Deutscher Bundestag Die Revision der Tabakproduktrichtline Kompetenzgrundlage Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und europäischen Grundrechten Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa PE 6 – 3000 - 33/13 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 2 Die Revision der Tabakproduktrichtline Aktenzeichen: PE 6 – 3000 - 33/13 Abschluss der Arbeit: 15.4.2013 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Hausleitung, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 3 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 4 1. Einleitung 6 2. Die unionsrechtliche Kompetenzgrundlage 9 2.1. Art. 114 AEUV als mögliche Kompetenzgrundlage 11 2.1.1. Erstes Urteil zur Tabakwerberichtlinie (2000) 11 2.1.2. Urteile zur Tabakproduktrichtlinie (2002 und 2004) 12 2.1.3. Zweites Urteil zur Tabakwerberichtlinie (2006) 14 2.1.4. Aus den Urteilen des EuGH abgeleiteter Prüfungsmaßstab 14 2.1.5. Anwendung des Prüfungsmaßstabs auf die Änderungsvorschläge der Kommission 15 2.2. Ergebnis 16 3. Prüfung europäischen Sekundärrechts am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes 16 4. Prüfung anhand europäischer Grundrechte 18 4.1. Verletzung des Grundrechts auf Eigentum (Art. 17 GRC) 19 4.1.1. Schutzbereich 19 4.1.2. Eingriff 20 4.1.3. Rechtfertigung 20 4.1.4. Vereinbarkeit des Richtlinienentwurfs mit Art. 17 GRC 21 4.1.4.1. Verbotene Elemente bei der Produktbeschreibung 21 4.1.4.2. Warnhinweise und Informationsbotschaft an den Seiten 22 4.1.4.3. Kombinierte Warnhinweise auf Vorder- und Rückseite 23 4.2. Berufsfreiheit (Art. 15 GRC) und unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRC) 23 4.2.1. Schutzbereich 24 4.2.2. Eingriff 24 4.2.3. Rechtfertigung 25 4.2.4. Vereinbarkeit des Richtlinienentwurfs mit Art. 15 und 16 GRC 26 4.2.4.1. Vorschläge zu Kennzeichnung und Verpackung 26 4.2.5. Verbot charakteristischer Aromen 26 4.2.6. Erstreckung der Richtlinie auf nikotinhaltige Erzeugnisse 27 4.2.7. Meldepflichten, Mechanismus zur Altersüberprüfung 27 4.2.8. Rückverfolgung und Sicherheitsmerkmale 28 4.2.9. Elektronisches Meldeformat für Inhaltsstoffe und Emissionen 29 4.3. Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRC) 29 4.3.1. Schutzbereich 29 4.3.2. Eingriff 30 4.3.3. Rechtfertigung 30 4.3.4. Vereinbarkeit des Richtlinienentwurfs mit Art. 8 GRC 30 4.4. Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 GRC) 30 4.4.1. Schutzbereich 31 4.4.2. Eingriff 31 4.4.3. Rechtfertigung 32 4.4.4. Vereinbarkeit des Richtlinienentwurfs mit Art. 8 GRC 32 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 5 4.4.4.1. Verbotene Elemente bei der Produktbeschreibung und kombinierte Warnhinweise auf Vorder- und Rückseite als Eingriffe in die positive Meinungs- und Informationsfreiheit 32 4.4.4.2. Warnhinweise und Informationsbotschaft an den Seiten sowie kombinierte Warnhinweise auf Vorder- und Rückseite als Eingriffe in die negative Meinungsfreiheit 33 5. Ergebnis 33 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 6 1. Einleitung Die Herstellung, die Aufmachung und Gestaltung von Verpackungen für Tabakerzeugnisse sowie deren Verkauf wird derzeit auf europäischer Ebene durch die Richtlinie 2001/37/EG1 geregelt. Sie enthält Bestimmungen zum Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidhöchstgehalt von Zigaretten, regelt die Etikettierung von Tabakverpackungen durch eine Verpflichtung zum Abdruck bestimmter Warnhinweise und verbietet den Export von nicht der Richtlinie entsprechenden Zigaretten in Drittländer. Die Europäische Kommission hat in Überarbeitung dieser Richtlinie am 19. Dezember 2012 einen „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen“ vorgelegt (im Folgenden : TPR).2 Die Überarbeitung soll insbesondere den seit 2001 aufgekommenen internationalen, wissenschaftlichen und marktwirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung tragen. Ziel der Kommission ist, durch eine Neufassung der Tabakproduktrichtlinie das Funktionieren des Binnenmarktes der Europäischen Union (EU) zu stärken und gleichzeitig ein hohes Maß an Gesundheitsschutz zu gewährleisten.3 Hierzu wurden die von der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher der Kommission (DG SANCO) erarbeiteten Änderungsoptionen bei der Tabakproduktrichtlinie zunächst einer von externen Beratern (RAND Europe) durchgeführten Folgenabschätzung („impact assessment“) unterzogen.4 Grundlage für die Bewertung ist ein von der Kommission herausgegebene Konsultationspapier, das die Änderungsvorschläge der DG SANCO erläutert.5 Im September 2010 startete die Kommission ein öffentliches Konsultationsverfahren, 1 Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen, online abrufbar unter http://eurlex. europa .eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2001:194:0026:0034:DE:PDF 2 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen KOM(2012) 788 endg. online abrufbar unter http://ec.europa.eu/health/tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf 3 Vgl. Europäische Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher, Possible Revision of the Tobacco Products Directive 2001/37/EC, Public Consultation Document, S. 3, online (auf Englisch) abrufbar unter http://ec.europa.eu/health/tobacco/products/revision/index_en.htm 4 Vgl. das Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, SWD(2012) 453 final, deutschsprachige Zusammenfassung online abrufbar unter http://ec.europa.eu/health/tobacco/docs/com_2012_788_summary_ia_de.pdf, englischsprachige Langfassung online abrufbar unter http://ec.europa.eu/health/tobacco/docs/com_2012_788_ia_en.pdf 5 Europäische Kommission, Possible Revision of the Tobacco Products Directive 2001/37/EC, Public Consultation Document, DG SANCO, S. 3, online (auf Englisch) abrufbar unter http://ec.europa.eu/health/tobacco/docs/tobacco_consultation_en.pdf Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 7 in dem EU-Bürger, Interessenvertreter und staatliche Stellen Kommentare zu der geplanten Neufassung anbringen konnten.6 Der aus diesen Beratungen resultierende Vorschlag der Kommission ist derzeit Gegenstand von Beratungen im Europäischen Parlament und des federführend zuständigen Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des EP (ENVI).7 Der Rat hat die Beratungen des Richtlinienvorschlags in der Ratsarbeitsgruppe „Öffentliche Gesundheit“ im Januar 2013 begonnen. Am 19. Februar 2013 beschäftigte sich der Rat für Wettbewerbsfähigkeit auf Initiative Polens ebenfalls mit dem Richtlinienvorschlag, insbesondere hinsichtlich der von der Kommission zum Richtlinienentwurf vorgelegten Folgenabschätzung. Polen vertrat dabei die Auffassung , der Richtlinienentwurf berücksichtige nicht ausreichend die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Vorschlags, wie den Rückgang der Einnahmen aus dem Tabakanbau, die Folgen für die verarbeitende Industrie und den Handel sowie einen möglichen Anstieg des illegalen Handels mit Tabakprodukten.8 Da der Richtlinienvorschlag gravierende Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften einiger Mitgliedstaaten haben könne, solle auf den nächsten Tagungen des Wettbewerbsfähigkeitsrates über die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen beraten werden. Außerdem müsse der Richtlinienvorschlag dem „Wettbewerbsfähigkeitstest “ unterzogen werden. 9 In diesem Kontext bewegen sich auch die Subsidiaritätsrügen verschiedener nationaler Parlamente. Parallel zu den Beratungen im Rat und EP wurde mit Ablauf der Frist am 4. März 2013 das für eine Subsidiaritätsrüge notwendige Quorum von 18 Stimmen gemäß Art. 7 Abs. 2 S. 1 Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon hinsichtlich des Richtlinienentwurfs nicht erreicht.10 Der Richtlinienentwurf betrifft gegenüber der Richtlinie 2001/37 insbesondere folgende Änderungen und Neuerungen: (1) Anwendungsbereich der Richtlinie Nikotinhaltige Erzeugnisse wie beispielsweise elektronische Zigaretten oder Nikotinpflaster , die bislang von den Mitgliedstaaten teils als Tabakerzeugnisse, teils als Arzneimittel behandelt wurden, werden nunmehr von der TPR erfasst. Soweit ihr Nikotingehalt unterhalb der Schwelle gem. Art. 18 Abs. 1 TPR liegt, sind sie marktfähig, müssen aber einen angepassten gesundheitsbezogenen Warnhinweis tragen. Liegt ihr 6 Rand Europe, Assessing the Impacts of Revising the Tobacco Products Directive, Study to support a DG Sanco Impact Assessment, Final report, September 2010, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/health/tobacco/docs/tobacco_ia_rand_en.pdf 7 2012/0366(COD), online abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?lang=en&reference=COM%282012%290788 8 Rats-Dok. Nr. 6562/13. 9 Commission Staff Working Document, Operational Guidance for Assessing impact on sectoral Competitiveness within the Commission Impact Aaaessment System, SEC(2012)91, online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/governance/impact/key_docs/docs/sec_2012_0091_en.pdf 10 Vgl. Referat PE 4 (EU-Verbindungsbüro), Bericht aus Brüssel 05/2013 v. 11.03.2013. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 8 Nikotingehalt oberhalb dieser Schwelle, müssen sie als Arzneimittel zugelassen sein.11 Pflanzliche Raucherzeugnisse (Nichttabakprodukte) werden nunmehr von der TPR erfasst (Art. 19 TPR). Ihre Packungen und Außenverpackungen müssen nunmehr einen angepassten gesundheitsbezogenen Warnhinweis tragen, mit denen die Verbraucher über die gesundheitsschädigenden Wirkungen der pflanzlichen Raucherzeugnisse aufgeklärt wird. Neuartige Tabakerzeugnisse sollen bestimmten Regelungen der TPR unterworfen werden (Art. 17 TPR). Zudem sieht die TPR die Einführung einer Anmeldepflicht für neuartige Tabakerzeugnisse vor. (2) Kennzeichnung und Verpackung Verpackungen von Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen müssen einen kombinierten textlichen und bildlichen Warnhinweis tragen, der 75 % der Vorder- und der Rückseite der Packung einnimmt, und sie dürfen keine Werbeelemente tragen. Künftig sollen kombinierte Warnhinweise, die 75% der Fläche einnehmen, in einer bestimmten Wechselfolge auf beiden Seiten von Tabakerzeugnissen erscheinen. Die Hauptseiten der Verpackungen sollen künftig kombinierte gesundheitsbezogene Warnhinweise tragen (Art. 9 TPR). Zu den bereits obligatorischen textlichen Warnhinweisen kommen bildliche Warnhinweise hinzu. Beide zusammen nehmen 75 % sowohl der vorderen als auch der hinteren Verpackungsfläche ein. Auf den Schmalseiten der Verpackungen werden die derzeitigen Informationen über Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid durch eine Informationsbotschaft („Tabakrauch enthält über 70 Stoffe, die erwiesenermaßen krebserregend sind“) sowie einen allgemeinen Warnhinweis („Rauchen ist tödlich – hören Sie jetzt auf“) ersetzt, die beide zusammen 50 % der Fläche, einnehmen, auf die sie gedruckt werden (Art. 8 TPR). Den Mitgliedstaaten steht es frei, Vorschriften zur Vereinheitlichung der Verpackungen von Tabakerzeugnissen [auch sogenanntes „plain packaging“] beizubehalten oder aufzustellen (41. Erwägungsgrund TPR); sie dürfen nicht die Größe der Warnhinweise ändern (Art. 7 Abs. 6 TPR). Die Verpackungen von sonstigem Rauchtabak (Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak) müssen lediglich mit den kombinierten gesundheitsbezogenen Warnhinweisen gem. Art. 8 TPR beschriftet sein (Art. 10 TPR). Die bestehenden Regelungen bezüglich der zulässigen Kennzeichnung der Verpackung (beispielsweise durch (Marken-)Namen oder durch auf das Aroma bezogene Elemente) werden verschärft (Art. 12 Abs. 1, 2 S. 1 TPR). Zigaretten müssen künftig einen Durchmesser von mindestens 7,5 mm haben (Art. 12 Abs. 2 S. 1 TPR). Die TPR schreibt eine bestimmte Gestaltung der Zigarettenpackung (u.a. quaderförmig , Flip-Top-Deckel) sowie einen Mindestinhalt (20 Zigaretten) vor (Art. 13 TPR). Die Kommission wird ermächtigt, die Regelungen betreffend Kennzeichnung und Verpackung im Wege delegierter Rechtsakte zu ändern (Art. 8 Abs. 4, Art. 9 Abs. 3, Art. 10 Abs. 5, Art. 11 Abs. 3 Art. 13, Abs. 3 und 4 TPR). 11 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311/67. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 9 (3) Inhalts- und Zusatzstoffe Das bisherige Meldesystem für Inhaltsstoffe bleibt bestehen. Hinzu kommt ein einheitliches elektronisches Meldeformat und die Pflicht der Hersteller zur Vorlage von Belegen und die Herstellerinformationen werden grundsätzlich öffentlich gemacht (Art. 5 TPR). Die TPR harmonisiert die Verwendung von Zusatzstoffen in Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und rauchlosen Tabak (Art. 6 Abs. 1, 4, 7 TPR). Für diese Produkte sieht sie ein Verbot des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen mit charakteristischen Aromen (beispielsweise Menthol- oder Nelkenzigaretten) sowie ein Verbot der Verwendung bestimmter Zusatzstoffe, mit denen man Energie und Vitalität verbindet oder solche mit erhöhter toxischer oder suchterzeugender Wirkung. In Filtern, Papieren oder Packungen dürfen weder Tabak noch Aromastoffe verwendet werden (Art. 6 Abs. 5 TPR). Sonstiger Rauchtabak (Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak) darf lediglich keine Zusatzstoffe mit erhöhter toxischer oder suchterzeugender Wirkung enthalten (Art. 6 Abs. 10 TPR). Die Kommission wird ermächtigt, die Regelungen betreffend Zusatzstoffe im Wege delegierter Rechtsakte zu ändern (Art. 6 Abs. 8-10 TPR). (4) Rückverfolgbarkeit der Tabakprodukte Die TPR sieht die Einführung eines Rückverfolgungssystems entlang der Lieferkette und von Sicherheitsmerkmalen vor. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass in der EU nur Produkte verkauft werden, die den Bestimmungen der TPR genügen (Art. 14 TPR). Die Mitgliedstaaten müssen unter Wahrung der relevanten Datenschutzvorschriften dafür Sorge tragen, dass die Hersteller von Tabakerzeugnissen entsprechende Datenspeicherverträge mit unabhängigen Dritten schließen. Dies soll die Unabhängigkeit dieses Systems, die volle Transparenz und die dauernde Zugriffsmöglichkeit der Mitgliedstaaten und der Kommission sicherstellen. Die Kommission wird ermächtigt, die Regelungen betreffend der Kernelemente der Rückverfolgbarkeit und der Sicherheitsmerkmale im Wege delegierter Rechtsakte zu ändern (Art. 14 Abs. 9 TPR). (5) Grenzüberschreitender Fernabsatz Die TPR sieht eine Meldepflicht für Einzelhändler von Tabakerzeugnissen vor, die im grenzüberschreitenden Fernabsatz tätig werden wollen, um durch bestimmte, den Mitgliedstaaten überantwortete Maßnahmen die Richtlinienkonformität im Fernabsatz sicherzustellen (Art. 16 TPR). Vorgesehen ist auch ein obligatorisches Altersüberprüfungssystem. Personenbezogene Daten unterliegen besonderem Schutz (Art. 16 Abs. 5 TPR). 2. Die unionsrechtliche Kompetenzgrundlage Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) muss sich im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Union die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts auf objekti- Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 10 ve, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen. Zu diesen Umständen gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts. 12 Auf der Hand liegt bei allen Änderungsvorschlägen ein gesundheitspolitisch motiviertes Ziel. Der Richtlinienvorschlag bringt die Absicht zum Ausdruck, auf ein besseres Funktionieren des EU-Binnenmarkts hinzuwirken (vgl. 3. und 4. Erwägungsgrund der Präambel der TPR). Mit entsprechender Begründung ist die Tabakproduktrichtlinie 2001/37/EG ursprünglich auf Art. 95 EGV (Binnenmarktkompetenz) und Art. 133 EGV (Gemeinsame Handelspolitik) gestützt worden. Der EuGH entschied in einem späteren Urteil zur Tabakproduktrichtlinie , dass Art. 95 EGV die einzige zutreffende Rechtsgrundlage der Richtlinie sei und diese zu Unrecht auch Art. 133 EGV als Rechtsgrundlage anführe.13 Entsprechend der Vorgängerregelung stützt sich der Richtlinienvorschlag ebenfalls auf die Rechtsgrundlage von Art. 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (ehemals Art. 95 EGV). Bezüglich der Vorgängerregelung hat der EuGH entschieden, dass ein Sekundärrechtsakt auch bei einem engen Bezug zum Gesundheitsschutz auf (nunmehr) Art. 114 AEUV gestützt werden kann. Die Anwendung dieser Norm wird nicht durch Art. 168 Abs. 5 AEUV (Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Tabakkonsum) ausgeschlossen, wonach die EU-Organe nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren u. a. „Maßnahmen, die unmittelbar den Schutz der Gesundheit vor Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch zum Ziel haben“, erlassen können. Dies dürfen sie jedoch nur „unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten “ (Harmonisierungsverbot). Bislang wurde das Harmonisierungsverbot so verstanden, dass auf der Grundlage der Vorgängerregelung von Art. 168 Abs. 5 AEUV (Art. 152 Abs. 4 lit. c) EGV) „normative, verbindliche Eingriffe in die von Art. 152 erfassten Bereiche des Gesundheitswesens ganz allgemein ausgeschlossen sein“ sollen. Da sich das Harmonisierungsverbot als solches mit dem Vertrag von Lissabon nicht geändert hat, ist davon auszugehen, dass diese Auslegung auch weiterhin Geltung beanspruchen kann.14 Zulässig sind auf Grundlage von Art. 168 Abs. 5 AEUV weiterhin nur reine Unterstützungsmaßnahmen, wie typischerweise Aktionsprogramme, der Aufbau von Netzwerken und die Einrichtung spezieller Institutionen. Die projektierten Änderungen der Tabakproduktrichtlinie ließen sich demnach nicht auf Art. 168 Abs. 5 AEUV stützen, da es sich bei den von der Kommission vorgestellten Änderungsoptionen nicht um reine Unterstützungsmaßnahmen handeln würde. Jedoch hat der Ausschluss von Art. 168 Abs. 5 AEUV als Kompetenzgrundlage keine Sperrwirkung für die Heranziehung anderer möglicher Rechtsgrundlagen , wie etwa Art. 114 AEUV. Ebenso ist auch eine Harmonisierung nach anderen Vorschriften nicht ausgeschlossen, solange deren Voraussetzungen vorliegen.15 Im Folgenden werden die Voraussetzungen des Art. 114 AEUV und ihre Anwendbarkeit auf die projektierten Regelungsgegenstände der TPR dargestellt. 12 Vgl. EuGH, Rs. C-269/97 (Kommission/Rat), Rn. 42; EuGH, Rs. C-36/98 (Spanien/Rat), Rn. 58. 13 EuGH, Rs. C-491/00 (Queen/British American Tobacco). 14 Vgl. BT-Drs. 16/8300, S. 181; Michel/Last, Schutz der Gesundheit der Bevölkerung vor Tabakkonsum im Vertrag von Lissabon, WD 11/3000-140/08, S. 6. 15 Vgl. Kotzur, in: Geiger/Kahn/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Auflage 2010, Art. 168 AEUV, Rn. 10. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 11 2.1. Art. 114 AEUV als mögliche Kompetenzgrundlage Grundsätzlich können gesundheitsschutzrelevante Maßnahmen auch auf die Binnenmarktkompetenz des Art. 114 AEUV gestützt werden. Art. 114 AEUV regelt die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten mit dem Ziel der Errichtung und des Funktionierens des Binnenmarkts (Abs. 1). Gem. Art. 114 Abs. 3 AEUV geht die Kommission bei ihren Vorschlägen im Bereich des Binnenmarkts aber auch explizit von einem hohen Schutzniveau u. a. im Bereich des Gesundheits- und Verbraucherschutzes aus und berücksichtigt bei ihren Vorschlägen alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen. Voraussetzung für das Stützen eines Unionsrechtsakts auf die Binnenmarktkompetenz ist der Binnenmarktbezug. Die Maßnahme muss also den Zweck haben, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. Soweit diese Voraussetzung für die Anwendung des Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage erfüllt sind, steht nach der Rechtsprechung des EuGH auch „nicht entgegen, dass dem Gesundheitsschutz bei den zu treffenden Entscheidungen maßgebende Bedeutung zukommt“.16 Zu untersuchen ist demnach, ob den anvisierten Änderungsoptionen der erforderliche Binnenmarktbezug zukommt. Zu der Frage des Binnenmarktbezugs von Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit gegenüber dem Tabakkonsum hat der EuGH bereits verschiedene Urteile gefällt.17 Aus diesen Urteilen können ggf. Rückschlüsse gezogen werden. 2.1.1. Erstes Urteil zur Tabakwerberichtlinie (2000) Im Jahr 2000 hat der EuGH die sogenannte Tabakwerberichtlinie18 auf Klage der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.19 Die Richtlinie war u. a. auf der Grundlage von Art. 95 EGV (Binnenmarktkompetenz ) erlassen worden und enthielt ein auf gesundheitspolitischen Motiven beruhendes gemeinschaftsweites absolutes Verbot jeder Form von Werbung und Sponsoring zu Gunsten von Tabakerzeugnissen. Der EuGH stellte fest, dass die Tabakwerberichtlinie von der Kompetenznorm des Art. 95 EGV nicht gedeckt sei. Er unterzog die Tabakwerberichtlinie hierfür einem zweistufigen Test20: - Um die Binnenmarktkompetenz als Rechtsgrundlage heranzuziehen, sei erstens ein Binnenmarkthemmnis erforderlich. Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital (sogenannte 16 EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 88. 17 Vgl. Ludwigs, Art. 95 EG als allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes oder als „begrenzte Einzelermächtigung “?, EuZW 2006, S. 417 ff. 18 Richtlinie 98/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen , ABl. 1998 L 213/9. 19 EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat). 20 Koenig/Kühling, Der Streit um die neue Tabakproduktrichtlinie, EWS 2002, S. 12 (17); Görlitz, EU- Binnenmarktkompetenzen und Tabakwerbeverbote, Kompetenzrechtliche Anmerkungen zur neuen Richtlinie über Werbung und Sponsoring zu Gunsten von Tabakerzeugnissen, EuZW 2003, S. 485 (486 ff.). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 12 Grundfreiheiten) gewährleistet ist (Art. 26 Abs. 2 AEUV). Ein Binnenmarkthemmnis wäre folglich gegeben, wenn es darum gehen würde, Hindernisse für die Verwirklichung der Grundfreiheiten zu beseitigen, die sich aus den Unterschieden in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergeben.15 Ein Binnenmarkthemmnis könnte nach der Rechtsprechung des EuGH des Weiteren zu bejahen sein, wenn auf Unterschieden in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten beruhende Wettbewerbsverfälschungen bestehen.21 - Zweitens müssten die beabsichtigten Harmonisierungsmaßnahmen tatsächlich den Zweck haben, die vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgten Zwecke zu verfolgen (Effektivitätsgebot ).22 Bezogen auf die konkrete Richtlinie kam der EuGH zum Schluss, dass zumindest ein Verbot von Werbung auf Plakaten, auf Sonnenschirmen, Aschenbechern und sonstigen in Hotels, Restaurants und Cafés verwendeten Gegenständen sowie das Verbot von Werbespots im Kino nicht auf Art. 95 EGV gestützt werden könne. Denn diese Verbote förderten den Handel mit den betroffenen Erzeugnissen nicht.23 Die Richtlinie wurde dementsprechend für nichtig erklärt. 2.1.2. Urteile zur Tabakproduktrichtlinie (2002 und 2004) Die Tabakproduktrichtlinie 2001/37/EG stand im Jahr 2002 erstmals auf dem Prüfstand des EuGH.24 Auf ein Vorabentscheidungsverfahren, initiiert von Großbritannien, hatte sich der EuGH erneut mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Art. 95 EG eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Tabakproduktrichtlinie ist. Es wurde geltend gemacht, dass die Richtlinie nicht bezwecke, den freien Verkehr mit Tabakerzeugnissen in der Gemeinschaft sicherzustellen, sondern der Harmonisierung der nationalen Vorschriften über den Schutz der Gesundheit gegenüber dem Tabakkonsum diene, wofür die Gemeinschaft nicht zuständig sei. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie tatsächlich der Verbesserung der Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarkts diene und daher auf der Grundlage von Art. 95 EGV erlassen werden durfte, ohne dass dem die Tatsache entgegensteht, dass dem Gesundheitsschutz bei den Entscheidungen im Zusammenhang mit den von der Richtlinie festgelegten Maßnahmen entscheidende Bedeutung zukommt .25 Das Eingreifen der Rechtsetzungsbefugnis des Art. 95 EGV wird dabei anhand der im Ersten Tabakwerbeurteil entwickelten Voraussetzungen geprüft. Danach muss die Richtlinie die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes verbessern, d. h. den Zweck haben, Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten oder Wettbewerbsverzerrungen abzustellen.26 Konkret führt der EuGH aus, dass der Markt für Tabakerzeugnisse und insbesondere für Zigaretten ein Markt sei, auf dem der Handel zwischen den Mitgliedstaaten eine verhältnismäßig wichtige Rolle spiele. Die nationalen Vorschriften über die Anforderungen, denen Erzeugnisse entsprechen müssen, insbe- 21 EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 90; EuGH, Rs. 350/92 (Spanien/Rat), Rn. 32. 22 EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 85. 23 EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 99. 24 EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco). 25 EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 75. 26 EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 60. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 13 sondere die hinsichtlich ihrer Bezeichnung, Zusammensetzung und Etikettierung, seien in Ermangelung einer gemeinschaftsweiten Harmonisierung von Natur aus geeignet, den freien Warenverkehr , zu behindern.27 Entsprechende den Handel hemmende Unterschiede zwischen den Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen seien zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie bereits aufgetreten oder nach aller Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen.28 Damit diene die Tabakproduktrichtlinie im Gegensatz zur verworfenen Ersten Tabakwerberichtlinie tatsächlich der Verbesserung der Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarktes. Denn sie verbiete es den Mitgliedstaaten, sich der Einfuhr, dem Verkauf und dem Konsum von Tabakerzeugnissen, die den Anforderungen der Richtlinie entsprechen, zu widersetzen (sog. Freiverkehrsklausel).29 In seinen weiteren Ausführungen verwässert der EuGH jedoch die von ihm selbst aufgestellten Kriterien: Die Tatsache, dass es bereits eine Gemeinschaftsvorschrift gebe, die die Beseitigung eines Handelshemmnisses auf dem von ihr harmonisierten Gebiet gewährleiste, könne den Gemeinschaftsgesetzgeber nicht daran hindern, diese Vorschrift aus anderen Erwägungen anzupassen .30 Bzgl. des Gesundheitsschutzes ergebe sich aus Art. 95 Abs. 3 EGV, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber ein hohes Schutzniveau gewährleisten müsse. Der Gemeinschaftsgesetzgeber verfüge über ein Ermessen, über das er auch andere Erwägungen wie die zunehmende politische und soziale Bedeutung des Kampfs gegen den Tabakkonsum berücksichtigen dürfe.31 In zwei weiteren Urteilen zur Tabakproduktrichtlinie aus dem Jahr 2004 hat sich der EuGH mit der Frage beschäftigt, ob das in der Richtlinie enthaltene Verbot des Verkaufs von Tabak für den oralen Gebrauch auf die Binnenmarktkompetenz des Art. 95 EGV gestützt werden konnte.32 Der EuGH bejaht diese Frage: Auch bzgl. des Verbots des Verkaufs von Tabakprodukten für den oralen Gebrauch in den Mitgliedstaaten gäbe es unterschiedliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Da der Markt für Tabakerzeugnisse ein Markt sei, auf dem der Handel zwischen Mitgliedstaaten eine verhältnismäßig wichtige Rolle spiele, trügen diese Vermarktungsverbote zu einer heterogenen Entwicklung dieses Marktes bei und seien geeignet, Hindernisse für den freien Warenverkehr darzustellen .33 Letztlich stellt der EuGH damit pauschal auf den grenzüberschreitenden Handel von Tabakprodukten ab. Die Antwort auf die Frage, inwieweit ein Produktverbot ohne erkennbare handelsbelebende Wirkung zu einer Verbesserung des Verkehrs mit den betroffenen Erzeugnissen beitragen könne, bleibt so im Dunkeln.34 27 EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 64. 28 EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 65. 29 EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 74. 30 EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 78. 31 EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 80. 32 EuGH, Rs. C-434&02 (Arnold André), Rn. 37 ff.; EuGH, Rs. C-210/03 (Swedish Match). 33 EuGH, Rs. C-434&02 (Arnold André), Rn. 39. 34 Vgl. Ludwigs, Art. 95 EG als allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes oder als „begrenzte Einzelermächtigung “?, EuZW 2006, S. 417 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 14 2.1.3. Zweites Urteil zur Tabakwerberichtlinie (2006) Anstelle der für nichtig erklärten ersten Tabakwerberichtlinie wurde 2003 eine überarbeitete Richtlinie über Tabakwerbung35 erlassen, die ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des ausreichenden Binnenmarktbezugs vom EuGH geprüft wurde.36 Die Zweite Tabakwerberichtlinie verzichtet im Vergleich zur Richtlinie von 1998 auf ein totales Werbeverbot von Tabakerzeugnissen. Verboten ist Tabakwerbung in Rundfunkprogrammen, Zeitungen, Zeitschriften und im Internet; untersagt ist auch das Sponsoring von Rundfunkprogrammen. Ausgenommen sind jedoch Publikationen, die sich ausschließlich an Beschäftigte im Tabakhandel richten und solche, die nicht primär für den gemeinschaftlichen Binnenmarkt bestimmt sind. Weiterhin erlaubt ist Tabakwerbung in sogenannten Rauchergenussmagazinen, die sich ausschließlich an Raucher wenden. In seiner Würdigung führte der EuGH aus, dass zwar eine bloße Feststellung von Unterschieden zwischen nationalen Regelungen nicht ausreiche, um eine Maßnahme auf Art. 95 EGV zu stützen , doch im Fall von Unterschieden, „die geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken, etwas anderes“ gelte.37 Der Handel mit Presse- und anderen Druckerzeugnissen sowie die werbende Tätigkeit in den Medien der Informationsgesellschaft und des Rundfunks habe grenzüberschreitenden Charakter. Angesichts divergierender Vorschriften über die Tabakwerbung in den einzelnen Mitgliedstaaten stelle ein einheitliches Verbot der Werbung sicher, dass der Handel mit Druckerzeugnissen und der freie Verkehr von Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten nicht aufgrund nationaler Vorschriften behindert werden.38 Unerheblich sei, dass die Verbote auch für nationale oder lokale Werbeträger ohne grenzüberschreitende Wirkung gelten würden, das nicht für jede Situation, die von einer auf Art. 95 EGV gestützten Maßnahme erfasst sei, ein tatsächlicher Zusammenhang mit dem freien Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten bestehen müsse, sofern die Maßnahme – wie vorliegend – tatsächlich die Marktbedingungen verbessere.39 Nach ständiger Rechtsprechung könne der Gemeinschaftsgesetzgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Art. 95 EGV einen Rechtsakt auf diese Grundlage stützen, auch wenn dem Gesundheitsschutz maßgebliche Bedeutung zukomme. 2.1.4. Aus den Urteilen des EuGH abgeleiteter Prüfungsmaßstab Die erste Voraussetzung, die nach den bisherigen Urteilen des EuGH für ein Zurückgreifen auf die Binnenmarktkompetenz erfüllt sein muss, ist das Bestehen unterschiedlicher Rechts- und Verwaltungsvorschriften in den Mitgliedstaaten. Aus diesen bestehenden unterschiedlichen Rechtsund Verwaltungsvorschriften in den Mitgliedstaaten müsste sich wiederum ein Binnenmarkthindernis ergeben, was nach den Urteilen des EuGH vorliegt, wenn Grundfreiheiten beeinträchtigt 35 Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates RICHTLINIE 2003/33/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen , ABl. 2003 L 152/16. 36 EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat). 37 EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 37. 38 EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 69 ff. 39 EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 80. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 15 werden oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Schließlich kann ein Rechtsakt auf Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) gestützt werden, wenn er maßgeblich der Harmonisierung der nationalen Vorschriften über den Schutz der Gesundheit gegenüber dem Tabakkonsum dient, solange damit zugleich das Funktionieren des Binnenmarkts verbessert wird. 2.1.5. Anwendung des Prüfungsmaßstabs auf die Änderungsvorschläge der Kommission Im Folgenden wird auf Basis des vorstehenden Prüfungsmaßstabs ermittelt, ob Art. 114 AEUV für die Einführung der projektierten Regelungen Kompetenzgrundlage sein kann. Anwendungsbereich der Richtline: In den Mitgliedstaaten gibt es seit den letzten Jahren eine starke Diversifizierung des Marktes von Tabakprodukten. Neben den herkömmlichen Tabakprodukten ist mittlerweile auch ein Anstieg des Angebots von neuartigen Tabakprodukten wie z. B. Wasserpfeifen , elektronische Zigaretten oder Kräuterzigaretten zu verzeichnen. Die gegenwärtigen Regelungen der Tabakproduktrichtlinie sind auf diese Produktvarianten nicht anwendbar. Für die neuen Produkte gibt es zwar zum Teil nationale gesetzliche Regelungen. Diese variieren aber zwischen den Mitgliedstaaten. Denkbar ist, dass die Einführung einheitlicher Bestimmungen für neuartige Tabakprodukte auf EU-Ebene zugleich auch positive Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel und damit auf das Funktionieren des EU-Binnenmarktes hätten. Art. 114 AEUV käme insoweit als Kompetenzgrundlage in Betracht. Kennzeichnung und Verpackung: Abschreckende Bilder auf Zigarettenverpackungen informieren Untersuchungen zufolge den Verbraucher besser über die mit dem Rauchen verbundenen Risiken als rein schriftliche Warnhinweise. Eine solche Maßnahme würde daher das Ziel verfolgen, den Gesundheitsschutz zu verbessern. Gleiches gilt für die Einführung von Einheitsverpackungen. Diese könnten weniger attraktiv auf Verbraucher wirken, zumal die über die bisherigen Verpackungsdesigns vermittelten Botschaften entfielen. Die Verkaufsmenge von Zigaretten in Einheitsverpackungen mag in der Folge schneller abnehmen und damit positive Auswirkungen auf den Gesundheitsschutz haben. Den Abdruck von abschreckenden Bildern auf Zigarettenverpackungen haben bislang einige Mitgliedstaaten vorgeschrieben, in anderen Mitgliedstaaten bestehen derartige Vorgaben nicht.35 Durch die Einführung einheitlicher Regelungen für das äußere Design von Zigarettenverpackungen wären die betroffenen Hersteller nicht gehalten, den jeweiligen nationalen Bestimmungen angepasste Verpackungsdesigns zu produzieren. Zumindest unter diesem Aspekt ließe sich vertreten, dass die Funktionsweise des Binnenmarkts gestärkt werden soll, sodass eine Heranziehung von Art. 114 AEUV als Kompetenzgrundlage möglich erscheint. Inhalts- und Zusatzstoffe: Die Regelungen zur Offenlegung und Registrierung von Zusatzstoffen in Tabakprodukten sind gegenwärtig von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden. Diese Tatsache führt zu Problemen bei der Auswertung der Daten durch nationale Behörden. Zugleich ist den Tabakherstellern und -importeuren aufgrund der unterschiedlichen Berichtformate die Bereitstellung von Informationen erschwert. Eine Vereinheitlichung der Offenlegung und Registrierung von Inhaltsstoffen erscheint demnach geeignet, das Funktionieren des EU-Binnenmarktes zu erleichtern . Eine Heranziehung von Art. 114 AEUV als Kompetenzgrundlage erscheint damit möglich . Dies gilt gleichermaßen für die Verwendung von Zusatzstoffen in Tabakprodukten. Diesbezüglich bestehen zwischen den Mitgliedstaaten ebenfalls uneinheitliche nationale Regelungen. Entsprechend existieren national variierende Positiv- und Negativlisten. In der Folge können Zusatzstoffe, die Tabakprodukten in einem Mitgliedstaat zugeführt werden dürfen, in anderen Mitgliedstaaten verboten sein. Eine daher für jeden Mitgliedstaat vorzunehmende Neuanpassung Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 16 des Tabakprodukts in Bezug auf seine Zusatzstoffe legt den Schluss nahe, dass der Warenverkehr in dieser Hinsicht nur erschwert möglich ist. Eine einheitliche Regelung in der EU, die in allen Mitgliedstaaten die gleichen Zusatzstoffe erlaubt bzw. verbietet, würde somit das Funktionieren des EU-Binnenmarktes positiv beeinflussen. Rückverfolgbarkeit: In den Mitgliedstaaten existiert kein einheitliches System für die Verifizierung der Echtheit von Tabakprodukten und ihre Rückverfolgbarkeit. Die Regelung zielt ab auf eine Kohärenz der verschiedenen nationalen Bestimmungen für die Rückverfolgbarkeit mit sekundärrechtlichen Bestimmungen betreffend den Datenschutz. Dadurch werden gleiche Ausgangsbedingungen für die verschiedenen am Handel mit Tabakprodukten beteiligten Akteure geschaffen und eine einheitliche Marktüberwachung ermöglicht, die letztlich den Verbrauchern grenzüberschreitend die Prüfung der Echtheit der Tabakprodukte erleichtert. Mit Blick auf die mit der Schaffung eines einheitlichen Systems einhergehende Erleichterung des Binnenmarktes scheint eine Heranziehung von Art. 114 AEUV als Ermächtigungsgrundlage möglich. Grenzüberschreitender Fernabsatz: Bislang besteht kein einheitliches System für den Fernabsatz von Tabakprodukten. Vielmehr unterliegen derartige Geschäfte den divergierenden nationalen Vorschriften über den Verkauf von Tabakprodukten. Mit der projektierten Regelung wird ein einheitliches System zur Sicherstellung der Richtlinienkonformität der im Fernabsatz gehandelten Tabakprodukte geschaffen sowie ein einheitliches System der Altersprüfung eingerichtet. Nach Ansicht der Kommission wird durch diese Maßnahmen grenzüberschreitendes, legales Handeln erleichtert, ohne Absatzkanäle zu sperren:40 Den Verbrauchern werde der rechtmäßige Zugang zu Tabakprodukten erleichtert, die auf dem heimischen Markt nicht angeboten werden, und es würden Binnenmarkteffekte verstärkt, indem Käufe von nicht richtlinienkonformen Erzeugnissen vermieden werden. Entsprechend dieser Begründung des Richtlinienvorschlags dient die Regelung der Erleichterung des Binnenmarktes, sodass eine Heranziehung von Art. 114 AEUV als Ermächtigungsgrundlage möglich erscheint. 2.2. Ergebnis Als erste Einschätzung lässt sich festhalten, dass für die Änderungsvorschläge insgesamt Art. 114 AEUV als Kompetenzgrundlage in Betracht kommt. 3. Prüfung europäischen Sekundärrechts am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes Fraglich ist, inwieweit deutsche Gerichte – insbesondere das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – Rechtsakte der EU am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen können. Werden die geplanten Maßnahmen durch einen Sekundärrechtsakt eingeführt, sind die Befugnisse des BVerfG zu dessen Überprüfung beschränkt. Denn die Zuständigkeit für die Überprüfung des Unionsrechts besitzt ausschließlich der EuGH. Vor nationalen Gerichten, dies schließt das 40 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen KOM(2012) 788 endg., S. 10. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 17 BVerfG ein, erfolgt mithin auch keine Kontrolle dahingehend, ob der Rechtsakt der EU gegen nationales Verfassungsrecht verstößt. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG. In seinem „Solange-II-Beschluss“41 hat es seine Zuständigkeit für die Überprüfung von Unionsrecht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes verneint, solange ein wirksamer Grundrechtsschutz gegenüber der Hoheitsgewalt der EU generell gewährleistet ist, der demjenigen des Grundgesetzes im Wesentlichen gleichsteht. In der Entscheidung zum Vertrag von Maastricht42 hat es sich für zuständig erklärt zu prüfen, ob sich ein Unionsrechtsakt im Rahmen der der EU eingeräumten Kompetenz halte und auch ob er in Deutschland anwendbar sei. Letztere Zuständigkeit übe es aber in einem „Kooperationsverhältnis“ zum EuGH aus. Dazu hat das BVerfG in einer späteren Entscheidung43 ausgeführt, dass eine Verfassungsbeschwerde gegen einen Unionsrechtsakt von vorneherein unzulässig sei, wenn nicht dargelegt werde, dass der Grundrechtsschutz innerhalb der EU unter den erforderlichen Standard abgesunken sei. Damit hat es zwar seine Zuständigkeit bestätigt, die Hürden für eine Kontrolle von sekundärem Unionsrecht vor dem BVerfG allerdings sehr hoch gelegt. In der Entscheidung zum Vertrag von Lissabon44 hat es erneut zu dieser Frage Stellung genommen : Das BVerfG prüft in einer Ultra-vires-Kontrolle, ob Rechtsakte der europäischen Organe die Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte einhalten, wenn Rechtsschutz auf europäischer Ebene nicht zu erlangen ist. Darüber hinaus prüft es, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität aus Art. 79 Abs. 3 GG gewahrt ist.45 Allerdings sei die Auslegung des Rechtes der EU, sowohl des Primärrechts als auch des Sekundärrechts, nach dem Willen der Verträge der europäischen Gerichtsbarkeit zugewiesen worden.46 Dies führe aber nicht dazu, dass die nationalen Verfassungsgerichte ihre Integrationsverantwortung verlören. Bereits in seinem Maastricht- Urteil aus dem Jahr 199347 habe das BVerfG seine Zuständigkeit bekräftigt, europäische Rechtsakte daraufhin zu überprüfen, ob sie sich im Rahmen der eingeräumten Ermächtigung hielten oder aber eine „vertragsausdehnende Auslegung“ vorliege, die einer unzulässigen Vertragsänderung gleichkomme.48 Es sei eine Konsequenz der weiterhin bestehenden Souveränität Deutschlands, dass „jedenfalls dann, wenn es ersichtlich am konstitutiven Rechtsanwendungsbefehl mangelt, die Unanwendbarkeit eines solchen Rechtsakts für Deutschland vom Bundesverfassungsgericht festgestellt wird.“49 41 BVerfG, Beschluss v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, Ls. 2. 42 BVerfG, Urteil v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, Ls. 5, 7. 43 BVerfG, Urteil v. 30.6.2000, 2 BvL 1/97, Rn. 63. 44 BVerfG, Urteil v. 30.6.2009, 2 BvE 2/08. 45 BVerfG, Urteil v. 30.6.2009, 2 BvE 2/08, Rn. 240. 46 BVerfG, Urteil v. 30.6.2009, 2 BvE 2/08, 333. 47 BVerfG, Urteil v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92. 48 BVerfG, Urteil v. 30.6.2009, 2 BvE 2/08., Rn. 333. 49 BVerfG, Urteil v. 30.6.2009, 2 BvE 2/08., Rn. 339. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 18 Das BVerfG hat in einer Entscheidung vom Juli 201050 seine Aussagen im Lissabon-Urteil bezüglich seiner Prüfungskompetenz relativiert. Es bekräftigt zwar seine Befugnis zu einer Ultra-vires- Kontrolle, schränkt sie aber insoweit ein, dass sie dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit folgen müsse und nur in Frage komme, wenn ein hinreichend qualifizierter Kompetenzverstoß der europäischen Organe vorliege, also offensichtlich sei und zu einer „strukturell bedeutsamen“ Verschiebung des Kompetenzgefüges zulasten der Mitgliedstaaten führe. Das BVerfG würde den Sekundärrechtsakt mithin lediglich dann überprüfen, wenn er einen „ausbrechenden Rechtsakt“ darstellte, der offensichtlich nicht mehr durch die Ermächtigung des Primärrechts gedeckt ist. Eine Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte ist insbesondere im Hinblick auf die Bananenmarkt -Entscheidung nahezu ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob der Rechtsakt einer Überprüfung durch das BVerfG unterliegt, ist auf europäischer Ebene eine Rechtsschutzmöglichkeit jedenfalls gegeben. Jeder Mitgliedsstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission können in einer Nichtigkeitsklage vor dem EuGH die Rechtswidrigkeit des Rechtsaktes rügen (Art. 263 AEUV). Prüfungsmaßstab kann hier allerdings nur europäisches Recht einschließlich europäischer Grundrechte sein, sofern die vorgeschlagenen Rechtsakte den Mitgliedstaaten keinen eigenständigen Handlungsspielraum belassen. 51 4. Prüfung anhand europäischer Grundrechte Die Änderungsvorschläge der Kommission finden ihre Grenze in den Grundrechten der EU. Diese ergeben sich einerseits aus der seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon rechtsverbindlichen Charta der Grundrechte der EU (GRC) und andererseits aus den Grundrechten, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben (Art. 6 Abs. 1, 3 EUV). In den im Rahmen der Prüfung der Kompetenzgrundlage angeführten Urteilen des EuGH zur Tabakwerbe - und Tabakproduktrichtlinie hat der EuGH sich (zumeist) auch mit einer möglichen Verletzung europäischer Grundrechte durch die den Tabakherstellern auferlegten Beschränkungen befasst. Geprüft wurden vor allem eine Verletzung der Grundrechte auf freie Berufsausübung und Eigentum und Verstöße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Ergebnis wurde jeweils keine Verletzung von Grundrechten festgestellt. Der Vorschlag der Kommission zur TPR bekennt im 45 Erwägungsgrund der Präambel der TPR ausdrücklich, dass er mehrere Grundrechte berührt. Dies betrifft insbesondere den Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRC), die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Art. 11 GRC), die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh) und das Eigentumsrecht (Art. 17 GRC). Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, ob mit den Maßnahmen der TPR in diese Grundrechte rechtswidrig und insbesondere unverhältnismäßig eingegriffen würde. 50 BVerfG, Beschluss v. 6.7.2010, 2 BvR 2661/06. 51 Vgl. EuGH, Rs. C-617/10 (Åkerberg Fransson), Rn. 19ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 19 4.1. Verletzung des Grundrechts auf Eigentum (Art. 17 GRC) Nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 GRC hat jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Die Gewährleistung des Eigentumsrechts findet sich auch in Art. 1 des 1. Zusatzprotokoll zur EMRK (ZP EMRK). Dieser ist bei der Bestimmung des Umfangs des Grundrechts aus Art. 17 GRCH heranzuziehen.52 4.1.1. Schutzbereich Art. 17 GRCH schützt – entsprechend Art. 1 ZP EMRK – über das Eigentum an materiellen Gütern hinaus jedes vermögenswerte Recht, das dem Einzelnen zur privaten Nutzung zugeordnet ist.53 Neben dem Sacheigentum sind beispielsweise auch private Forderungsrechte54 und – wie Abs. 2 ausdrücklich zu entnehmen ist – geistige Eigentumsrechte geschützt. Hierunter fallen Urheber-, Patent-, Marken- und sonstige Schutzrechte, die die Nutzungs- und Übertragungsmöglichkeiten geistiger Schöpfungen regeln.55 Hierzu gehört beispielsweise die Verwendung einer Marke als Kennzeichen von Erzeugnissen, mit deren Hilfe sich diese identifizieren lassen.56 Gewährleistet wird nicht nur der Bestand der jeweiligen Eigentumsposition, sondern auch die Befugnis, über sie zu verfügen und sie jeder nicht untersagten Nutzung zuführen zu können.57 Bloße kaufmännische Interessen oder Aussichten wie Marktanteile oder Gewinnerwartungen, deren Ungewissheit einer wirtschaftlichen Tätigkeit immanent ist, fallen nicht unter den unionsrechtlichen Eigentumsschutz.58 Auch lässt sich ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb wie beispielsweise ein Unternehmen in seiner Gesamtheit nicht als von Art. 17 GRC geschützte Position einstufen.59 Auf Art. 17 GRCH können sich sowohl natürliche als auch juristische Personen berufen.60 52 Erläuterung zu Art. 17, in: Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl 2007 C 303/23; EuGH, Rs. 402/05, Slg.2008, I-6351, Rn.356 (Kadi). 53 EGMR, Nr. 15375/89 v. 23.02.1995, Rn. 53 (Gasus). 54 EuGH, Rs. C-84/95, Slg. 1996, I-3953, Rn. 20ff. (Bosphorus). 55 EuGH, Rs. C-200/96, Slg. 1998, I-1953, Rn. 20, 24 (Metronome Musik); 56 EuGH, Rs. C-10/89, Slg. 1990, I-3711, Rn. 13 (HAG). 57 EuGH, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727, Rn. 19 (Hauer). 58 Vgl. EuGH, Rs. 4/73, Slg. 1974, 491, Rn. 14 (Nold). 59 EuGH, Rs. 59/83, Slg. 1984, 4057, Rn. 21f. (Biovilac). 60 Vgl. zu dem von der Rechtsprechung in Anlehnung an Art. 1 ZP EMRK entwickelten Unionsgrundrecht auf Eigentum EuGH, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727, Rn. 18 (Hauer). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 20 4.1.2. Eingriff Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 17 GRC ist gegeben, wenn eine eigentumsfähige Position entzogen oder sie hinsichtlich ihrer Nutzung, Verfügung oder Verwertung Beschränkungen unterworfen wird.61 Eine Entziehung ist gegeben, wenn dem Betroffenen jegliche Möglichkeit genommen wird, über eine Eigentumsposition zu verfügen oder sie jeder anderen, nicht untersagten Nutzung zuführen zu können.62 Eine Beschränkung liegt dagegen vor bei Maßnahmen, die keine (vollständige) Entziehung, sondern nur eine Begrenzung der Nutzung zur Folge haben.63 4.1.3. Rechtfertigung Nach Art. 17 Abs. 1 S. 3 GRC kann die Nutzung des Eigentums gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. Nutzungsbeschränkungen sind rechtmäßig, wenn sie „tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union entsprechen und nicht einen im Hinblick auf die verfolgten Ziele unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet“64. Eine Enteignung kann gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 2 GRC gerechtfertigt werden, wenn Gründe des öffentlichen Interesses vorliegen , der Entzug in einem Gesetz vorgesehen ist und eine rechtzeitige, angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums gewährt wird. Eine Maßnahme ist dann verhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die Erforderlichkeit ist gegeben, wenn von mehreren zur Verfügung stehenden und geeigneten Maßnahmen die am wenigsten belastende gewählt wurde; die Angemessenheit ist gewahrt, wenn die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.65 Der Wesensgehalt ist dann berührt, wenn der Nutzungsbeschränkung ein „entzugsgleicher Charakter “ zukommt.66 Dies ist der Fall, wenn es dem Betroffenen praktisch unmöglich gemacht würde, seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.67 Verneint wird dies, wenn lediglich die Modalitäten der Ausübung des Eigentumsrechts betroffen sind, ohne dass dessen Bestand selbst gefährdet wäre68 beziehungsweise wenn der Wirtschaftsteilnehmer sein Eigentum immer noch auf 61 EuGH, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727, Rn. 19 (Hauer). 62 Vgl. EuGH, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727, Rn. 19 (Hauer). 63 EuGH, Rs. 4/73, Slg. 1974, 491, Rn. 19 (Nold). 64 EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 149 (British American Tobacco); EuGH, Rs. C-200/96, Slg. 1998, I- 1953, Rn. 21 (Metronome Musik); Rs. C-368/96, Slg. 1998, I-7967, Rn. 79 (Generics). 65 EuGH, Rs. 265/87, Slg. 1989, 2237, Rn. 21 (Schräder). 66 EuGH, Rs. C-177/90, Slg. 1992, I-35, Rn. 17 (Kühn). 67 EuGH, Rs. C-368/96, Slg. 1998, I-7967, Rn. 85 (Generics). 68 EuGH, Rs. C-306/93, Slg. 1994, I-5555, Rn. 24 (SMW Winzersekt). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 21 andere Weise nutzen kann.69 Auch stellen nachteilige Auswirkungen auf den Absatz eines Erzeugnisses für sich genommen keine den Wesensgehalt antastenden Beeinträchtigungen dar.70 4.1.4. Vereinbarkeit des Richtlinienentwurfs mit Art. 17 GRC Insbesondere die projektierten Regelungen betreffend die Kennzeichnung und Verpackung stehen potenziell in einem Spannungsverhältnis zu dem Eigentumsgrundrecht. Zwar hat die Kommission von der ursprünglich angedachten Pflicht zur Einführung neutraler Einheitsverpackungen (sog. „plain packaging“) abgesehen.71 Jedoch soll die Aufmachung der Verpackungen stärker als bisher reguliert werden. So sollen alle Packungen von Rauchtabakerzeugnissen einen sog. allgemeinen Warnhinweis („Rauchen ist tödlich – hören Sie jetzt auf“) und eine sog. Informationsbotschaft („Tabakrauch enthält über 70 Stoffe, die erwiesenermaßen krebserregend sind“) enthalten, die auf die Schmalseiten der Packung bei einer Größe von 50% der zur Verfügung stehenden Fläche zu drucken sind.72 Auf Vorder- und Rückseite der Packungen müssten kombinierte Warnhinweise (bestehend aus Bild und Text) erscheinen, die jeweils 75 % der Fläche einnehmen .73 Hinzu käme ein Verbot bestimmter Elemente wie Texte und Symbole im Rahmen der Produktbeschreibung auf den Verpackungen. Nach dem bisherigen Art. 7 der Richtlinie 2001/37/EG waren dies nur solche, die den Eindruck erwecken, dass ein bestimmtes Tabakerzeugnis weniger schädlich als andere sei. Hinzu kommt nun ein Verbot der irreführenden Werbung für Tabakerzeugnisse , des irrigen Eindrucks u.a. in Bezug auf Geschmack, Aroma und Gesundheitsschädlichkeit sowie der Ähnlichkeit mit Lebensmitteln.74 4.1.4.1. Verbotene Elemente bei der Produktbeschreibung Die untersagten Elemente bei der Produktbeschreibung beschränken zunächst das Sacheigentum der Tabakhersteller an den Verpackungen, welche diese nicht völlig nach ihrem Belieben gestalten können. Vor allem aber können die unzulässigen Textteile, Symbole und Farben Bestandteile von Wort-/Bild-Marken sein. Ein Verbot ihrer Verwendung führt zwar noch nicht zu einer vollständigen Entziehung, beschränkt aber die Art und Weise, wie eine Marke genutzt werden kann. Beeinträchtigt werden in gleichem Maße Markeninhaber sowie entsprechende Lizenznehmer. Dieser Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein. Die Untersagung verfolgt den dem Gemeinwohl dienenden Zweck des Gesundheitsschutzes. Hierfür erscheint sie geeignet und erforderlich. Durch den Verzicht auf irreführende oder verharmlosende Aussagen wird verhindert, dass die Gesundheitsschädlichkeit der Produkte durch den Konsumenten unterschätzt wird. Jedenfalls der Wesensgehalt des Markenrechts müsste jedoch gewahrt bleiben. Zu den bisherigen nach der Richtlinie verbotenen Kennzeichnungen hat der EuGH ausgeführt, dass diese eine verhältnismä- 69 EuGH, Rs. C-177/90, Slg. 1992, I-35, Rn. 17 (Kühn). 70 EuGH, Rs. 59/83, Slg. 1984, 4057, Rn. 22 (Biovilac). 71 Pauling, Europäische und globale Initiativen zur Verbesserung der Tabakkontrollpolitik, VuR 2010, 433f. 72 Art. 8 Abs. 3 Tabakproduktrichtlinie. 73 Art. 9 Abs. 1 lit. (c) Tabakproduktrichtlinie. 74 Art. 12 Abs. 1 Tabakproduktrichtlinie. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 22 ßige Beschränkung der Ausübung des Eigentumsrechts darstellten und auch den Wesensgehalt nicht antasteten, weil dem Tabakwarenhersteller dennoch die Möglichkeit verbliebe, auf der Verpackung sein Erzeugnis durch andere Unterscheidungszeichen zu individualisieren.75 Diese Möglichkeit berücksichtigt auch der Richtlinienvorschlag. Die exemplarisch aufgezählten Elemente knüpfen an die Voraussetzung an, dass hierdurch eine Irreführung entsteht. Für die Unternehmen besteht also weiterhin die Möglichkeit, individuelle Gestaltungsmerkmale zur Markenprägung auszuwählen, solange diese keine von Art. 12 TPR verbotene Wirkung erzeugen. 4.1.4.2. Warnhinweise und Informationsbotschaft an den Seiten Warnhinweise und Informationsbotschaften (Art. 8 TPR) schränken die Markennutzung ebenfalls ein, indem sie Platz auf der Verpackung von Tabakprodukten beanspruchen. Dieser Raum könnte andernfalls dafür genutzt werden, eine bestimmte Marke durch eine charakteristische Gestaltung einzusetzen, um damit ein Produkt nach außen kenntlich und von anderen unterscheidbar zu machen. Dieser Eingriff könnte insofern gerechtfertigt sein, dass die Vorgaben hinsichtlich des allgemeinen Warnhinweises und der Informationsbotschaft auf den schmalen Seiten der Verpackungen das dem Gemeinwohl dienende Ziel des Gesundheitsschutzes verfolgen. Derartige Hinweise sind bereits Bestandteil der Richtlinie und ein erprobtes Mittel, um die Verbraucher zu einem geringeren Konsum von Tabakerzeugnissen zu animieren oder zumindest auf weniger gesundheitsgefährdende Tabakerzeugnisse wechseln zu lassen.76 Als problematisch könnte sich erweisen, dass die einzuhaltende Größe hinsichtlich dieser Elemente von derzeit mindestens 30% auf genau 50% angehoben werden soll, wodurch die Eingriffsintensität gegenüber der bestehenden Vorgabe ansteigt. Die Vergrößerung der Flächen für Warnhinweise von mindestens 30% ist aber derzeit schon in bestimmten Fällen auf bis zu 50% möglich.77 Der EuGH führte hierzu aus, der Gesetzgeber habe die Grenzen des ihm auf diesem Gebiet zustehenden Ermessens noch nicht überschritten, weil er den prozentualen Anteil der Flächen, die für diese Angaben und Warnhinweise auf bestimmten Seiten der Verpackungen vorgesehen waren, in einem Verhältnis vorgeschrieben habe, das den Produzenten noch genügend Raum lasse, um dort andere Angaben, insbesondere bezüglich ihrer Marken, anzubringen.78 Über dieses noch als zulässig betrachtete Maß geht der Entwurf der neuen Richtlinie jedenfalls nicht hinaus. Nach dem Vorschlag soll dieser Flächenanteil eingehalten werden und die Möglichkeit einer weiteren Erhöhung ist nicht vorgesehen, so dass der Wesensgehalt insgesamt gewahrt bliebe .79 75 EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 150, 152 (British American Tobacco). 76 EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 131 (British American Tobacco). 77 Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/37/EG. 78 EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 132 (British American Tobacco). 79 Art. 7 Abs. 6 Tabakproduktrichtlinie. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 23 4.1.4.3. Kombinierte Warnhinweise auf Vorder- und Rückseite Die kombinierten Warnhinweise (Art. Art. 9 TPR) schränken die Markennutzung ein, indem sie Platz auf der Verpackung von Tabakprodukten beanspruchen, der andernfalls für die Darstellung einer Marke zur Verfügung stünde, um damit ein Produkt nach außen kenntlich und von anderen unterscheidbar zu machen. Dieser Eingriff könnte aber mit Blick auf das gemeinwohldienliche Ziel des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sein. Die generelle Verpflichtung, Warnungen in Text und Bild auf der Packung zu zeigen, ist zu einer Verstärkung des Gesundheitsschutzes grundsätzlich geeignet. Durch eine weniger attraktive Aufmachung der Schachteln könnten insbesondere bei jungen Menschen Kaufanreize verloren gehen.80 Zumindest führen Farbfotografien die sonst nur abstrakt darstellbaren , schädlichen Folgen des Rauchens nachdrücklicher vor Augen als eine wörtliche Beschreibung . Jedoch könnte die Vorgabe, 75% der Vorder- und Rückseite von Verpackungen mit Warnhinweisen zu versehen, den Wesensgehalt des Markenrechts antasten. Durch die Regelung würde der überwiegende Teil der Vorder- und Rückseite aus einheitlich gestalteten Warnhinweisen bestehen . Hierdurch könnten sich Wort- und Bildmarken zum Zwecke der Unterscheidbarkeit nicht mehr effektiv nutzen lassen. Diesbezüglich stellt der EuGH darauf ab, ob den Unternehmen noch eine ausreichende Möglichkeit verbleibt, ihre Marken durch eine charakteristische, von anderen Marken unterscheidbare Darstellung auf der Verpackung nutzen zu können.81 Der Wesensgehalt wird also dann nicht angetastet, wenn sich die Verpackungen immer noch einzelnen Marken zuordnen lassen und diese somit zur Unterscheidung eingesetzt werden können. Im Gegensatz zum „plain packaging“82 eröffnet die projektierte Regelung weiterhin diese Möglichkeit. 4.2. Berufsfreiheit (Art. 15 GRC) und unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRC) Die in Art. 15 und 16 GRC garantierten Grundrechte auf Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit schützen gemeinsam die Gewährleistung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit in allen ihren Ausprägungen. 80 Ziegenaus, No Logo? Pläne der EU-Kommission zu Zigaretten in Einheitsverpackungen auf dem Prüfstand, GRUR-Prax 2010, 475. 81 Vgl. EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco).,Rn. 131, 150 ff.; Bei seiner Prüfung hat der EuGH allerdings den größeren Platzbedarf der Abbildungen gegenüber reinem Text unberücksichtigt gelassen, zur Kritik hieran Wägenbaur, Tabak, Ende der Diskussion oder Diskussion ohne Ende?, EuZW 2003, 107 [108]. 82 Zur Beeinträchtigung des Wesensgehalts bei dieser Lösung siehe Pache, Gutachten zur Unionsrechtskonformität der geplanten Novellierung der Tabakproduktrichtlinie, in: Kieninger/Pache/Sieber (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen der Tabakregulierung in Europa: zur Zulässigkeit einer Tabakregulierung aus europarechtlicher, grundrechtlicher und markenrechtlicher Perspektive, S. 103ff.; Schroeder, Plain Packaging und EU-Grundrechte, ZLR 2012, 405 [414]; Ziegenaus, No Logo? Pläne der EU-Kommission zu Zigaretten in Einheitsverpackungen auf dem Prüfstand, GRUR-Prax 2010, 475.. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 24 4.2.1. Schutzbereich Art. 15 GRC enthält das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben. Als besondere Aspekte der freien Berufsausübung arbeitete der EuGH insbesondere die Handelsfreiheit83, die freie Wahl des Geschäftspartners84 sowie allgemein die „wirtschaftliche Betätigungsfreiheit“85 heraus. 86 Letztere findet sich in Art. 16 GRC ausdrücklich als Gewährleistung der unternehmerischen Freiheit wieder. Geschützt wird die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben.87 Von dieser Gewährleistung werden weder die Garantie eines bestimmten Geschäftsvolumens oder Marktanteils88, noch bloße kaufmännische Interessen oder Absichten umfasst, deren Ungewissheit zum Wesen einer wirtschaftlichen Tätigkeit gehören89. Unter den persönlichen Schutzbereich fallen neben natürlichen vor allem juristische Personen.90 4.2.2. Eingriff Ein Eingriff hinsichtlich der freien Berufswahl gemäß Art. 15 GRC liegt vor, wenn Bedingungen festgelegt werden, um einen bestimmten Beruf überhaupt aufnehmen zu können.91 In die freie Berufsausübung wird eingegriffen, wenn bestimmte Bereiche der beruflichen Tätigkeit Beschränkungen unterworfen werden.92 Für das Vorliegen eines Eingriffs in die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 GRC kommt es darauf an, dass eine Regelung getroffen wird, die für den Grundrechtsinhaber im Hinblick auf die unternehmerischen Aktivitäten einen Nachteil bezweckt oder unmittelbar bewirkt. Rechtsakte, die beim Betroffenen nur mittelbare beziehungsweise faktische Nachteile hervorrufen, stellen nur dann einen Eingriff dar, wenn sie „hinreichend direkte und bedeutsame Auswirkungen“93 auf die unternehmerische Betätigung haben. Hingegen ist ein Eingriff abzulehnen, wenn die belastenden Folgen dem Grundrechtsverpflichteten nicht zurechenbar sind, etwa weil sie nicht in erster Linie auf dem Verhalten des Gesetzgebers beruhen, sondern auf der wirtschaftlichen Entwicklung, de- 83 EuGH, Rs. 4/73, Slg. 1974, 491, Rn. 14 (Nold). 84 EuGH, verb. Rs. C-90/90 u. C-91/90, Slg. 1991, I-3617, Rdnr. 13 (Neu). 85 EuGH, Rs. C-104/97 P, Slg. 1999, I-6983, Rn. 12 (Atlanta). 86 EuGH, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727, Rn. 32 (Hauer). 87 Erläuterung zu Art. 16, in: Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl 2007 C 303/23. 88 EuGH, Rs. C-104/97 P, Slg. 1999, I-6983, Rn. 12 (Atlanta). 89 EuGH, Rs. 4/73, Slg. 1974, 491, Rn. 14 (Nold). 90 St. Rspr., vgl. nur EuGH, Rs. C-104/97 P, Slg. 1999, I-6983, Rn. 12 (Atlanta). 91 EuGH, verb. Rs. C-193/97 u. C-194/97, Slg. 1998, I-6747, Rn. 32 (de Castro Freitas). 92 EuGH, Rs. 234/85, Slg. 1986, 2897, Rn. 9 (Keller). 93 EuGH, verb. Rs. C-435/02 u. C-103/03, Slg.2004, I-8663, Rn. 49 (Axel Springer). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 25 ren Unsicherheit jedoch von jedem Wirtschaftsteilnehmer hinzunehmen ist und auf die er eigenständig reagieren muss.94 Speziell für gesetzliche Regelungen über die Gestaltung und Aufmachung von Produkten hat die Rechtsprechung einen Eingriff in der Regel angenommen.95 4.2.3. Rechtfertigung Die Rechtfertigung eines Eingriffs in die durch Art. 15 und 16 GRC geschützten Rechtsgüter richtet sich grundsätzlich nach Art. 52 Abs. 1 S. 1 GRC. Danach muss eine Einschränkung dieser Grundrechte gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Grundrechte achten. Gemäß Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRC dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten , dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Verhältnismäßig ist eine Maßnahme dann, wenn sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die Erforderlichkeit ist gegeben, wenn von mehreren zur Verfügung stehenden und geeigneten Maßnahmen die am wenigsten belastende gewählt wurde; die Angemessenheit ist gewahrt, wenn die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.96 Diesbezüglich hat der grundrechtsverpflichtete Unionsgesetzgeber im Umfang des Unionsrechts einen weiten Ermessens- oder Beurteilungsspielraum .97 Eine Rechtfertigung scheidet danach nur dann aus, wenn die Maßnahme offensichtlich ungeeignet, offensichtlich nicht erforderlich oder offensichtlich unverhältnismäßig ist.98 Zudem ist dem Schutz der Volksgesundheit gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen generell vorrangige Bedeutung beizumessen.99 Zudem darf die Maßnahme nicht in den Wesensgehalt des geschützten Rechtsguts eingreifen.100 Der Wesensgehalt insbesondere der freien Berufsausübung ist nicht angetastet, solange durch den Eingriff nur die Modalitäten der Ausübung dieses Rechts betroffen sind, ohne dessen Bestand 94 EuGH, Rs. 4/73, Slg. 1974, 491, Rn. 15 (Nold). 95 EuGH, Rs. C-306/93, Slg. 1994, I-5555, Rn. 24 (SMW Winzersekt); EuGH, Rs. 234/85, Slg. 1986, 2897, Rn. 15 (Keller). 96 EuGH, Rs. 265/87, Slg. 1989, 2237, Rn. 21 (Schräder). 97 EuGH, Rs. C-44/94, Slg.1995, I-3115, Rn. 57 (Fishermen's Organisations); EuGH Rs. C-296/93, Slg.1996, I-795, Rn. 31 (Frankreich und Irland/Komission); kritisch hierzu Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 1. Auflage 2010, Art. 16, Rn. 30; Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 52 GRC, Rn. 72; Wehlau/Lutzhöft, Grundrechte-Charta und Grundrechts-Checkliste – eine dogmatische Selbstverpflichtung der EU-Organe, EuZW 2012, 45 [46]. 98 EuGH, Rs. C280/93, Slg.1994, I-4973, Rn. 90 (Deutschland/Rat); Rs. C-306/93, Slg.1994, I-5555, Rn. 21 (SMW Winzersekt); Rs. C-44/94, Slg.1995, I-3115, Rn. 58 (Fishermen's Organisations). 99 EuGH Rs. C-180/96, Slg. 1996, I-3903, Rn. 93 (Vereinigtes Königreich/Kommission); EuGH, Rs. C-183/95, Slg. 1997, I-4315, Rn.43 (Affish). 100 EuGH, Rs. 5/88, Slg. 1989, 2609, Rn. 17 (Wachauf); EuGH, Rs. C-292/97, Slg. 2000, I-2737, Rn. 58 (Karlsson). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 26 selbst zu gefährden.101 Den Bestand sieht der EuGH auch dann noch nicht als gefährdet an, wenn der betroffene Grundrechtsträger durch entsprechende Vorschriften dazu veranlasst wird, die Produktion bestimmter Güter einzustellen. Entscheidend war hierbei, dass es dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer möglich gewesen sei, in seinem Betrieb immer noch andere Produkte herzustellen .102 Die Maßnahme muss mithin die wirtschaftliche Betätigung als solche völlig verunmöglichen . 4.2.4. Vereinbarkeit des Richtlinienentwurfs mit Art. 15 und 16 GRC 4.2.4.1. Vorschläge zu Kennzeichnung und Verpackung Die Maßnahmen der Art. 8, 9, 12 Abs. 1 und 13 Tabakproduktrichtlinie könnten in den Schutzbereich der Berufsfreiheit eingreifen. Die Vorgaben hinsichtlich der Warnhinweise und das gleichzeitige Verbot bestimmter Textteile, Symbole und Farben reduzieren die Möglichkeiten der Verpackungsgestaltung bzw. der Produktwerbung und beschränken daher einen Teilbereich der Berufsausübung sowie der unternehmerischen Freiheit, sofern diese Tätigkeit selbstständig geschäftsmäßig durchgeführt wird. Durch die Festlegung einheitlicher Packungsgrößen, -formen und -materialien wird die Freiheit eingeschränkt, abweichende Verpackungsarten herzustellen und in den Verkehr zu bringen. Beeinträchtigt werden die Verpackungshersteller sowie die Tabakhersteller selbst. Hingegen müssten Händler potenziell mit einem geringeren Absatz von Tabakprodukten rechnen. Hierbei handelt es sich aber allein um die Erwartung wirtschaftlicher Aussichten, die nicht in den Schutzbereich fallen. Soweit ein Eingriff anzunehmen ist, könnte dieser gerechtfertigt sein. Mit Blick auf das Ziel des Schutzes der Gesundheit erscheinen jene Maßnahmen jedoch nach den durch den EuGH herausgearbeiteten Maßstäben weder als offensichtlich ungeeignet, nicht erforderlich oder unverhältnismäßig . Durch die Vorgaben zu Warnhinweisen und Produktgestaltung werden Verbrauchern die Gefahren des Tabakkonsums stärker verdeutlicht werden und der verpackungsbedingte Anreiz zum Rauchen vermittels kleiner oder besonders attraktiv geformter Gebinde wird verringert. Zudem erscheint der Wesensgehalt der geschützten Rechtsgüter insofern gewahrt, dass die Verpackungsgestaltung insbesondere für Tabakhersteller nur einen untergeordneten Teil der eigentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit ausmacht und potenziellen Beeinträchtigungen der vorrangige Schutz der Gesundheit gegenüber steht. 4.2.5. Verbot charakteristischer Aromen Durch das Verbot, Tabakprodukte mit charakteristischen Aromen wie beispielsweise Methol oder Anis zu versehen103 oder Zusatzstoffe zu verwenden, die mit Energie und Vitalität in Verbindung gebracht werden oder den Eindruck erwecken könnten, das Produkt habe einen gesundheitlichen Nutzen,104 wird die unternehmerische Freiheit beschränkt, über Herstellung und Zu- 101 EuGH, Rs. C-306/93, Slg. 1994, I-5555, Rn. 24 (SMW Winzersekt). 102 EuGH, Rs. C-177/90, Slg. 1992, I-35, Rn. 17 (Kühn). 103 Art. 6 Abs. 1 Tabakproduktrichtlinie. 104 Art. 6 Abs. 4 Tabakproduktrichtlinie. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 27 sammensetzung eines Tabakerzeugnisses entscheiden zu können. Einige der derzeit vertriebenen Produkte dürften nicht mehr hergestellt und verkauft werden. Diese Beschränkungen ließen sich durch das Ziel rechtfertigen, im Rahmen des Gesundheitsschutzes bisherige Nichtraucher davon abzuhalten, mit dem Rauchen anzufangen. Ein bestimmtes Aroma kann die Attraktivität der Erzeugnisse an sich steigern, vor allem aber auch den Geschmack der gesundheitsschädlichen Bestandteile verdecken und so zu einer Unterschätzung des Gefahrenpotentials führen. Ein Verbot des Inverkehrbringens solcher Erzeugnisse ist daher geeignet und erforderlich, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem wird die Verwendung von Zusatzstoffen nicht grundsätzlich verboten. Vielmehr darf ihr Einsatz nicht dazu führen, dass ein charakteristisches Aroma entsteht. Die Herstellung bzw. der Verkauf anderer Produkte bleibt aber weiterhin zulässig, so dass dies nicht schlechthin unmöglich gemacht wird und damit der Wesensgehalt der Grundrechte als nicht beeinträchtigt erscheint. 4.2.6. Erstreckung der Richtlinie auf nikotinhaltige Erzeugnisse Sogenannte nikotinhaltige Erzeugnisse wie etwa E-Zigaretten fallen nicht in den Regelungsbereich der Richtlinie 2001/37/EG und werden bislang in einigen Mitgliedstaaten als Arzneimittel eingestuft, während sie in anderen wie Tabakerzeugnisse behandelt werden.105 Nikotinhaltige Erzeugnisse, die einen bestimmten Nikotingehalt oder eine bestimmte Nikotinkonzentration aufweisen , sollen nach dem Richtlinienvorschlag nunmehr eine Zulassung als Arzneimittel bedürfen .106 Erzeugnisse mit einem geringeren Nikotingehalt dürfen an Verbraucher nur mit gesundheitsbezogenem Warnhinweis verkauft werden. Beide Voraussetzungen stellen einen Eingriff in die freie Berufsausübung bzw. die unternehmerische Freiheit dar, indem sie den Vertrieb bestimmter Produkte strengeren Regeln unterwerfen als bisher. Jedoch könnte der Eingriff durch das Ziel des Gesundheitsschutzes als gerechtfertigt anzusehen sein. Die Maßnahmen führen zu einer besseren Information über die von diesen Erzeugnissen ausgehenden Gesundheitsrisiken. Auch wenn von den Produkten im Vergleich zu klassischen Tabakprodukten durch einen potenziell geringeren Nikotingehalt geringere Gesundheitsgefahren ausgehen sollten, so ist Regelung nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Eine Regulierung zum Zwecke des Gesundheitsschutzes ist zulässig, solange nach bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht der Schluss erlaubt ist, dass der Konsum der in Rede stehenden Erzeugnisse für die menschliche Gesundheit ungefährlich ist.107 Schließlich erscheint auch der Wesensgehalt der Grundrechte nicht als angetastet. Das Inverkehrbringen bzw. der Verkauf anderer Produkte ohne Arzneimittelzulassung bleibt den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern unbenommen . 4.2.7. Meldepflichten, Mechanismus zur Altersüberprüfung Der grenzüberschreitende Fernabsatz von Tabakerzeugnissen ist in der Richtlinie 2001/37/EG nicht geregelt. Nach dem Vorschlag soll nun eine Meldepflicht für Einzelhändler von Tabaker- 105 Diekmann, Liquids für E-Zigaretten – Arzneimittel oder Lebensmittel?, ZLR 2012, 197 [199]. 106 Art. 18 Abs. 1 Tabakproduktrichtlinie. 107 EuGH, Urt. v. 14. 12. 2004, Rs. C-434/02, Rn. 49 = EuZW 2005, 147 (Arnold André). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 28 zeugnissen, die grenzüberschreitend im Fernabsatz tätig werden wollen, eingeführt werden.108 Die Mitgliedstaaten dürften dem Einzelhändler vorschreiben, eine natürliche Person zu benennen , die die Richtlinienkonformität der Erzeugnisse sicherstellen muss, welche an Kunden in den betreffenden Mitgliedstaaten geliefert werden. Außerdem würde ein Altersüberprüfungssystem eingeführt. Herstellern und Importeuren wird ferner eine Pflicht zur Meldung eines neuartigen Tabakerzeugnisses auferlegt, das sie in den betreffenden Mitgliedstaaten in Verkehr zu bringen beabsichtigen.109 Diese Maßnahmen stellen insofern einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und die unternehmerische Freiheit dar, als dass den Grundrechtsträgern in Teilbereichen ihrer beruflichen bzw. unternehmerischen Tätigkeit weitergehende Pflichten auferlegt werden. Diese können dadurch gerechtfertigt sein, dass die Meldepflicht neuartiger Tabakerzeugnisse dadurch zum Gesundheitsschutz der Verbraucher beiträgt, dass die Erforderlichkeit weitergehender, gesundheitsschützender Maßnahmen auf fester Tatsachengrundlage ermöglicht wird. Zudem wird die freie Berufsausübung und die unternehmerische Freiheit nur am Rande berührt und nicht in den Wesensgehalt dieser Grundrechte eingegriffen. Durch den Fernabsatz können insbesondere Minderjährige leichter an Tabakerzeugnisse gelangen . Ein Altersüberprüfungssystem schränkt diese Möglichkeit ein. Die Meldepflichten der Einzelhändler bezüglich ihrer Tätigkeit tragen dazu bei, die Einhaltung der Richtlinie auch im Fernabsatz sicherzustellen. Diese Maßnahmen dienen also neben dem Gesundheitsschutz auch dem Verbraucherschutz im Fernabsatz. 4.2.8. Rückverfolgung und Sicherheitsmerkmale Von der in der Richtlinie 2001/37/EG enthaltenen Befugnis, technische Vorschriften im Zusammenhang mit der Rückverfolgbarkeit und der Identifizierung zu erlassen, hat die Kommission bislang keinen Gebrauch gemacht. Nun ist ein EU-System für die Verfolgung und Rückverfolgung von Packungen von Tabakerzeugnissen entlang der Lieferkette vorgesehen.110 Die Bereitstellung der erforderlichen Datenspeicher soll den Herstellern und Importeuren obliegen. Neben den Markierungen für die Verfolgung und Rückverfolgung müssten auf den Tabakerzeugnissen sichtbare Sicherheitsmerkmale angebracht werden, um echte Produkte leichter identifizieren zu können . Beide Voraussetzungen stellen einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und die unternehmerische Freiheit dar, indem sie den Vertrieb bestimmter Produkte strengeren Regeln unterwerfen als bisher. Betroffen sind alle am Handel mit Tabakerzeugnissen beteiligten Wirtschaftsteilnehmer , vom Hersteller bis zum letzten Wirtschaftsteilnehmer vor der ersten Verkaufsstelle.111 Der Aufbau eines Systems zur Rückverfolgbarkeit und Einführung von Sicherheitsmerkmalen 108 Art. 16 Abs. 1 Tabakproduktrichtlinie. 109 Art. 17 Abs. 1 Tabakproduktrichtlinie. 110 Art. 14 Tabakproduktrichtlinie. 111 Art. 14 Abs. 3 Tabakproduktrichtlinie. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 29 bedeutet zudem einen organisatorischen und wirtschaftlichen Aufwand, der einen weiteren Eingriff bei den Herstellern und Importeuren von Tabakerzeugnissen bedeutet. Diese Eingriffe erscheinen jedoch als gerechtfertigt. Sie verfolgen den legitimen Zweck der Eindämmung des Konsums von Tabakprodukten, die nicht den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen . Sie dienen somit mittelbar wieder dem Gesundheitsschutz. Hierfür erscheinen die Maßnahmen geeignet, erforderlich und insbesondere auch angemessen. Hinsichtlich der erhöhten Eingriffsintensität bei Herstellern und Importeuren kann auf die EuGH-Rechtsprechung verwiesen werden, wonach für Zwecke des Gesundheitsschutzes auch größere Beeinträchtigungen als gerechtfertigt anzusehen sind. 4.2.9. Elektronisches Meldeformat für Inhaltsstoffe und Emissionen Das obligatorische Meldesystem für Inhaltsstoffe ist bereits Bestandteil der Richtlinie 2001/37/EG. Das neu hinzu kommende elektronische Meldeformat112 dürfte nicht geeignet sein, für die Unternehmen Nachteile herbeizuführen. 4.3. Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRC) Die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Speicher- und Meldepflichten, insbesondere jene betreffend die Hersteller und die am Handel mit Tabakerzeugnissen beteiligten Wirtschaftsteilnehmer 113, könnten gegen den Schutz personenbezogener Daten verstoßen. Dieses Grundrecht nimmt Bezug114 auf Art.8 EMRK, die Richtlinie 95/46/EG115 und die Verordnung (EG) Nr. 45/2001116. 4.3.1. Schutzbereich Nach Art. 8 Abs. 1 GRC hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Personenbezogene Daten sind gem. Art. 2 lit. a) Datenschutzrichtlinie bzw. - verordnung alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person. Als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann. Inhaltlich sind neben Informationen über das Privatleben auch solche über die berufliche Tätigkeit umfasst.117 Der Schutz erstreckt sich außerdem auch auf juristische Personen.118 112 Art. 5 Abs. 5 Tabakproduktrichtlinie. 113 Art. 14 Abs. 4 Tabakproduktrichtlinie. 114 Erläuterung zu Art. 8, in: Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl 2007 C 303/23. 115 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. Nr. L 281 S. 31) – im Folgenden: Datenschutzrichtlinie. 116 Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl.2001 Nr. L 8 S. 1) – im Folgenden: Datenschutzverordnung. 117 EuGH, verb. Rs. C-465/00 u. a., Slg. 2003, I-4989, Rn. 73 f. (Österreichischer Rundfunk u. a.). 118 EuGH, Urt. v. 29.01.2008, Rs. C-275/06, Rn. 61ff. (Promusicae). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 30 4.3.2. Eingriff Ein Eingriff liegt vor, wenn Daten verarbeitet werden. Unter Rückgriff auf Art. 2 lit. b) Datenschutzrichtlinie bzw. -verordnung liegt eine Verarbeitung vor bei jedem mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten. Beispielsweise fallen hierunter das Erheben, das Speichern, das Abfragen, die Nutzung oder die Weitergabe von Daten bis hin zu deren Sperrung, Löschung oder Vernichtung. Für die Feststellung eines Eingriffs kommt es nicht darauf an, ob die verarbeiteten Daten als sensibel einzustufen sind oder ob dem Betroffenen durch den Vorgang irgendwelche Nachteile entstehen.119 4.3.3. Rechtfertigung Die Möglichkeiten der Rechtfertigung bestimmen sich nach den Vorgaben der Art. 8 Abs. 2 S.1 und Art. 52 Abs. 1 GRC. Danach muss eine Einschränkung dieses Grundrechts gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Grundrechte achten. Gemäß Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRC dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Art. 8 Abs. 2 S.1 GRC verlangt zusätzlich, dass das Gesetz, das in das Grundrecht eingreift, den Zweck der Verarbeitung festlegt. 4.3.4. Vereinbarkeit des Richtlinienentwurfs mit Art. 8 GRC Die neu einzuführenden Meldepflichten treffen die im Fernabsatz tätigen Händler sowie Hersteller und Importeure von neuartigen Tabakerzeugnissen. Diese sollen ihre Daten aus dem Bereich ihrer geschäftlichen Tätigkeit an einzurichtende Speicher übermitteln, damit diese gespeichert und abgefragt werden können. Von den Vorschriften zur Rückverfolgbarkeit sind alle am Handel mit Tabakerzeugnissen beteiligten Wirtschaftsteilnehmer mit Ausnahme der Einzelhändler betroffen . Informationen bezüglich der beruflichen Tätigkeit dieser Betroffenen sollen nach dem Vorschlag erhoben, übermittelt und gespeichert werden. Diese Eingriffe könnten gerechtfertigt sein. Die Erfassung und Speicherung der Daten erfolgt nach dem Vorschlag zum einen, um die Rückverfolgbarkeit von Tabakerzeugnissen sicherzustellen. Dies fördert wiederum den Gesundheitsschutz, indem solche Tabakprodukte, die nicht den Vorgaben der Richtlinie entsprechen, leichter zu erkennen sind. Für diesen Zweck sind die geplanten Verarbeitungen geeignet und erforderlich. Für die Rückverfolgbarkeit der Produkte kommt kein milderes Mittel in Betracht, als die Angaben über die Produzenten, die am Handel mit Tabakerzeugnissen beteiligten Wirtschaftsteilnehmer sowie deren Bestandsveränderungen zu erfassen . Um eventuellen Gesundheitsgefahren vorzubeugen, erscheint die Datenverarbeitungen im Zusammenhang mit den Meldepflichten ebenfalls geeignet und erforderlich. 4.4. Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 GRC) Mehrere Vorschläge der Richtlinie könnten mit der Meinungsäußerungsfreiheit der Tabakproduzenten sowie der Informationsfreiheit der Verbraucher unvereinbar sein, wie sie von 119 EuGH, verb. Rs. C-465/00 u. a., Slg. 2003, I-4989, Rn. 75. (Österreichischer Rundfunk u. a.). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 31 Art. 11 Abs. 1 GRC gewährleistet werden. Diesem kommt der gleiche Regelungsgehalt wie Art. 10 EMRK zu. Da gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRC die Grundrechte der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie entsprechenden EMRK-Gewährleistungen besitzen, müssen Eingriffe durch die Unionsorgane die Grenzen des Art. 10 Abs. 2 EMRK wahren.120 4.4.1. Schutzbereich Vom Schutzbereich des Abs. 1 wird die Freiheit umfasst, eine Meinung zu äußern oder auf eine bestimmte Weise zu verbreiten, wobei unter den Begriff sämtliche Informationen und Ideen unbeschadet ihrer Qualität und ihres Inhalts fallen.121 Zu den geschützten Verhaltensweisen gehört weiter die negative Freiheit, eine bestimmte Meinung nicht äußern zu müssen.122 Auch Aussagen kommerzieller Natur wie Werbung sind vom Schutzbereich umfasst.123 Natürliche wie juristische Personen können sich auf dieses Grundrecht berufen.124 Neben der Freiheit der Äußerung von Meinungen gewährleistet Art. 11 Abs. 1 S. 2 GRC wie Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK zudem den Empfang von Informationen. Danach ist es einer staatlichen Gewalt verboten, eine Person am Empfang von Informationen zu hindern, die andere ihr übermitteln wollen oder bereit sind zu übermitteln.125 Das Recht auf freie Informationsbeschaffung schließt zugleich das Recht auf einen angemessenen Umfang der Informationen ein.126 4.4.2. Eingriff Eingriffe im Sinne von Art. 10 Abs. 2 EMRK liegen vor, wenn Meinungsäußerungen Formvorschriften , Bedingungen, Beschränkungen oder Strafen unterworfen werden.127 In weiter Auslegung kommen neben der gezielten Behinderung von Kommunikation auch Maßnahmen in Betracht , die sich nur mittelbar auf das Verhalten der Betroffenen im Bezug auf die Meinungsäußerung auswirken, etwa wirtschaftliche Regelungen.128 120 Erläuterung zu Art. 11, in: Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl 2007 C 303/23. 121 EGMR, Nr. 11798/85 v. 23.04.1992, Rn. 42 (Castells); EuGH, RS. C-274/99 P, Slg. 2001, I-1611, Rn. 39 (Connolly ). 122 EGMR, Nr. 41723/06 v. 03.04.2012, Rn. 86 (Gillberg). 123 EGMR, Nr. 10572/83 v. 20.11.1989, Rn. 26 (markt intern GmbH); Schlussanträge des GA Fennelly, Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rn. 165 (Tabakwerbe-Richtlinie). 124 St. Rspr, für juristische Personen vgl. nur EuGH, Rs. C-368/95, Slg. 1997, I-3689 (Familiapress). 125 EGMR, Nr. 14967/89 v. 19.02.1998, Rn. 58 (Guerra). 126 EGMR, Nr. 6538/74 v. 26.04.1979, Rn. 65f. (Sunday Times). 127 Vgl. außerdem EGMR, Nr. 28396/95 v. 28.10.1999, Rn. 43 (Wille). 128 EuGH, verb. Rs. 43/82 u. 63/82, Slg. 1984, 19, Rn. 33 (VBVB und VBBB). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 32 4.4.3. Rechtfertigung Die Ausübung der Meinungsfreiheit ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden (Art. 10 Abs. 2 EMRK) und kann aus diesem Grund Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wenn diese gesetzlich vorgesehen sind. Sie müssen ferner in einer demokratischen Gesellschaft für einen der Zwecke notwendig sein. Hierzu gehören der Schutz der Gesundheit oder der Moral, sowie der Schutz der Rechte anderer. Neben einem dieser dringenden gesellschaftlichen Bedürfnisse ist zur Rechtfertigung von Beschränkungen erforderlich , dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel stehen.129 Allerdings ist der Entscheidungsspielraum, der den zuständigen Stellen bei der Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem legitimen Ziel zusteht, je nach Art der Meinungsäußerung und dem Ziel unterschiedlich. So soll sich die Kontrolle auf die Prüfung beschränken, ob der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht, wenn die Ausübung der Meinungsfreiheit nichts zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beiträgt. Hierzu führt der EuGH aus: „Dies gilt namentlich für den Gebrauch der Meinungsfreiheit im Geschäftsverkehr, besonders in einem Bereich, der so komplex und wandelbar ist wie die Werbung“130. 4.4.4. Vereinbarkeit des Richtlinienentwurfs mit Art. 8 GRC 4.4.4.1. Verbotene Elemente bei der Produktbeschreibung und kombinierte Warnhinweise auf Vorder- und Rückseite als Eingriffe in die positive Meinungs- und Informationsfreiheit Die Einschränkungen hinsichtlich der Produktbeschreibung auf den Verpackungen von Tabakerzeugnissen 131 sollen verhindern, dass die Hersteller der Verpackungen bestimmte, irreführende oder verharmlosende Botschaften betreffend des Produkts vermitteln oder Tabakproduzenten irreführende oder verharmlosende Ansichten über ihre Produkte auf der Verpackung verbreiten. Aufgrund der Größe der Warnhinweise liegt zugleich eine Beschränkung der Werbemöglichkeiten der Tabakhersteller vor. Zugleich wird in die Informationsfreiheit der Konsumenten eingegriffen , die bestimmte Informationen der Unternehmer vor ihrer Kaufentscheidung nicht mehr empfangen könnten. Diese Eingriffe könnten gerechtfertigt sein. Sie verfolgen mit dem Gesundheitsschutz ein legitimes Ziel im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EMRK. Die verbotenen Aussagen dienen der Verharmlosung der von den Tabakerzeugnissen ausgehenden Gesundheitsgefahren. Zudem handelt es sich bei den untersagten Meinungsäußerungen um solche, die der Werbung zuzuordnen sind und hauptsächlich das Ziel verfolgen, ein möglichst positives Bild der Produkte zu erzeugen, ohne zugleich zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beitragen würden. Den für die Allgemeinheit unwesentlichen , wirtschaftlich motivierten Meinungsäußerungen steht gleichzeitig das hochrangige 129 EuGH, RS. C-274/99 P, Slg. 2001, I-1611, Rn. 41 (Connolly); EuGH, Urt. v. 25.03.2004, Rs. C-71/02, Rn. 50 (Karner ). 130 EuGH, Urt. v. 25.03.2004, Rs. C-71/02, Rn. 51 (Karner). 131 Art. 12 Abs. 1 Tabakproduktrichtlinie. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 33 Ziel des Gesundheitsschutzes gegenüber. Die Eingriffe erscheinen daher angemessen und insgesamt als gerechtfertigt.132 4.4.4.2. Warnhinweise und Informationsbotschaft an den Seiten sowie kombinierte Warnhinweise auf Vorder- und Rückseite als Eingriffe in die negative Meinungsfreiheit Die von dem Vorschlag vorgesehene Darstellungsform sämtlicher Warnhinweise könnte aber gegen die negative Freiheit der Verpackungshersteller bzw. Tabakproduzenten verstoßen, eine bestimmte Meinung nicht äußern zu müssen.133 Selbst wenn die Inhalte der Warnhinweise als sachlich zutreffende Tatsachen einzustufen sein sollten, stellen diese eine Meinungsäußerung dar, da ihr wertender, ein bestimmtes Verhalten bezweckender Charakter im Vordergrund steht.134 Ein klarstellender Verweis auf den Veranlasser (wie etwa „die EU-Gesundheitsminister“) ist im Richtlinienentwurf aber nicht vorgesehen. Dadurch kann der Eindruck entstehen, es handele sich um eine Meinungsäußerung der an der Herstellung beteiligten Unternehmen.135 Diesen würde daher die Verbreitung einer fremden Meinung als eigene aufgezwungen. Der Eingriff müsste gerechtfertigt sein. Eine Etikettierungspflicht ohne Absenderangabe ist nicht völlig ungeeignet, zum Gesundheitsschutz beizutragen. Der Verweis auf eine Behörde kann trotz seiner möglicherweise besonderen Überzeugungskraft den Eindruck erwecken, es handele sich dabei nur um bestreitbare Meinungen ohne Allgemeingültigkeitsanspruch, während bei einer Fortlassung durch die scheinbare Unterstützung seitens der Produzenten ein größerer Abschreckungseffekt erzielen kann.136 Die Maßnahme erscheint damit als nicht offensichtlich ungeeignet und unverhältnismäßig. 137 5. Ergebnis Die projektierten Regelungen der TPR greifen insbesondere in das Eigentumsgrundrecht, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten, die Meinungs- und Informationsfreiheit sowie das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit und die Berufsfreiheit ein. Die Eingriffe erscheinen 132 Vgl. für den Eingriff in die Informationsfreiheit der Konsumenten auch Schroeder, Plain Packaging und EU- Grundrechte, ZLR 2012, 405 [417]. 133 Den Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit auf nationaler Ebene insoweit bejahend BVerfGE 95, 173. 134 Hardach/Ludwigs, Die Novellierung der Warnhinweispflicht für Tabakerzeugnisse im Lichte der negativen Meinungsfreiheit, DÖV 2007, 288 [290f.]. 135 Pache, Gutachten zur Unionsrechtskonformität der geplanten Novellierung der Tabakproduktrichtlinie, in: Kieninger /Pache/Sieber (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen der Tabakregulierung in Europa: zur Zulässigkeit einer Tabakregulierung aus europarechtlicher, grundrechtlicher und markenrechtlicher Perspektive, S. 112; Schroeder, Vom Brüsseler Kampf gegen den Tabakrauch - 2. Teil, EuZW 2001, 489 [494]. 136 Hardach/Ludwigs, Die Novellierung der Warnhinweispflicht für Tabakerzeugnisse im Lichte der negativen Meinungsfreiheit, DÖV 2007, 288 [293]. 137 Hardach/Ludwigs, Die Novellierung der Warnhinweispflicht für Tabakerzeugnisse im Lichte der negativen Meinungsfreiheit, DÖV 2007, 288 [294]; vgl. Koenig/Kühling, Der Streit um die neue Tabakproduktrichtlinie, EWS 2002, 12 [15] zum bisherigen Richtlinienwortlaut, nach dem schon die Freiwilligkeit der Mitgliedstaaten bezüglich einer Vorgabe zur Urhebernennung problematisch sein kann. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 - 33/13 Seite 34 unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes insgesamt gerechtfertigt, zumal die Regelungen in ihrer gegenwärtigen Form den Wesensgehalt der betroffenen Grundrechte nicht beeinträchtigen . - Fachbereich Europa -