© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 029/20 Reichweite des persönlichen Anwendungsbereiches von Art. 153 AEUV Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 2 Reichweite des persönlichen Anwendungsbereiches von Art. 153 AEUV Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 029/20 Abschluss der Arbeit: 28.04.2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Regelungsumfang und persönlicher Anwendungsbereich des Art. 153 AEUV 4 2.1. Kompetenzen der Union aus Art. 153 Abs. 2 AEUV 4 2.1.1. Richtlinienkompetenz aus Art. 153 Abs. 2 lit. b) AEUV 4 2.1.2. Fördermaßnahmen gemäß Art. 153 Abs. 2 lit. a) AEUV 5 2.2. Reichweite des persönlichen Anwendungsbereiches von Art. 153 AEUV 5 2.2.1. Arbeitnehmer und aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzte Personen 5 2.2.2. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes 7 2.2.3. Arbeitnehmerähnliche Personen 7 2.2.4. Selbstständige 9 2.2.5. Personen in Berufsausbildung 11 2.2.6. Personen des „Zweiten Arbeitsmarktes“ 12 2.2.7. Arbeitnehmer aus Drittstaaten 12 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa wurde um Prüfung gebeten, welche juristischen Diskussionen und Einschätzungen zu der Frage vorliegen, ob Art. 153 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausschließlich Arbeitnehmer, arbeitssuchende bzw. arbeitslose Arbeitnehmer betrifft . 2. Regelungsumfang und persönlicher Anwendungsbereich des Art. 153 AEUV Zunächst sollen kurz die Kompetenzen der Union aus Art. 153 Abs. 2 AEUV beleuchtet werden (Ziff. 2.1.) bevor auf den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 153 AEUV eingegangen wird (Ziff. 2.2.). 2.1. Kompetenzen der Union aus Art. 153 Abs. 2 AEUV Art. 153 AEUV regelt die Kompetenzen der Europäischen Union im Bereich der Sozialpolitik. Gemäß Art. 153 Abs. 2 AEUV kann die Union durch harmonisierende Richtlinien (Ziff. 2.1.1.) bzw. im Wege von Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten handeln (Ziff. 2.1.2.). Nach Ansicht in der Literatur stehen die beiden Handlungsmöglichkeiten gemäß Art. 153 Abs. 2 AEUV – Richtlinien und Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten – in einem Alternativverhältnis, so dass keiner der Varianten ein Vorrang zukommt.1 2.1.1. Richtlinienkompetenz aus Art. 153 Abs. 2 lit. b) AEUV Zunächst eröffnet Art. 153 Abs. 2 lit. b) i. V. m. Abs. 1 lit. a) bis lit. i) AEUV der Union eine Ermächtigungsgrundlage zur Harmonisierung des Bereichs der Sozialpolitik durch den Erlass von Richtlinien. Die vorgenannten Vorschriften müssen nach Ansicht in der Literatur zusammen mit Art. 153 Abs. 5 AEUV, den Anforderungen an die erlassenen Richtlinien in Art. 153 Abs. 2 lit. b) AEUV und Art. 154 Abs. Abs. 4 AEUV sowie der Möglichkeit der Übertragung der Durchführung der Richtlinien auf die Sozialpartner in Art. 153 Abs. 3 AEUV gelesen werden.2 Richtlinien gemäß Art. 288 AEUV sind durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen , wobei sich die Anforderungen an die Umsetzung aus Art. 288 Abs. 3 AEUV ergeben. Richtlinien sind demnach für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel. Die Mitgliedstaaten sind im Rahmen der Umsetzung verpflichtet, die Formen und Mittel so zu wählen, dass sie sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (sog. effet 1 Vgl. Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 153 AEUV, Rn. 5. 2 Vgl. Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 153 AEUV, Rn. 1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 5 utile) der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks am besten eignen.3 Erforderlich ist insoweit die vollständige Erreichung des Richtlinienziels.4 2.1.2. Fördermaßnahmen gemäß Art. 153 Abs. 2 lit. a) AEUV Neben der Harmonisierungskompetenz der Union zum Erlass von Richtlinien in Art. 153 Abs. 2 lit. b) AEUV bietet Art. 153 Abs. 2 lit. a) AEUV die Grundlage für Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Nach Ansicht in der Literatur sollen von dieser Förderkompetenz bspw. Initiativen erfasst sein, die den Wissensstand verbessern oder den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren, die Förderung innovativer Ansätze oder die Bewertung von Erfahrungen zum Ziel haben.5 Die praktische Bedeutung der Vorschrift soll jedoch nach Ansicht der Literatur gering insgesamt sein.6 2.2. Reichweite des persönlichen Anwendungsbereiches von Art. 153 AEUV Hinsichtlich der Reichweite des persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 153 AEUV stellt sich die Frage, für welche Personengruppen die Europäische Union im Rahmen von Art 153 AEUV Regelungen, insbesondere Richtlinien gemäß Art. 153 Abs 2 lit. b) AEUV, erlassen kann. Zur Frage des persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 153 AEUV ist keine umfassende höchstrichterliche Rechtsprechung ersichtlich, daher orientieren sich die nachfolgenden Ausführungen an den insoweit im juristischen Schrifttum bestehenden Ansichten. 2.2.1. Arbeitnehmer und aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzte Personen Zunächst verweist Art. 153 AEUV in seinem Wortlaut mehrfach auf den Begriff des Arbeitnehmers . Eine Definition des Begriffs des Arbeitnehmers findet sich in Art. 153 AEUV jedoch nicht. Umfassende höchstrichterliche Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff i. S. d. Art. 153 AEUV ist nicht ersichtlich. Allerdings hat sich der EuGH zum Arbeitnehmerbegriff i. S. d. 3 EuGH, Urteil vom 8.4.1976, Rs. 48/75 (Royer), Slg. 1976, 497, Rn. 69/73. Zum Grundsatz des „effet utile“: EuGH, Urteil vom 15.7.1963, Rs. 34/62 (Deutschland/Kommission), Slg. 1963, 289, 318, siehe dazu erläuternd Streinz, in Streinz: EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 4 EUV, Rn. 33, 4 EuGH, Urteil vom 11.7.2002, Rs. C-62/00 (Marks & Spencer plc/Commissioners of Customs & Excise), Rn. 26 ff. 5 Rose/Langer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 153 AEUV, Rn. 51. 6 Benecke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 6 Art. 157 AEUV geäußert. In seiner Entscheidung in der Rechtssache Allonby7 hat der EuGH festgehalten , dass der Arbeitnehmerbegriff im Hinblick auf Art. 157 AEUV weit auszulegen sei.8 In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um Fragen der Anforderungen an die Entgeltgleichheit im britischen Bildungssystem – insbesondere in Bezug auf die Altersversorgung – von Männer und Frauen i. S. v. Art. 157 AEUV. Im Zuge dieser Entscheidung führte der EuGH zum Begriff des Arbeitnehmers aus: Arbeitnehmer i. S. v. Art. 157 AEUV sei nach Ansicht des EuGH, „wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt , für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer u. a. das Urteil vom 3. Juli 1986 in der Rechtssache 66/85, Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121, Randnr. 17[9], und das Urteil Martínez Sala, Randnr. 32).“10 Der EuGH bestimmt in dieser Entscheidung den Begriff des Arbeitnehmers – wie bereits in der Rechtssache Lawrie-Blum – somit „autonom“11 aus der Unionsrechtsordnung heraus. Die Berücksichtigung der Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff i. S. v. Art. 45 AEUV (Rechtssache Lawrie-Blum) durch den EuGH wird von einzelnen Stimmen im juristischen Schrifttum u. a. im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielrichtungen von Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit) und Art. 153 AEUV (sozialpolitische Kompetenznorm) kritisch gesehen.12 Neben dem Arbeitnehmer nimmt Art. 153 AEUV auf bestimmte Gruppen arbeitsloser Personen ausdrücklich Bezug. So nennt Art. 153 Abs. 1 lit. h) AEUV ausdrücklich eine Kompetenz der Union im Hinblick auf „die berufliche Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen“.13 Nach Ansicht von Teilen in der Literatur ist unter berufliche Eingliederung i. S. v. 7 EuGH, Urteil vom 13.01.2004, Rs. C-256/01 (Allonby/Accrington & Rossendale College u. a.), Slg. 2004, I-903. 8 EuGH, Urteil vom 13.01.2004, Rs. C-256/01 (Allonby/Accrington & Rossendale College u. a.), Slg. 2004, I-903, Rn. 66; siehe hierzu auch Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 153 AEUV, Rn. 4. 9 EuGH, Urteil vom 3.6.1986, Rs. 66/85 (Lawrie-Blum/Land Baden-Württemberg), Slg. 1985, I-2139, Rn. 17: „Dieser Begriff ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht aber darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.“, siehe hierzu auch a. A. Schneider, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 4. Auflage 2018, Band 1: Individualarbeitsrecht I, § 18, Rn. 51. 10 EuGH, Urteil vom 13.01.2004, Rs. C-256/01 (Allonby/Accrington & Rossendale College u. a.), Slg. 2004, I-903, Rn. 67. 11 Hierzu Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 5; Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 157 AEUV, Rn. 14; vgl. hierzu auch Maul-Sartori, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, Art. 153 AEUV, Rn. 10; Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 6. 12 Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 7; Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 6. 13 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 3. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 7 Art. 153 Abs. 1 lit. h) AEUV zu verstehen, dass Richtlinien bspw. schlechtqualifizierte Arbeitnehmer , Behinderte, Langzeitarbeitslose zum Gegenstand haben können.14 2.2.2. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes Im Hinblick auf Beschäftigte des öffentlichen Dienstes stellt sich ebenso die Frage der Reichweite des persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 153 AEUV. In der Literatur wird mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 45 AEUV vertreten, dass Art. 153 AEUV auch nationale Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bzw. Beamte erfasst, soweit sie die Kriterien des Arbeitnehmerbegriffes erfüllen.15 Europäische Beamte sollen danach grundsätzlich nicht von den nach Art. 153 AEUV erlassenen Richtlinien erfasst werden, was von einzelnen Stimmen Literatur kritisch gesehen wird.16 Allerdings hat der EuGH hinsichtlich der Regelungen in der Richtlinie 2003/88/EG17 zur Arbeitszeitgestaltung anerkannt, dass deren Nichtbeachtung die Kohärenz des Unionsrechts beeinträchtige,18 woraus nach Ansicht von einzelne Stimmen in der Literatur jedoch keine allgemeine Anwendbarkeit der Regelungen folgen solle.19 Eine abschließende Entscheidung bliebe insoweit dem EuGH vorbehalten. 2.2.3. Arbeitnehmerähnliche Personen Neben Arbeitnehmern i. S. d. der o. g. Rechtsprechung des EuGH in der Rechtsache Allonby stellt sich die Frage hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 153 AEUV im Hinblick auf sog. „arbeitnehmerähnliche Personen“. Hierunter werden nach Ansicht in der Literatur vor allem Personen 14 Benecke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: 68. EL Oktober 2018, Art. 153 AEUV, Rn. 93, a. A. Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 157 AEUV, Rn. 27. 15 Siehe Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 10 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 3.6.1986, Rs. 66/85 (Lawrie-Blum/Land Baden-Württemberg), Slg. 1985, I-2139, Rn. 20; im Hinblick auf Polizisten vgl. EuGH, Urteil vom 15.5.2896, Rs. 222/84 (Johnston/ Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986, 1663, Rn. 27 f., 33; hinsichtlich Mitglieder der Streitkräfte, vgl. EuGH, Urteil vom 26.10.1999, Rs. C-273/97 (Sirdar/The Army Board, Secretary of State for Defence), ECLI:EU:C:1999:523, Rn. 15 ff.. 16 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 10. 17 RICHTLINIE 2003/88/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. EU 2003, L 299/9. 18 EuGH, Urteil vom 19.9.2003, Rs. C‑579/12 RX-II (Europäische Kommission/Strack), ECLI:EU:C:2013:570, Rn. 57 ff., siehe hierzu Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 10, ferner Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 12. 19 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 10. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 8 verstanden, die einem Arbeitnehmer aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu einem einzelnen Auftraggeber vergleichbar sind.20 Konkret soll es sich nach Ansicht in der Literatur um Personen handeln, die, ohne die Erfordernisse der Arbeitnehmereigenschaft zu erfüllen, Dienste persönlich ohne den Einsatz von Hilfskräften für eine längere Dauer erbringen, ohne selbst am Markt aufzutreten.21 Inwieweit arbeitnehmerähnliche Personen vom Arbeitnehmerbegriff des Art. 153 AEUV umfasst sind, ist höchstrichterlich nicht entschieden und im juristischen Schrifttum umstritten. Nach Ansicht von Teilen der Literatur, die sich insoweit auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache FNV Kunsten22 stützen, werden unter dem Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person natürliche Personen gefasst, die sich in einer mit den Arbeitnehmern vergleichbaren Situation befinden.23 Aus der Rechtssache FNV Kunsten ließe sich nach dieser Ansicht insbesondere ableiten , dass der EuGH auch sogenannte Scheinselbstständige im Einzelfall als Arbeitnehmer ansehen würde, da sie sich insoweit in einer vergleichbaren Situation mit den Arbeitnehmern befänden .24 In der genannten Entscheidung zur Rechtsache FNV Kunsten führte der EuGH insoweit aus, dass „die Eigenschaft als „Arbeitnehmer“ im Sinne des Unionsrechts nicht dadurch berührt wird, dass eine Person aus steuerlichen, administrativen oder verwaltungstechnischen Gründen nach innerstaatlichem Recht als selbständiger Dienstleistungserbringer beschäftigt wird, sofern sie nach Weisung ihres Arbeitgebers handelt, insbesondere was ihre Freiheit bei der Wahl von Zeit, Ort und Inhalt ihrer Arbeit angeht (vgl. Urteil Allonby, EU:C:2004:18, Rn. 72), nicht an den geschäftlichen Risiken dieses Arbeitgebers beteiligt ist (Urteil Agegate, C-3/87, EU:C:1989:650, Rn. 36) und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses in dessen Unternehmen eingegliedert ist und daher mit ihm eine wirtschaftliche Einheit bildet (vgl. Urteil Becu u. a., C-22/98, EU:C:1999:419, Rn. 26).“25 Dieser Schluss aus der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache FNV Kunsten wird von einer anderen Ansicht in der Literatur in Frage gestellt, die jedoch im Grundsatz ebenso eine weite 20 Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 8. 21 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 12. 22 EuGH, Urteil vom 4.12.2020, Rs. C-413/13 (FNV Kunsten Informatie en Media/Niederlande), ECLI:EU:C:2014:2411, Rn. 42. 23 Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 10; vgl. ferner Maul-Sartori, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, Art. 153 AEUV, Rn. 11. 24 Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 7. 25 EuGH, Urteil vom 4.12.2020, Rs. C-413/13 (FNV Kunsten Informatie en Media/Niederlande), ECLI:EU:C:2014:2411, Rn. 42. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 9 Auslegung von Art. 153 AEUV annimmt.26 Letztlich sprechen nach beiden vorgenannten Ansichten auch die verschiedenen Sprachfassungen des Begriffs des Arbeitnehmers dafür, dass der Arbeitnehmerbegriff des Art. 153 AEUV weiter als in Art. 45 AEUV gefasst sei und auch arbeitnehmerähnliche Personen im Grundsatz umfassen könne.27 Andere Stimmen in der Literatur sehen zwar ebenso die Notwendigkeit einer Erfassung von arbeitnehmerähnlichen Personen von Art. 153 AEUV, verweisen aber insoweit darauf, dass das Unionsrecht den Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person nicht kenne.28 Mangels einer eigenständigen europarechtlichen Begriffsbildung sowie ohne normativen Anhaltspunkt seien die Grenzen einer Einbeziehung von arbeitnehmerähnlichen Personen in den Arbeitnehmerbegriff nicht erkennbar.29 Dagegen wäre es denkbar, eine Erstreckung des nach Art. 153 AEUV verabschiedeten Sekundärrechts auf arbeitnehmerähnliche Personen zu gestatten, soweit die Richtlinien eine entsprechende Regelung ausdrücklich vorsähen.30 Eine abschließende Entscheidung bliebe dem EuGH vorbehalten. 2.2.4. Selbstständige Vom unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abzugrenzen sind reine Selbstständige, die nach Ansicht der Literatur nicht von Art. 153 AEUV erfasst sein sollen.31 Eine umfassende Definition von Selbstständigkeit ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu entnehmen.32 In Sekundärrechtsakten finden sich dagegen begrenzte Definitionen von Selbstständigkeit, wie bspw. in der Richtlinie 2002/15/EG33 für den selbstständigen Kraftfahrer (für die der EuGH in der Rechtssache 26 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 13. 27 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 13 f. m. w. N.; ebenso Franzen , in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 8; a. A. Schneider, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 4. Auflage 2018, Band 1: Individualarbeitsrecht I, § 18, Rn. 51. 28 Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 153 AEUV, Rn. 2 sowie Art. 157 AEUV, Rn. 14. 29 Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 153 AEUV, Rn. 2. 30 Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 153 AEUV, Rn. 2, im Ergebnis auch Rebhan/Reiner , in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 14. 31 Vgl. hierzu bspw. Balze, in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, B. C. III., Rn. 56; siehe ferner Schneider, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 4. Auflage 2018, Band 1: Individualarbeitsrecht I, § 18, Rn. 51. 32 Siehe Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 13. 33 Vgl. Art. 3 lit. e RICHTLINIE 2002/15/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, Abl. EG 2002, L 80/35. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 10 Spanien/Finnland34 jedoch offen ließ, ob diese insoweit auf Art. 153 AEUV hätte gestützt werden können).35 Nach Ansicht in der Literatur erfolgt die Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit anhand der Kriterien (1) Verpflichtung zur persönlichen Leistung, (2) organisatorische Unterordnung während der Arbeit sowie (3) wirtschaftliche Unselbstständigkeit im Vertragsverhältnis .36 In seiner bereits o. g. Rechtsprechung zu Art. 157 AEUV (Rechtssache Allonby sowie Lawrie- Blum) hat der EuGH zur Abgrenzung des „selbstständigen Dienstleistungserbringers“ vom Arbeitnehmer das Kriterium des Unterordnungsverhältnisses als zentral herausgestellt.37 Das Vorliegen dieses Merkmals müsse, so der EuGH, in jedem Einzelfall nach Maßgabe aller Gesichtspunkte und aller Umstände, die die Beziehungen zwischen den Beteiligten kennzeichnen, bewertet werden .38 Allerdings soll nach Ansicht des EuGH die formale Einstufung als Selbständiger nach innerstaatlichem Recht nicht ausschließen, dass jemand als Arbeitnehmer einzustufen sei, wenn seine Selbständigkeit nur fiktiv sei und damit ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Artikels verschleiere .39 Soweit Selbstständige von Art. 153 AEUV nicht erfasst sind, käme ferner die subsidiäre Harmonisierungskompetenz des Art. 352 AEUV in Betracht. Gemäß Art. 352 Abs. 1 AEUV kann der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften erlassen, wenn ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich ist, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen , und sind in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind. 34 EuGH, Urteil vom 9.4.2002, verb. Rs. C-184/02 und C-223/02 (Königreich Spanien/Republik Finnland), ECLI:EU:C:2004:497, Rn. 42 ff.. 35 Siehe hierzu auch Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 13 sowie Krebber, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 157 AEUV, Rn. 11. 36 Siehe Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 8. 37 EuGH, Urteil vom 13.01.2004, Rs. C-256/01 (Allonby/Accrington & Rossendale College u. a.), Slg. 2004, I-903, Rn. 68; vgl. dazu die Ausführungen von Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 7; EuGH, Urteil vom 3.6.1986, Rs. 66/85 (Lawrie-Blum/Land Baden-Württemberg), Slg. 1985, I-2139, Rn. 17, vgl. hierzu auch die Ausführungen von Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 9; Schneider, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 4. Auflage 2018, Band 1: Individualarbeitsrecht I, § 18, Rn. 52. 38 EuGH, Urteil vom 13.01.2004, Rs. C-256/01 (Allonby/Accrington & Rossendale College u. a.), Slg. 2004, I-903, Rn. 69. 39 EuGH, Urteil vom 13.01.2004, Rs. C-256/01 (Allonby/Accrington & Rossendale College u. a.), Slg. 2004, I-903, Rn. 71, siehe ferner EuGH, Urteil vom 11.11.2010, Rs. C-232/09 (Dita Danosa/LKB Līzings SIA), ECLI:EU:C:2010:674, Rn. 41. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 11 Im Hinblick auf die Koordinierung sozialer Sicherungssysteme hatte die Union von dieser Möglichkeit auf der Grundlage von ex-Art. 253 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG – jetzt Art. 352 AEUV) bei der Änderung der Verordnung 1408/71/EWG40 durch die Änderungsverordnung (EWG) Nr. 1390/8141 Gebrauch gemacht. Hintergrund der Änderungsverordnung (EWG) Nr. 1390/81 war, dass ein der Verordnung 1408/71/EWG entsprechendes Regelungsbedürfnis auch gegenüber Selbständigen bestand,42 Selbstständige jedoch vom Arbeitnehmerbegriff der bestehenden Rechtsgrundlage (ex-Art. 51 EWG – jetzt Art. 48 AEUV) nach der Rechtsprechung des EuGH43 nicht erfasst waren. Vor diesem Hintergrund erscheint zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Unionsgesetzgeber gegenüber Selbständigen zur Verwirklichung von Zielen des Art. 153 Abs. 1 AEUV auf die Kompetenzgrundlage des Art. 352 AEUV zurückgreift, sofern dessen Anforderungen erfüllt sind. Eine abschließende Entscheidung bliebe dem EuGH vorbehalten. 2.2.5. Personen in Berufsausbildung In der Literatur wird zudem die Einbeziehung von Personen in der Berufsausbildung diskutiert. Insoweit stützt sich die Literaturansicht auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Le Manoir44 sowie auf den Anwendungsbereich der Richtlinie 1990/70/EG,45 die Regelungen zu befristeten Arbeitsverträgen trifft, die Berufsausbildungsverhältnisse ausdrücklich ausschließt, was den Umkehrschluss zulassen soll, dass der Unionsgesetzgeber Berufsausbildungsverhältnisse grundsätzlich von Art. 153 AEUV erfasst sieht.46 40 VERORDNUNG (EWG) Nr. 1408/71 DES RATES vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, Abl. EG 1971, L 149/2. 41 VERORDNUNG (EWG) Nr. 1390/81 DES RATES vom 12. Mai 1981 zur Ausdehnung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, auf die Selbständigen und ihre Familienangehörigen, Abl. EG, 1981, L 143/1. 42 Siehe Erwägungsgründe VERORDNUNG (EWG) Nr. 1390/81 DES RATES vom 12. Mai 1981 zur Ausdehnung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, auf die Selbständigen und ihre Familienangehörigen , Abl. EG 1981, L 143/1. 43 EuGH, Urteil vom 11.10.2001, verb. Rs. C-95-98/99 und C-180/99 (Khalil u. a.), Slg. 2001, I-7438, Rn. 41. 44 EuGH, Urteil vom 21.11.1991, Rs. C-27/91 (Union de recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d'allocations familiales de la Savoie (URSSAF)/ Société Hostellerie Le Manoir), Slg. 1991, I-5538, Rn. 8 f.. 45 RICHTLINIE 1999/70/EG DES RATES vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, Abl. EG 1999, L 175/43. 46 Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 13 f.. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 12 Eine abschließende Entscheidung bliebe dem EuGH vorbehalten. 2.2.6. Personen des „Zweiten Arbeitsmarktes“ Ferner wird in der Literatur diskutiert, inwieweit Personen, deren Beschäftigung durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen des Mitgliedstaats gefördert wird (sog. Zweiter Arbeitsmarkt), vom Anwendungsbereich des Art. 153 AEUV erfasst werden können.47 Nach einer Ansicht in der Literatur ließen sich Personen des Zweiten Arbeitsmarktes aufgrund des Merkmals der „wirtschaftlichen Werthaltigkeit“ zwar schwerlich unter den Arbeitnehmerbegriff des EuGH in seiner Rechtsprechung zu Art. 45 AEUV48 fassen, allerdings sei aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtung von Art. 45 AEUV und Art. 153 AEUV insoweit eine weitergehende Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs im Rahmen von Art. 153 AEUV nicht von vornherein auszuschließen.49 Andere Stimmen in der Literatur kommen zu der gleichen Wertung, sehen jedoch bereits keinen Widerspruch zu der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH, da „Subventionen, die auf den Arbeitenden zielen“ dem nicht zwingend entgegenstünden.50 In der Folge müsse dies ebenso für das Erfordernis der echten und tatsächlichen Tätigkeit gelten.51 Regelungskompetenz der Union, bedeutete nach letzterer Ansicht zudem nicht, dass jede Richtlinie, die an Arbeitnehmer gerichtet sei, automatisch im Zweiten Arbeitsmarkt, gelte.52 Eine abschließende Entscheidung bliebe dem EuGH vorbehalten. 2.2.7. Arbeitnehmer aus Drittstaaten Letztlich stellt sich die Frage der Reichweite von Art. 153 AEUV im Hinblick auf Arbeitnehmer aus Drittstaaten, die innerhalb der EU arbeiten. Insoweit ist nach Ansicht der Literatur insbesondere zu hinterfragen, ob das auf der Grundlage von Art. 153 AEUV erlassene sozialpolitische Sekundärrecht auch gegenüber Drittstaatsangehörigen gilt.53 47 Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 13. 48 EuGH, Urteil vom 13.01.2004, Rs. C-256/01 (Allonby/Accrington & Rossendale College u. a.), Slg. 2004, I-903. 49 Franzen, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, Art. 153 AEUV, Rn. 13; ferner Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 15. 50 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 15. 51 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 15. 52 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 15. 53 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 18. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 029/20 Seite 13 In der Literatur wird im Hinblick auf die in der EU legal tätigen Arbeitnehmer auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Tümer verwiesen, in der der EuGH festgehalten hat, dass „die Zuständigkeit zum Erlass von Mindestvorschriften, die u. a. das in Art. 136 EG angeführte Ziel, die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern, verwirklichen sollen, nicht allein auf die Angehörigen der Mitgliedstaaten – unter Ausschluss von Drittstaatsangehörigen – beschränkt [sein soll].54 Daraus und mit Blick auf die Bestimmung in Art. 153 Abs. 1 lit. g) AEUV55 wird von Stimmen in der Literatur gefolgert, dass Art. 153 AEUV die Regelung von Rechtsverhältnissen gegenüber Drittstaatsangehörigen erlaube.56 Allerdings sei mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Tümer57 nach Ansicht in der Literatur für jede Richtlinie die Anwendbarkeit auf Drittstaatsangehörige gesondert zu prüfen.58 Eine abschließende Entscheidung bliebe dem EuGH vorbehalten. – Fachbereich Europa – 54 EuGH, Urteil vom 5.11.2014, Rs. C-311/13, (Tümer/ Raad van bestuur van het Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen ), ECLI:EU:C:2014:2337, Rn. 32. 55 Art. 153 Abs. 1 lit. g) AEUV behandelt die Beschäftigungsbedingungen der Staatsangehörigen dritter Länder, die sich rechtmäßig im Gebiet der Union aufhalten. 56 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 19 m. w. N.; Krebber, in Calliess /Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 157 AEUV, Rn. 21. 57 Siehe oben Fn. 54. 58 Rebhan/Reiner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 153 AEUV, Rn. 20; Krebber, in Calliess/Ruffert , EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 157 AEUV, Rn. 21.