© 2017 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 31/17 Vorgaben und Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/412 Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 2 Vorgaben und Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/412 Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 31/17 Abschluss der Arbeit: 20.06.2017 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Pflicht zur Richtlinienumsetzung 4 2.1. Inhalt der Neuregelungen 4 2.1.1. Art. 26a Abs. 1a Richtlinie 2001/18/EG 4 2.1.2. Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG 5 2.1.3. Art. 26c Richtlinie 2001/18/EG 5 2.2. Umsetzungspflicht 6 3. Vorgaben zur Nutzung der Opt-out Möglichkeit 7 3.1. Formelle Vorgaben 7 3.1.1. Zuständigkeit 7 3.1.2. Verfahren 7 3.1.3. Form 8 3.2. Materielle Vorgaben 8 3.2.1. Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG 8 3.2.2. Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG 8 3.2.2.1. Zwingende Gründe 8 3.2.2.2. Verhältnismäßigkeit 9 3.2.2.3. Diskriminierungsverbot 10 3.2.2.4. Im Einklang mit dem Unionsrecht 10 3.2.2.4.1. Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV 10 3.2.2.4.2. Grundrechtecharta 12 4. Fazit 13 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 4 1. Fragestellung Die Richtlinie (EU) 2015/4121 räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO), die auf Unionsebene zugelassen worden sind, in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung dieser Möglichkeit, die vierte Gentechnikgesetznovelle,2 wurde von der SPD- Fraktion am 18. Mai 2017 für gescheitert erklärt.3 Im Folgenden werden die Konsequenzen der fehlenden Richtlinienumsetzung durch die vierte Gentechnikgesetznovelle untersucht. Das Augenmerk dieses Gutachtens liegt auf der Frage, ob die Richtlinie (EU) 2015/412 die Mitgliedstaaten zur Umsetzung verpflichtet und welche Vorgaben die Richtlinie für Mitgliedstaaten enthält, die von der Möglichkeit, den Anbau eines GVO in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen, Gebrauch machen wollen. 2. Pflicht zur Richtlinienumsetzung Die Richtlinie (EU) 2015/412 ist eine Änderungsrichtlinie. Sie modifiziert die Richtlinie 2001/18/EG4, welche das Verfahren für die Erteilung von Zustimmungen für die absichtliche Freisetzung und das Inverkehrbringen von GVO gestaltet. Die Richtlinie (EU) 2015/412 ändert die Richtlinie 2001/18/EG, indem sie gemäß Art. 1 Richtlinie (EU) 2015/415 den Art. 26a Richtlinie 2001/18/EG um einen Absatz ergänzt und die Art. 26b und Art. 26c in die Richtlinie 2001/18/EG einfügt. 2.1. Inhalt der Neuregelungen 2.1.1. Art. 26a Abs. 1a Richtlinie 2001/18/EG Gemäß Art. 26a Abs. 1a Richtlinie 2001/18/EG treffen die Mitgliedstaaten, in denen GVO angebaut werden, ab dem 3. April 2017 in den Grenzgebieten ihres Hoheitsgebiets geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, etwaige grenzüberschreitende Verunreinigungen in benachbarten Mitgliedstaaten , in denen der Anbau dieser GVO untersagt ist, zu vermeiden. Dem Wortlaut der Richtlinie nach sind die betroffenen Mitgliedstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen vorzunehmen. 1 Richtlinie (EU) 2015/412 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG zu der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen, ABl. 2015, L 68/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015L0412&from=DE. 2 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, BT- Drucks. 18/10459, abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/104/1810459.pdf. 3 SPD Bundestags Fraktion, Pressemitteilung: CDU/CSU verweigert praktikable Regelung für Gentechnik-Anbauverbote , abrufbar unter http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/cducsu-verweigert-praktikableregelung -gentechnik-anbauverbote. 4 Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12.März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates, konsolidierte Fassung abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=celex:02001L0018-20150402. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 5 Ihnen wird nur hinsichtlich der Wahl der geeigneten Maßnahmen ein Gestaltungsspielraum überlassen. Der Art. 26a Abs. 1a Richtlinie 2001/18/EG begründet somit eine Umsetzungspflicht für Mitgliedstaaten, in denen GVO angebaut werden.5 2.1.2. Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, den Anbau von GVO in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen. Mitgliedstaaten können gemäß Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG den Antragsteller, der eine Zulassung für einen GVO beantragt, über die Kommission auffordern, den geografischen Geltungsbereich der Zulassung zu ändern, so dass das Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaates insgesamt oder teilweise vom Anbau ausgeschlossen ist. Für die Antragsteller besteht gemäß Art. 26b Abs. 2 Richtlinie 2001/18/EG die Möglichkeit, den geografischen Geltungsbereich der ursprünglichen Anmeldung bzw. des ursprünglichen Antrags entsprechend der Aufforderung anzupassen oder aber den ursprünglichen Antrag zu bestätigen. Passt der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag nicht an, sondern bestätigt den ursprünglich gewählten geografischen Geltungsbereich, kann ein Mitgliedstaat gemäß Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG Maßnahmen erlassen, um in seinem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon den Anbau eines GVO nach dessen Zulassung zu beschränken oder zu untersagen. Diese Möglichkeit besteht für die Mitgliedstaaten auch, wenn sie den Antragsteller nicht nach Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG zur Beschränkung des geografischen Geltungsbereichs der Zulassung aufgefordert haben. Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG eröffnet den Mitgliedstaaten nur eine Option, den Anbau von GVO in ihrem Gebiet zu beschränken oder untersagen. Er beinhaltet daher keine fristgebundene Umsetzungsverpflichtung der Mitgliedstaaten.6 2.1.3. Art. 26c Richtlinie 2001/18/EG Gemäß Art. 26c Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG konnte ein Mitgliedstaat im Zeitraum vom 2. April 2015 bis zum 3. Oktober 2015 Antragsteller über die Kommission dazu auffordern, den geografischen Geltungsbereich einer Anmeldung oder eines Antrags bzw. einer Zulassung, die vor dem 2. April 2015 vorgelegt bzw. erteilt wurde, entsprechend der Aufforderung des Mitgliedstaates anzupassen. Das entspricht im Wesentlichen der Regelung, die Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG als Opt-out Möglichkeit vorsieht. Nach Art. 26 c Abs. 4 Richtlinie 2001/18/EG gelten 5 So auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes , BT-Drucks. 18/10459, S. 15, abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/104/1810459.pdf. 6 So zum Entwurf der Richtlinie (EU) 2015/412: Dederer, Nationale „opt-out“ Möglichkeiten beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen – Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung , S. 14, abrufbar unter https://www.bmbf.de/files/Rechtsgutachten_Prof._Dr._Dederer.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 6 überdies die Art. 26b Abs. 3 ff. Richtlinie 2001/18/EG entsprechend, wenn der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag bestätigt und nicht gemäß der Aufforderung des Mitgliedstaates anpasst . Art. 26c Richtlinie 2001/18/EG eröffnete Mitgliedstaaten die zeitlich befristete Möglichkeit, Übergangsmaßnahmen zu treffen.7 Er verpflichtete sie aber nicht dazu. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht. Dabei hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nach einer Abfrage bei den Bundesländern die Hersteller aufgefordert, das deutsche Hoheitsgebiet vom Anbau von GVO auszunehmen.8 2.2. Umsetzungspflicht Gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV ist eine Richtlinie für die Mitgliedstaaten hinsichtlich der zu erreichenden Ziele verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Eine Richtlinie begründet grundsätzlich eine Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten zur Herstellung eines richtlinienkonformen Rechtszustands.9 Im vorliegenden Fall begründet nur Art. 26a Abs. 1a Richtlinie 2001/18/EG eine Umsetzungspflicht für Mitgliedstaaten, in denen GVO angebaut werden. Art. 26b und 26c Richtlinie 2001/18/EG überlassen den Mitgliedstaaten nicht nur die Wahl der Mittel und Wege zur Richtlinienumsetzung , sondern stellen es ihnen grundsätzlich frei, von der durch die Richtlinie eröffneten Möglichkeit eines sog. Opt-outs Gebrauch zu machen, indem sie zur Änderung des geografischen Geltungsbereichs einer GVO-Zulassung bzw. dem diesbezüglichen Antrag auffordern oder Anbaubeschränkungen bzw. -verbote erlassen. Die Richtlinie (EU) 2015/412 soll insoweit nicht zur einheitlichen Wirkung des Unionsrechts beitragen, sondern den Mitgliedstaaten Raum für abweichende Regelungen oder Maßnahmen geben.10 So steht in Erwägungsgrund 8 der Richtlinie (EU) 2015/412: „Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, den Mitgliedstaaten entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip mehr Flexibilität bei der Entscheidung darüber zu gewähren, ob sie GVO in ihrem Hoheitsgebiet anbauen möchten, unbeschadet der in dem System der Union für die Zulassung von GVO vorgesehenen Risikobewertung entweder während des Zulassungsverfahrens oder danach und unbeschadet der Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten, die GVO anbauen, in Anwendung der Richtlinie 2001/18/EG erlassen dürfen oder müssen, um zu vermeiden, dass GVO versehentlich in andere Erzeugnisse gelangen.“ Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG begründet keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Erlass von Umsetzungsmaßnahmen innerhalb einer 7 Herdegen/Kalla, Die geplante Opt out-Regelung zum Anbau gentechnisch veränderter Organismen (Änderung der Richtlinie 2001/18/EG) – Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft , S. 7, abrufbar unter https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Pflanze/GrueneGentechnik /OptOut-RegelungenGeplant.pdf?__blob=publicationFile. 8 Fragen und Antworten des BMEL zum Anbauverbot von gentechnisch veränderten Pflanzen: https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Pflanzenbau/Gentechnik/_Texte/NatRegelungAnbauverbote.html 9 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Band I, 48. EL August 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 114. 10 Winter, Anbaubeschränkungen für gentechnisch veränderte Pflanzen, NuR 2015, 516 (517). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 7 vorgegebenen Frist.11 Die Mitgliedstaaten sind frei in ihrer Entscheidung, ob und wann sie Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG umsetzen.12 3. Vorgaben zur Nutzung der Opt-out Möglichkeit Im Folgenden wird untersucht, welche Vorgaben die Richtlinie 2001/18/EG für Mitgliedstaaten enthält, die von der Option eines Opt-outs nach Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG Gebrauch machen . 3.1. Formelle Vorgaben 3.1.1. Zuständigkeit Die Vorgaben der Richtlinie 2001/18/EG richten sich an die Mitgliedstaaten. Wer innerhalb der Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Opt-out Möglichkeit nach Art. 26b Abs. 1 und 3 zuständig ist, wird durch die Richtlinie nicht vorgegeben. Grundsätzlich richten sich die Zuständigkeiten zur Umsetzung von Richtlinien nach den nationalen Zuständigkeitsregelungen, nicht nach Unionsrecht . Es steht laut EuGH den Mitgliedstaaten frei, die Kompetenzen diesbezüglich innerstaatlich so zu verteilen, wie sie es für zweckmäßig halten.13 Auch Herdegen/Kalla führen in ihrem Rechtsgutachten zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/412 aus, dass die Maßnahmen regionaler Untergliederungen eines Mitgliedstaates auf Unionsebene als Maßnahmen des Mitgliedstaates gelten. Dieses Grundverständnis werde durch die Möglichkeit in Art. 26b Abs. 1 und 3 Richtlinie 2001/18/EG bekräftigt, ein Opt-out für nur ein Teilgebiet eines Mitgliedstaates vorzunehmen.14 3.1.2. Verfahren Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG enthält außer Fristen keine Vorgaben, wie das nationale Verfahren, das zu der Entscheidung über eine Beschränkungsaufforderung nach Art. 26b Abs. 1 oder eine Beschränkungsmaßnahme nach Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG führt, auszugestalten ist. In Art. 26b Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2001/18/EG ist bestimmt, dass die Frist zur Aufforderung gegenüber der Kommission 45 Tage beträgt. Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG gibt vor, dass ein Mitgliedstaat, der Beschränkungs- bzw. Verbotsmaßnahmen erlassen will, der Kommission einen Maßnahmenentwurf und die dahinter stehenden Gründe übermitteln muss. Nach Ablauf einer 75-Tage-Frist kann der Mitgliedstaat dann seine Maßnahmen erlassen. Abgesehen von diesen Fristvorgaben können die Mitgliedstaaten das Verfahren zur Entscheidung über eine 11 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, BT- Drucks. 18/10459, S. 15, abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/104/1810459.pdf. 12 Dederer/Herdegen, Anbauverbote für gentechnisch veränderte Organismen (,,Opt-Out‘‘), 2015, S. 16 und 97. 13 EuGH, Rs. C-96/81 (Kommission./.Niederlande), Rn. 12. 14 Herdegen/Kalla, Die geplante Opt out-Regelung zum Anbau gentechnisch veränderter Organismen (Änderung der Richtlinie 2001/18/EG) – Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft , S. 49, abrufbar unter https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Pflanze/GrueneGentechnik /OptOut-RegelungenGeplant.pdf?__blob=publicationFile. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 8 Aufforderung nach Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG oder eine Beschränkung bzw. Untersagung nach Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG aus Unionsperspektive grundsätzlich frei gestalten . 3.1.3. Form Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH muss die Umsetzung einer Richtlinie nicht in Form von Gesetzen erfolgen, sie muss jedoch die vollständige Anwendung der Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleisten, dass — soweit die Richtlinie Ansprüche des Einzelnen begründen soll — die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.15 3.2. Materielle Vorgaben 3.2.1. Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Antragsteller über die Kommission zu einer Beschränkung des geografischen Geltungsbereichs eines Zulassungsantrags aufzufordern. Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG enthält keine inhaltlichen Vorgaben , die von einer solchen Aufforderung zu erfüllen sind.16 3.2.2. Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Anbaubeschränkungen oder Anbauuntersagungen zu erlassen. Dem Wortlaut der Vorschrift nach kann sich die Anbaubeschränkung oder Anbauuntersagung nur auf den Anbau eines GVO oder einer Gruppe von nach Kulturpflanzen oder Merkmalen festgelegten GVO beschränken. Eine pauschale Untersagung des Anbaus von GVO ist daher nicht möglich.17 Zudem benennt Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/28/EG für die Beschränkung bzw. Anbauuntersagung einer bestimmten GVO weitere inhaltliche Vorgaben. 3.2.2.1. Zwingende Gründe Gemäß Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG setzt eine Anbaubeschränkung oder Anbauuntersagung voraus, dass sie sich auf zwingende Gründe stützt. Hierzu werden in Art. 26b Abs. 3 Satz 1 lit. a) – g) Richtlinie 2001/18/EG beispielhaft Gründe aufgezählt.18 Diese Gründe können gemäß 15 EuGH, Rs. C-96/95 (Kommission./.Deutschland), Rn. 35. 16 Dederer leitet jedoch aus dem Bestimmtheitsgebot eine Begründungspflicht für derartige Aufforderungen ab, s. dazu Dederer, Nationale „opt-out“ Möglichkeiten beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen – Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, S. 106 f., abrufbar unter https://www.bmbf.de/files/Rechtsgutachten_Prof._Dr._Dederer.pdf. 17 Winter, Anbaubeschränkungen für gentechnisch veränderte Pflanzen, NuR 2015, 516 (518). 18 Ausführlich dazu: Winter, Anbaubeschränkungen für gentechnisch veränderte Pflanzen, NuR 2015, 516 (519 ff.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 9 Art. 26b Abs. 3 Satz 2 Richtlinie 2001/18/EG mit Ausnahme des Grundes der öffentlichen Ordnung , der nicht einzeln angeführt werden kann, einzeln oder zusammen angeführt werden, je nach den besonderen Begebenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat, der Region oder dem Gebiet , in dem die Maßnahmen zur Anwendung kommen sollen. Da die in der Richtlinie genannten Gründe nicht abschließend sind, können daneben weitere Gründe angeführt werden.19 Zu beachten ist, dass gemäß Art. 26b Abs. 3 Satz 2 HS. 2 Richtlinie 2001/18/EG die dort aufgeführten Gründe in keinem Widerspruch zu der Umweltverträglichkeitsprüfung eines GVO stehen dürfen, die im Rahmen der Zulassung des GVO auf Unionsebene vorgenommen wird. Insofern können die Mitgliedstaaten Anbaubeschränkungen oder Anbauuntersagungen nur auf Gesichtspunkte oder Auswirkungen stützen, die nicht Gegenstand der jeweiligen Umweltverträglichkeitsprüfung waren bzw. nicht untersucht wurden.20 Ein Mitgliedstaat sollte gemäß Erwägungsgrund 14 der Richtlinie (EU) 2015/412 nur solche Gründe im Zusammenhang mit umweltpolitischen Zielen als Beschränkungs- bzw. Untersagungsgrund gemäß Art. 26b Abs. 3 Satz 1 lit. a) Richtlinie 2001/18/EG anführen, die Auswirkungen betreffen, die sich von der Risikobewertung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung unterscheiden und diese Risikobewertung ergänzen, wie beispielsweise die Erhaltung der örtlichen biologischen Vielfalt oder bestimmter Natur- und Landschaftselemente und bestimmter Ökosystemfunktionen und -leistungen. 3.2.2.2. Verhältnismäßigkeit Nach Art. 26b Abs. 3 Satz 1 Richtlinie 2001/18/EG muss eine Anbaubeschränkung oder Anbauuntersagung verhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass eine nationale Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein muss, nicht über das hinausgehen darf, was zur Zielerreichung erforderlich ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen muss.21 Eine Maßnahme ist geeignet, wenn sie ein brauchbares Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels ist und dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen .22 Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn sie unter mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln , die zur Zielerreichung gleich geeignet sind, das mildeste darstellt.23 Die Angemessenheit einer Maßnahme beurteilt sich nach einer Abwägung zwischen der von der Beeinträchtigung ausgehenden Intensität und der Bedeutung des verfolgten Ziels.24 Der EuGH kontrolliert die Angemessenheit einer nationalen Maßnahme zumeist im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung. Der 19 Dederer/Herdegen, Anbauverbote für gentechnisch veränderte Organismen (,,Opt-Out‘‘), 2015, S. 253. 20 Winter, Anbaubeschränkungen für gentechnisch veränderte Pflanzen, NuR 2015, 516 (521). 21 EuGH, Rs. C-178/84 (Kommission./.Deutschland), Rn. 28; EuGH, Rs. 110/05 (Kommission./.Italien), Rn. 59; EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson Vereinigung), Rn. 34 m.w.N. 22 EuGH, Rs. C-152/78 (Kommission./.Frankreich), Rn. 15 ff.; EuGH, Rs. C-176/11 (HIT und HIT LARIX), Rn. 22. 23 EuGH, Rs. C-298/87 (Smanor), Rn. 15; EuGH, Rs. C-28/09, (Kommission./.Österreich), Rn. 140. 24 Becker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 36 AEUV, Rn. 74. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 10 Grundsatz der Angemessenheit hat dabei in der bisherigen Rechtsprechung des EuGH eine deutlich geringere Bedeutung gehabt als die Kriterien der Geeignetheit und Erforderlichkeit.25 3.2.2.3. Diskriminierungsverbot Gemäß Art. 26b Abs. 3 Satz 1 Richtlinie 2001/18/EG darf eine nationale Anbaubeschränkung oder Anbaubauuntersagung nicht diskriminierend sein.26 Erwägungsgrund 16 der Richtlinie (EU) 2015/412 hebt insbesondere das Verbot der Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Erzeugnisse hervor. 3.2.2.4. Im Einklang mit dem Unionsrecht Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG setzt für den Erlass einer Anbaubeschränkung oder Anbauuntersagung voraus, dass diese Maßnahme im Einklang mit dem Unionsrecht steht. 3.2.2.4.1. Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV Von Bedeutung erscheint auf den ersten Blick die Vereinbarkeit einer nationalen Beschränkung bzw. eines Anbauverbots für ein GVO mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV. Gemäß Art. 34 AEUV sind mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Maßnahmen gleicher Wirkung sind laut EuGH nationale Maßnahmen , die geeignet sind, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.27 Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen Nutzungsbeschränkungen Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne des Art. 34 AEUV dar, wenn sie den Gebrauch der Erzeugnisse zu den ihnen bestimmten Zwecken oder deren Nutzung stark behindern.28 Eine Beschränkung oder Untersagung des Anbaus eines GVO würde dessen Nutzung als Saatgut beschränken und damit in die Warenverkehrsfreiheit eingreifen.29 Es ist jedoch in den Stellungnahmen zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/412 umstritten, ob die Warenverkehrsfreiheit neben den Vorschriften der Richtlinie 2001/18/EG überhaupt auf nationale Umsetzungsmaßnahmen anwendbar ist. Die eine Ansicht hebt darauf ab, dass nach der Rechtsprechung des EuGH nationale Maßnahmen in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert worden ist, anhand der Bestimmungen des harmonisierenden Sekundärrechts und nicht des Primärrechts zu beurteilen sind.30 Durch Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG wird den Mitgliedstaaten sekundärrechtlich 25 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 34-36 AEUV, Rn. 98. 26 Dederer/Herdegen, Anbauverbote für gentechnisch veränderte Organismen (,,Opt-Out‘‘), 2015, S. 196. 27 EuGH, Rs. C-8/74 (Dassonville), Rn. 5; EuGH, Rs. C-108/09 (Ker-Optika), Rn. 47. 28 EuGH, Rs. C-142/05 (Mickelsson u. Ross), Rn. 28; EuGH, Rs. C-110/05 (Kommission./.Italien), Rn. 56 ff. 29 So auch: Dederer/Herdegen, Anbauverbote für gentechnisch veränderte Organismen (,,Opt-Out‘‘), 2015, S. 24. 30 EuGH, Rs. 309/02 (Radlberger Getränkegesellschaft), Rn. 53; EuGH, Rs. C-573/12 (Aaland Vindkraft AB), Rn. 57. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 11 die Möglichkeit eröffnet, von den Regelungen zur Zulassung von GVO zu Anbauzwecken abzuweichen . Diese Abweichungsmöglichkeit wird jedoch durch die Vorgabe der in Art. 26 Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG genannten zwingenden Gründe begrenzt. Die in Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG aufgeführten Gründe konkretisieren die Gründe aus Art. 36 AEUV bzw. die richterrechtlich anerkannten sonstigen Gründe des öffentlichen Interesses, die eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen. Auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit, welches im Rahmen der Rechtfertigung von Binnenmarktbeschränkungen zu prüfen ist, wird in Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG normiert. Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG stellt nach dieser ersten Ansicht daher „eine voll harmonisierte Nichtharmonisierung, oder, weniger paradox, […] die erschöpfende Strukturierung von pluralen Lösungen“ dar.31 Mitgliedstaaten, die von der unionsrechtlichen Zulassung eines bestimmten GVO durch ein Anbauverbot bzw. eine -beschränkung abweichen wollen und damit die Warenverkehrsfreiheit beschränken, könnten dies im Rahmen der Vorgaben der Richtlinie 2001/18/EG tun. Die Richtlinie ermögliche den Mitgliedstaaten ein Abweichen vom Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit in Bezug auf GVO in von ihr definierten Grenzen, sodass neben der Richtlinie kein Primärrecht anwendbar sei.32 Die andere Ansicht verlangt hingegen eine Prüfung der Vereinbarkeit von Umsetzungsmaßnahmen des Art. 26b der Richtlinie 2001/18/EG mit der Warenverkehrsfreiheit und hebt darauf ab, dass die Umsetzung von der Option des Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG gerade nicht im harmonisierten Bereich des EU-Gentechnikrechts liegt.33 Die Vertreter dieser Ansicht verweisen überdies auf Erwägungsgrund 16 der Richtlinie (EU) 2015/412. Dort steht: „Die gemäß dieser Richtlinie erlassenen Beschränkungen oder Verbote sollten […] im Einklang mit den Verträgen stehen, insbesondere was das Verbot der Ungleichbehandlung inländischer und nicht inländischer Erzeugnisse , den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Artikel 34, Artikel 36 und Artikel 216 Absatz 2 AEUV betrifft.“ Der EuGH stellt für die Prüfung nationaler Umsetzungsmaßnahmen von sekundärrechtlichen Regelungen im Bereich des Binnenmarkts auf den Präzisierungsgrad der sekundärrechtlichen Vorgaben ab.34 Regelt das Sekundärrecht einen Bereich abschließend, ist die nationale Umsetzungsmaßnahme nach Ansicht des EuGH ausschließlich am Sekundärrecht zu messen.35 Wenn das Sekundärrecht den Mitgliedstaaten einen Handlungsspielraum einräumt, werden die nationalen 31 Winter, Nationale Anbaubeschränkungen und -verbote für gentechnisch veränderte Pflanzen und ihre Vereinbarkeit mit Verfassungs-, Unions- und Völkerrecht – Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz S. 28, abrufbar unter https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/recht/Dokumente/Opt_Out_RGutachten_Winter .pdf. 32 Winter, Anbaubeschränkungen für gentechnisch veränderte Pflanzen – Teil 2, NuR 2015, 595 (597 und 605). 33 Dederer, Nationale „opt-out“ Möglichkeiten beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen – Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, S. 18, abrufbar unter https://www.bmbf.de/files /Rechtsgutachten_Prof._Dr._Dederer.pdf; Dederer/Herdegen, Anbauverbote für gentechnisch veränderte Organismen (,,Opt-Out‘‘), 2015, S. 21. 34 S. dazu auch Willand/Buchholz/Meyer-Schwickerath, Rechtsgutachten – Rechtsfragen einer nationalen Umsetzung der Opt-out-Änderungsrichtlinie im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, S. 107 ff., abrufbar unter http://www.bfn.de/fileadmin/BfN/recht/Dokumente/Opt_Out_RGutachten_Buchholz_Willand.pdf. 35 EuGH, Rs. 309/02 (Radlberger Getränkegesellschaft), Rn. 53; EuGH, Rs. C-573/12 (Aaland Vindkraft AB), Rn. 57. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 12 Umsetzungsmaßnahmen vom EuGH hingegen am Maßstab des Primärrechts gemessen.36 In der Entscheidung zur deutschen Verpackungsverordnung führt der EuGH beispielsweise aus, dass im fraglichen Fall, wo „die den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermächtigung zur Förderung der Wiederverwendung von Verpackungen allgemein gefasst ist, ohne dass die Kriterien präzisiert werden , die die Mitgliedstaaten, die von ihr Gebrauch machen, zu berücksichtigen haben“, nationale Umsetzungsmaßnahmen am Maßstab der Warenverkehrsfreiheit zu prüfen sind.37 Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG eröffnet den Mitgliedstaaten einen Handlungsspielraum. Sie sind befugt, nationale Maßnahmen zur Beschränkung bzw. Verbot des Anbaus eines GVO zu erlassen. Damit wird ihnen ein Handlungsspielraum eröffnet. Andererseits präzisiert Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG die Voraussetzungen einer derartigen Beschränkungs- oder Verbotsregelung durch die Vorgabe von Gründen, die einer solchen Regelung zugrunde liegen müssen. Damit werden die Kriterien präzisiert, welche die Mitgliedstaaten, die von der Beschränkungsbzw . Verbotsmöglichkeit Gebrauch machen, zu berücksichtigen haben. Indem Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG für eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit (durch eine Beschränkung oder Untersagung des Anbaus eines GVO) zwingende Gründe für diese Maßnahme, deren Verhältnismäßigkeit und Diskriminierungsfreiheit voraussetzt, entspricht die Norm im Wesentlichen den Vorgaben zur gerechtfertigten Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 und 36 AEUV. Im Ergebnis dürfte es daher keinen Unterschied machen, ob eine nationale Anbaubeschränkung bzw. ein Verbot an den Vorgaben des Art. 26b Richtlinie 2011/18/EG oder der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV gemessen wird. Entscheidend sind in beiden Fällen die Gründe der Beschränkung bzw. des Verbots und deren bzw. dessen Verhältnismäßigkeit. 3.2.2.4.2. Grundrechtecharta Weiterhin sind bei der Umsetzung von Richtlinien die Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GrCh)38 zu beachten. Die GrCh gilt gemäß Art. 51 Abs. 1 GrCh für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Unionsrecht wird durchgeführt, wenn die Mitgliedstaaten europäisches Sekundärrecht umsetzen oder anwenden, und zwar nach Ansicht des EuGH auch dann, wenn ihnen der betreffende Unionsrechtsakt Spielräume gewährt.39 Gemäß den Ausführungen von Herdegen/Kalla wie auch Willand/Buchholz/Meyer-Schwickerath ist bei einer Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/412 insbesondere die Berufsfreiheit (Art. 15 36 Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 42. EL September 2010, Art. 45 AEUV, Rn. 364. 37 EuGH, C-463/01, (Kommission./.Deutschland), Rn. 50 ff. 38 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. 2010, C 83/391, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2010:083:0389:0403:de:PDF. 39 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Aufl. 2016, Art. 51 GRCh, Rn. 20a mit Verweis auf EuGH, Rs. C-411/10 (N.S.), Rn. 66 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 31/17 Seite 13 GrCh), die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GrCh) sowie die Eigentumsgarantie (Art. 17 GrCh) zu beachten.40 4. Fazit Art. 26b Abs. 1 und 3 Richtlinie 2001/18/EG begründen keine Umsetzungspflicht. Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG räumt Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, Antragsteller zu Änderungen des geografischen Geltungsbereichs einer GVO-Zulassung aufzufordern. Er entspricht damit im Wesentlichen der zeitlich begrenzten Übergangsregelung nach Art. 26c Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG. Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG ermöglicht Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Anbaubeschränkung oder Anbauuntersagung eines GVO vorzunehmen. Eine Nichtumsetzung dieser Vorschriften ist aus unionsrechtlicher Sicht möglich und zieht keine Konsequenzen nach sich. Es gibt somit auch keine zeitlichen Grenzen, innerhalb derer die Mitgliedstaaten von der Opt-out Möglichkeit des Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG Gebrauch machen müssen. Sie sind grundsätzlich frei darin, die Opt-out Möglichkeiten des Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG zu nutzen , um den Anbau eines GVO in ihrem Hoheitsgebiet oder Teilen davon auszuschließen. Eine gesetzliche Umsetzung der Opt-out Möglichkeit nach Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG ist in Deutschland bisher nicht erfolgt, da der Deutsche Bundestag die vierte Gentechnikgesetznovelle, die der Umsetzung dienen sollte, nicht verabschiedet hat. Es ist für Deutschland jedoch weiterhin möglich, von den Opt-out Möglichkeiten des Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG Gebrauch zu machen. Wenn die Mitgliedstaaten von der Abweichungsmöglichkeit nach Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG Gebrauch machen, sind sie aus unionsrechtlicher Perspektive grundsätzlich frei in der nationalen Ausgestaltung des Verfahrens zur Aufforderung einer geografischen Zulassungsänderung gemäß Art. 26b Abs. 1 Richtlinie 2001/18/EG oder einer Anbauuntersagung bzw. -beschränkung nach Art. 26b Abs. 3 Richtlinie 2001/18/EG. Art. 26b Richtlinie 2001/18/EG enthält lediglich Fristvorgaben und vor allem inhaltliche Vorgaben für den Erlass einer Anbaubeschränkung bzw. eines Anbauverbots, welche von den nationalen Umsetzungsmaßnahmen zu beachten sind. – Fachbereich Europa – 40 Herdegen/Kalla, Die geplante Opt out-Regelung zum Anbau gentechnisch veränderter Organismen (Änderung der Richtlinie 2001/18/EG) – Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft , S. 11, abrufbar unter https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Pflanze/GrueneGentechnik /OptOut-RegelungenGeplant.pdf?__blob=publicationFile; Willand/Buchholz/Meyer-Schwickerath, Rechtsgutachten – Rechtsfragen einer nationalen Umsetzung der Opt-out-Änderungsrichtlinie im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, S. 128 f., abrufbar unter http://www.bfn.de/fileadmin/BfN/recht/Dokumente /Opt_Out_RGutachten_Buchholz_Willand.pdf.