahmsweise die Aufenthaltsvoraussetzungen nach Freizügigkeitsgesetz/EU fehlen. Gleichwohl ermöglicht auch diese tatbestandliche Verknüpfung eine Prüfung der Aufenthaltsvoraussetzungen in jedem Fall und damit dem Grunde nach eine systematische Durchführung . In der Gesetzesbegründung wird dies allerdings wie folgt eingeschränkt: „Ergeben sich künftig aus den Erkenntnissen bei der Kindergeldbearbeitung begründete Zweifel zum Beispiel an der Erwerbstätigkeit des Unionsbürgers, führt die Familienkasse künftig in eigener Zuständigkeit eine Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen des § 62a Absatz 1a [EStG-E] einschließlich der Voraussetzungen des § 2 des Freizügigkeitsgesetzes /EU durch […].“98 94 Vgl. Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 70, 72. 95 Vgl. Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 70 f. 96 EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 81. 97 Hervorhebung durch Verfasser. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission/Vereinigtes Königreich ), Rn. 82. 98 Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 71. Siehe auch Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes, S. 5. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 33 Hieraus kann geschlossen werden, dass zwar nicht in allen Fällen der Kindergeldbeantragung durch Angehörige anderer Mitgliedstaaten eine Prüfung der Aufenthaltsvoraussetzungen erfolgen soll. Aber das in der Gesetzesbegründung gegebene Beispiel zeigt, dass eine Prüfung bei der Gruppe der wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürger der Regelfall sein dürfte, so dass insoweit von einer systematischen Prüfung gesprochen werden könnte. Auf der anderen Seite fragt sich, welchen Sinn die durch den EuGH in den oben zitierten Fällen als zulässig erachtete Verknüpfung von Leistungszugang und rechtmäßigem Aufenthalt haben soll, wenn es den Mitgliedstaaten im Ergebnis untersagt wäre, diese Verknüpfung tatbestandlich im mitgliedstaatlichen Sozialrecht zu normieren und durch die zuständigen Behörden kontrollieren zu lassen, zumal eben nicht jeder Fall untersucht würde, sondern nur diejenigen , die auch im Lichte der unionalen Vorgaben als problematisch anzusehen sind. Dass die sich aus Art. 14 Abs. 2 FreizügigkeitsRL folgenden Anforderungen aus Sicht des EuGH jedenfalls nicht die Normierung der genannten Verknüpfung und ihre grundsätzliche Kontrolle durch mitgliedstaatliche Behörden ausschließen soll, ergibt sich aus der Subsumtion des Gerichtshofs in dem Urteil zu den britischen Kindergeldvorschriften. Hier sah der EuGH im konkreten Fall die Vorgaben Art. 14 Abs. 2 FreizügigkeitsRL im Ergebnis als erfüllt an. Er stützte sich dabei auf den Vortrag der britischen Regierung in der mündlichen Verhandlung und ließ es genügen, dass „der Antragsteller für jede der in Rede stehenden Sozialleistungen im Antragsformular eine Reihe von Angaben machen [muss], aus denen sich ergibt, ob ein Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat besteht [. Diese] Angaben werden dann von den für die Gewährung der betreffenden Leistung zuständigen Behörden überprüft. Nur in Einzelfällen wird von den Antragstellern der Nachweis verlangt, dass sie tatsächlich entsprechend ihrer Angabe im Antragsformular ein Recht besitzen, sich im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs aufzuhalten .“99 Im Lichte dieses und – soweit ersichtlich – bisher einzigen Urteils, in welchem der Gerichthof sich mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, lassen sich die Anforderungen des Art. 14 Abs. 2 FreizügigkeitsRL jedenfalls so verstehen, dass die Behörden nicht in jedem Fall von den Anspruchstellern Nachweise verlangen dürfen, ob die im Antrag gemachten Angaben zutreffend sind. Ob Art. 14 Abs. 2 FreizügigkeitsRL auf ein solches Verständnis zu reduzieren ist oder ob nicht vielmehr bereits auf der normativen Ebene bei der Formulierung des Tatbestandes Vorkehrungen zu treffen sind, die die aus dieser Richtlinienvorschrift folgenden Vorgaben zu gewährleisten haben, lässt sich auf Grundlage nur eines EuGH-Urteils nicht abschließend bestimmen. Dies gilt umso mehr, als die einschlägigen britischen Vorschriften – jedenfalls soweit sie in dem einschlägigen Urteil abgedruckt waren – in tatbestandlicher Hinsicht gerade nicht ausdrücklich an einen rechtmäßigen Aufenthalt anknüpften. Wäre ungeachtet dessen von einem eher engen Verständnis des Art. 14 Abs. 2 FreizügigkeitsRL auszugehen, dann dürfte den Anforderungen diese Vorschrift eine den mitgliedstaatlichen 99 EuGH, Urt. v. 14.6.2016, Rs. C-308/14 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Rn. 83. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 34 Handlungsspielraum einschränkende Wirkung kaum zukommen und eine Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung wie in § 62 Abs. 1a S. 3 EStG-E unionsrechtlich zulässig sein. 3.3. Kindergeldausschluss für Arbeitssuchende Der Kindergeldausschluss für Arbeitssuchende ergibt sich für die ersten drei Monate aus § 62 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E und für den anschließenden Zeitraum aus § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 2 EStG-E. Dies ist der Systematik der deutschen Regelung geschuldet. In unionsrechtlicher Hinsicht folgt sie der Gesetzesbegründung nach jedoch für beide Zeiträume aus Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL, wonach der Anspruch auf Sozialhilfe von Seiten der Mitgliedstaaten nicht nur in den ersten drei Monaten des Aufenthalts verweigert werden darf, sondern „gegebenenfalls [auch] während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b [FreizügigkeitsRL.]“ Die in Bezug genommene Vorschrift lautet: „Abweichend von den Absätzen 1 und 2 und unbeschadet der Bestimmungen des Kapitels VI darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn […] b) die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.“ In personeller Hinsicht werden dem Wortlaut dieser Vorschrift nach nur die erstmalig arbeitssuchenden Unionsangehörigen erfasst. Aus dem Urteil in der Rechtssache Alimanovic folgt hingegen , dass das in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b FreizügigkeitsRL implizit verortete Aufenthaltsrecht auch Personen im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Buchst. c FreizügigkeitsRL zukommt, deren Arbeitnehmerstatus aufgrund einer weniger als ein Jahr umfassenden abhängigen Erwerbstätigkeit nur für einen anschließenden Zeitraum von sechs Monate fingiert wird. Für die sich anschließende Arbeitssuche kommt ihnen „nur“ ein Aufenthaltsrecht nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b Freizügigkeit RL100 zu, welches in gleicher Weise dem Anspruchsausschluss nach Art. 24 Abs. 2 Freizügigkeits RL zugänglich ist, wie der erstmalige Aufenthalt zur Arbeitssuche.101 Die Regelung des § 62 Abs. 1a S. 3 EStG-E bleibt in personeller Hinsicht dahinter insoweit zurück , als sie nur Personen erfasst, die erstmalig zur Arbeitssuche eingereist sind. Dies ergibt sich aus dem zweiten Halbsatz dieser Vorschrift, wonach nur solche Aufenthaltskonstellationen der Arbeitssuche zu einem Kindergeldausschluss führen, die „vorher [k]eine andere der in § 2 Abs. 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU genannten Voraussetzungen erfüllt [haben].“102 Ein vorheriger, auch weniger als ein Jahr dauernder Aufenthalt als Arbeitnehmer oder Selbständiger vor Eintreten der Arbeitslosigkeit führt bei anschließender Arbeitsuche somit nicht zum 100 EuGH, Urt. v. 15.09.2015, Rs. C-67/14 (Alimanovic), Rn. 57. 101 EuGH, Urt. v. 15.09.2015, Rs. C-67/14 (Alimanovic), Rn. 57 f. 102 Vgl. auch die Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 70, 72. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 35 Kindergeldausschluss. Grund hierfür dürfte nach der Gesetzesbegründung sein, dass diese Personen aufgrund ihrer vorherigen Tätigkeit als „ausreichend in den Arbeitsmarkt oder in das System der sozialen Sicherheit in Deutschland integriert [….]“103 anzusehen sind. Ungeachtet der personellen Reichweite des Kindergeldausschluss für Arbeitssuchende in diesem Sinne ist auch hier für die Unionsrechtmäßigkeit der deutschen Regelung zunächst zu fragen , ob das Kindergeld als Sozialhilfe im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.104 Soweit das Kindergeld keine Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL darstellt, kann der Kindergeldausschluss nach § 62 Abs. 1a EStG-E für Arbeitssuchende jedenfalls nicht auf Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL gestützt werden. Hieraus folgt jedoch nicht zwingend, dass der Kindergeldausschluss des § 62 Abs. 1a EStG-E für Arbeitssuchende unionsrechtlich unzulässig ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es bei Nichteinschlägigkeit des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL unionsrechtlich geboten wäre, Arbeitssuchende aus anderen Mitgliedstaaten mit Inländern hinsichtlich des Bezugs derartiger Leistungen gleich zu behandeln. Das setzt allerdings voraus, dass der Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL für Arbeitssuchende weiter reicht als die primärrechtlichen Vorgaben hierzu aus Art. 45 AEUV. Denn der sich für Arbeitssuchende daraus ergebende primärrechtliche Gleichbehandlungsanspruch105 erfasst nur Ansprüche auf solche finanziellen Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen.106 Das dürfte bei Kindergeld im Besonderen und anderen Familienleistungen im Allgemeinen nicht der Fall sein. Zweifel, dass Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL in konstitutiver Weise darüber hinausgeht, können zwar aus dem Wortlaut dieser Bestimmung folgen, wonach das dort verankerte Gleichbehandlungsgebot auf den „Anwendungsbereich des Vertrags“ beschränkt ist. Dass damit an die primärrechtlichen Grundlagen anknüpft (vgl. die Formulierung in Art. 18 Abs. 1 AEUV) und die materielle Reichweite der Gleichbehandlung parallelisiert werden soll, erscheint jedoch mit Blick auf Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL eher fraglich. Denn der dort verankerte Ausschluss von Sozialhilfeleistungen für Arbeitssuchende lässt sich nur dann erklären, wenn der Gleichbehandlungsanspruch nach Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL auch Sozialhilfe und damit Leistungen erfasst, die nicht nur den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Mangels Rechtsprechung zu dieser Frage ist eine abschließende Beurteilung an dieser Stelle jedoch nicht möglich. 103 Vgl. Gesetzesbegründung (Fn. 1), S. 72, wobei die zitierte Passage Teil der Begründung ist, die für den Kindergeldausschluss bei Einreise zur erstmaligen Arbeitssuche verwendet wird. 104 Siehe oben unter 3.1.2., S. 9 ff., insbesondere S. 13. 105 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.06.2009, verb. Rs. C-22/08 u. C-23/08 (Vatsouras und Koupatantze), Rn. 36. 106 EuGH, Urt. v. 4.06.2009, verb. Rs. C-22/08 u. C-23/08 (Vatsouras und Koupatantze), Rn. 38, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 36 4. Ergebnis Die Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Regelung in § 62 Abs. 1a EStG-E zum Kindergeldausschluss für Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten mit Unionsrecht ist aus mehreren Gründen fraglich, lässt sich jedoch mangels unionsgerichtlicher Rechtsprechung zu den einzelnen Fragen nicht abschließend entscheiden. Dies betrifft zunächst den Ausschluss für die ersten drei Aufenthaltsmonate nach § 62 Abs. 1a S. 1 u. 2 EStG-E, der in unionsrechtlicher Hinsicht materiell und personell auf die Ausnahmebestimmung des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL gestützt wird. Hier bestehen zunächst Zweifel, ob Kindergeld als Sozialhilfeleistung im Sinne dieser Richtlinienbestimmung angesehen werden kann. Aufgrund der Mehrdeutigkeit der Definition des Sozialhilfebegriffs dieser Vorschrift sowie der nur wenigen einschlägigen EuGH-Entscheidungen hierzu lässt sich dies nicht abschließend bestimmen. Möglich wäre eine Qualifikation des Kindergeldes als Sozialhilfe im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie nur, soweit dieser Begriff eine Bedürftigkeit für den Leistungsbezug nicht voraussetzt, eine (sozialhelfende) Wirkung der Leistung für den Betroffenen genügen lässt und eventuelle weitere Leistungsfunktionen (hier steuerliche) ausblendet. Zwar lässt sich der bisherigen Rechtsprechung ein solch weiter Sinn und Zweck des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL in abstrakter Hinsicht entnehmen. In der Sache belegen lässt er sich auf Grundlage der relevanten Urteile indes nicht. Gegen eine so weite Auslegung streiten neben dem Grundsatz der engen Auslegung, der in Bezug auf den Ausnahmecharakter des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL zu beachten ist, auch systematische Erwägungen hinsichtlich dieses Begriffsverständnisses, insbesondere im Vergleich zur Koordinierungsverordnung. Und schließlich sprechen auch die Unterschiede zwischen dem Kindergeld als Familienleistung und den als Sozialhilfe im Sinne dieser Richtlinienbestimmung bisher anerkannten besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gegen eine Qualifizierung des Kindergeldes als Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL. Unterstellt man gleichwohl, dass Kindergeld eine Sozialhilfeleistung im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL darstellt, so begegnet die personelle Ausgestaltung des Ausschlusses nach § 62 Abs. 1 S. 1 u. 2. EStG-E Zweifeln hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Unionsrecht. Dies betrifft zunächst die vom Ausschluss erfassten Einkommensarten aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 6 EStG. Werden derartige Einkünfte durch Angehörige anderer Mitgliedstaaten erzielt, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, dürften sie vom Begriff des Selbständigen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL erfasst sein, der jedenfalls in Übereinstimmung mit dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV zu bestimmen ist. Ungeachtet der im Einzelfall genau zu bestimmenden tatbestandlichen Konturen dieser Grundfreiheit in sachlicher Hinsicht, fallen darunter dem Grunde nach auch die beiden genannten Einkunftsarten . Somit kann in jedem Fall der pauschale Ausschluss von Unionsangehörigen mit diesen beiden Einkunftsarten vom Zugang zum Kindergeld in den ersten drei Aufenthaltsmonaten nicht auf Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitRL gestützt werden und wäre insoweit als unionsrechtswidrig anzusehen. Gleiches gilt im Ergebnis für den Kindergeldausschluss in Bezug auf Eltern mit einem Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO 492/2011. Zwar handelt es sich hier um wirtschaftlich nicht aktive Personen. Dieses Aufenthaltsrecht beruht jedoch nicht auf der Freizügigkeitsrichtlinie, wird daher nicht von dem Gleichbehandlungsgebot in Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitRL und somit auch Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 033/19 Seite 37 nicht von der Ausnahmebestimmung des Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL erfasst. Ein Ausschluss dieser Personengruppe vom Kindergeldbezug wäre demnach ebenfalls unionsrechtswidrig . Eher Rechtsunsicherheiten als Zweifel an der unionsrechtlichen Vereinbarkeit bestehen hinsichtlich des Kindergeldausschlusses nach § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG-E. Die dieser Vorschrift zugrunde liegende Verknüpfung von Leistungszugang und rechtmäßigem Aufenthalt nach Unionsrecht entspricht zwar dem Grunde nach einer mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des EuGH. Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit , die der Rechtfertigung bedarf. Zu den anerkannten Rechtfertigungsgründen gehört der auch hier in Bezug auf § 62 Abs. 1a EStG-E im Vordergrund stehende Schutz der öffentlichen Finanzen. Entscheidend ist daher, ob der Kindergeldausschluss nach § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 1 EStG-E den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügt, die der Gerichtshof in derartigen Fällen der Vorschrift des Art. 14 Abs. 2 FreizügigkeitsRL entnimmt. Danach darf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nur dann erfolgen, wenn begründete Zweifel bestehen und darf nicht systematisch durchgeführt werden. Wie restriktiv diese Anforderungen zu verstehen sind und welche Vorgaben sich hieraus für eine tatbestandliche Verknüpfung von rechtmäßigem Aufenthalt und Leistungszugang sowie die daraus folgenden behördlichen Kontrollmöglichkeit , lässt sich angesichts nur einer einschlägigen Entscheidung des Gerichtshofs zu dieser Frage nicht abschließend entscheiden. In dem betreffenden Urteil ließ es der EuGH genügen , dass die zuständigen Behörden einen Nachweis zu den Aufenthaltsangaben nur in Einzelfällen verlangten. Der Kindergeldausschluss in Bezug auf Arbeitssuchende, der sich für die ersten drei Aufenthaltsmonate aus § 62 Abs. 1a S. 2 u. 3 EStG-E und für den anschließenden Zeitraum aus § 62 Abs. 1a S. 3 Var. 2 EStG-E ergibt, wird für den gesamten Aufenthalt zu diesem Zweck auf Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL gestützt. Auch hier bestehen somit Zweifel, ob Kindergeld als Sozialhilfe im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann. Ist das nicht der Fall, so hängt die Unionsrechtswidrigkeit dieses Kindergeldausschlusses davon ab, ob der Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 24 Abs. 1 FreizügigkeitsRL über die primärrechtlichen Vorgaben zu Arbeitssuchenden aus Art. 45 AEUV hinausgeht. Denn der sich daraus ergebende primärrechtliche Gleichbehandlungsanspruch ist auf Leistungen beschränkt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, was bei Kindergeld nicht der Fall ist. Hiergegen spricht jedoch der auch Arbeitssuchende erfassende Leistungsausschluss in Art. 24 Abs. 2 FreizügigkeitsRL, der nur dann zu erklären ist, wenn der Gleichbehandlungsanspruch in Art. 24 Abs. 1 Freizügigkeits RL über die primärrechtlichen Vorgaben hinausgeht. Mangels einschlägigen Rechtsprechung kann auch diese Frage nicht abschließend beurteilt werden. – Fachbereich Europa –