© 2017 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 28/17 Ausfuhrverbot von Rüstungsgütern Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 2 Ausfuhrverbot von Rüstungsgütern Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 28/17 Abschluss der Arbeit: 30. Mai 2017 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Begriff der Rüstungsgüter 4 3. Zuständigkeit der Mitgliedstaaten 5 3.1. Ausschließliche Zuständigkeit der EU 5 3.2. Geteilte Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten 6 4. Vereinbarkeit eines Umschlagverbots mit Unionsrecht 7 4.1. Vereinbarkeit mit Sekundärrecht 7 4.2. Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit 7 4.2.1. Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit 8 4.2.2. Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit 8 4.2.2.1. Mengenmäßige Ein- oder Ausfuhrbeschränkung 8 4.2.2.2. Maßnahme gleicher Wirkung 9 4.2.2.3. Zusammenfassung 10 4.2.3. Rechtfertigung 11 4.2.3.1. Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen, Art. 346 AEUV 11 4.2.3.2. Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Art. 36 AEUV 12 4.2.3.3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 13 4.2.4. Zusammenfassung 13 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung setzt sich der Frage auseinander, ob ein (landes-)gesetzliches Umschlagverbot von an sich legal ausführbaren Rüstungsgütern (d.h. Rüstungsgüter mit vorhandener Ausfuhrgenehmigung ) über einen Landeshafen mit dem Recht der Europäischen Union (EU) vereinbar wäre. Als Anhaltspunkt für eine mögliche Ausgestaltung eines Umschlagverbots dient das Umschlagverbot von Kernbrennstoffen gemäß § 3 Abs. 3 des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes:1 „Im Interesse einer grundsätzlichen auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamtwirtschaft ist der Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des § 2 Absatz 1 des Atomgesetzes ausgeschlossen. Der Senat kann allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen zulassen, insbesondere für Kernbrennstoffe, die unter die Regelung in § 2 Absatz 2 Satz 2 des Atomgesetzes fallen oder nur in geringen Mengen im Umschlagsgut enthalten sind“ 2. Begriff der Rüstungsgüter Unter dem Begriff Rüstungsgüter werden vorliegend solche Waren verstanden, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)2 aufgeführt sind und nur mit einer gültigen Ausfuhrgenehmigung ausgeführt werden dürfen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV). Erfasst werden demnach Güter, die vorrangig oder ausschließlich einer militärischen Verwendung dienen , d.h. Waffen und Munition jeglicher Art sowie Zubehör, Ersatzteile oder Befestigungsvorrichtungen für Waffen, gepanzerte Fahrzeuge, Schutzvorrichtungen oder Schutzkleidung sowie einschlägige Software oder Technologien. Eine besondere Kategorie der allgemeinen Rüstungsgüter bilden Kriegswaffen, d.h. die in der Anlage zum Kriegswaffenkontrollgesetz3 aufgeführten Gegenstände , Stoffe und Organismen, die zur Kriegsführung bestimmt sind. Die hier angeführten Kriegswaffen fallen ebenfalls unter den Begriff der Rüstungsgüter im Sinne der Fragestellung dieser Ausarbeitung. Nicht erfasst von den folgenden Ausführungen sind Fragen betreffend Dual- Use Güter, d.h. Wirtschaftsgüter, die für zivile Zwecke produziert wurden, aber auch im militärischen Bereich verwendet werden können. Der Genehmigungspflicht unterliegen dabei nur bestimmte Güter nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 428/2009.4 1 Abrufbar unter http://www.hbh.bremen.de/sixcms/media.php/13/3-Brem-Hafenbetriebsgesetz.pdf, vgl. hierzu Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 12.4.2013, St 1/12, BremStGHE 8, 198, abrufbar unter http://www.staatsgerichtshof.bremen.de/sixcms/media.php/13/St_1_12_Urteil_00000052_081511Anonym .pdf sowie Schwarz, Das Verbot des Umschlags von Kernbrennstoffen in Seehäfen als bundesstaatliches Problem, DÖV 2012, S. 457 ff. 2 Außenwirtschaftsverordnung vom 2.8.2013 (BGBl. I S. 2865), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 27.4.2017 (BAnz AT 03.05.2017 V1). 3 Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.11.1990 (BGBl. I S. 2506), zuletzt geändert durch Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes vom 13.4.2017 (BGBl. I S. 872). 4 Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck , ABl. L 134 vom 29.5.2009, S. 1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R0428&qid=1495616113477&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 5 3. Zuständigkeit der Mitgliedstaaten Die Vereinbarkeit der Einführung eines gesetzlichen Umschlagverbots von Rüstungsgütern mit vorhandener Ausfuhrgenehmigung über einen Landeshafen mit dem Unionsrecht setzt zunächst voraus, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen der Unionsrechtsordnung die Zuständigkeit zum Erlass einer solchen Regelung besitzen. Das ist dann nicht der Fall, wenn die EU für diese Frage ausschließlich zuständig ist (3.1.). Im Fall einer geteilten Zuständigkeit, können die MS tätig werden , solange und soweit die EU hierzu keine Regelung erlassen hat (3.2.). 3.1. Ausschließliche Zuständigkeit der EU Ein Umschlagverbot von Rüstungsgütern mit Ausfuhrgenehmigung über einen Landeshafen betrifft sowohl den Handel der Mitgliedstaaten untereinander als auch den Handel mit Drittstaaten. Gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV hat die Union die ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik. Zu diesem Bereich gehört auch die Ausfuhrpolitik.5 Ein außenoder sicherheitspolitischer Zweck einer Maßnahme entzieht diese nicht dem Anwendungsbereich der allgemeinen Handelspolitik nach Art. 207 AEUV.6 Die ausschließliche Zuständigkeit der Union führt zu einer generellen Sperrwirkung gegenüber den Mitgliedstaaten, so dass diese keine Rechtsakte in diesem Bereich erlassen dürfen, es sei denn sie wurden hierzu von der Union ermächtigt oder sie führen Rechtsakte der Union durch (vgl. Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 AEUV).7 Art. 346 AEUV sieht eine Abweichungsbefugnis vor, die eine unilaterale Regulierung des Handels mit strategischen Gütern durch die Mitgliedstaaten ermöglicht, auch wenn dieser von der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 207 AEUV umfasst ist. Diese Ermöglichung von unilaterale Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten lässt die ausschließliche Zuständigkeit gemäß Art. Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV iVm Art. 207 AEUV unberührt, begründet in dem von Art. 346 AEUV erfassten Bereich jedoch eine geteilte Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten.8 Demnach können Maßnahmen, die den Handel mit Rüstungsgütern betreffen, unter den Voraussetzungen des Art. 346 Abs. 1 lit. b) durch die Mitgliedstaaten vorgenommen werden. Soweit Rüstungsgüter in der Liste des Rates enthalten sind, auf die Art. 346 Abs. 2 AEUV verweist,9 kann ein sie betreffen- 5 Vgl. Verordnung (EU) 2015/479 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2015 über eine gemeinsame Ausfuhrregelung, ABl. L 83 vom 27.3.2015, S. 34, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R0479&qid=1495622311820&from=DE; Obwexer, in: von der Groeben /Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 3 AEUV, Rn.23. 6 EuGH, Rs. C-83/94 (Leifer), Rn. 9 f.; EuGH, Rs. C-70/94 (Werner), Rn. 7 ff. 7 Vgl. Vgl. Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7.Auflage 2015, Art. 2 AEUV, Rn.16. 8 Vgl. Kokott, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 346 AEUV, Rn. 1. 9 Aufgestellt durch Beschluss Nr. 255/58 des Rates, einsehbar in der schriftlichen Anfrage E-1323/2001 vom 3.5.2001, ABl. C 364 E, S. 85 sowie in Auszügen in den Rats-Dok. 14538/08 und Rats-Dok. 14538/4/08 REV 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 6 des Umschlagverbot zur Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen, unabhängig von der ausschließlichen Zuständigkeit der Union für die Ausfuhrpolitik, durch die Mitgliedstaaten geregelt werden. 3.2. Geteilte Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten Eine Beschränkung der Handlungsbefugnis der Mitgliedstaaten könnte in dem von Art. 346 AEUV erfassten Bereich dann bestehen, wenn und soweit die EU von ihren Zuständigkeiten in diesem Bereich Gebrauch gemacht hat und hierdurch ein eigenständiges Handeln der Mitgliedstaaten gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV gesperrt wäre.10 Für den Bereich des Handels mit Rüstungsgütern innerhalb der Union hat der Unionsgesetzgeber die Richtlinie 2009/43/EG11 (im Folgenden: RL 2009/43/EG) erlassen. Die Richtlinie dient der Harmonisierung von Vorschriften und Verfahren für die Verbringung von Verteidigungsgütern in der Union (vgl. Art. 1 Abs. 1 RL 2009/43/EG). Dies betrifft insbesondere das Genehmigungsverfahren für die Verbringung dieser Güter (vgl. Art. 4 ff. RL 2009/43/EG). Ausfuhrbeschränkungen werden lediglich durch Art. 10 RL 2009/43/EG geregelt. Die Vorschrift bezieht sich aber nur auf bereits in der Genehmigung enthaltene Ausfuhrbeschränkungen, nicht aber über die Modalitäten der Ausfuhr und damit zusammenhängende Beschränkungen. Die RL 2009/43/EG verfolgt auch nicht das Ziel, die Modalitäten der Ausfuhr von Verteidigungsgütern in andere Mitgliedstaaten zu regeln. Dementsprechend sah bereits der Entwurf der Kommission lediglich eine Vereinheitlichung der Genehmigungsverfahren innerhalb der Gemeinschaft vor.12 Zudem berührt die Richtlinie nicht die Politik der Mitgliedstaaten bezüglich solcher Rüstungsgüter, die durch das Gebiet der Union lediglich durchgeführt werden.13 Sie soll auch nicht die Anwendung von Bestimmungen beschränken, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich sind.14 Aus der RL 2009/43/EG ergeben sich somit keine Beschränkungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Erlass von staatlichen Regelungen, die die Ausfuhr von Verteidigungsgütern betreffen und aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich sind. 10 Vgl. Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7.Auflage 2015, Art. 2 AEUV, Rn. 25; Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 2 AEUV, Rn. 11. 11 Richtlinie 2009/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingung für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern, ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009L0043-20160928&qid=1495639077630&from=DE. 12 Vgl. 2007/0279 (COD), S.2. 13 Erwägungsgrund 6 RL 2009/43/EG. 14 Erwägungsgrund 10 RL 2009/43/EG. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 7 4. Vereinbarkeit eines Umschlagverbots mit Unionsrecht Die Einführung eines Umschlagverbots müsste sowohl mit dem primären als auch mit dem sekundären Unionsrecht vereinbar sein. 4.1. Vereinbarkeit mit Sekundärrecht Zunächst stellt sich die Frage nach sekundärrechtlichen Regeln, die maßgeblich für die Einführung eines Umschlagverbots von legal auszuführenden Rüstungsgütern sein könnten. Im Hinblick auf Regelungen betreffend die Ausfuhr von Waren in Drittländer kommt die Verordnung (EG) 2015/479 in Betracht.15 Der Begriff der Ware erfasst alle Erzeugnisse, die einen Geldwert haben und Gegenstände von rechtmäßigen Handelsgeschäften sein können.16 Zu diesen Erzeugnissen gehören auch die von einem Umschlagverbot betroffenen Rüstungsgüter. Allerdings können staatliche Maßnahmen auf Grundlage vorrangiger primärrechtlicher Regelungen dem Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2015/479 entzogen sein.17 Eine solche vorrangige Regelung ist Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV.18 Das hier in Frage stehende Umschlagverbot betrifft die Ein- und Ausfuhr und damit den Handel mit Rüstungsgütern. Erfolgt diese Regelung aus einem wesentlichen Sicherheitsinteresse des Mitgliedstaates und betrifft sie Güter, die in der Liste des Rates nach Art. 346 Abs. 2 AEUV stehen, fällt diese Regelung in den Anwendungsbereich des Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV. Dadurch ist die Verordnung (EU) 2015/479 auf ein Umschlagverbot von legal ausführbaren Rüstungsgütern über einen Landeshafen nicht anwendbar. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ergeben sich auch keine Beschränkungen aus der RL 2009/43/EG im Hinblick auf die Einführung eines Umschlagverbots. 4.2. Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit Mangels abschließender Harmonisierung durch sekundärrechtliche Regelungen ist ein Umschlagverbot von legal ausführbaren Rüstungsgütern auf die Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten zu überprüfen. Ein Umschlagverbot kann sowohl die Ein- und Ausfuhr bestimmter Waren als auch den Umschlag und Transport dieser Güter betreffen. Vorliegend kommt dabei insbesondere die 15 Vgl. Erwägungsgrund 10 Verordnung (EG) 2015/479; Ehlers/Pünder, in: Krenzler/Hermann/Niestedt, Eu-Außenwirtschafts - und Zollrecht, 3.Ergänzungslieferung (Oktober 2013), Art.1 VO (EG) Nr.1061/2009, Rn.1. 16 Ehlers/Pünder, in: Krenzler/Hermann/Niestedt (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 3. EL 2013, Art. 1 VO (EG) Nr.1061/2009, Rn. 11. 17 Erwägungsgrund 4 Verordnung (EG) 2015/479; Ehlers/Pünder, in: Krenzler/Hermann/Niestedt (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts - und Zollrecht, 3. EL 2013, Art. 1 VO (EG) Nr.1061/2009, Rn. 13, Art. 10 VO (EG) Nr. 1061/2009, Rn. 8. 18 Vgl. Ehlers/Pünder, in: Krenzler/Hermann/Niestedt (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 3. EL 2013, Art. 10 VO (EG) Nr. 1061/2009, Rn. 10. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 8 Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) als Maßstab für die Einführung eines Umschlagverbots in Betracht.19 4.2.1. Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit Gemäß Art. 34 und 35 AEUV sind mengenmäßige Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr von Waren sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Waren sind Erzeugnisse, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können.20 Grundsätzlich fallen auch Rüstungsgüter unter die Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit einschließlich der Zollunion.21 Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 28 Abs. 2 AEUV ist zudem erforderlich, dass die Waren aus einem Mitgliedstaat stammen oder aus dritten Ländern in den freien Verkehr der Mitgliedstaaten eingeführt worden.22 Gem. Art. 34, 35 AEUV ist aber nur die Ein- oder Ausfuhr von Waren zwischen den Mitgliedstaaten geschützt. Es bedarf daher eines grenzüberschreitenden Sachverhalts.23 Hinsichtlich des Umschlagverbotes von legal auszuführenden Rüstungsgütern über einen Landeshafen ist ein grenzüberschreitender Sachverhalt dann anzunehmen, wenn die von dem Verbot betroffenen Güter in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführt oder aus einen solchen eingeführt werden soll. 4.2.2. Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit Fraglich ist, ob die Einführung eines Umschlagverbots die Warenverkehrsfreiheit im Sinne einer Ein- bzw. Ausfuhrbeschränkung oder einer Maßnahme gleicher Wirkung beeinträchtigt. 4.2.2.1. Mengenmäßige Ein- oder Ausfuhrbeschränkung Unter mengenmäßigen Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen werden Maßnahmen verstanden, die die Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr von Waren vollständig verbieten oder nach Menge, Wert oder 19 Zur Abgrenzung vom freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) und der Konkurrenz der Anwendungsbereiche beider Grundfreiheiten, die sich nach den Bedingungen des konkreten Einzelfalls bestimmt, vgl. EuGH, Rs. C-275/95 (Schindler), Rn. 22 ff.; EuGH, Rs. C-452/04 (Fidium), Rn. 32; EuGH, verb. Rs. C-403/08 und C-429/08 (Football Association Premier League), Rn. 78 f.; EuGH, Rs. C-108/09 (Ker-Optika), Rn. 43 f. 20 EuGH, Rs. C-7/68 (Kommission/Italien), Rn. 3; EuGH, Rs. C-65/05 (Kommission/Griechenland), Rn. 24. 21 EuGH, Rs. C-414/97 (Kommission/Spanien), Rn. 21; EuGH, Rs. C-239/06 (Kommission/Italien), Rn. 43 ff.; EuGH, Rs. C-474/12 (Schiebel Aircraft), Rn. 32; vgl. auch Herrmann, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 55. EL 2015, Art. 28 AEUV, Rn. 43. 22 Vgl. EuGH, Rs. C-95/14 (UNIC), Rn. 50; EuGH, Rs. C-525/14 (Kommission/Tschechische Republik), Rn. 36 ff. 23 Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 55. EL 2015, Art. 34 AEUV, Rn. 33. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 9 Zeitraum begrenzen.24 Die bloße Erschwerung genügt dagegen nicht.25 Nach diesen Maßstäben würde sich ein Umschlagverbot von Rüstungsgütern in einem Landeshafen nicht als Ein- bzw. Ausfuhrverbot darstellen. Ein regionales, auf einen einzelnen Hafen beschränktes Umschlagverbot würde seinem Regelungsgehalt nach kein Ein- oder Ausfuhrverbot beinhalten. 4.2.2.2. Maßnahme gleicher Wirkung Die Regelung eines Umschlagverbots von Rüstungsgütern über einen Landeshafen und mithin einer Maßnahme, die unmittelbar an den Handelsgegenstand anknüpft, könnte jedoch eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellen.26 Hierbei ist danach zu differenzieren, ob das Umschlagverbot die Einfuhr (Art. 34 AEUV) oder die Ausfuhr (Art. 35 AEUV) von Waren betrifft: Das Verbot von Einfuhrbeschränkungen gemäß Art. 34 AEUV wird als umfassende Marktzugangsfreiheit im Sinne eines allgemeinen Beschränkungsverbotes verstanden, für dessen Gewährleistungsgehalt die vom EuGH entwickelte sog. Dassonville-Formel maßgeblich ist. Danach ist jede Maßnahme eines Mitgliedstaats als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.27 Den Verbotstatbestand der Maßnahmen gleicher Wirkung erfüllt grundsätzlich jede handelsbeschränkende Maßnahme, ohne dass eine spürbare Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels notwendig ist.28 Vor dem Hintergrund der vorstehenden Maßstäbe erscheint ein Umschlagverbot grundsätzlich dazu geeignet, den Zugang zum betreffenden nationalen Markt für im Herkunftsmitgliedstaat rechtmäßig vertriebene Rüstungsgüter zu behindern und somit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darzustellen.29 Dabei steht der Annahme, dass eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegt, nicht entgegen, dass die streitige Maßnahme auf einen Teil des Hoheitsgebiets beschränkt ist.30 24 Vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34, Rn. 16 ff. 25 Vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34, Rn. 21 ff. 26 EuGH, Rs. C-1/90, C-176/90 (Aragonesa de Publicidad Exterior), Rn. 24 f.; EuGH, Rs. C-67/97 (Bluhme), Rn. 19. 27 St. Rspr., vgl. EuGH, Rs. C-8/74 (Dassonville), Rn. 5; EuGH, Rs. C-272/95 (Deutsches Milch-Kontor), Rn. 24; EuGH, Rs. C-108/09 (Ker-Optika), Rn. 47; EuGH, Rs. C-333/14 (Scotch Whisky Association u. a.), Rn. 31; vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34 AUEV, Rn. 37 ff.; Art. 35 AEUV, Rn. 14 ff. 28 Vgl. EuGH, Rs. 16/83 (Prantl), Rn. 20; EuGH, Rs. C-12/74 (Kommission/Deutschland), Rn. 14; vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34, Rn. 56. 29 Vgl. Schwarz, Das Verbot des Umschlags von Kernbrennstoffen in Seehäfen als bundesstaatliches Problem, DÖV 2012, S. 457 (463 f.). 30 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-1/90 und C-176/90 (Aragonesa de Publicidad und Publivía), Rn. 24 f.; EuGH, verb. Rs. C-277/91, C-318/91 und C-319/91 (Ligur Carni u. a.), Rn. 37. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 10 Demgegenüber wird das Ausfuhrverbot gemäß Art. 35 AEUV in der Rechtsprechung des EuGH nicht als allgemeines Beschränkungsverbot, sondern als Verbot der Inländerprivilegierung durch Ausfuhrbeschränkungen verstanden. Der EuGH bewertete solche nationale Regelungen als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen, die spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und damit unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel eines Mitgliedstaats und für seinen Außenhandel schaffen, so dass die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt.31 Nach diesen Kriterien kann eine nationale Regelung insbesondere dann als eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 35 AEUV eingestuft werden, wenn sie zwar für alle inländischen Wirtschaftsteilnehmer gilt, jedoch tatsächlich die Ausfuhr von Waren aus dem Markt des Ausfuhrmitgliedstaats stärker betrifft als den Absatz der Waren auf dem inländischen Markt und mithin eine ungleiche Behandlung des Binnen- und des Außenhandels eines Mitgliedstaates bewirkt.32 Vor dem Hintergrund der Auslegung von Art. 35 AEUV bzw. dessen Vorgängervorschriften (zuletzt Art. 29 EGV) durch den EuGH, wonach von Art. 35 AEUV nur spezifische Marktaustrittsbehinderungen erfasst werden,33 erscheint aus dem Umschlagverbot keine spezifische Beschränkung der Ausfuhrströme zu resultieren, die den inländischen Marktteilnehmern einen besonderen Vorteil verschafft. Ein Umschlagverbot von legal auszuführenden Rüstungsgütern über einen Landeshafen führte dazu, dass diese weder über den Landeshafen transportiert noch in ihm umgeschlagen werden dürften. Die betroffenen Güter müssten dann über andere Transportwege zum Bestimmungsort gebracht werden. Der Handel mit diesen Gütern bliebe aber zwischen den Mitgliedstaaten gleichwohl möglich. Sofern das Umschlagverbot von Rüstungsgütern mit Ausfuhrgenehmigung nur einen Hafen von mehreren innerhalb des Gebietes des Mitgliedstaates beträfe, so sprechen die durch den EuGH entwickelten Maßstäbe gegen die Annahme einer Maßnahme gleicher Wirkung, da die Ein- und Ausfuhr auch über die anderen Häfen möglich bliebe und – soweit ersichtlich sowie vorbehaltlich der konkreten Ausgestaltung – nicht zu einer ungleichen Behandlung des Binnen- und des Außenhandels eines Mitgliedstaates führen würde. Eine andere Bewertung würde sich in dem Fall ergeben, wenn alle Häfen innerhalb eines Mitgliedstaates von dem Umschlagverbot betroffen wären und das Umschlagverbot dementsprechend als mengenmäßige Ein- bzw. Ausfuhrbeschränkungen angesehen werden könnte. 4.2.2.3. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass – vorbehaltlich der konkreten Ausgestaltung – ein Umschlagverbot von Rüstungsgütern mit Ausfuhrgenehmigung über einen Landeshafen insoweit eine potentielle Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit darstellen kann, als dies einer 31 EuGH, Rs. 15/79 (Groenveld), Rn. 7; EuGH, Rs. C-205/07 (Gysbrechts u.a.), Rn. 40. 32 EuGH, Rs. 15/79 (Groenveld), Rn. 7; EuGH, Rs. C-47/90 (Delhaize), Rn. 14; EuGH, Rs. C-205/07 (Gysbrechts u.a.), Rn. 43. 33 Zur Kritik an der Rspr. und dem Stand der Diskussion vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 35 AEUV, Rn. 19 ff.; Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 55. EL 2015, Art. 35 AEUV, Rn. 11 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 11 Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV entspricht. Ausgehend von der Auslegung des Gewährleistungsgehalts des Art. 35 AEUV durch den EuGH läge in der Einführung eines Umschlagverbots hingegen keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 35 AEUV. 4.2.3. Rechtfertigung Sofern die Einführung eines Umschlagverbots von Rüstungsgütern mit Ausfuhrgenehmigung eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs jedenfalls im Sinne von Art. 34 AEUV bewirkt, so könnte diese aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 346 AEUV, durch die in Art. 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt werden. In jedem Fall muss die innerstaatliche Maßnahme geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.34 4.2.3.1. Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen, Art. 346 AEUV Eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit könnte gem. Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV gerechtfertigt werden, wonach die Vorschriften der Verträge die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, im Zusammenhang mit der Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial, die in der von Art. 346 Abs. 2 AEUV in Bezug genommen Liste aufgeführt sind, sowie dem Handel damit die Maßnahmen zu ergreifen, die ihres Erachtens für die Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind. Dabei besitzt Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV in seinem Anwendungsbereich eine allgemeine Tragweite, die alle allgemeinen Vorschriften des Primärrechts und mithin auch die Grundfreiheiten berühren kann. Nach Art. 346 Abs. 1 lit. b. Hs. 2 AEUV dürfen die auf dieser Grundlage ergriffenen Maßnahmen nicht die Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt hinsichtlich der nicht eigens für militärische Zwecke bestimmten Waren beeinträchtigen. Indem Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV bestimmt, dass er nicht dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat in Bezug auf die betreffenden Tätigkeiten die Maßnahmen ergreift, die „seines Erachtens“ für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen „erforderlich“ sind, räumt er den Mitgliedstaaten außerdem ein besonders weites Ermessen bei der Beurteilung der Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Wahrung dieser Interessen ein.35 Zugleich ist die Bestimmung eng auszulegen, soweit auf Ihrer Grundlage von Grundfreiheiten abgewichen werden soll.36 Für eine Rechtfertigung von beschränkenden Regelungen auf Grundlage von Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV genügt es dementsprechend nicht, dass sich der jeweilige Mitgliedstaat auf seine wesentlichen Sicherheitsinteressen 34 EuGH, Rs. C-108/09 (Ker-Optika), Rn. 57; EuGH, Rs. C-484/10 (Ascafor und Asidac), Rn. 58. 35 Vgl. EuG, Rs. T-26/01 (Fiocchi munizioni), Rn. 58. 36 EuGH, Rs. C-284/05 (Kommission/Finnland), Rn. 46; EuGH, Rs. C-615/10 (Insinööritoimisto InsTiimi Oy), Rn. 35. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 12 beruft.37 Vielmehr ist muss dieser nachweisen, dass die beschränkende Regelung für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ist.38 Vor diesem Hintergrund kann festgestellt werden, dass für eine unionsrechtskonforme Einführung eines Umschlagverbots von Rüstungsgütern mit Ausfuhrgenehmigung, die eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit jedenfalls im Sinne von Art. 34 AEUV bewirkt, der Nachweis erbracht werden müsste, dass ein solches Umschlagverbot zur Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ist.39 Mangels entsprechender Informationen zu dieser Frage kann vorliegend keine weitergehende Bewertung einer möglichen Rechtfertigung des oben genannten Eingriffs in die Warenverkehrsfreiheit vorgenommen werden. 4.2.3.2. Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Art. 36 AEUV Eine aus dem Umschlagverbot resultierende Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit in Form eines Einfuhr-, Ausfuhr-, oder Durchfuhrverbots bzw. dementsprechender Beschränkungen könnte auch aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 36 AEUV als ein Teilbereich der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt werden.40 Der Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Sicherheit umfasst sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit des Staates.41 Als Ausnahmevorschrift ist Art. 36 AEUV eng auszulegen und erfasst nur staatliche Interessen von fundamentaler Bedeutung, d.h. die Existenz des Staates, das Funktionieren seiner Wirtschaft, seiner Einrichtungen und seiner wichtigen öffentlichen Dienste oder um das Überleben seiner Bevölkerung.42 Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung ist dagegen bei einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, betroffen.43 Die Verbote oder Beschränkungen dürfen aber nach Art. 36 S. 2 AEUV kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten darstellen. 37 EuGH, Rs. C-284/05 (Kommission/Finnland), Rn. 45 ff.; EuGH, Rs. C-615/10 (Insinööritoimisto InsTiimi Oy), Rn. 35; EuGH, Rs. C-474/12 (Schiebel Aircraft), Rn.34. 38 EuGH, Rs. C-414/97 (Kommission/Spanien), Rn. 22; EuGH, Rs. C-474/12 (Schiebel Aircraft), Rn. 34 f.; zur Justiziabilität gemäß Art. 348 AEUV einer auf Art. 346 AEUV gestützten Entscheidung, insbesondere im Hinblick auf die Beweislast, vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Colomber zu EuGH, verb. Rs. C-284/05 u.a. (Kommission /Finnland u.a.), Rn. 112 ff. 39 Dies betrifft bspw. den prima facie bestehenden Widerspruch zwischen der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung und dem regional begrenzten Umschlagverbot. 40 Eine auf Art. 36 AEUV gestützte Rechtfertigung ist dabei nachrangig gegenüber einer Rechtfertigung im Rahmen von Art. 346 AEUV, der speziell für Rüstungsgüter weitergehende Rechtfertigungsmöglichkeiten vorsieht, vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 36 AEUV, Rn. 197 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-367/89 (Richardt), Rn. 22. 41 EuGH, Rs. C-367/89 (Richardt), Rn. 22. 42 EuGH, Rs. C-72/83 (Campus Oil), Rn. 34; vgl. im Überblick Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 36 AEUV, Rn. 55. 43 EuGH, Rs. 30/77 (Bouchereau), Rn.33 ff.; vgl. auch Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 55. EL 2015, Art. 36 AEUV, Rn. 20. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 28/17 Seite 13 Entsprechend den Ausführungen zur Rechtfertigung durch Art. 346 AEUV obliegt es in diesem Rahmen den Mitgliedstaaten, die geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer inneren und äußeren Sicherheit zu ergreifen, sofern eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Einzelfall tatsächlich vorliegt und substantiiert nachgewiesen werden kann.44 Mangels entsprechender Informationen kann vorliegend keine weitergehende Bewertung einer möglichen Rechtfertigung des oben genannten Eingriffs in die Warenverkehrsfreiheit vorgenommen werden. 4.2.3.3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Regelung, die die Warenverkehrsfreiheit beeinträchtigt und insoweit auf einen zulässigen Rechtfertigungsgrund gestützt werden kann, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss. Das setzt zunächst voraus, dass die Regelung dazu geeignet ist, das von ihr verfolgte Ziel zu fördern.45 Zudem darf die Maßnahme nicht über das hinausgehen, was zur Zielerreichung erforderlich ist.46 Schließlich muss die Maßnahme auch in einem angemessen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen.47 Dabei besitzen die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Wahl der geeigneten Maßnahmen einen nur begrenzt justitiablen Prognose- und Gestaltungsspielraum .48 Mangels entsprechender Informationen kann vorliegend keine weitergehende Bewertung der Verhältnismäßigkeit eines potentiell gerechtfertigten Eingriffs in die Warenverkehrsfreiheit vorgenommen werden. 4.2.4. Zusammenfassung Ein die Warenverkehrsfreiheit jedenfalls im Sinne von Art. 34 AEUV beschränkendes Umschlagverbot für Rüstungsgüter mit Ausfuhrgenehmigung über einen Landeshafen könnte potentiell auf die Rechtfertigungsgründe gemäß Art. 346 AEUV oder subsidiär auf Art. 36 AEUV gestützt werden, sofern der jeweilige Rechtfertigungsgrund substantiiert dargelegt werden kann und die Maßnahme im Übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Mangels entsprechender Informationen kann vorliegend keine abschließende Bewertung der in Frage kommenden Rechtfertigungsgründe und ihrer Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden. - Fachbereich Europa - 44 Vgl. Schwarz, Das Verbot des Umschlags von Kernbrennstoffen in Seehäfen als bundesstaatliches Problem, DÖV 2012, S. 457 (463 f.). 45 EuGH, Rs. 152/78 (Kommission ./. Frankreich), Rn.15ff. EuGH, Rs. 137/09 (Joesmans), Rn.70; EuGH, Rs. 176/11 (HIT u.a.); Rn.22. 46 EuGH, Rs. C-420/01, Rn.29; EuGH, Rs. C-54/05 (Kommission/Finnland), Rn.38; EuGH, Rs. 110/05 (Kommission ./. Italien), Rn.59; EuGH, Rs. 298/87 (Smanor), Rn.15; EuGH, Rs.67/97 (Bluhme), Rn.35. 47 EuGH, Rs. 178/84 (Kommission ./. Deutschland), Rn.28; EuGH, Rs. C-1/90, C-176/90 (Aragonesa de Publicidad Exterior), Rn.18; vgl. hierzu Kingreen, in: Callies/Ruffert, 5.Auflage (2016), Art. 34-36 AEUV, Rn.98; 48 EuGH, Rs. 293/93 (Houtwipper), Rn. 22.