© 2021 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 028/21 Vorgaben des Europäischen Beihilfenrechts für die Tätigkeit von Kommunen auf dem Gebiet der Baulanderschließung und -vermarktung Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 028/21 Seite 2 Vorgaben des Europäischen Beihilfenrechts für die Tätigkeit von Kommunen auf dem Gebiet der Baulanderschließung und -vermarktung Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 028/21 Abschluss der Arbeit: 04.06.2021 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 028/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Überblick über das Europäische Beihilfenrecht 4 2.1. Materielles EU-Beihilfenrecht 4 2.2. Formelles EU-Beihilfenrecht 5 2.2.1. Vorabnotifizierung 5 2.2.2. Freistellung von der Notifizierungspflicht und ex-post-Kontrolle 6 3. Beihilferechtliche Bewertung 7 3.1. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV 7 3.2. Begünstigung 7 3.3. Selektiver Vorteil 8 3.4. Verfälschung des Wettbewerbs und Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 8 3.5. Materielle und verfahrensrechtliche Konsequenzen im Falle materieller Beihilferelevanz 9 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 028/21 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa wurde gebeten, zu prüfen, ob Vorgaben des Europäischen Beihilfenrechts bestehen, die der Tätigkeit von Kommunen auf dem Gebiet der Baulanderschließung und -vermarktung entgegenstehen. Inhaltlich verweist der Auftraggeber beispielhaft auf kommunale Vorgehensweisen, die eine strategische Ausrichtung bei der kommunalen Flächenvorsorge bzw. Baulandentwicklung vorsehen, in deren Rahmen die Kommunen zur Deckung des laufenden Flächenbedarfes und zum Aufbau eines langfristigen Bodenvorrates frühzeitig und in ausreichendem Umfang für im Vorfeld definierte Nutzungsarten jeweils geeignete Flächen oder Schlüsselgrundstücke erwerben und vorhalten . Im Hinblick auf das Ziel der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum könnte dies konkret bedeuten , dass Kommunen bspw. bei Wohnbauvorhaben der Außenentwicklung bzw. Entwicklungen im Innenbereich, die einen Bebauungsplan benötigen, Bauleitplanverfahren erst dann einleiten , wenn der Planungsbegünstigte einen vorher bestimmten Anteil der potenziellen Baulandfläche an die Kommune zu definierten Konditionen veräußert oder dem dinglich gesicherten Zugriff auf diese Fläche zustimmt. Die vorgenannten Bedingungen sollen die Grundlage der nachfolgenden Ausarbeitung bilden.1 Nach einem kurzen Abriss der Grundzüge des Europäischen Beihilfenrechts (Ziff. 2.) wird untersucht , ob konkrete beihilferechtliche Vorgaben bestehen, die der Tätigkeit von Kommunen auf dem Gebiet der Baulanderschließung und -vermarktung entgegenstehen (Ziff. 3.). 2. Überblick über das Europäische Beihilfenrecht Die Regelungen über staatliche Beihilfen in den Art. 107 – 109 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Teil der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln. Das Primärrecht stellt sowohl materielle als auch formelle Voraussetzungen für die unionsrechtskonforme Durchführung von Beihilfen durch die Mitgliedstaaten auf. 2.1. Materielles EU-Beihilfenrecht Den Kern des EU-Beihilfenrechts bildet das an die Mitgliedstaaten gerichtete grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Fehlt eines dieser Merkmale, so liegt keine Beihilfe vor und die Vorgaben der Art. 107 ff. AEUV finden keine Anwendung.2 Sind die Merkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV hingegen erfüllt, so ist dies nicht gleichbedeutend mit einer Unionsrechtswidrigkeit der betreffenden nationalen Maßnahme. Denn das in dieser 1 Ergänzend wird zur Frage, inwieweit das Instrument der sog. „Konzeptvergabe“ mit dem Unionsrecht vereinbar ist bzw. welche Grenzen das Unionsrecht insoweit vorsieht, auf die Ausarbeitung „Konzeptvergabe und EU - Beihilferecht“ vom 28.11.2019 (PE 6-3000-102/19) verwiesen. 2 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00, Rn. 74 (Altmark Trans). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 028/21 Seite 5 Vertragsvorschrift geregelte Beihilfeverbot gilt nicht absolut, sondern nur insoweit, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen anderen Bestimmungen zählen Art. 107 Abs. 2, 3 AEUV, unter deren Voraussetzungen Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar gelten bzw. als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden können. 2.2. Formelles EU-Beihilfenrecht Der Vollzug des EU-Beihilferechts obliegt auf Grundlage von Art. 108 AEUV der Europäischen Kommission (Kommission).3 In verfahrenstechnischer Hinsicht sind dabei die primärrechtlich geregelte ex-ante-Prüfung und die sekundärrechtlich geprägte ex-post-Kontrolle zu unterscheiden . 2.2.1. Vorabnotifizierung Nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV sowie der sekundärrechtlichen Konkretisierung dieser Bestimmungen in Gestalt der Beihilfenverfahrensordnung (Beihilfen-VerfO)4 sind mitgliedstaatliche Vorhaben zum einen vorab (präventiv) zu überprüfen. Verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beihilfen vor ihrer Einführung bei der Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV5). Diese prüft sodann, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und – wenn das der Fall ist – ob sie gerechtfertigt werden kann.6 Bis zum Abschluss des Verfahrens darf der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe nicht durchführen (sog. Durchführungsverbot, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV7). Verstöße hiergegen können zur Aussetzung oder zur vorläufigen Rückforderung bereits gewährter Beihilfen führen, und zwar unabhängig von der (festzustellenden) materiellen Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahme.8 Von hoher praktischer Relevanz für die Beihilfeprüfung sind zahlreiche Sekundärrechtsakte, in denen die Kommission einerseits die beihilferechtliche Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV und andererseits ihre Ermessenspraxis insbesondere 3 Zu den wenigen, zum Teil auf Ausnahmesituationen beschränkten Kompetenzen des Rates im EU -Beihilfenrecht nach Art. 107 Abs. 3 lit. e, Art. 108 Abs. 2 UAbs. 3 sowie Art. 109 AEUV vgl. Frenz, Handbuch Europarecht , Band 3: Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1224 ff. 4 Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV, ABl. 2015 Nr. L 248/9. 5 Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Beihilfen-VerfO (Fn. 4). 6 Vgl. auch Art. 4, 6, 7 Beihilfen-VerfO (Fn. 4). 7 Vgl. auch Art. 3 Beihilfen-VerfO (Fn. 4). 8 Vgl. Art. 13 Beihilfen-VerfO (Fn. 4). Ist eine Beihilfe materiell nicht rechtfertigungsfähig, ist sie endgültig zurückzufordern , vgl. Art. 16 Beihilfen-VerfO (Fn. 4). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 028/21 Seite 6 zur Auslegung des Art. 107 Abs. 3 AEUV verschriftlicht hat, um die Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit ) und Transparenz ihres Entscheidungsprozesses zu erhöhen.9 Zu diesen Rechtsakten gehören überwiegend nicht verbindliche Maßnahmen, die – ähnlich wie nationale Verwaltungsvorschriften – zumindest eine Selbstbindung der Kommission begründen.10 Diese nichtverbindlichen Maßnahmen werden in Form von (zum Teil bereichsspezifischen) Leitlinien, Unionsrahmen und Mitteilungen11 erlassen. Von Bedeutung ist in tatbestandlicher Hinsicht die 2016 erlassene sog. Beihilfemitteilung, in welcher die Kommission den Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV anhand der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung erläutert.12 Hinsichtlich der Rechtsakte für die Ebene der Rechtfertigung wird auf die Ausführungen unten unter Ziff. 3.5. verwiesen. 2.2.2. Freistellung von der Notifizierungspflicht und ex-post-Kontrolle Neben der primärrechtlich vorgegebenen (präventiven) ex-ante Kontrolle eröffnet das Primärrecht die Möglichkeit, Beihilfen auch ohne vorherige Anmeldung und Kommissionsüberprüfung zu gewähren, soweit bestimmte vorab bekannte materielle und formale Anforderungen eingehalten werden.13 Diese Anforderungen ergeben sich v. a. aus sog. Freistellungsverordnungen, die die Kommission u. a. auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit einer Ermächtigungsverordnung des Rates auf Grundlage des Art. 109 AEUV erlassen kann.14 Bei Einhaltung der jeweiligen Vorgaben werden die Mitgliedstaaten von der Pflicht zur (vorherigen) Notifizierung des Beihilfevorhabens und seiner Vorab-Kontrolle nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV freigestellt. Die Kommission kann die ihr gleichwohl anzuzeigende Gewährung solcher Beihilfen jedoch nachträglich kontrollieren. Die derzeit geltende Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung 9 Cremer in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV, Rn. 4. 10 Vgl. bspw. EuGH, Urt. v. 5.10.2000, Rs. C-288/96 (Deutschland/Kommission), Rn. 62; EuGH, Urt. v. 7.03.2002, Rs. C-310/99 (Italien/Kommission), Rn. 52. 11 Ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Rechtsakte findet sich auf den Seiten der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission (unveränderter Stand vom 15.04.2014, letztmaliger Abruf am 04.06.21). Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der ermessenskonkretisierenden Kommissionsakte, vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3: Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 747 ff.. 12 Siehe zu den einzelnen Merkmalen und der dazu ergangenen Rechtsprechung die sog. Beihilfemitteilung der Kommission: Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1 (letztmaliger Abruf am 04.06.21). In dieser Mitteilung erläutert die Kommission unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH die einzelnen Merkmale des Beihilfetatbestandes. 13 Dieser Bereich des Beihilferechts wurde im Zuge der 2014 durchgeführten Beihilferechtsreform („ State Aid Modernisation “) ausgebaut, vgl. Soltész, NJW 2014, 3128, 3130. 14 Bei der Verordnung des Rates auf Grundlage von Art. 109 AEUV handelt es sich um die Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. 2015 Nr. L 248/1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 028/21 Seite 7 (AGVO) fasst verschiedene Freistellungstatbestände zusammen.15 Diese gilt allerdings nur für sog. transparente Beihilfen, d. h. (Zins-)Zuschüsse, Darlehen, Bürgschaften, rückzahlbare Vorschüsse und Steuererleichterungen. 3. Beihilferechtliche Bewertung 3.1. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV Die Tätigkeit von Kommunen auf dem Gebiet der Baulanderschließung und -vermarktung würde als Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV zu werten sein, wenn hierdurch alle Merkmale des dort definierten Beihilfetatbestandes erfüllt wären. Für den Beihilfebegriff kennzeichnend ist neben einer aus staatlichen Mitteln gewährten Begünstigung die Selektivität, d.h. die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige sowie die hierdurch hervorgerufene Wettbewerbsverfälschung und Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels.16 3.2. Begünstigung Unter einer Begünstigung oder einem Vorteil (so die Bezeichnung in der Beihilfemitteilung) ist jede wirtschaftliche Vergünstigung zu verstehen, die ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen , d. h. ohne Eingreifen des Staates, nicht erhalten könnte.17 Die Vergünstigung kann dabei sowohl in der Gewährung positiver wirtschaftlicher Leistungen (etwa klassische Subventionen ) als auch in der Befreiung von sonst zu tragenden wirtschaftlichen Belastungen bestehen .18 Entscheidend sind dabei allein die Auswirkungen einer Maßnahme auf das betreffende Unternehmen, auf die Gründe oder Ziele des staatlichen Handelns kommt es ebenso wenig an, wie auf die genaue Art der Maßnahme.19 Eine Begünstigung oder ein Vorteil sind insbesondere dann ausgeschlossen, wenn das Unternehmen eine der wirtschaftlichen Vergünstigung angemessene Gegenleistung erbringt.20 15 Siehe hierzu Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, (ABl. 2014 Nr. L 187/1), letzte konsolidierte Fassung vom 05.04.2021. 16 Dazu näher Derksen, EuZW 2020, 919 m. w. N.. 17 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 66, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 18 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 68. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff der Beihilfe […] weiter als der Begriff der Subventionen. [Dieser]…erfasst auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen mindern, welche ein Unternehmen normaler Weise zu tragen hat“ vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 23.2.1961, Rs. 30/59 (De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde ) Rn. 3, 43; Urt. v. 15.3.1994, Rs. C-387/92 (Banco de Crédito) Rn. 13; Urt. v. 19.5.1999, Rs. C-6/97 (Italienische Republik/Kommission ) Rn. 15 f.; EuG, Urt. v. 7.3.2012, Rs. T-210/02 RENV (British Aggregates Association/Kommission) Rn. 46. 19 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 67 u. 68, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 20 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 73 ff.. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 028/21 Seite 8 Begünstigungen von Unternehmen sind ferner nur dann beihilferelevant, wenn die dafür eingesetzten Mittel solche des Staates sind bzw. von ihm kontrolliert werden.21 In der Regel muss der Begünstigung eine dem Staat zurechenbare22 Belastung des Staatshaushaltes zugrunde liegen.23 Die Feststellung einer relevanten Begünstigung im Rahmen der o. g. Tätigkeit von Kommunen auf dem Gebiet der Baulanderschließung und -vermarktung ist kaum vorstellbar, solange der Erwerb von Grundstücken durch die Kommunen im Wege privatrechtlicher Kaufverträge erfolgt und für die von den Kommunen zu erwerbenden Grundstücke marktgerechte Kaufpreise gezahlt werden. In diesen Fällen sollte grundsätzlich ein Gleichgewicht zwischen der Leistung der Kommunen, der Kaufpreiszahlung, und dem Erhalt des Grundeigentums vom Veräußerer bestehen. Mangels des Vorliegens eines konkreten Sachverhalts lässt sich darüber hinaus hierzu keine abschließende Feststellung treffen. 3.3. Selektiver Vorteil Um als staatliche Beihilfe gelten zu können, muss eine Maßnahme selektiv sein. Dies setzt nach Ansicht des EuGH voraus, das eine nationale Maßnahme im Rahmen einer konkreten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die der Sache nach als diskriminierend eingestuft werden kann.24 Maßnahmen von rein allgemeinem Charakter, die nicht bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen, sondern allen Unternehmen und Produktionszweigen in gleicher Weise zugutekommen, fallen daher grundsätzlich nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV.25 Als nicht selektive Maßnahmen wird bspw. die staatliche Bereitstellung und Finanzierung einer bestimmten Infrastruktur angesehen.26 Im Falle des Vorliegens einer Begünstigung – bspw. durch Zahlung eines erhöhten Kaufpreises durch die Kommune – kann die Selektivität nicht vornherein ausgeschlossen werden. Für eine abschließende Bewertung käme es aber auf den konkreten Sachverhalt an. 3.4. Verfälschung des Wettbewerbs und Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels An die nach Art. 107 Abs. 1 AEUV ferner erforderlichen Merkmale der Verfälschung des Wettbewerbs sowie der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels werden bei Vorliegen der 21 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 38 ff.. 22 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 39 ff.. 23 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 47 ff.. Siehe zur Bedeutung der Belastung des Staatshaushalts, EuGH, Urt. v. 28.3.2019, Rs. C-405/16 P (Deutschland/Kommission, „EEG“), Rn. 60. 24 EuGH, Urt. v. 16.3.2021, Rs. C-562/19 P (Kommission/Polen) Rn. 28 (Hervorhebung im Original). 25 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 118, mit den dort angeführten Ausnahmen zum Grundsatz. 26 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 199 ff.. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 028/21 Seite 9 oben genannten Merkmale in der Regel keine hohen Anforderungen gestellt, soweit es sich nicht um rein lokale oder kommunale Vorhaben handelt.27 Letztere Vorhaben könnten im Einzelfall eine eingehendere Prüfung erforderlich machen. Auf weitere Ausführungen hierzu wird verzichtet und auf die Beihilfemitteilung der Kommission verwiesen.28 3.5. Materielle und verfahrensrechtliche Konsequenzen im Falle materieller Beihilferelevanz Sind Maßnahmen als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu qualifizieren, so stellt sich die Frage nach ihrer unionsrechtlichen Rechtfertigung. Vor allem Art. 107 Abs. 3 AEUV bietet hier mit seinen Ermessenstatbeständen eine Vielzahl an Möglichkeiten. Die Konkretisierung dieser Tatbestände obliegt der für die Durchführung des Beihilferechts zuständigen Kommission. Die von dieser erlassenen zahlreichen verbindlichen und unverbindlichen Rechtsakte spiegeln dabei in der Regel die Kommissionspolitik in den von der staatlichen Förderung jeweils betroffenen Sachbereichen wider. Die derzeitigen Rechtsakte stammen zu einem beachtlichen Teil aus dem Jahre 2014 und sind ursprünglich – entsprechend der Amtsdauer der Kommission – auf fünf Jahre, d.h. bis 2020, ausgelegt . Im Rahmen der Mitteilung der Kommission über die Verlängerung und Änderung verschiedener Leitlinien vom 8.7.202029 hat die Kommission die Geltungsdauer der betreffenden Rechtsakte mindestens bis zum Ende des Jahres 202130 verlängert. Von dem Vorliegen der jeweiligen beihilferelevanten Maßnahme und den einschlägigen Rechtfertigungsvorschriften hängt im Einzelfall ab, welcher verfahrensrechtliche Weg zu beschreiten ist, ob eine Maßnahme bei der Kommission vor ihrer Inkraftsetzung zu notifizieren ist oder ob eine Freistellung in Betracht kommt.31 - Fachbereich Europa - 27 Vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.2013, Rs. C-197/11 und C-203/11 (Libert u. a), Rn. 76, 77: Beihilfe muss nur geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, vgl. EuGH, Urt. v. 17.09.1980 Rs. C-730/79 (Phillip Morris), Rn. 11: Staatliche Maßnahmen drohen den Wettbewerb zu verfälschen, wenn sie die Wettbewerbsposition des Empfängers im Vergleich zu seinen Wettbewerbern verbessern könnten. 28 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 12), Rn. 185 ff.. 29 Mitteilung der Kommission über die Verlängerung und Änderung der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014 - 2020, der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen, der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020, der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten, der Mitteilung — Kriterien für die Würdigung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse mit dem Binnenmarkt, der Mitteilung der Kommission — Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation und der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten zur Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf die kurzfristige Exportkreditversicherung (2020/C 224/02), ABl. EU C 224/2 vom 8.7.2020. 30 Dies gilt mit Ausnahme der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten, die bis zum 31.12.2023 verlängert werden, vgl. Ziff. 12 Mitteilung vom 8.7.2020 (Fn. 29). 31 Siehe dazu oben Ziff. 2.2..