© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 – 3000 – 25/15 Unionsrechtliche Zulässigkeit von Investor-Staat-Schiedsverfahren in Freihandelsabkommen der Europäischen Union (EU) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 2 Unionsrechtliche Zulässigkeit von Investor-Staat-Schiedsverfahren in Freihandelsabkommen der Europäischen Union (EU) Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 25/15 Abschluss der Arbeit: 24.03.2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund und Fragestellung 5 2. Investor-Staat-Schiedsverfahren und ihre Bedeutung im EU-Recht 6 2.1. Investor-Staat-Schiedsverfahren 6 2.2. Bedeutung im EU-Recht 9 3. Völkervertraglich eingerichtete Streitentscheidungsmechanismen im Lichte der EuGH- Rechtsprechung 12 3.1. Allgemeines 12 3.2. Autonomie der Unionsrechtsordnung 13 3.2.1. (Rechts-)Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung eines Abkommens 14 3.2.2. Keine Verfälschung der Zuständigkeiten der EU 17 3.2.3. Keine Verfälschung der Zuständigkeiten der EU-Organe, insbesondere des EU-Gerichtshofs 18 3.2.3.1. Letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts 18 3.2.3.2. Monopol der Rechtmäßigkeitskontrolle 19 3.2.3.3. Zuweisung neuer Zuständigkeiten 20 3.2.3.4. Zwischenergebnis 20 3.2.4. Beteiligung des EU-Gerichtshofs 20 3.2.5. Reichweite externer Rechtskontrolle 24 4. Beurteilung von Investor-Staat-Schiedsverfahren im Lichte der Rechtsprechungsvorgaben 24 4.1. (Rechts-)Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung eines Abkommens 25 4.2. Keine Verfälschung der Zuständigkeit der EU 26 4.3. Keine Verfälschung der Zuständigkeiten des EU-Gerichtshofs 28 4.3.1. Monopol der Rechtmäßigkeitskontrolle 28 4.3.2. Letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts 29 4.4. Beteiligung des EU-Gerichtshofs 29 4.4.1. Öffnung des Vorabentscheidungsverfahrens für ISDS- Schiedsgerichte 29 4.4.2. Vorabbefassung des EU-Gerichtshofs 30 4.4.3. Vorherige Ausschöpfung des unionsinternen Rechtswegs 30 4.4.4. CETA und Freihandelsabkommen mit Singapur 31 4.4.5. Zwischenergebnis 31 4.5. Beeinträchtigung der Stellung mitgliedstaatlicher Gerichte als funktionale Unionsgerichte 31 4.6. Reichweite externer Rechtskontrolle 33 4.7. Zu den Auswirkungen von Schiedsgerichtsentscheidungen 33 4.8. Problem der Reziprozität 34 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 4 5. Ergebnis 35 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 5 1. Hintergrund und Fragestellung Die Verankerung von Investor-Staat-Schiedsverfahren (im Folgenden: ISDS1) in der Transatlantic Trade- und Investment Partnership (TTIP) mit den USA2 und im Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), welches mit Kanada geschlossen werden soll3, gehört zu den kontroversesten Aspekten in der öffentlichen Diskussion um die Freihandels- und Investitionspolitik der EU.4 Ein weiterer Anwendungsfall für die Einbeziehung von ISDS ist das bereits ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Singapur.5 Ob und ggf. in welcher Ausgestaltung solche Streitentscheidungsmechanismen in völkerrechtlichen Verträgen der EU vorgesehen werden können, wird auch im (europa-)rechtswissenschaftlichen Schrifttum erörtert.6 Eine einschlägige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gerade zu dieser Form völkervertraglich geregelter Streitentscheidung steht bisher aus.7 1 Die Abkürzung beruht auf der englischen Bezeichnung „Investor-State-Dispute-Settlement“. 2 Siehe hierzu die Angaben auf den Seiten der EU-Kommission unter http://ec.europa.eu/trade/policy/infocus /ttip/index_de.htm (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 3 Der ausgehandelte Text kann auf den Seiten der EU-Kommission abgerufen werden unter http://trade.ec.europa .eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Vgl. Chapter 10 - Investment , section 6 - Investor-State Dispute Settlement“, Art. X.17 ff., S. 164 ff. des Dokuments. 4 Siehe etwa in letzter Zeit Stark, TTIP – eine Gefahr für die Demokratie?, Frankfurter Rundschau vom 04.03.2015; Bonse, „Nebelkerzen“ aus Berlin, die Tageszeitung vom 04.03.2015; Dahms/Baumann, Kleiner Sieg für TTIP-Gegner, Frankfurter Rundschau vom 23.02.2015; Bauchmüller, Akrobat des Freihandels, Süddeutsche Zeitung vom 20.02.2015. 5 Siehe hierzu die Angaben auf den Seiten der EU-Kommission unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index .cfm?id=961 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Vgl. Chapter 9 – Investment, section B – Investor-State-Dispute -Settlement, Art. 9.14 ff. 6 Siehe etwa Classen, Der EuGH und die Schiedsgerichtsbarkeit in Investitionsschutzabkommen, EuR 2012, S. 611 ff.; Schill, Luxembourg Limits: Conditions for Investor-State Dispute Settlement under Future EU Investment Agreements, in: Bungenberg/Reinisch/Tietje (Hrsg.), EU and Investment Agreements, 2013, S. 37 ff. (im Folgenden: Schill, Luxembourg Limits); Hindelang, Der primärrechtliche Rahmen einer EU-Investitionsschutzpolitik : Zulässigkeit und Grenzen von Investor-Staat-Schiedsverfahren aufgrund künftiger EU-Abkommen, in: Bungenberg/Herrmann (Hrsg.), Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union nach Lissabon, 2011, S. 173 ff. (im Folgenden: Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen); ders., Repellent Forces: The CJEU and Investor -State Dispute Settlement, demnächst in AVR 53 (2015), im Folgenden: Hindelang, AVR 53 (2015)); Fischer- Lescano/Horst, Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für das Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA), Oktober 2014, im Auftrag von Attac (im Folgenden: Fischer-Lescano /Horst, CETA-Gutachten), S. 12 ff. (online abrufbar unter http://www.attac.de/fileadmin/user_upload /Gruppen/Muenchen/Papiere/CETA-Rechtsgutachten_Oktober_2014_Fischer-Lescano_Uni_Bremen.pdf – letztmaliger Abruf am 15.02.16). 7 Die Kommission hat im Fall des Freihandelsabkommens mit Singapur die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des EuGH nach Art. 218 Abs. 11 AEUV angekündigt, vgl. http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index .cfm?id=1269 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Soweit ersichtlich, wird sich der Gutachtenantrag wohl allein auf den Aspekt der Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten hinsichtlich des Abschlusses von Freihandelsverträgen beschränken. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 6 Der Fachbereich wird vor diesem Hintergrund um Beantwortung der Frage ersucht, ob Investor- Staat-Schiedsverfahren in Handelsabkommen der EU mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Im Folgenden werden zunächst grundlegende Aspekte solcher Schiedsverfahren dargestellt sowie ihre Bedeutung im EU-Recht beschrieben (siehe unter 2.). Anschließend beleuchtet das Gutachten die bisherige Rechtsprechung des EuGH zur Zulässigkeit und zu den Grenzen völkervertraglich eingerichteter Streitentscheidungsmechanismen (siehe unter 3.). Darauf aufbauend wird schließlich die Verankerung von ISDS hinsichtlich ihrer unionsrechtlichen Zulässigkeit betrachtet (siehe unter 4.). Das Gutachten endet mit einem zusammenfassenden Ergebnis (siehe unter 5.). 2. Investor-Staat-Schiedsverfahren und ihre Bedeutung im EU-Recht 2.1. Investor-Staat-Schiedsverfahren Investor-Staat-Schiedsverfahren sind das im internationalen Wirtschaftsrecht mittlerweile am weitesten verbreitete Instrument zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten auf Grundlage von bi- und multilateralen Investitionsschutzabkommen.8 Völkerrechtliche Verträge dieser Art regeln die Behandlung und vor allem den Schutz von Auslandsinvestitionen.9 Das ISDS ermöglicht einem (privaten) Investor aus einem Vertragsstaat des Investitionsschutzabkommens , einen anderen Vertragsstaat bei Verstoß gegen investitionsschützende Vertragsbestimmungen vor einem (internationalen) Schiedsgericht auf Zahlung einer Entschädigung zu verklagen .10 Das Investor-Staat-Schiedsverfahren stellt somit eine Alternative zur Inanspruchnahme des jeweiligen staatlichen Rechtsschutzsystems, insbesondere in Gestalt nationaler Gerichte, dar. Für die Einführung von ISDS und seine Verbreitung in internationalen Wirtschaftsbeziehungen lassen sich verschiedene Gründe anführen: So kann der Rückgriff auf neutrale Streitschlichtungs- 8 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014, § 23, Rn. 23. Bisher überwiegen eindeutig bilaterale Investitionsschutzübereinkommen. Nach Kuijper, in: Investor-State Dispute Settlement in the EU’s International Investment Agreements“, Volume 2 – Studies, herausgegeben vom Directorate-General for external Policies , Europäisches Parlament, im Folgenden: EP-ISDS-Studie (online abrufbar unter http://www.europarl.europa .eu/RegData/etudes/STUD/2014/534979/EXPO_STU(2014)534979(ANN01)_EN.pdf – letztmaliger Abruf ), Part I, S, 8, Fn. 2, waren es Ende 2013 ca. 3.000 bilaterale Abkommen. 9 Siehe zu Geschichte, Inhalten und Zielen von Investitionsschutzabkommen eingehend Kuijper, in: EP-ISDS- Studie (Fn. 8), Part I, S. 9 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014, § 23, Rn. 1 ff. 10 Schöbener/Herbst/Perkams, Internationales Wirtschaftsrecht, 2010, Kap. 4, Rn. 350 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 7 instanzen mögliche Konfrontationen zwischen dem Heimatstaat des Investors und dem Investitionsstaat verhindern, die bei Beschränkung auf Staat-Staat-Streitverfahren möglich wären.11 Ein weiterer Grund wird darin gesehen, dass eine neutrale Schiedsgerichtsbarkeit Vorzüge gegenüber innerstaatlichen Rechtsschutzsystemen aufweisen kann – sei es, dass sie im Fall von Entwicklungsländern als nicht hinreichend ausgereift oder zuverlässig angesehen werden12 oder im Fall von Industriestaaten als zu kompliziert, langwierig und teuer.13 Die Möglichkeit der Anrufung eines Schiedsgerichts bietet dem Investor darüber hinaus Schutz davor, dass der betroffene Gaststaat durch einseitige nationale Maßnahmen den Klageweg versagen und dadurch die Rechtsdurchsetzung verhindern kann.14 Zu erwähnen ist allerdings auch, dass Investor-Staat-Schiedsverfahren zunehmend der Kritik ausgesetzt sind, so etwa hinsichtlich der Verfahrensintransparenz15 oder der Möglichkeit, außerhalb gerichtlicher Verfahren grundlegende wirtschaftspolitische Entscheidungen für den jeweiligen Streitfall beeinflussen zu können16. 11 Vgl. Schöbener/Herbst/Perkams, Internationales Wirtschaftsrecht, 2010, Kap. 4, Rn. 377; Classen, Die Unterwerfung demokratischer Hoheitsgewalt unter eine Schiedsgerichtsbarkeit, EuZW 2014, S. 611 (613). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Investitionsschutzabkommen regelmäßig auch Staat-Staat-Streitverfahren vorsehen . Sowohl das CETA (o. Fn. 3) als auch das Abkommen mit Singapur (o. Fn. 5) enthalten einen Staat-Staat- Streitentscheidungsmechanismus, der sich allerdings auf alle Streitigkeiten bezieht, die die Auslegung und Anwendung der jeweiligen Abkommen betreffen, also nicht nur auf Investitionsstreitigkeiten, vgl. Chapter 33 – Dispute Settlement, Art. 14.1 CETA bzw. Chapter 15 – Dispute Settlement, Art. 15.1 ff. Freihandelsabkommen Singapur. 12 Vgl. etwa Classen, Die Unterwerfung demokratischer Hoheitsgewalt unter eine Schiedsgerichtsbarkeit, EuZW 2014, S. 611 (613). So ist etwa eine Vielzahl der 129 von der Bundesrepublik eingegangenen Investitionsschutzabkommen mit Entwicklungsländern geschlossen worden. Vgl. dazu die Übersicht auf den Seiten des BMWi, online abrufbar unter http://https://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bilaterale-investitionsfoerderungsund -schutzvertraege-IFV,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf – Stand: 15.02.16 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 13 Vgl. Kuijper, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part I, S. 23. 14 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014, § 23, Rn. 24; Classen, Die Unterwerfung demokratischer Hoheitsgewalt unter eine Schiedsgerichtsbarkeit, EuZW 2014, 611 (613); Hammes, Die Bemessung der Entschädigung enteigneter Investoren im Rahmen von Investitionsschutzabkommen, SchiedsVZ 2007, S. 169 (170). 15 Siehe hierzu allgemein Schill, Internationales Investitionsschutzrecht und Vergleichendes Öffentliches Recht: Grundlagen und Methode eines öffentlich-rechtlichen Leitbildes für die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ZaöRV 2011, S. 247 ff.; Böckstiegel, Aktuelle Probleme der Investitions-Schiedsgerichtsbarkeit aus der Sicht eines Schiedsrichters, SchiedsVZ 2012, S. 113, 114 ff.; Perkams, Internationale Investitionsschutzabkommen im Spannungsfeld zwischen effektivem Investitionsschutz und staatlichem Gemeinwohl, 2011. 16 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014, § 23, Rn. 24, mit dem Beispiel der Energiewende in Deutschland und der dadurch ausgelösten Klage Vattenfalls auf Grundlage der Energiecharta (siehe zu diesem Abkommen unten unter 2.2., S. 10 f., Fn. 43): ICSID Case No. ARB/12/12, Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany. Verfahrensangaben online abrufbar unter https://icsid.worldbank.org/apps/ICSID- WEB/cases/Pages/casedetail.aspx?CaseNo=ARB/12/12 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 8 Jedes Investitionsschutzabkommen stellt einen eigenständigen völkerrechtlichen Vertrag dar, so dass auch die Ausgestaltung der Investor-Staat-Schiedsverfahren von Vertrag zu Vertrag variieren kann. Dessen ungeachtet sind hierbei in der Regel zwei Ebenen zu unterscheiden: Auf der ersten Ebene bedarf die Möglichkeit des Auslandsinvestitionsschutzes durch ein ISDS der ausdrücklichen Verankerung im Abkommen. Ohne eine solche Bestimmung verbleibt dem (privaten) Investor lediglich der Schutz über den jeweils innerstaatlichen Rechtsweg im betreffenden Vertragsstaat oder – soweit vorgesehen – der Umweg über den eigenen Vertragsstaat und dessen Rechte im Staat-Staat-Verfahren.17 Auf dieser ersten Ebene besteht für die Vertragsparteien auch die Möglichkeit, Vorgaben für die Ausgestaltung des Investor-Staat-Schiedsverfahrens zu machen18: So etwa zur Bedeutung vorhergehender Versuche zur gütlichen Einigung19, zur Wahl des innerstaatlichen Rechtswegs oder dem Erfordernis einer vorgehenden Rechtswegerschöpfung20, dem durch das Schiedsgericht anwendbaren Recht21, der Vollstreckung von Schiedssprüchen22 usw. Der amerikanische Investitionsschutz -Modellvertrag 2004 etwa sieht Regeln vor, die den Vertragsparteien ermöglichen, auf die Entscheidung des Schiedsgerichts Einfluss zu nehmen (etwa über verbindliche Auslegungsstellungnahmen ). Auch sind darin Vorgaben zur Öffentlichkeit des Verfahrens (Veröffentlichung von Dokumenten, Öffentlichkeit von Verhandlungen etc.) enthalten sowie zur möglichen Einrichtung eines Berufungsverfahrens.23 Die zweite Ebene bezieht sich auf die Durchführung des Schiedsverfahrens. Die Investitionsschutzabkommen verweisen insoweit auf Schiedsinstitutionen und ihre jeweiligen Schiedsordnungen , auf deren Grundlage ein mögliches Streitverfahren abgewickelt werden kann. Diese beruhen in der Regel auf anderen Rechtsgrundlagen als das eigentliche Investitionsschutzabkommen , sind also von diesem zu unterscheiden. 17 Vgl. hierzu Schöbener/Herbst/Perkams, Internationales Wirtschaftsrecht, 2010, Kap. 4, Rn. 346 ff. 18 Siehe bspw. die Regelungen im deutschen Mustervertrag, Art. 10, online abrufbar unter http://www.iilcc.unikoeln .de/fileadmin/institute/iilcc/Dokumente/matrechtinvest/VIS_Mustervertrag.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Vgl. aus der Praxis etwa Art. 11 des bilateralen Investitionsschutzübereinkommen zwischen Deutschland und Jordanien, BGBl. 2009 II 470. 19 Vgl. Art. X.18 CETA (o. Fn. 3); Art.9.15 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). 20 Vgl. zur Tendenz, Investoren den direkten Zugang zum ISDS zu ermöglichen Kuijper, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part I, S. 22 f. Das CETA sowie das Freihandelsabkommen Singapur sehen das Erfordernis einer vorherigen Rechtswegerschöpfung nicht vor. Investoren haben direkten Zugang zum ISDS, vgl. Art. X.21 u. X.22 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.19 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). 21 Vgl. Art. X.27 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.22 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5): in beiden Fällen ist es jeweils das Abkommen bzw. die einschlägigen Investitionsschutzbestimmungen, wobei das Abkommen in Übereinstimmung mit der Wiener Vertragsrechtskonvention sowie anderen, zwischen den Vertragsparteien anwendbaren Bestimmungen sowie Grundsätzen des Völkerrechts auszulegen ist. 22 Vgl. Art. X.39 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.30 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). 23 Siehe Schöbener/Herbst/Perkams, Internationales Wirtschaftsrecht, 2010, Kap. 4, Rn. 363 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 9 Als wichtigste bestehende internationale Schiedsinstitutionen bzw. Schiedsordnungen sind zu nennen:24 das Internationale Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (Centre for Settlement of Investment Disputes - ICSID) auf Grundlage des Übereinkommens vom 18. März 1965 zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (ICSID-Konvention)25; die Schlichtungsregeln der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL)26; die Schlichtungsregeln der Internationalen Handelskammer (ICC). Die wohl größte praktische Bedeutung für Investor-Staat-Verfahren kommt dabei der ICSID-Konvention zu.27 Die Nutzung des darauf beruhenden Instrumentariums setzt allerdings voraus, dass die in Anspruch genommene „institutionelle“ Seite Vertragspartei ist. Das ist die EU derzeit nicht. Da eine Unterzeichnung dieser Konvention im Übrigen bisher nur Mitgliedern der Weltbank oder Parteien des Statuts des Internationalen Gerichtshofs vorbehalten ist, bedürfte ein Beitritt der EU zudem einer vorherigen Konventionsänderung.28 2.2. Bedeutung im EU-Recht Auslandsinvestitionen und darauf bezogene Schutzmechanismen fielen bis zum Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags im Dezember 2009 zumindest in großen Teilbereichen in die mitgliedsstaatlichen Zuständigkeiten.29 Lediglich im Zusammenhang mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 64 AEUV (ex. Art. 57 EG) bestand für die EU in Sachen Auslandsinvestitionen eine geteilte Zuständigkeit (vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) AEUV).30 Hieraus erklärt sich auch die große Vielzahl bilateraler Investitionsschutzabkommen der Mitgliedstaaten.31 24 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014, § 23, Rn. 23. Siehe auch Art. 11 des Investitionsschutzabkommens zwischen Deutschland und Jordanien (o. Fn. 18). 25 Siehe im Internet unter https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/Pages/default.aspx (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 26 Abrufbar auf den Seiten der UNCITRAL unter http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/arb-rulesrevised /arb-rules-revised-2010-e.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 27 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014, § 23, Rn. 23; Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, EuR 2009 - Beiheft 1, S. 195, 210. 28 Siehe zu dieser Thematik Burgstaller, Dispute Settlement in EU International Investment Agreements with Third States: Three Salient Problems, The Journal of World Investment & Trade 15 (2014), S. 551 (556 ff.) 29 Siehe hierzu allgemein Schroeder, Bitte ein BIT für die Europäische Union, RIW 2011, S. 684, 685 f. 30 Vgl. zu Art. 64 AEUV, Bröhmer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 64 AEUV, Rn. 1 ff. 31 So hat Deutschland derzeit 129 bilaterale Investitionsschutzverträge geschlossen (o. Fn. 12). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 10 Erst im Rahmen der Lissabonner Vertragsreform wurde die Zuständigkeitsbestimmung zur Gemeinsamen Handelspolitik in Art. 207 Abs. 1 AEUV (ex. Art. 133 EGV) um den Begriff „ausländische Direktinvestitionen“ ergänzt. Die hiervon erfassten Bereiche von Auslandsinvestitionen, zu denen auch deren Schutz gehört32, sind seitdem Teil dieser ausschließlichen Unionszuständigkeit (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e) AEUV).33 Im Zuge dieser Zuständigkeitsverlagerung hat die Kommission bereits 2010 die Mitteilung „Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik“ veröffentlicht, in welcher sie die aus ihrer Sicht wichtigsten Leitlinien einer künftigen EU-Investitionspolitik aufzeigt .34 Zu diesen rechnet sie auch das ISDS als wichtigen Regelungsbereich hinsichtlich der Durchsetzung investitionsbezogener Verpflichtungen. Hierbei betont die Kommission unter Verweis auf die mitgliedstaatlichen Erfahrungen zum einen die enorme praktische Bedeutung dieses Instruments für die Investitionsförderung und zum anderen die Herausforderungen auf Seiten der EU als neuem Akteur in diesem Umfeld.35 In Bezug auf letzteres erwägt die Kommission hinsichtlich der zukünftigen Ausgestaltung u. a. die Einrichtung quasi-permanenter Schiedsrichter und/oder Rechtsbehelfsmöglichkeiten sowie einen Beitritt der EU zur ICSID-Konvention. Weitergehend sind insoweit die Forderungen des Europäischen Parlaments (EP), welches in einer u. a. auf diese Mitteilung bezogenen Entschließung fordert, dass die Ausschöpfung innerstaatlicher Rechtsmittel vorgeschrieben werden müsse.36 Ein erster Schritt zur Umsetzung der um Investitionen erweiterten EU-Außenhandelspolitik ist die im Dezember 2012 vom EP und Rat auf Vorschlag der Kommission verabschiedete Verordnung Nr. 1219/2012 mit Übergangsregelungen für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern.37 Darin wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen bilaterale Investitionsschutzabkommen der Mitgliedstaaten aufrechterhalten werden können, wann Änderungen oder gar Neuabschlüsse möglich sind und inwieweit die Kommission an diesen Verhandlungen zu beteiligen ist. 32 Weiß, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 207 AEUV, Rn. 40. 33 Im Einzelnen ist die Reichweite der Unionszuständigkeiten bzgl. Auslandsinvestitionen jedoch umstritten. Vgl. hierzu Schroeder, Bitte ein BIT für die Europäische Union, RIW 2011, S. 684, 686 f.; Bings, Neuordnung der Außenhandelskompetenzen der Europäischen Union durch den Reformvertrag von Lissabon, 2014, S. 53 ff. 34 KOM(2010) 343 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=COM:2010:0343:FIN:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16), S. 10 ff.. 35 KOM(2010) 343 endg. (o. Fn. 35), S. 11 f. 36 Siehe Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. April 2011 zur künftigen europäischen Auslandsinvestitionspolitik (2010/2203(INI)), Tz. 31 (online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/get- Doc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P7-TA-2011-0141+0+DOC+PDF+V0//DE – letztmaliger Abruf am 15.02.16). 37 Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern, ABl.EU 2012 Nr. L 351/40 (online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2012:351:0040:0046:DE:PDF – letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 11 Den zweiten und für die Verankerung von ISDS in EU-Freihandelsabkommen bedeutenderen Schritt stellt die im Juli 2014 auf Vorschlag der Kommission erlassene Verordnung des EP und des Rates zur Schaffung von Rahmenbedingungen für die Regelung der finanziellen Zuständigkeit bei Investor-Staat-Streitigkeiten vor Schiedsgerichten, die durch völkerrechtliche Übereinkünfte eingesetzt wurden, deren Vertragspartei die Europäische Union ist, dar.38 Inhalt dieses Rechtsaktes ist zunächst die Verteilung der finanziellen Verantwortlichkeit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, die anlässlich von Investor-Staat-Streitigkeiten auf Grundlage von einschlägigen EU-Abkommen virulent werden kann.39 Ferner ist geregelt, wie – je nach Verantwortlichkeit für den Anlass der Streitigkeit – die Abwicklung der Streitigkeiten vor einem Schiedsgerichten erfolgen soll.40 Gegenstand des Rechtsaktes sind schließlich auch Fragen der Erfüllung der aus abschließenden Schiedssprüchen oder Vergleichen resultierenden Zahlungsverpflichtungen für den Fall, dass die Union in einer Streitigkeit als Schiedsbeklagte auftritt.41 Die Kommission wird insoweit de jure verpflichtet, die aus dem Schiedsspruch oder dem Vergleich resultierenden Zahlungen zu leisten.42 Mit diesen Regelungen sind die unionsinternen Voraussetzungen geschaffen worden, um ISDS in EU-Freihandels- und Investitionsschutzverträgen vorzusehen. Soweit ersichtlich, stellen das CETA, das Freihandels- und Investitionsschutzabkommen mit Singapur sowie das in Verhandlung befindliche TTIP die ersten Anwendungsfälle für die Verankerung von ISDS auf Ebene der EU dar, die auf Grundlage der erweiterten Zuständigkeiten in Art. 207 AEUV erfolgt. Darüber hinaus ist die EU – neben ihren Mitgliedstaaten – bereits Vertragspartei eines (multilateralen ) Abkommens, das ebenfalls ein ISDS vorsieht: die 1994 unterzeichnete und im April 1998 in Kraft getretenen Energiecharta.43 Hierbei handelt es sich um ein gemischtes, das heißt von den damaligen drei Europäischen Gemeinschaften (EGen) sowie den Mitgliedstaaten aufgrund der 38 Verordnung (EU) Nr. 912/2014, ABl.EU 2014 Nr. L 257/121, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0912&qid=1425301882694&from=DE – letztmaliger Abruf am 15.02.16. 39 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 3, 5, 7 sowie Art. 3 Verordnung (EU) Nr. 912/2014 (o. Fn. 38). Entscheidend für die Tragung der mit ISDS verbundenen Streitigkeiten ist, auf wen – EU oder Mitgliedstaaten – die zur Investitionsstreitigkeit führende Behandlung zurückgeht. Die Entscheidung über den Träger der finanziellen Verantwortung erfolgt durch Kommissionsbeschluss; das EP und der Rat werden über den Beschluss unterrichtet (vgl. Art. 3 Abs. 2). 40 Art. 4 bis 16 Verordnung (EU) Nr. 912/2014 (o. Fn. 38). 41 Art. 17 bis 21 Verordnung (EU) Nr. 912/2014 (o. Fn. 38). 42 Vgl. Art. 18 Abs. 1 bzw. Abs. 2 (jeweils Satz 2) Verordnung (EU) Nr. 912/2014 (o. Fn. 38). 43 Siehe Art. 26 der Energiecharta, deutscher Text u. a. im ABl.EU 1998 Nr. L 69/26, online unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ:L:1998:069:TOC derzeit nicht abrufbar (letztmaliger Versuch am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 12 Zuständigkeitsverteilung einerseits und Drittstaaten andererseits abgeschlossenes Abkommen.44 Ob und inwieweit die EGen bereits zum damaligen Zeitpunkt über eine (Außen-)Zuständigkeit für die Vereinbarung von Regeln über Investitionsschutz sowie ISDS verfügten, ist nicht Gegenstand des Gutachtens.45 Es sei an dieser Stelle lediglich angemerkt, dass mangels der bis zum Lissaboner Vertrag fehlenden ausdrücklichen Zuständigkeit für Auslandsinvestitionen hierfür allenfalls eine implizite Vertragsschlusskompetenz auf Grundlage der AETR-Rechtsprechung in Betracht kam.46 Dessen ungeachtet können sich auch auf Grundlage der Energiecharta Rechtsfragen im Hinblick auf die Vereinbarkeit des dort vorgesehenen ISDS mit dem Unionsrecht stellen.47 Mit diesen könnte auch der EuGH befasst werden, wenn etwa mitgliedstaatliche Gerichte im Zuge der Vollstreckung von Schiedssprüchen angerufen werden und sich dann im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof wenden. 3. Völkervertraglich eingerichtete Streitentscheidungsmechanismen im Lichte der EuGH- Rechtsprechung 3.1. Allgemeines Völkerrechtliche Verträge der EU können dem EuGH vor Vertragsschluss im Rahmen des Gutachtenverfahrens nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vorgelegt werden, um ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Primärrecht prüfen zu lassen.48 Berechtigt ein solches Gutachten einzuholen sind Mitgliedstaaten , das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission. Mehrmals schon wurde dieses Verfahren in Anspruch genommen, um Vertragsentwürfe begutachten zu lassen, die (unter- 44 Vgl. Kulick, Electrabel locuta, causa finita? – Intra-EU-Investitionsstreitigkeiten unter dem Energiecharta-Vertrag , SchiedsVZ 2013, S. 81 (86). Allgemein zu gemischten Abkommen siehe Schwichtenberg, Die Kooperationsverpflichtung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei Abschluss und Anwendung gemischter Verträge, 2014, S. 39 ff. 45 Der Beschluss des Rates und der Kommission über den Abschluss des Vertrages über die Energiecharta wurde unter anderem auf den heutigen Art. 64 Abs. 2 AEUV (vormals Art. 73c Abs. 2 EGV in der Fassung des Vertrags von Maastricht), siehe ABl.EG 1998 Nr. L 69/1, online derzeit nicht abrufbar (letztmaliger Versuch am 15.02.16). 46 Vgl. dazu auch Kulick, Electrabel locuta, causa finita? – Intra-EU-Investitionsstreitigkeiten unter dem Energiecharta -Vertrag, SchiedsVZ 2013, S. 81 (86). Zur AETR-Rechtsprechung, die mit dem Lissabonner Vertrag nun in Art. 3 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 1 AEUV kodifiziert wurde, siehe Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, 54. Ergänzungslieferung 2014, Art. 3 AEUV, Rn. 20 ff. Diese Kompetenzfrage spielt allerdings nur für das Innenverhältnis zwischen (damals) den EGen und ihren Mitgliedstaaten eine Rolle, da hier das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (jetzt) gemäß Art. 5 Abs. 2 EUV gilt und es insoweit entscheidend auf die vertikale Kompetenzverteilung ankommt. In völkerrechtlicher Hinsicht und damit im Außenverhältnis waren beide unabhängig von der internen Kompetenzverteilung zumindest gegenüber dritten Parteien an die Investitionsschutzbestimmungen sowie das ISDS gebunden. 47 Vgl. hierzu Kulick, SchiedsVZ 2013, S. 81 (83), zu Intra-EU-Investitionsstreitigkeiten, in denen Investoren aus EU-Staaten gegen andere EU-Staaten vorgehen, siehe bspw. das ICSID-Verfahren Electrabel S.A. v. The Republic of Hungary, ICSID-Case No. ARB/07/19, Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability, 30.11.2012 (online abrufbar unter https://icsid.worldbank.org/ICSID/FrontServlet?requestType=CasesRH&actionVal=show- Doc&docId=DC2853_En&caseId=C111 – letztmaliger Abruf am 15.02.16). 48 Zu den hier nicht weiter relevanten Einzelheiten dieses Verfahrens, siehe bspw. Lorenzmeier, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der EU, 54. Ergänzungslieferung 2014, Art. 218 AEUV, Rn. 69-80. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 13 schiedlich ausgestaltete) Streitentscheidungsmechanismen vorsahen. Der EuGH hat diese Gelegenheiten genutzt, um die primärrechtlichen Bedingungen für den Abschluss solcher Abkommen auszudifferenzieren. Nach der daraus folgenden ständigen Rechtsprechung des EuGH sind völkervertragliche Abkommen der EU, in denen etwa ein eigens vorgesehenes Gericht über Streitigkeiten bezüglich der Auslegung und Anwendung des Abkommens entscheidet, mit Unionsrecht grundsätzlich „nicht unvereinbar“.49 Die EU-Kompetenz zum Abschluss derartiger völkerrechtlicher Verträge umfasse auch notwendig die Unterwerfung unter die Entscheidungen eines solchen Gerichts im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des Abkommens.50 Sie steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass das betreffende Abkommen und der in ihm vorgesehene Streitentscheidungsmechanismus die Autonomie der Unionsrechtsordnung wahren.51 An diesem Vorbehalt bzw. den ihn konkretisierenden Bedingungen hat der EuGH bereits mehrere völkerrechtliche Verträge scheitern lassen. Betroffen hiervon waren das erste EWR-Abkommen52, das Übereinkommen zum Europäischen Patentgericht53 sowie kürzlich das Beitrittsübereinkommen zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)54. 3.2. Autonomie der Unionsrechtsordnung Das durch den Gerichtshof entwickelte Konzept der Autonomie der Unionsrechtsordnung kann als essentielles Fundament des EU-Rechts angesehen werden. Seinen Ursprung findet es in den Anfängen der Europäischen Integration, als der EuGH aufgerufen war, zum Verhältnis von damaligem Gemeinschaftsrecht und dem Recht der Mitgliedstaaten Stellung zu nehmen.55 In Abgrenzung zu sonstigen völkerrechtlichen Verträgen betonte der Gerichtshof die sich u. a. aus der Hoheitsrechtsübertragung auf die Europäischen Gemeinschaften speisende Eigenständigkeit des 49 Zuletzt EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 182; EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 39 f.; EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 74. 50 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 183; EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 40; EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 74. Vgl. dazu auch Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 165 ff. 51 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 178, 183; EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 30; EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II), Rn. 24; EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (Gemeinsamer Europäischer Luftraum, kurz: GELR), Rn. 11 f.; EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 76. 52 EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 36, Tenor. 53 EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 89. 54 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 258. 55 Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 15.06.1964, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 14 damaligen Gemeinschafts- und heutigen Unionsrechts.56 Dieser Autonomie können sich die Mitgliedstaaten durch einseitige Maßnahmen nicht mehr entziehen, sondern allenfalls „zur gesamten Hand“ als Herren der Verträge. Im Übrigen haben sie den (Anwendungs-)Vorrang des auf dieser Grundlage erlassenen Rechts gegenüber ihrer eigenen Rechtsordnung zu beachten.57 Dieses ursprünglich auf das unionsinterne Verhältnis von EU und Mitgliedstaaten bezogene Konzept hat der EuGH sodann auch für das Verhältnis des Unionsrechts zum Völkerrecht fruchtbar gemacht, da die Autonomie auch durch völker-(vertrags-)rechtliche Bindungen beeinträchtigt werden kann.58 Anhand der vorgelegten Vertragsentwürfe hat der Gerichtshof dann schrittweise die Bedingungen für die Unterwerfung der EU unter Streitentscheidungsmechanismen entwickelt . Zwar beziehen sich die einzelnen Gutachten auf konkrete Abkommen und die darin vorgesehenen spezifischen Streitentscheidungsmechanismen. Gleichwohl lassen sich den einzelfallbezogenen Gutachten abstrakte Vorgaben entnehmen, die im Folgenden, ggf. unter Berücksichtigung der betroffenen Verträge, beschrieben werden sollen. 3.2.1. (Rechts-)Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung eines Abkommens Als Ausgangspunkt der Rechtsprechung lässt sich zunächst die fast selbstverständlich erscheinende Feststellung betrachten, wonach Gegenstand des in einem Abkommen vorgesehenen Streitentscheidungsmechanismus Auseinandersetzungen über die Auslegung und Anwendung des jeweiligen Abkommens sein müssen.59 Gelegentlich findet sich der Zusatz, wonach es sich dabei um Streitigkeiten der Vertragsparteien handeln muss.60 Letzteres scheint allerdings nicht zwingend zu sein. In dem EMRK-Gutachten ließ es der EuGH unbeanstandet, dass die Befassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht nur im Wege von Staaten-, sondern auch in Folge von Individualklagen erfolgen kann.61 Dessen ungeachtet bringt der Gerichtshof in dieser Vorgabe zum Ausdruck, dass der jeweilige Streitentscheidungsmechanismus auf die Behandlung der (externen) Relationen zwischen den 56 EuGH, Urt. v. 15.06.1964, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 (1269); EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 166 ff. 57 EuGH, Urt. v. 15.06.1964, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 (1269); EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 166 ff. 58 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 170; EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402 u. 415/05 (Kadi u.a.), Rn. 281-285. Siehe dazu auch Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 168 f.; Lavranos, Das Rechtsprechungsmonopol des EuGH im Lichte der Proliferation internationaler Gerichte, EuR 2007, S. 440 (458 f.). 59 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 182; EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 39 f.; EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 74. Vgl. auch Classen, EUR 2012 (o. Fn. 6), S. 611 (616). 60 EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 39. 61 Vgl. Art. 34 EMRK, online abrufbar unter http://www.echr.coe.int/Documents/Convention_DEU.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 15 Vertragsparteien (und ggf. Dritten) auf Grundlage des jeweiligen Abkommens gerichtet sein soll.62 Gegenstand der Streitigkeiten kann demnach nur das betreffende Abkommen sein und ggf. sonstiges Völkerrecht, nicht hingegen das Unionsrecht an sich.63 Ferner dürfen sich dabei nicht die EU und ihre Mitgliedstaaten bzw. die Mitgliedstaaten untereinander gegenüberstehen (vgl. insoweit auch Art. 344 AEUV), sondern nur EU und/oder Mitgliedstaaten einerseits und sonstige Vertragsparteien bzw. Private andererseits.64 Mit der Autonomie der Unionsrechtsordnung nicht zu vereinbaren sind vor diesem Hintergrund Abkommen, in denen völkervertraglich eingesetzte Gerichte unmittelbar Streitigkeiten über die Anwendung und Auslegung des Unionsrechts entscheiden. Eine solche unzulässige Konstellation lag dem Abkommensentwurf über das Europäische Patentgericht zugrunde. Dieses sollte u. a. die zukünftige Verordnung über das Gemeinschaftspatent, damit in Verbindung stehende EU-Rechtsakte sowie Vorschriften des Primärrechts auslegen und anwenden.65 In verfahrensrechtlicher Hinsicht waren hiervon vor allem Klagen Einzelner im Zusammenhang mit Patentstreitigkeiten betroffen.66 Diese wären zwar ansonsten vor mitgliedstaatlichen Gerichten anhängig zu machen gewesen, da der EuGH mangels Übertragung nach Art. 262 AEUV für diesen Bereich keine Verfahrenszuständigkeit besaß.67 Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, das Abkommen als unvereinbar mit dem Primärrecht anzusehen. Denn durch die Zuständigkeitsübertragung auf das Patentgericht wäre den mitgliedstaatlichen Gerichten im fraglichen Bereich nicht nur deren Aufgabe als funktionale Unionsgerichte entzogen worden, die das Unionsrecht anzuwenden haben, sondern auch die Möglichkeit des Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nach Art. 267 AEUV.68 Obgleich der Gerichtshof somit selbst nicht unmittelbar für die Streitentscheidung zuständig gewesen wäre, sondern allenfalls (mittelbar) über das Vorabentscheidungsverfahren , ließ er es im Ergebnis nicht zu, dass ein „durch ein internationales Übereinkommen geschaffenes Gericht“ bereichsspezifisches Unionsrecht selbst unmittelbar auslegt und anwendet.69 Eine solche Zielrichtung bzw. Ausgestaltung völkervertraglich eingerichteter Streitentscheidungsmechanismen ist bisher jedoch die Ausnahme. Dies zeigt sich an den im Übrigen entschiedenen Fällen. Die dort gegenständlichen Mechanismen bezogen sich auf Streitigkeiten über die 62 Vgl. EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), 77 f.; EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 180. Vgl. auch Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 44. 63 Siehe zu diesem Aspekt unten unter 3.2.3.1., S. 18 f. 64 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 201, 204, 213; EuGH, Urt. v. 30.05.2006, C-459/03 (Kommission/Irland “Mox Plant”), Rn. 132. 65 EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 78. 66 EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 72. 67 EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 73, 80. 68 EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 80, 89. Zur hohen Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens für das unionale Rechtskontrollsystem, vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 176. 69 EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 80, 89. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 16 Auslegung und Anwendung des jeweiligen Abkommens. Dabei bestand in einigen Konstellationen allerdings die Besonderheit, dass die Verträge eine Erstreckung des damaligen Gemeinschaftsrechts zum Ziel hatten und daher entsprechende Bestimmungen im Gleichlaut übernahmen ; schließlich sollte eine homogene Auslegung mit den übernommenen Gemeinschaftsvorschriften gewährleistet werden.70 Ungeachtet solcher besonderen Umstände bestehen jedoch auch bei der Ausrichtung eines Streitentscheidungsmechanismus auf die sich aus dem jeweiligen Abkommen ergebenden (externen ) Relationen regelmäßig Berührungspunkte mit Unionsrecht und damit die Möglichkeit der Beeinträchtigung seiner Autonomie: Das ist erstens der Fall, wenn die Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung von Abkommen auch die Vereinbarkeit von Handlungen der Vertragsparteien mit dem Abkommen umfassen . Prüfungsgegenstand am Maßstab des betreffenden völkerrechtlichen Vertrags ist dann regelmäßig das jeweilige Recht der Vertragsparteien. In der Sache ermöglicht ein solcher Streitentscheidungsmechanismus somit eine externe Rechtmäßigkeitskontrolle z.B. auch des sekundären und ggf. auch primären Unionsrechts.71 Zweitens ist zu beachten, dass die EU als internationale Organisation mit begrenzten Zuständigkeiten – anders als Staaten – keine monolithische Vertragspartei darstellt.72 Vielmehr sind bei der Frage der völkervertraglichen Bindung und den sich daraus ergebenden Pflichten sowie ihrer Erfüllung immer auch die Mitgliedstaaten zu berücksichtigen: entweder bei gemischten Abkommen als weitere Vertragsparteien für ihren Zuständigkeitsbereich oder (auch) als Verantwortliche für die Durchführung des Unionsrechts einschließlich des Abkommens, soweit die Mitgliedstaaten insoweit für den unionsinternen Vollzug zuständig sind (vgl. Art. 291 Abs. 1 AEUV). Hier besteht die Gefahr, dass Entscheidungen im Rahmen eines Streitentscheidungsmechanismus in Bezug auf das (Außen-)Verhältnis der Vertragsparteien zueinander getroffen werden, die das Innenverhältnis von EU und ihren Mitgliedstaaten tangieren.73 Die nachfolgend dargestellten, sich aus der Rechtsprechung ergebenden Vorgaben spiegeln diese Berührungspunkte. Entwickelt hat sie der EuGH überwiegend als negative Bedingungen, an denen die betreffenden Abkommen scheiterten. Gleichwohl lassen sie sich auch positiv verstehen als Voraussetzungen, bei deren Einhaltung die mit entsprechenden Abkommen verbundenen 70 Vgl. Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 14 ff., 22 ff.; EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), 10 ff. Siehe zu diesen Abkommen auch Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 169 ff. 71 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 181. 72 Vgl. insoweit auch EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 156 ff. Siehe auch Pernice, in: EP- ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 148, erster Bulletpoint. 73 Vgl. etwa Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 34 ff. Vgl. ferner EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), Rn. 15 f. Siehe auch Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 169 f., spricht insoweit davon, dass Entscheidungen der Streitentscheidungseinrichtungen „‚spill over effects“ für das betreffende Unionsrecht „aufweisen und sich somit auf die Auslegung […] originärer Unionsrechtsnormen auswirken.“ Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 17 Auswirkungen auf die Autonomie der Unionsrechtsordnung nicht zu deren Beeinträchtigung führen.74 3.2.2. Keine Verfälschung der Zuständigkeiten der EU Der Streitentscheidungsmechanismus darf zunächst keine Verfälschung der Zuständigkeiten der Union bewirken.75 Die Gefahr einer solchen Verfälschung besteht nach den bisher entschiedenen Konstellationen zunächst bei gemischten Abkommen. Ein völkervertraglich eingerichtetes Gericht könnte veranlasst sein, auszulegen, wer auf Seiten der EU und der Mitgliedstaaten die aus dem Abkommen im konkreten Fall verpflichtete Vertragspartei ist. Auf diese Weise bestünde die Möglichkeit, dass völkervertragliche Vorgaben über die interne Zuständigkeitsverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten gemacht würden.76 Ein ähnliches Problem stellte sich im Zusammenhang mit dem EMRK-Beitrittsabkommen für die Verfahrensbeteiligung bei Streitigkeiten vor dem EGMR und die anschließende Haftung für festgestellte EMRK-Verletzungen.77 Hier sah der EuGH die vertraglichen Vorkehrungen für eine in jedem Fall autonome Entscheidung beider Fragen durch die EU und die Mitgliedstaaten als nicht gegeben an.78 Denn das Beitrittsabkommen räumte dem EGMR in bestimmten Konstellationen die Möglichkeit ein, über die Verfahrensbeteiligung bzw. Haftungsverteilung zu befinden und damit ebenfalls völkervertragliche Vorgaben für die Zuständigkeitsverteilung vorzunehmen. Aus diesen Fällen kann geschlossen werden, dass die Entscheidung über die interne Zuständigkeitsverteilung für die unionsinterne Erfüllung völkervertraglicher Pflichten zwischen EU und Mitgliedstaaten nicht durch Festlegungen im Rahmen des jeweiligen Streitentscheidungsmechanismus präjudiziert werden darf, auch wenn die sich daraus ergebenden Bindungen nur völkerrechtlicher Natur wären und damit das Außenverhältnis betreffen würden.79 74 Vgl. etwa EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), Rn. 21, 45 f. 75 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 34 ff.; EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04.2002 (GELR), Rn. 12; EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 220 f. Diese Rechtsprechung hat auch Eingang in Art. 6 Abs. 2 EUV gefunden, in der die primärrechtliche Pflicht zum EMRK-Beitritt geregelt ist. 76 So etwa in Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 34 ff. Vgl. ferner EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04 2002 (GELR), Rn. 15 f. 77 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 220 ff. bzw. Rn. 229 ff. 78 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 224 f. bzw. Rn. 234. 79 Vgl. Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (46). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 18 3.2.3. Keine Verfälschung der Zuständigkeiten der EU-Organe, insbesondere des EU-Gerichtshofs Des Weiteren dürfen auch nicht die Zuständigkeiten der EU-Organe verfälscht werden.80 Dabei stehen in der Regel die dem EU-Gerichtshof zugewiesenen Aufgaben und deren Schutz im Mittelpunkt der Betrachtung.81 Grund hierfür ist, dass die Wahrung der Autonomie der Unionsrechtsordnung zuvörderst dem EU-Gerichtshof im Rahmen seiner Rechtsprechungstätigkeit obliegt (vgl. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV).82 3.2.3.1. Letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts Zu den zu schützenden Aufgaben zählt zunächst die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts , für die der EU-Gerichtshof ausschließlich zuständig ist.83 Eine Beeinträchtigung dieser Zuständigkeit droht nach der Rechtsprechung immer dann, wenn – wie oben beschrieben – im Rahmen eines Streitentscheidungsmechanismus völkerrechtlich verbindliche Vorgaben zur internen Zuständigkeitsverteilung getroffen werden können.84 Eine vergleichbare Gefährdung besteht nach dem Gutachten zum EMRK-Beitritt ferner, wenn ein völkervertragliches Gericht im Rahmen einer externen Rechtmäßigkeitskontrolle veranlasst sein könnte, das betroffene Unionsrecht auslegen zu müssen, um einen Vertragsverstoß festzustellen.85 Da völkerrechtliche Verträge nach Ratifikation durch die EU sog. „integrierender Bestandteil“ des Unionsrechts werden86, das im Rang zwischen Primär- und Sekundärrecht steht (vgl. Art. 216 Abs. 2 AEUV), stellt sich die Frage, ob sich die ausschließliche Auslegungszuständigkeit des EU- Gerichtshofs zwingend auch auf diese Abkommen erstreckt und völkervertraglich vorgesehene Gerichte von einer Auslegung des betreffenden Vertrags entsprechend auszuschließen sind.87 Dies ist jedoch zu verneinen. Denn anderenfalls bestünde überhaupt kein Raum für die Einrich- 80 Vgl. EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), Rn. 12; EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 237. 81 EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 61; EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II), Rn. 32; EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 75; EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 183. Vgl. auch Classen, EUR 2012 (o. Fn. 6), S. 611 (615). In der Sache beziehen sich die Gutachten auf die Zuständigkeiten des EuGH als dem höchsten der drei Teilgerichte des EU-Organs „Gerichtshof der Europäischen Union“, vgl. Art. 13 Abs. 1, 19 Abs. 1 S. 1 EUV. 82 Vgl. Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 169, 173; ders., AVR 53 (2015), o. Fn. 6, B. Abs. 1-3, S. 4. 83 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 34 f.; EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 246. 84 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 35. 85 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 246 f. 86 Siehe etwa EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 180, vgl. dazu auch Haratsch/Koenig/Pechstein , Europarecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 447. 87 In diese Richtung etwa Fischer-Lescano/Horst, CETA-Gutachten (o. Fn. 6), S. 14 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 19 tung völkervertraglicher Streitentscheidungsmechanismen sowie die damit einhergehende Unterwerfung unter dessen Entscheidungen, die der EuGH als grundsätzlich zulässig erachtet. Hieraus erklärt sich auch, dass der Gerichtshof die Auslegungszuständigkeit entsprechender Streitentscheidungsorgane für völkerrechtliche Verträge der EU mit Drittstaaten in seinen bisherigen Gutachten nicht thematisiert und somit implizit auch nicht beanstandet hat.88 Die ausschließliche Auslegungszuständigkeit des EU-Gerichtshofs erstreckt sich damit nur auf das „originäre“, d.h. das vertragliche Primär- und organgeschaffene Sekundärrecht.89 3.2.3.2. Monopol der Rechtmäßigkeitskontrolle Die weitere, ausschließlich dem EU-Gerichtshof zukommende Aufgabe liegt in der Rechtmäßigkeitskontrolle des (sekundären) Unionsrechts. Ihren verfahrensrechtlichen Ausdruck findet diese in der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV und im Gültigkeitsersuchen nach Art. 267 Abs. 1 Buchst. b) Variante 2 AEUV.90 Aus diesem Monopol wird man allerdings nicht schließen können, dass die Autonomie der Unionsrechtsordnung jeglicher externer Rechtskontrolle im Rahmen völkervertraglich eingerichteter Streitentscheidungsmechanismen entgegensteht.91 Hierfür spricht die primärrechtlich verankerte Pflicht zum EMRK-Beitritt in Art. 6 Abs. 2 EUV. Im Übrigen umfassen Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendungen völkerrechtlicher Verträge in der Regel auch die Vereinbarkeit vertragsparteilichen Handelns mit dem jeweiligen Abkommen. Mit Blick darauf dürfte eine externe Rechtskontrolle insoweit möglich sein, als sie zum einen am Maßstab des jeweiligen Abkommens erfolgt (und nicht am Maßstab des originären Unionsprimärrechts) und zum anderen keine Nichtigkeitsfolge nach sich zieht, wie sie in Art. 264 AEUV bei der Nichtigkeitsklage und in Art. 267 AEUV bei Gültigkeitsfragen vorgesehen ist. Ersteres lässt sich auch als Konsequenz aus dem soeben beschriebenen Umstand verstehen, dass die Zuständigkeit für die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts ebenfalls nur das originäre Unionsrecht erfasst, nicht aber das betreffende Abkommen, obgleich auch dieses nach Ratifikation Bestandteil der Unionsrechtsord- 88 Vgl. EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 77 f.; EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 180 f. 89 So zutreffend Müller, Die Errichtung des Europäischen Patentgerichts – Herausforderung für die Autonomie des EU-Rechtssystems, EuZW 2010, S. 851 (853). 90 EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), Rn. 24. Siehe auch Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S.173. 91 Dies jedoch mit einem Verweis auf das GELR-Gutachten andeutend, Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 180. Der zitierte Verweis auf EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04.2002 (GELR), Rn. 24, bezieht sich jedoch nicht auf den Prüfungsmaßstab für die beim EU-Gerichtshof monopolisierte Kontrolle, sondern auf deren Gegenstand, nämlich alle Organhandlungen, unabhängig von der Rechtsgrundlage ihres Handelns. In diesem Kontext bezieht der Gerichtshof neben dem originären Unionsrecht ebenso „andere internationale Rechtsakte“ mit ein. Danach unterliegen die EU-Organe auch dann der Rechtmäßigkeitskontrolle des EU-Gerichtshofs, wenn sie auf völkervertraglicher Grundlage handeln. Prüfungsgegenstand bleibt allerdings das originäre Unionsrecht. Vorliegend geht es zwar um die Kontrolle von Organhandlungen, aber eben nicht am Maßstab des originären Unionsrechts. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 20 nung wird. Das Monopol des EU-Gerichtshofs beschränkt sich danach auf das originäre Unionsrecht als Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeitskontrolle sowie den Nichtigkeits- bzw. Ungültigkeitsausspruch für sekundäres Unionsrecht.92 3.2.3.3. Zuweisung neuer Zuständigkeiten Ein dritter Aspekt betrifft den Fall, dass dem EU-Gerichtshof durch ein Abkommen neue Zuständigkeiten übertragen werden. In seinen bisherigen Gutachten ging es etwa um eine Erstreckung des Vorabentscheidungsverfahrens auf Gerichte drittstaatlicher Vertragsparteien oder sonstiger Anrufungsmöglichkeiten in Bezug auf die Auslegung von Unionsrecht.93 Eine solche Zuständigkeitserweiterung sieht der EuGH als zulässig an, soweit seinen daraus folgenden Auslegungsentscheidungen für die vorlegenden Einrichtungen verbindliche Wirkung zukommt.94 Denn nur eine solche Wirkung entspreche der in den Verträgen vorgesehenen Aufgabenstellung des EU-Gerichtshofs .95 Im Fall der Erstreckung des Vorabentscheidungsverfahrens ist allerdings nicht erforderlich , dass die drittstaatlichen Gerichte analog Art. 267 Abs. 2 AEUV auch zur Vorlage verpflichtet werden.96 3.2.3.4. Zwischenergebnis Aus diesen Vorgaben kann geschlossen werden, dass eine die Zuständigkeiten des EU-Gerichtshofs wahrende Ausgestaltung eines völkervertraglichen Streitentscheidungsmechanismus dessen letztverbindliche Auslegungsbefugnis in Bezug auf das originäre (primäre und sekundäre) Unionsrecht sowie den verbindlichen Charakter seiner Entscheidungsgewalt beachten muss. Ferner darf eine eventuell vorgesehene externe Überprüfung von Unionsrecht nur am Maßstab des jeweiligen Abkommens erfolgen und keine Nichtigkeits- bzw. Ungültigkeitsfolge vorsehen, da anderenfalls das Monopol des EU-Gerichtshofs für die Rechtskontrolle am Maßstab des Unionsrechts beeinträchtigt wäre. 3.2.4. Beteiligung des EU-Gerichtshofs In engem Zusammenhang mit den zu wahrenden Zuständigkeiten des EU-Gerichtshofs für die Auslegung des Unionsrechts und seine Rechtmäßigkeitskontrolle steht die Frage, ob und ggf. inwieweit dieser an völkervertraglich vorgesehenen Streitentscheidungsmechanismen zu beteiligen 92 Vgl. auch Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (47). 93 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 55 ff.; EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II), Rn. 34; EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), Rn. 30 ff. 94 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 61; EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II), Rn. 33 ff.; EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), Rn. 25, 33. Siehe auch Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 173. 95 EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II), Rn. 33. 96 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 60. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 21 ist, damit letztere als mit der Autonomie der Unionsrechtsordnung vereinbar angesehen werden können. Für die Notwendigkeit einer Beteiligung in Fällen, in denen das Unionsrecht einer externen Kontrolle am Maßstab des jeweiligen Abkommens unterzogen wird, lässt sich das kürzlich vorgelegte Gutachten zum EMRK-Beitritt anführen. In dem Übereinkommensentwurf war ein Vorabbefassungsmechanismus vorgesehen, der dem EuGH vor einer Entscheidung des EGMR die Möglichkeit einräumte, über die Auslegung des Primärrechts und die Gültigkeit des Sekundärrechts zu entscheiden.97 Der Gerichtshof hob in diesem Zusammenhang hervor, dass ein solches Verfahren nicht nur vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsgrundsatzes der EMRK zu sehen sei, wonach zunächst innerstaatliche Rechtsmittel vor Anrufung des EGMR auszuschöpfen seien. Es sei „auch geboten, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Gerichtssystems der Union zu gewährleisten . In diesem Zusammenhang entspricht die Notwendigkeit einer Vorabbefassung des Gerichtshofs in einer Rechtssache, mit der der EGMR befasst ist und in der das Unionsrecht in Rede steht, dem Erfordernis, die Zuständigkeiten der Union und die Befugnisse ihrer Organe, insbesondere des Gerichtshofs, zu wahren […].“98 In der Sache sah der Gerichtshof das konkret geregelte Vorabbefassungsverfahren jedoch als nicht genügend an, da es ihm nicht die Möglichkeit eröffnete, auch mit der Auslegung des Sekundärrechts vorbefasst zu werden.99 Dass der EGMR ohne eine vorherige Auslegung des betreffenden Unionsrechts durch EuGH veranlasst sein könnte, sich insoweit für eine von mehreren plausiblen Auslegungen zu entscheiden, „würde de[n] Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichtshofs für die verbindliche Auslegung des Unionsrechts fraglos verletz[en].“100 Insbesondere an dieser Aussage wird der Zusammenhang zwischen den zu wahrenden EuGH- Zuständigkeiten und seiner verfahrensrechtlichen Einbindung in einen Streitentscheidungsmechanismus erkennbar, der eine externe Rechtskontrolle von Unionsrecht ermöglicht. Letztere beinhaltet immer die Gefahr, dass der betreffende Gerichtskörper eine Auslegung des streitgegenständlichen Unionsrechts vornehmen muss, um seine Vereinbarkeit mit den völkervertraglichen Bestimmungen beurteilen zu können. Hieraus können sich im Ergebnis – bei Annahme eines Verstoßes – völkerrechtliche Bindungen ergeben, welche die ausschließliche Auslegungszuständigkeit des EU-Gerichtshofs (mittelbar) beeinträchtigen. Räumt man dem Gerichtshof jedoch die Gelegenheit ein, vor dem Eintreten völkervertraglicher Bindungen über die Auslegung des betreffenden Unionsrechts verbindlich zu entscheiden, so entfällt diese Beeinträchtigung. Eine solche Beteiligung garantiert zwar nicht, dass die Feststellung von Verletzungen des jeweiligen Abkommens ausgeschlossen wird. Die sich daraus ergebenden (mittelbaren) Auswirkungen auf die Au- 97 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 242 ff., siehe Art. 3 Abs. 6 des Beitrittsabkommens , online abrufbar unter http://www.coe.int/t/dghl/standardsetting/hrpolicy/Accession/Meeting_reports /47_1%282013%29008rev2_EN.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 98 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 236 f. 99 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 246 f. 100 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 246. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 22 tonomie der Unionsrechtsordnung sind jedoch hinzunehmen. Anderenfalls wäre eine Unterwerfung unter Streitentscheidungsmechanismen überhaupt nicht möglich, die der EuGH aber in ständiger Rechtsprechung als grundsätzlich zulässig ansieht.101 Für die Notwendigkeit einer Einbindung des EU-Gerichtshofs bei Auslegungsfragen sprechen weiter auch die Gutachten zu Abkommen, die damalige Gemeinschaftsnormen im Gleichlaut übernahmen.102 Zwar ging es dabei nicht um eine externe Rechtskontrolle des Unionrechts. Die Abkommen zielten aber auf die Gewährleistung einer möglichst einheitlichen Auslegung der übernommenen und der originären Gemeinschaftsvorschriften am Maßstab letztgenannter.103 Um das zu gewährleisten, war im Hinblick auf Auslegungsfragen in Bezug auf das damalige Gemeinschaftsrecht jeweils eine Einbeziehung des EuGH vorgesehen.104 Zwingend geboten ist eine solche Schlussfolgerung jedoch nicht. Das Gutachten zum EMRK-Beitritt ist bisher – soweit ersichtlich – der einzige Fall, in dem der EuGH die Gelegenheit hatte, im Rahmen des Art. 218 Abs. 11 AEUV zu der Konstellation eines auf die externe Rechtskontrolle zielenden Streitentscheidungsmechanismus Stellung zu nehmen. Die Notwendigkeit einer Vorabbefassung könnte auch den besonderen Umständen gerade des EMRK-Beitritts geschuldet gewesen sein. Diese liegen zum einen in der umfassend angelegten externen Kontrolle am Maßstab von Grund- und Menschenrechten.105 Zum anderen beinhaltet auch das Unionsrecht selbst Grundrechte, die zudem materielle Verbindungen zur EMRK aufweisen. Nach Art. 52 Abs. 3 der Grundrechte-Charta der EU haben diejenigen EU-Grundrechte die solchen der EMRK entsprechen , „die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird.“ Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass bei anders gelagerten, insbesondere weniger umfassend angelegten Rechtskontrollsituationen am Maßstab anderer Bestimmungen eine solche Beteiligung bzw. Einbindung des EU-Gerichtshofs im Hinblick auf die Auslegung von Unionsrecht als nicht erforderlich angesehen wird. Hierfür könnte auch sprechen, dass der EuGH den zwischenstaatlichen Streitentscheidungsmechanismus der WTO bisher unbeanstandet gelassen hat, allerdings ohne, dass diese Frage ihm ausdrücklich gestellt wurde.106 Jedenfalls ist danach eine (externe) WTO-Kontrolle von sekundärem Unionsrecht möglich, ohne dass der EU- Gerichtshof beteiligt ist. Daneben weist das WTO-Verfahren allerdings zahlreiche Besonderheiten 101 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 183; EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 40; EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 74. 102 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I); EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR); vgl. auch EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II). 103 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 3 ff.; EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II), Rn. 9, 21; EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), 3 ff. 104 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 56 ff.; EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II), Rn. 33 ff., EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR), Rn. 24 ff., vgl. auch EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 12, 79. 105 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 181. 106 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Rs. C-149/96 (Portugal/Rat), Rn. 37 ff. Vgl. zum WTO-Streitbeilegungsmechanismus allgemein Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014, § 10, Rn. 108 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 23 auf, die den EuGH letztlich veranlasst haben, den Streitbeilegungsentscheidungen die unmittelbare Wirkung im Unionsrecht zu versagen.107 Unterstellt man gleichwohl, dass die Einbindung bzw. Beteiligung des EU-Gerichtshofs bei Auslegungsfragen zwingend ist, stellt sich die weitere Frage, ob diesem – wie im Vorabbefassungsmechanismus im EMRK-Beitrittsvertrag – auch die Gelegenheit eröffnet werden muss, über die Gültigkeit sekundären Unionsrechts entscheiden zu können. Auch dies kann jedoch nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Denn diese Option kann ebenfalls den eben erwähnten EMRK-Besonderheiten geschuldet sein, einschließlich des Umstandes, dass die EMRK selbst eine Erschöpfung des „innerstaatlichen“ Rechtswegs voraussetzt.108 Eine ähnliche Unsicherheit besteht hinsichtlich der Frage der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung einer möglichen Einbindung. Das beim geplanten EMRK-Beitritt vorgesehene Verfahren geht offensichtlich zurück auf eine Stellungnahme des EuGH, die dieser kurz nach Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags und der darin enthaltenen Verpflichtung zum EMRK-Beitritt in Art. 6 Abs. 2 EUV veröffentlichte.109 In diesem als Reflexionspapier bezeichneten Dokument forderte der Gerichtshof ausdrücklich eine Vorabbefassung seiner selbst, wie sie später im Beitrittsabkommen verankert wurde.110 Darüber hinaus zeigen die Gutachten zu Abkommen, die damalige Gemeinschaftsnormen im Gleichlaut übernahmen, dass auch andere Verfahrensoptionen – wie etwa die Erstreckung der Vorabentscheidungsverfahren auf drittstaatliche Gerichte oder andere Anrufungsmodalitäten – dem Grunde nach in Betracht kommen.111 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass auf Grundlage bisheriger Rechtsprechung eine vorherige Beteiligung oder Einbindung des EU-Gerichtshofs am bzw. in einem Streitentscheidungsmechanismus weder im Hinblick auf die Auslegung von Unionsrecht noch in Bezug auf seine Gültigkeitsprüfung mit Sicherheit als zwingend angesehen werden kann. Auf Grundlage des EMRK-Gutachtens liegt es aber nahe, den EU-Gerichtshof zumindest hinsichtlich der ver- 107 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Rs. C-149/96 (Portugal/Rat), Rn. 37 ff.; siehe ferner Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 145 f. 108 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 236. 109 Reflexionspapier des Gerichtshofs der Europäischen Union zu bestimmten Aspekten des Beitritts der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, online abrufbar unter http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2010-05/convention_de_2010-05-21_08-58- 25_999.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 110 Reflexionspapier des Gerichtshofs der Europäischen Union zu bestimmten Aspekten des Beitritts der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, online abrufbar unter http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2010-05/convention_de_2010-05-21_08-58- 25_999.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16), vgl. Rn. 9, 12. 111 Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I); EuGH, Gutachten 1/00 v. 18.04. 2002 (GELR); vgl. auch EuGH, Gutachten 1/92 v. 10.04.1992 (EWR II). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 24 bindlichen Auslegung von streitgegenständlichem Unionsrecht einzubinden, soweit dessen Interpretation ansonsten allein der betreffenden völkervertraglich zur externen Kontrolle berufenen Einrichtung überlassen wäre. 3.2.5. Reichweite externer Rechtskontrolle Eine weitere Bedingung, die im EMRK-Gutachten erstmals so deutlich formuliert wurde, betrifft die zulässige Reichweite externer völkervertraglicher Rechtskontrolle des Unionsrechts.112 Diese darf – vorbehaltlich einer unionsrechtskonformen Ausgestaltung im Übrigen – nur soweit reichen , wie auch eine interne Rechtskontrolle durch den EU-Gerichtshof und ggf. mitgliedstaatliche Gerichte als funktionale Unionsgerichte gewährleistet ist.113 Von letzterer nicht erfasste Bereiche dürfen „nicht ausschließlich einem außerhalb des institutionellen und gerichtlichen Rahmens der Union stehenden internationalen Gericht übertragen werden.“114 Relevant wurde dieser Aspekt in Bezug auf die GASP, die als EU-Politikbereich im Fall eines EMRK-Beitritts der umfassenden Kontrolle durch den EGMR am Maßstab der Konventionsrechte unterlegen hätte, obgleich eine Zuständigkeit des EU-Gerichtshofs nur in den Grenzen des Art. 275 Abs. 2 AEUV besteht.115 In Bezug auf diese Bedingung kann angesichts der abstrakten Formulierung sowie dem Verweis auf das Gutachten zum Europäischen Patentgericht von einer zwingenden Voraussetzungen ausgegangen werden, die bei zukünftigen völkervertraglichen Streitentscheidungsmechanismen stets zu berücksichtigen ist. Sie erfordert, dass solche Bereiche des Unionsrechts aus der externen Rechtskontrolle auszunehmen sind, die nicht zugleich der internen Rechtskontrolle durch EU- Gerichtshof, ggf. in Zusammenarbeit mit nationalen Gerichten, unterliegen. 4. Beurteilung von Investor-Staat-Schiedsverfahren im Lichte der Rechtsprechungsvorgaben Im Folgenden wird im Lichte der oben dargestellten Rechtsprechungsbedingungen die Verankerung von Investor-Staat-Schiedsverfahren in von der EU zu schließenden Abkommen untersucht. Soweit förderlich, werden hierbei das bereits ausgehandelte CETA und das Freihandelsabkommen mit Singapur beispielhaft herangezogen. Berücksichtigt werden bei der Erörterung auch die im Schrifttum zu dieser Frage vertretenen Auffassungen. 112 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 249 ff. Der EuGH verweist in Rn. 256 sinngemäß auf seine dies ebenfalls zum Ausdruck bringende Feststellungen in EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 78, 80, 90. 113 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 255 ff. 114 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 256. 115 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 249 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 25 4.1. (Rechts-)Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung eines Abkommens Mit Blick auf die einschlägigen Regelungen im CETA und im Freihandelsabkommen mit Singapur ist zunächst festzuhalten, dass sich der Gegenstand von ISDS auf Streitigkeiten über die Einhaltung der in ihnen enthaltenen Bestimmungen über den Investitionsschutz bezieht.116 Die einschlägigen Bestimmungen enthalten zudem autonome Regelungen, die nicht dem Unionsrecht entnommen sind.117 Damit geht es letztlich um die Auslegung und Anwendung der betreffenden Freihandels- und Investitionsschutzabkommen. Im Lichte des EMRK-Gutachtens ist es zudem unschädlich, dass sich bei diesen Streitigkeiten nicht Vertragsparteien gegenüberstehen, sondern jeweils (private) Investoren aus Vertragsstaaten einerseits und Vertragsparteien andererseits.118 Vor diesem Hintergrund unterfallen ISDS der Kategorie völkervertraglich vorgesehener Streitentscheidungsmechanismen , die nach der bisherigen EuGH-Rechtsprechung jedenfalls nicht per se mit dem Unionsrecht unvereinbar sind.119 116 Vgl. Art. X.17 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.14 Abs. 1 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). Zu den Investitionsschutzbestimmungen und deren Schutz durch ISDS im CETA, vgl. Schill, Auswirkungen der Bestimmungen zum Investitionsschutz und zu den Investor-Staat-Schiedsverfahren im Entwurf des Freihandelsabkommens der EU und Kanada auf den Handlungsspielraum des Gesetzgebers, Kurzgutachten im Auftrag des BMWi (im Folgenden : Schill, CETA-Kurzgutachten), S. 8 ff., 21 f.; online abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion /PDF/C-D/ceta-gutachten-investitionsschutz,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 117 Vgl. zu den investitionsschutzrechtlichen Bestimmung des CETA im Einzelnen Schill, CETA-Kurzgutachten (o. Fn. 116), S. 8 ff. Parallelen bestehen allerdings hinsichtlich des Anspruchs auf Gleichbehandlung, der im Unionsrecht als Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Art. 18 Abs. 1 AEUV fundamentalen Charakter aufweist. Vgl. zu letzterem Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 723. 118 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 181; vgl. auch oben 3.2.1., S. 14 f. 119 Vgl. EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 182; EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 (EWR I), Rn. 39 f.; EuGH, Gutachten 1/09 v. 8.03.2011 (Europäisches Patentgericht), Rn. 74. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 26 In der Sache ermöglicht das ISDS allerdings eine externe Rechtskontrolle derjenigen Bestimmungen des Unionsrechts, die aus Sicht eines Investors als Verstoß gegen die Investitionsschutzbestimmungen angesehen werden.120 Hierdurch bestehen die oben beschriebenen Berührungspunkte mit der Unionsrechtsordnung und ihrer Autonomie.121 Darauf weist – allerdings im Zusammenhang mit einem inter-EU-ISDS-Verfahren auf Grundlage der Energiecharta – auch die Kommission hin.122 Eine Vereinbarkeit mit den sich aus der Wahrung der Autonomie der Unionsrechtsordnung ergebenden Anforderungen wird – jedenfalls auf Grundlage bisheriger Rechtsprechung – folglich davon abhängen, ob das ISDS einer Ausgestaltung zugänglich ist, die diesen Anforderungen Rechnung trägt.123 Dies gilt es im Folgenden zu erörtern. Wie oben ausgeführt, haben die Vertragsparteien eines Investitionsschutzabkommens nicht nur die Freiheit, über das ob der Verankerung von ISDS zu entscheiden, sondern auch die Möglichkeit, über seine Ausgestaltung zu befinden.124 4.2. Keine Verfälschung der Zuständigkeit der EU Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH müsste zunächst gewährleistet sein, dass die Zuständigkeiten der Union durch das ISDS nicht verfälscht werden. Problematisch ist dieser Aspekt hier – wie auch im Hinblick auf den EMRK-Beitritt – für die Frage der (passiven) Beteiligung an einem ISDS-Verfahren.125 Die Entscheidung über die Einleitung und den Gegner eines ISDS liegt im Ausgangspunkt beim Investor. Geht es um den Schutz von Investitionen auf dem Gebiet der EU, so stehen diesem potentiell immer zwei Verfahrensgegner zur Auswahl: neben der EU auch der Mitgliedstaat, in dem die Investition getätigt wurde. Nach den Vorgaben im EMRK-Beitritts-Gutachten muss die EU autonom über die zutreffende Verfahrensbeteiligung entscheiden können. Es 120 So auch Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 179 f., der – ohne Kenntnis des erst 2014 ergangenen Gutachtens zum EMRK-Beitritt – allerdings weitergehend erörtert, inwieweit auch das betreffende Investitionsschutzabkommen als integraler Bestandteil des Unionsrechts unter die ausschließliche Auslegungs- und Rechtskontrollzuständigkeit des EU-Gerichtshofs fällt. Siehe zu dieser Frage oben Fn. 86. 121 Siehe oben 3.2.1., S. 14. Vgl. ausdrücklich für ISDS in EU-Abkommen Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 148, erster Bulletpoint, bzgl. der Entscheidung über die Verfahrensbeteiligung an einem ISDS. 122 Zitiert nach Kulick, Electrabel locuta, causa finita? – Intra-EU-Investitionsstreitigkeiten unter dem Energiecharta -Vertrag, SchiedsVZ 2013, S. 81 (83), der auf die Ausführungen der Kommission in dem ICSID-Verfahren Electrabel S.A.v. The Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19, Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability, 30 November 2012, Rn. 4.89 ff., 5.8 ff., verweist. 123 So auch die überwiegende Auffassung im einschlägigen Schrifttum, vgl. etwa Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, D. Einleitung; Classen, EUR 2012 (o. Fn. 6), S. 611 (621 f.); Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39, 41, 44, 49; Fischer-Lescano/Horst, CETA-Gutachten (o. Fn. 6), S. 13 (in Bezug auf CETA im Ergebnis verneinend, S. 14 f.). Unterschiede bestehen allein in der Frage, wie groß der Ausgestaltungsspielraum ist. 124 Siehe oben unter 2.1., S. 8. 125 Vgl. etwa Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C. III.; Hermann, The Role of the Court of Justice of the European Union in the emerging EU Investment Policy, The Journal of World Investment & Trade 15 (2015), S. 570 (583). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 27 ist nicht zulässig, dass die Entscheidung darüber, wer am Streitentscheidungsmechanismus beteiligt wird, von einem völkervertraglich eingerichteten Gericht getroffen wird.126 Dies dürfte (erst recht) auch gegenüber Dritten in Gestalt von privaten Investoren gelten, zumal deren Entscheidung über den Schiedsgegner letztlich auch das Schiedsgericht bindet.127 Um die daraus folgende Beeinträchtigung der Autonomie der Unionsrechtsordnung zu vermeiden , treffen sowohl das CETA als auch das Freihandelsabkommen mit Singapur Vorkehrungen, die es der Union ermöglichen sollen, autonom über die zutreffende Schiedsgegnerschaft zu entscheiden . Danach hat sich der Investor zunächst mit einer Erklärung über die Absicht eines ISDS- Verfahrens an die EU zu wenden, damit diese den zutreffenden Schiedsgegner bestimmt.128 Erst auf Grundlage dieser Bestimmung kann ein ISDS betrieben werden.129 Eine solche Regelung sichert jedenfalls in den Fällen eine autonome und damit die Zuständigkeitsordnung wahrende Entscheidung der EU, in denen eine Bestimmung der Schiedsgegnerschaft tatsächlich vorgenommen wird. Hierfür wird der EU in beiden Abkommen eine Frist von 50 Tagen bzw. zwei Monaten eingeräumt.130 Lässt sie diese verstreichen, ist vorgesehen, dass das Verfahren gegen den betreffenden Mitgliedstaat zu richten ist, wenn die durch den Investor in seiner Absichtserklärung angegebene Maßnahme auf diesen zurückgeht; bei Einschluss von Maßnahmen der Union soll sich das Verfahren gegen die EU richten.131 Entscheidend sind in einem solchen Fall daher die Angaben des Investors. Fraglich ist jedoch, ob dieser Automatismus jedoch überhaupt zum Einsatz kommen wird, da die EU intern in der einschlägigen Verordnung einen entsprechenden Entscheidungsprozess verbindlich vorgegeben hat.132 Ob dieser Umstand genügt, um eine solche Festlegung des Schiedsgegners als zulässig anzusehen, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen.133 Dessen ungeachtet wird insgesamt deutlich, dass eine Wahrung der Zuständigkeiten der Union im Zusammenhang mit der Bestimmung des Schiedsgegners durch eine entsprechende Ausgestaltung des ISDS dem Grunde nach möglich ist.134 126 EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014 (EMRK-Beitritt), Rn. 224 f. 127 Hindelang, AVR 53 (2015), C. III.; Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (49); 128 Dies erfolgt unionsintern auf Grundlage der Verordnung (EU), Nr. 912/2014 (o. Fn. 38), Art. 4 ff., und richtet sich im Wesentlichen danach, wer die streitgegenständliche Behandlung vorgenommen hat. 129 Vgl. Art. X.20 Abs. 1-3 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.18 Abs. 2 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). 130 Vgl. Art. X.20 Abs. 4 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.18 Abs. 2 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). 131 Vgl. Art. X.20 Abs. 4,5 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.18 Abs. 3 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). 132 Siehe Art. 8 und 9 VO (EU) Nr. 912/2014 (o. Fn. 38). 133 Kritisch Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C. III. 134 Vgl. auch Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (49 f.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 28 4.3. Keine Verfälschung der Zuständigkeiten des EU-Gerichtshofs Des Weiteren dürfte ein ISDS die Zuständigkeiten des EU-Gerichtshofs für die ihm ausschließlich obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle (siehe unter 4.3.1.) sowie die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (siehe unter 4.3.2.). 4.3.1. Monopol der Rechtmäßigkeitskontrolle Ersteres dürfte nach den obigen Ausführungen dem ISDS zunächst dann nicht entgegenstehen, wenn die dadurch ermöglichte externe Rechtskontrolle nicht am Maßstab von originärem Unionsrecht vorgenommen wird, sondern – wie im Fall des CETA und des Freihandelsabkommens mit Singapur vorgesehen – am Maßstab des jeweiligen Abkommens und ggf. sonstigen Völkerrechts .135 Des Weiteren sieht ein ISDS im Fall der Feststellung eines Verstoßes gegen investitionsschützende Bestimmungen keinen Nichtigkeitsausspruch vor, sondern die Verhängung einer Entschädigung . Ein Schiedsgerichtsverfahren lässt das streitgegenständliche Unionsrecht in seiner Gültigkeit folglich unberührt, so dass kein Konflikt mit dem in Art. 263 AEUV und Art. 267 AEUV zum Ausdruck kommenden Verwerfungsmonopol des EU-Gerichtshof für sekundäres Unionsrecht besteht. Im Schrifttum finden sich in diesem Zusammenhang zwei als Probleme formulierte Einwände: Zum einen wird darauf hingewiesen, dass Schiedsgerichte im Wege der Vorfrage für die Beurteilung am Maßstab des jeweiligen Abkommens veranlasst sein könnten, sich mit der Vereinbarkeit des streitgegenständlichen sekundären Unionsrechts am Maßstab des Primärrecht auseinander zu setzen.136 Diese Möglichkeit ändert jedoch nichts am für das Schiedsgericht verbindlichen Prüfungsmaßstab für die Entscheidung über den geltend gemachten Verstoß sowie am fehlenden Nichtigkeitsausspruch. Problematisch aus Sicht des Einwandes ist somit weniger das Monopol der Rechtsmäßigkeitskontrolle, als vielmehr die Zuständigkeit des EU-Gerichtshofs zur letztverbindlichen Auslegung des Unionsrechts – dazu sogleich. Zum anderen wird auf die möglichen Auswirkungen der Schiedssprüche auf die Kompetenzen des EU-Gerichtshofs hingewiesen.137 Dabei wird allerdings betont, dass diese eher faktischer und nicht rechtlicher Natur sind. In formaler Hinsicht berühren sie somit ebenfalls nicht das Monopol des EU-Gerichtshofs für die Rechtmäßigkeitskontrolle. Gleichwohl soll weiter unten der Frage nachgegangen werden, ob nicht auch tatsächliche Implikationen der Schiedssprüche zu einer Beeinträchtigung der Autonomie der Unionsrechtsordnung führen können (siehe unter 4.7.). 135 Vgl. Art. X.27 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.22 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). Vgl. auch Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (51). 136 Vgl. hierzu Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 180 f.; ders., AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C. II. 137 So etwa Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 146 ff.; Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 177 ff.; ders., AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C. I.; Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (50). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 29 4.3.2. Letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts Im Lichte der bisherigen Rechtsprechungsvorgaben erscheint die Zuständigkeit des EU-Gerichtshofs für die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts die problematischere Hürde für die Verankerung von ISDS in EU-Freihandelsabkommen zu sein. Grund hierfür ist der Umstand, dass ein Schiedsgericht im Rahmen seiner externen Rechtskontrolle – ebenso wie der EGMR im Falle eines EMRK-Beitritts der EU – veranlasst sein könnte, das streitgegenständliche Unionsrecht auslegen zu müssen, um einen Verstoß gegen das betreffende Abkommen abschließend beurteilen zu können.138 Zwar lässt sich auch hier einwenden, dass die durch ein Schiedsgericht vorgenommene Auslegung in völkervertraglicher Hinsicht für den EU-Gerichtshof nicht verbindlich wäre. Dennoch könnte eine eventuelle Auslegung durch ein Schiedsgericht und die sich daran anschließende Entscheidung für eine von mehreren Auslegungsmöglichkeiten u. U. überhaupt erst die Grundlage für die Feststellung einer Verletzung des betreffenden Abkommens bilden und damit zur Verpflichtung führen, Entschädigung leisten zu müssen. Dieser Umstand ist jedenfalls auf Grundlage des Gutachtens zum EMRK-Beitritt geeignet, eine Beeinträchtigung der Zuständigkeit des EU-Gerichtshofs zur letztverbindlichen Auslegung des Unionsrechts zu begründen. Folglich stellt sich auch hier die sogleich zu erörternde Frage, ob nicht im Fall des ISDS ebenfalls eine vorherige Beteiligung bzw. Einbindung des EU-Gerichtshofs notwendig ist, um dieser Beeinträchtigung vorzubeugen. 4.4. Beteiligung des EU-Gerichtshofs Im einschlägigen Schrifttum wird eine Beteiligung des EU-Gerichtshofs weit überwiegend befürwortet .139 Dabei werden im Wesentlichen drei verschiedene Möglichkeiten erörtert: die Öffnung des Vorabentscheidungsverfahrens für Schiedsgerichte (siehe unter 4.4.1.), eine dem EMRK-Beitrittsvertrag entsprechende Vorabbefassung (siehe unter 4.4.2.) und die Vorgabe einer unionsinternen Rechtswegerschöpfung (siehe unter 4.4.3.). 4.4.1. Öffnung des Vorabentscheidungsverfahrens für ISDS-Schiedsgerichte Vor allem in Literaturstellungnahmen vor Verkündung des Gutachtens zum EMRK-Beitritt wird die Einbindung von ISDS-Schiedsgerichten oder – weitergehend – eines eigens eingerichteten dauerhaften Gerichtshofs für Investitionsstreitigkeiten in das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV diskutiert, und zwar sowohl im Hinblick auf Auslegungs- und Gültigkeitsfragen als auch bezüglich einer Vorlagepflicht.140 Betont wird dabei unter Verweis auf die bisherige 138 Vgl. Fischer-Lescano/Horst, CETA-Gutachten (o. Fn. 6), S. 14 f.; Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 179 (allerdings im Zusammenhang mit der Erörterung der Rechtmäßigkeitskontrolle). 139 Fischer-Lescano/Horst, CETA-Gutachten (o. Fn. 6), S. 13; Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, D.; Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 156; Classen, EUR 2012 (o. Fn. 6), S. 611 (617 ff.); Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (52). 140 Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 182 f.; Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 150 f. sowie S. 156 f. für den Fall eines dauerhaft einzurichtenden Gerichtshofs für Investitionsstreitigkeiten; Fischer- Lescano/Horst, CETA-Gutachten (o. Fn. 6), S. 13 f., die von einer Vorlagepflicht ausgehen. Ebenso Classen, EUR 2012 (o. Fn. 6), S. 611 (618). Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (51); siehe auch Burgstaller (o. Fn. 28), The Journal of World Investment & Trade 15 (2014), S. 551 (562 ff.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 30 EuGH-Rechtsprechung, dass die in diesem Rahmen ergehenden Urteile des Gerichtshofs für die Schiedsgerichte verbindlich sein müssten.141 Im gleichen Zusammenhang heben die Autoren allerdings die mit einer solchen Einbindung verbundenen unionsrechtlichen Probleme hervor und gehen davon aus, dass man diese ohne eine Vertragsänderung wohl nicht lösen könne.142 Denn nach bisheriger Rechtsprechung erfüllten Schiedsgerichte nämlich in der Regel nicht die Art. 267 AEUV zugrunde liegenden Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit die betreffende Einrichtung als vorlageberechtigtes mitgliedstaatliches Gericht im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist.143 4.4.2. Vorabbefassung des EU-Gerichtshofs Mit Blick auf das Gutachten zum EMRK-Beitritt wird daneben auch die Möglichkeit einer Vorabbefassung des EU-Gerichtshofs erörtert, einschließlich einer darüber möglichen Gültigkeitskontrolle des jeweils streitgegenständlichen Unionssekundärrechts.144 Zwar können nach der bisherigen Rechtsprechung dem EU-Gerichtshof neue Zuständigkeiten zugewiesen werden.145 Voraussetzung hierfür sei aber, dass dessen Entscheidungen dann für die Schiedsgerichte bindenden Charakter haben. Allerdings wird auch in diesem Zusammenhang auf die Probleme einer unionsrechtlichen Umsetzung hingewiesen und die Notwendigkeit einer Vertragsänderung erörtert.146 4.4.3. Vorherige Ausschöpfung des unionsinternen Rechtswegs Schließlich wird – zum Teil als Alternative zu den beiden vorgenannten Möglichkeiten – auch erwogen, die Anrufung eines Schiedsgerichts von der vorherigen Erschöpfung des unionsinternen Rechtswegs, ggf. unter Einschluss des Vorabentscheidungsverfahrens an den EU-Gerichtshof nach Art. 267 AEUV, abhängig zu machen.147 Doch auch hierbei bestünden klärungsbedürftige Fragen, wie etwa die, ob und inwieweit Schiedsgerichte an die Feststellungen der unionsinternen Gerichte gebunden werden könnten.148 141 Vgl. Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 183; Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 151. 142 Vgl. Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 183; Fischer-Lescano/Horst, CETA-Gutachten (o. Fn. 6), S. 14; Burgstaller (o. Fn. 28), The Journal of World Investment & Trade 15 (2014), S. 551 (562 f.). 143 Vgl. Fischer-Lescano/Horst, CETA-Gutachten (o. Fn. 6), S. 14. Vgl. Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 157, der mit Blick auf einen dauerhaften Gerichtshof die Möglichkeit sieht, Art. 267 AEUV entsprechend auslegen zu können. Vgl. ferner Classen, EUR 2012 (o. Fn. 6), S. 611 (618), der auch auf andere Probleme hinweist. 144 Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 157 f.; Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, D. I.; Hermann (o. Fn. 125), The Journal of World Investment & Trade 15 (2015), S. 570 (582 f.). 145 Vgl. zu diesem Punkt oben unter 3.2.3.3., S. 20, sowie die Nachweis in Fn. 93. 146 So Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 158. 147 Vgl. Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 156; Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, D. II. 148 Vgl. Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 156; Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, D. II. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 31 4.4.4. CETA und Freihandelsabkommen mit Singapur In den vorliegenden Texten des CETA und des Freihandelsabkommens mit Singapur wird keine der drei soeben dargestellten Möglichkeiten aufgegriffen. Weder ist eine direkte Beteiligung oder Einbindung des EU-Gerichtshofs vorgesehen, noch enthalten die Abkommen eine Regelung, die den Investor dazu verpflichtet, vor einem ISDS den unionsinternen Rechtsweg erschöpfend zu bestreiten. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass bereits das parallele Bestreiten der Rechtswege jedenfalls im Hinblick auf die Geltendmachung von Entschädigung und Schadensersatz ausgeschlossen wird.149 4.4.5. Zwischenergebnis Ungeachtet der im einzelnen bestehenden Probleme, eine Beteiligung oder Einbindung des EU-Gerichtshofs in der einen oder anderen Form im (primären) Unionsrecht umzusetzen, lässt sich der Erörterung dieses Gesichtspunktes in der Literatur entnehmen, dass die Einbeziehung der Unionsjudikative im Schrifttum wohl als notwendig angesehen wird, um die Autonomie der Unionsrechtsordnung im Hinblick auf die Zuständigkeiten des EU-Gerichtshofs zu wahren. Damit wird auch die – soweit ersichtlich – nicht ausdrücklich angesprochene Frage, ob die Einbeziehung auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung auch bei ISDS zwingend geboten ist150, jedenfalls auf impliziten Wege positiv beantwortet. Unterstellt man diese Notwendigkeit im Folgenden, so handelt es sich letztlich auch hier um eine Frage der Ausgestaltung. Diese birgt aufgrund der Umsetzungsschwierigkeiten allerdings größere praktische Herausforderungen als dies bei der Bestimmung des richtigen Schiedsgegners der Fall sein dürfte.151 Zu den im Schrifttum ebenfalls in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken rechtspolitischer Natur, wonach eine solche Einbeziehung des EU-Gerichtshofs zum einen den bisherigen Charakter von ISDS verändern würde und zum anderen wohl nicht ohne Weiteres von den übrigen Drittstaatsparteien akzeptiert werden würde,152 siehe unten unter 4.8. 4.5. Beeinträchtigung der Stellung mitgliedstaatlicher Gerichte als funktionale Unionsgerichte Ungeachtet der Notwendigkeit einer Beteiligung des EU-Gerichtshofs wird im Schrifttum unter Verweis auf das EuGH-Gutachten zum Europäischen Patentgericht eine weitere Problematik bei der Verankerung von ISDS erörtert.153 Es wird gefragt, ob nicht diese Möglichkeit des Rechtsschutzes für Investoren die Funktion mitgliedstaatlicher Gerichte als funktionale Unionsgerichte, 149 Vgl. Art. X.21 CETA (o. Fn. 3); Art. 9.20 Abs. 1 Buchst. (f) Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). Jedenfalls nach CETA besteht damit die Möglichkeit, parallel sog. Primärrechtsschutz vor nationalen oder Unionsgerichten zu suchen, d.h. unmittelbar gegen die die Investition beschränkende Maßnahme vorzugehen, um deren Aufhebung zu erreichen. Siehe dazu auch Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C.II. 150 Siehe dazu oben 3.2.4., S. 20. 151 Siehe oben unter 4.2., S. 26. 152 Vgl. etwa Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 183; ders., AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, D. 153 Siehe dazu oben unter 3.2.1., S. 15. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 32 die EU-Recht unter Nutzung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV auszulegen und anzuwenden haben, beeinträchtigen und damit ebenfalls die Autonomie der Rechtsordnung verletzen könnte.154 Zwar bestünden Unterschiede zur Konstellation, die dem erwähnten Gutachten zugrunde lag – so sollte das Patentgericht in einem bestimmten Bereich ausschließlich und anstelle mitgliedstaatlicher Gerichte unmittelbar Unionsrecht als Prüfungsmaßstab und -gegenstand auslegen und anwenden können.155 Dies sei zwar hier nicht der Fall, gleichwohl könne die Einräumung eines alternativen Rechtswegs in Form des ISDS dazu führen, dass bestimmte Fragen des EU-Rechts eben dort und nicht mehr durch mitgliedstaatliche Gerichte behandelt würden , so dass auch diesbezüglich Vorlagen an den EuGH ausgeschlossen wären.156 Ob der EuGH bereits das Bestehen eines alternativen Rechtswegs in Gestalt des ISDS für eine Beeinträchtigung der Funktion mitgliedstaatlicher Gerichte als funktionale Unionsgerichte genügen lassen würde, erscheint fraglich: Grund hierfür könnte zum einen sein, dass jeweils andere materielle Prüfungsmaßstäbe im Raum stehen. Sowohl das CETA als auch das Freihandelsabkommen mit Singapur enthalten nämlich Regelungen, wonach ihre Bestimmungen nicht unmittelbar anwendbar sind bzw. für Privatpersonen keine Rechte und Pflichten begründen.157 Damit ist es innerstaatlichen und auch Unionsgerichten verwehrt, entsprechende Maßnahmen am Maßstab der Investitionsschutzbestimmungen des CETA bzw. des Freihandelsabkommens Singapur zu prüfen. Beschränkt sich die Prüfung eines auf Grundlage dieser Abkommen eingesetzten Schiedsgerichts hingegen – wie vorgesehen – auf die Vereinbarkeit mit den darin enthaltenen Investitionsschutzbestimmungen, so stellt dies auf Seiten der mitgliedstaatlichen Gerichte keine Einbuße an (materiellen) Zuständigkeiten dar. Überschneidungen bestehen in dieser Konstellation nur insoweit, als das Schiedsgericht veranlasst sein könnte, das streitgegenständliche Unionsrecht auszulegen, um seine Vereinbarkeit mit den jeweiligen Investitionsschutzbestimmungen beurteilen zu können. Gleiches hätte ggf. ein mitgliedstaatliches oder Unionsgericht zu tun, soweit es die Vereinbarkeit der Maßnahme mit höherrangigem Unionsrecht zu bewerten hätte. Zum anderen betrifft die Alternative allein den auf Entschädigung gerichteten (sog. sekundären) Rechtsschutz. Nur insoweit ist zumindest nach Maßgabe des CETA und des Freihandelsabkommens Singapur eine parallele Beschreitung der Rechtswege ausgeschlossen.158 Im Übrigen, d.h. bei (primärem) Rechtsschutz, der gegen die streitige mitgliedstaatliche oder EU-Maßnahme mit dem Ziel ihrer Aufhebung begehrt wird, kommt nur der unionsinterne Rechtsweg in Betracht, da das ISDS die Möglichkeit der Geltendmachung derartiger Rechtschutzinhalte nicht vorsieht. 154 Vgl. etwa Hindelang, AVR 53 (2015), C. II.; Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 150; Classen, EUR 2012 (o. Fn. 6), S. 611 (616 f.). 155 Vgl. Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C. II. Siehe auch Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (53), der diesen Umstand als entscheidenden Unterschied hervorhebt. 156 Vgl. Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C. II. 157 Vgl. Art. 16.14 CETA (o. Fn. 3); Art. 17.15 Abs. 2 Freihandelsabkommen Singapur (o. Fn. 5). 158 Vgl. die Nachweise oben bei Fn. 149. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 33 Beide Aspekte reduzieren somit die möglichen Auswirkungen eines durch ISDS begründeten alternativen Rechtswegs im Vergleich zur Konstellation des Europäischen Patentgerichts. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Gerichtshof die dennoch bestehende potentielle Einbuße an Verfahren vor den mitgliedstaatlichen und Unionsgerichten genügen lassen würde, um eine Verletzung der Autonomie der Unionsrechtsordnung anzunehmen. 4.6. Reichweite externer Rechtskontrolle Ein Aspekt, der im Zusammenhang mit der Verankerung von ISDS in EU-Abkommen – soweit ersichtlich – bisher nicht erörtert wird, betrifft den zwingenden Gleichlauf der Reichweite von externer und interner, durch Unionsgerichte gewährleisteter Rechtskontrolle.159 Danach gilt es auch mit Blick auf ISDS sicherzustellen, dass am Maßstab des jeweiligen Abkommens nur solches Unionsrecht überprüft werden kann, welches durch den EU-Gerichtshof, ggf. unter Einbindung der nationalen Gerichte kontrolliert werden könnte. Betroffen hiervon ist – wie auch im Hinblick auf den EMRK-Beitritt – vor allem die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), wenngleich die praktische Relevanz dieses EU-Politikbereichs für den Investitionsschutz wohl gering sein dürfte. Mit Blick auf bspw. die Herstellung und den Export von Rüstungsgütern ist sie gleichwohl nicht ausgeschlossen. Im CETA und im Freihandelsabkommen mit Singapur finden sich zu dieser Frage keine Regelungen. 4.7. Zu den Auswirkungen von Schiedsgerichtsentscheidungen Ein oben bereits angesprochenes Problem, welches im Schrifttum erörtert wird, sind die möglichen Auswirkungen von Schiedsgerichtsentscheidungen auf das Unionsrecht und insbesondere auf die Rolle des EU-Gerichtshofs als dessen Wahrer. Als Standardbeispiel hierfür dient der Fall einer unionsrechtlich vorgegebenen Rückforderung staatlicher Beihilfen wegen Verstoßes gegen Art. 107 AEUV.160 Beträfe die Rückforderung auch einen unter ein Freihandelsabkommen fallenden Investor, könnte dieser über ein ISDS versuchen, diese Rückforderung als Verstoß gegen Investitionsschutzbestimmungen anzugreifen und eine entsprechende Entschädigung zu erlangen. In der Konsequenz bestünde die Gefahr, dass das EU-Beihilferecht in der Sache konterkariert würde. Zudem stünde eine solche Möglichkeit in der Union ansässigen Unternehmen nicht zur Verfügung, so dass das ISDS eine Diskriminierung zu Lasten europäischer Investoren bewirken könnte. Hierdurch wäre zugleich auch der Grundsatz des Wettbewerbs gestört. Ähnliche Fallkonstellationen seien in anderen Bereichen denkbar, soweit sich auch dort Investoren aus dritten Vertragsstaaten sich unionsrechtlichen Zahlungspflichten etwa umwelt- oder abgabenrechtlicher Natur gegenübersehen.161 Im Schrifttum wird mit Blick auf derartige Beispielskonstellationen erörtert, ob nicht die tatsächlichen Auswirkungen entsprechender Schiedssprüche den EU-Gerichtshof wenn nicht rechtlich, 159 Siehe dazu oben unter 3.2.5., S. 24. 160 Vgl. auch zu den nachfolgenden Sätzen Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 146 ff.; Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C.I.; Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (50 f.). 161 So Fischer-Lescano/Horst, CETA-Gutachten (o. Fn. 6), S. 14. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 34 so doch faktisch dazu zwingen könnten, seine Rechtsprechung an die der Schiedsgerichte anzupassen , um die geschilderten Konsequenzen und insbesondere eine Diskrepanz zwischen Unionsrecht und den einschlägigen Investitionsschutzbestimmungen zu vermeiden.162 Ob der EuGH diese Umstände tatsächlicher Natur ausreichen lassen würde für eine Verletzung der Autonomie der Unionsrechtsordnung, wird im Ergebnis allerdings offen gelassen.163 Zutreffend wird in den entsprechenden Stellungnahmen auf den Umstand verwiesen, dass der Gerichthofs sich zu derartigen Fragen in den bisherigen Gutachten nicht geäußert hat.164 Soweit diese Problematik durch den EuGH als Gefahr für die primärrechtliche Zulässigkeit angesehen werden würde, ließe sie sich jedenfalls dadurch reduzieren, dass man zum einen die materiellen Investitionsschutzstandards weitgehend in Übereinstimmung mit den Vorgaben des relevanten Unionsrechts, etwa dem Beihilferecht, in Einklang bringt.165 Zum anderen könnte die oben erörterte Beteiligung des EU-Gerichtshofs mögliche Diskrepanzen zwischen Unionsrecht und den Bestimmungen des Investitionsschutzes zu vermeiden helfen. In beiden Fällen wäre es somit letztlich eine Frage der Ausgestaltung des ISDS. Dessen ungeachtet stellen beide Ansätze jedoch keine Garantie dafür dar, dass unterschiedliche Entscheidungen in der Sache von Schiedsgerichten einerseits und Unionsgerichten andererseits sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen stets ausgeschlossen bleiben. Würde man einen solchen Entscheidungsgleichklang indes zur Voraussetzung für die Wahrung der Autonomie der Unionsrechtsordnung machen wollen, wäre der primärrechtliche Raum für die Unterwerfung der EU unter völkervertragliche Streitbeilegungsmechanismen deutlich eingeschränkt.166 4.8. Problem der Reziprozität Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Verankerung von ISDS in Freihandelsabkommen der EU lässt sich am besten mit dem Begriff der Reziprozität umschreiben. Zwar ist das ISDS der Ausgestaltung durch die Vertragsparteien zugänglich. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich die Parteien über Art und Umfang der Ausgestaltung einvernehmlich verständigen. Inwieweit insbesondere eine Beteiligung bzw. Einbindung des EU-Gerichtshofs oder andere aus der Autonomie der Unionsrechtsordnungen folgende Vorgaben mit der jeweils anderen Partei eines 162 Dieses Szenario entwirft insbesondere Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C.I. 163 Vgl. Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 151; Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C.I. Eher ablehnend Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (50); Hermann (o. Fn. 125), The Journal of World Investment & Trade 15 (2015), S. 570 (582). 164 Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, C.I. 165 Im Zusammenhang mit dem CETA kommt Schill, CETA-Kurzgutachten (o. Fn. 116) zum Ergebnis, dass die dort gewährleisteten Schutzstandards hinter denen des Unions- und des deutschen Verfassungsrechts zurückbleiben . 166 Vgl. dazu bereits oben unter 3.2.3.1., S. 18. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 35 Handelsabkommens vereinbart werden können, lässt sich nicht ohne weiteres vorhersehen.167 Fraglos würde insbesondere die Einbeziehung der Unionsjudikative den bisher bekannten Charakter des ISDS in grundsätzlicher Weise ändern.168 Besteht hierzu kein Konsens der Vertragsstaaten, wäre unter Umständen ein Verzicht auf dieses Instrument die Folge. Dies hieße in der Konsequenz aber auch, dass EU-Investoren eine völkervertraglich verbindliche Möglichkeit des Rechtsschutzes für deren Investitionstätigkeit in den betreffenden Vertragsstaaten genommen würde.169 Ob der EuGH solchen Erwägungen handelspolitischer Natur rechtliches Gewicht beimessen würde, um im Hinblick auf das ISDS andere, insbesondere weniger strenge Vorgaben an die Wahrung der Unionrechtsautonomie zu stellen, entzieht sich an dieser Stelle einer Beurteilung. Gleiches gilt für die Frage, ob es darauf ankommt, dass das (innerstaatliche) Rechtsschutzsystem des jeweiligen Vertragspartners, zu dem das vertraglich vorgesehene ISDS als Alternative hinzutreten würde, rechtsstaatlichen Standards genügt, die EU-seitig an die Judikative gestellt werden (vgl. etwa Art. 47 Grundrechte-Charta). 5. Ergebnis Als Ergebnis lässt sich zunächst festhalten, dass eine Verankerung von ISDS in Freihandelsabkommen der EU im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu völkervertraglichen Streitentscheidungsmechanismen jedenfalls nicht per se als mit dem Primärrecht unvereinbar angesehen werden kann. Entscheidend für die unionsrechtliche Zulässigkeit von ISDS wird vielmehr sein, ob deren Ausgestaltung im Einzelnen die Autonomie der Unionsrechtsordnung wahrt. Den einschlägigen Gutachten des EuGH lassen sich insoweit mehrere Vorgaben entnehmen, die nach jetzigem Stand der Rechtsprechung auch im Hinblick auf die Einführung von ISDS zu beachten wären. Hierzu zählt zunächst die Wahrung der Zuständigkeiten der EU im Hinblick auf die Bestimmung der Schiedsgegnerschaft in einem ISDS. Die Entscheidung, ob die EU oder ein EU-Mitgliedstaat von einem Investor in Anspruch genommen wird, muss unter Berücksichtigung der streitbefangenen Maßnahme autonom durch die EU getroffen werden und darf nicht dem Investor oder dem Schiedsgericht überlassen bleiben. Des Weiteren müsste sichergestellt sein, dass die Reichweite externer Rechtskontrolle durch ein ISDS nicht weiterrecht als die Überprüfungsmöglichkeiten durch den EU-Gerichtshof, einschließ- 167 Kritisch insbesondere hinsichtlich der Einbindung des EU-Gerichtshofs und der Anerkennung der Verbindlichkeit seiner Entscheidungen, Pernice, in: EP-ISDS-Studie (Fn. 8), Part III, S. 151, 157. Skeptisch, soweit in der Konsequenz nur Verletzung von Drittstaaten durch ISDS sanktioniert werden könnten, die Prüfung von EU- Recht hingegen allein dem EU-Gerichtshof überlassen wäre, Hindelang, Primärrechtlicher Rahmen (o. Fn. 6), S. 183. Siehe auch Schill, Luxembourg Limits (o. Fn. 6), S. 39 (53 f.). 168 Vgl. Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, D. Einleitung („small revolution“). 169 Zu den dann ggf. verbleibenden Rechtsschutzoptionen der Investoren im Fall von Staat-Staat-Schiedsverfahren, vgl. Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, D. II. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 25/15 Seite 36 lich mitgliedstaatlicher Gerichte über das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV. Daraus folgt, dass nur solche Bereiche des EU-Rechts am Maßstab des jeweiligen Freihandelsabkommens bzw. seiner Investitionsschutzbestimmungen überprüfbar sind, die auch durch den EU-Gerichtshof kontrolliert werden können. Danach müsste insbesondere der Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik jedenfalls insoweit dem Zugriff eines ISDS entzogen sein, als auch der EU-Gerichtshof von seiner Überprüfung ausgeschlossen ist (vgl. Art. 275 AEUV). Von entscheidender Bedeutung dürfte jedoch sein, ob und inwieweit der EU-Gerichtshof vor oder während eines Schiedsverfahrens die Gelegenheit haben muss, dass streitgegenständliche Unionsrecht auszulegen oder sogar über dessen Gültigkeit zu befinden. Eine solche Beteiligung könnte als notwendig angesehen werden, um die ausschließliche Zuständigkeit des EU-Gerichtshofs zur letztverbindlichen Auslegung des Unionsrechts und zu seiner Rechtmäßigkeitskontrolle zu wahren. Insbesondere dem Ende 2014 verkündeten Gutachten zum EMRK-Beitrittsvertrag ließe sich eine solche allgemeine Vorgabe entnehmen. Auch im einschlägigen Schrifttum wird die Einbindung der Unionsjudikative befürwortet. Ob und ggf. in welcher Form der EuGH ein solches Erfordernis über die Konstellation des EMRK-Beitritts hinaus auch für das ISDS als notwendig erachten würde, lässt sich jedoch nicht mit Sicherheit feststellen. Unklar ist ferner, wie der EuGH die möglichen tatsächlichen Auswirkungen von Schiedsgerichtsentscheidungen auf das Unionsrecht und auf die Zuständigkeiten des EU-Gerichtshofs beurteilen würde. Problematisch könnten derartige Auswirkungen insbesondere dann sein, wenn Entschädigungen , die Investoren in Verfahren gegen die EU zugesprochenen werden, in Widerspruch zu unionsrechtlichen (Rück-)Zahlungspflichten treten würden, etwa im EU-Beihilferecht bei Rückforderung von unionsrechtswidrig gewährten staatlichen Beihilfen. Offen ist schließlich, welches rechtliche Gewicht der EuGH dem Umstand beimessen würde, dass sich die Umsetzung unionsprimärrechtlicher Zulässigkeitsvorgaben an das ISDS als handelspolitisch problematisch erweisen und zu einem Verzicht auf dieses Instrument führen könnte. Denn hierdurch würde auch EU- Investoren eine völkervertraglich verbindliche Möglichkeit des Rechtsschutzes für deren Investitionsstätigkeit in dem betreffenden Vertragsstaat genommen. Aufgrund der vielen und teils offenen Rechtsfragen, die die Verankerung von ISDS in Freihandelsabkommen der EU aufwirft, wird im Schrifttum daher zu Recht vorgeschlagen, den EuGH mit deren Beantwortung im Wege des Gutachtenverfahrens nach Art. 218 Abs. 11 AEUV zu befassen .170 - Fachbereich Europa - 170 So etwa Hindelang, AVR 53 (2015) – o. Fn. 6, E.; Hermann (o. Fn. 125), The Journal of World Investment & Trade 15 (2015), S. 570 (584).