© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 022/19 Europäischer Verwaltungsverbund im Arzneimittelrecht Zuständigkeiten der Organe und Einrichtungen der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem Entzug, Ändern und Ruhenlassen nationaler Arzneimittelzulassungen Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Zuständigkeitsverteilung 4 2.1.2. Unionsrecht 5 2.1.3. Nationales Recht 7 2.2. Genehmigung als Marktzutrittsvoraussetzung 8 2.2.1. Nationale Registrierung 8 2.2.2. Zulassung 8 2.2.2.1. Zentralisiertes Zulassungsverfahren 8 2.2.2.2. Verfahren der gegenseitigen Anerkennung 9 2.2.2.3. Dezentralisiertes Zulassungsverfahren 11 2.2.2.4. Separate nationale Zulassungsverfahren 12 2.3. Harmonisierungs-Verfahren 13 3. Organe und Einrichtungen der Europäischen Union im Bereich des Arzneimittelrechts 13 3.1. Kommission 13 3.2. Europäische Arzneimittel-Agentur 14 3.3. Koordinierungsgruppen CMDh und CMDv 15 4. Zuständigkeiten der Organe und Einrichtungen der EU im Rahmen des Entzugs, Änderns und Ruhenlassens nationaler Arzneimittelzulassungen 15 4.1. Dezentralisiertes Zulassungsverfahren und Verfahren der gegenseitigen Anerkennung 16 4.1.1. Änderung der Arzneimittelzulassungen 16 4.1.1.1. Zulassungserweiterungen 16 4.1.1.2. Änderungstypen IA, IB und II 16 4.1.1.2.1. Verfahren nach den Art. 8 bis 10 Verordnung 1234/2008 16 4.1.1.2.2. Artikel 31-Referrals und Artikel 35-Referral 18 4.1.1.2.3. Dringlichkeitsverfahren der Union 19 4.1.2. Entzug und Ruhen der Arzneimittelzulassungen 20 4.2. Separate nationale Zulassungsverfahren 20 5. Zusammenfassung 21 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 4 1. Fragestellung und Hintergrund Vor dem Hintergrund eines möglichen Entzugs oder Ruhenlassens der Zulassung des Arzneimittels Zoloft®, eines SSRI-Antidepressivas (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) mit dem Wirkstoff Sertralin, das am 7. Oktober 1996 im Rahmen eines nationalen Verfahrens von einer nationalen Behörde zugelassen wurde,1 ist der Fachbereich Europa beauftragt worden, zu untersuchen , welche Zuständigkeiten der Organe und Einrichtungen der Europäischen Union (EU) im Zusammenhang mit dem Ändern, Entziehen und Ruhenlassen auch solcher Arzneimittelzulassungen bestehen, welche von nationalen Behörden in nationalen Zulassungsverfahren erteilt wurden. Im Folgenden wird zunächst das materielle Arzneimittelrecht dargestellt (2.). Daraufhin wird eine nähere Betrachtung der Organe und Einrichtungen der Union in diesem Bereich vorgenommen (3.). Im Anschluss daran erfolgt die Beantwortung der Frage, welche Zuständigkeiten die Organe und Einrichtungen der EU in Fällen, in denen Arzneimittel von nationalen Behörden in nationalen Verfahren zugelassen wurden, im Rahmen eines Entzugs, Ruhenlassens oder einer Änderung der Zulassung haben (4.). Die Ausarbeitung schließt mit einer Zusammenfassung (5.). 2. Materielles Arzneimittelrecht Vorab wird ein kurzer Überblick über die Vorschriften des europäischen und nationalen Arzneimittelrechts gegeben (2.1.). Daran anschließend werden die unterschiedlichen Genehmigungsverfahren für Arzneimittel (2.2.) und das sog. Harmonisierungsverfahren (2.3.) dargestellt, wodurch die Europäisierung des Arzneimittelrechts und damit auch der mittlerweile bestehende europäische Verwaltungsverbund in diesem Bereich veranschaulicht werden. 2.1. Europäisches und nationales Arzneimittelrecht Auf die Erläuterung der Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten im Bereich des Arzneimittelrechts (2.1.1.) folgt eine Aufführung der wichtigsten unionsrechtlichen (2.1.2.) und nationalen (2.1.3.) Vorschriften auf diesem Gebiet. 2.1.1. Zuständigkeitsverteilung Im Rahmen der europäischen Integration haben die Mitgliedstaaten im Bereich des Arzneimittelrechts Kompetenzen auf die EU übertragen. Nach Art. 168 Abs. 4 lit. c Var. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können der Rat und das Europäische Parlament im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 1, Art. 294 AEUV „Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Arzneimittel“ erlassen. Gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. k i. V. m. Art. 168 Abs. 4 AEUV handelt es sich dabei um eine geteilte Zuständigkeit der EU. Nach Art. 2 Abs. 2 AEUV können in einem solchen Kompetenzbereich so- 1 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/13313 – „Mögliche Unzulänglichkeiten bei der Zulassung von Antidepressiva“, BT-Drucksache 18/13452, S. 4-5. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 5 wohl Union als auch Mitgliedstaaten gesetzgeberisch tätig werden; allerdings nehmen die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeiten nur wahr, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeiten nicht ausgeübt hat. Eine weitere Kompetenzgrundlage auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts stellt die Querschnittskompetenz des Art. 114 Abs. 1 S. 2 AEUV – gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a AEUV ebenfalls eine geteilte Zuständigkeit der Union –2 dar, auf deren Grundlage „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“ erlassen werden können.3 Vielfach werden Rechtsakte der EU in diesem Bereich auf beide der genannten Rechtsgrundlagen gestützt, bspw. die Richtlinien 2011/62/EU4 und 2012/26/EU5 (siehe die jeweiligen Erwägungsgründe ) sowie die Verordnung (EU) Nr. 536/20146 (siehe Erwägungsgrund Nr. 82). 2.1.2. Unionsrecht Den zentralen Rechtsakt des europäischen Arzneimittelrechts für Humanarzneimittel bildet die Richtlinie 2001/83/EG7 (im Folgenden: Gemeinschaftskodex). Diese fasst die bis zu dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens geltenden unionsrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen zum humanen Arzneimittelrecht zusammen.8 Regelungsgegenstände sind neben dem Inverkehrbringen von Humanarzneimitteln insbesondere auch die Werbung sowie Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP) für Humanarzneimittel. Daneben beinhaltet der Gemeinschaftskodex Vorschriften zu dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dem dezentralisierten Zulassungsverfahren.9 Zu beachten ist, dass der Gemeinschaftskodex 2 Korte, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 114 AEUV, Rn. 8. 3 Vgl. Kügel, in: Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2. Aufl. 2013, § 14, Rn. 16. 4 Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Verhinderung des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette Text von Bedeutung für den EWR, ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 74, letzte konsolidierte Fassung. 5 Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG hinsichtlich der Pharmakovigilanz Text von Bedeutung für den EWR, ABl. L 299 vom 27.10.2012, S. 1. 6 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG Text von Bedeutung für den EWR, ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1, letzte konsolidierte Fassung. 7 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67, letzte konsolidierte Fassung. 8 Vgl. Kügel, in: Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2. Aufl. 2013, § 14, Rn. 17. 9 Siehe hierzu unten unter 2.2.2.2. (S. 9) sowie 2.2.2.3. (S. 11). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 6 als Richtlinie zur Erlangung unmittelbarer Wirksamkeit grundsätzlich der Umsetzung in nationales Recht bedarf, vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV.10 Einen vergleichbaren Kodex stellt im Bereich der Tierarzneimittel die Richtlinie 2001/82/EG11 (im Folgenden: Tierarzneimittel-Richtlinie) dar.12 Am 28. Januar 2022 wird die Tierarzneimittel- Richtlinie von der Verordnung (EU) 2019/613 abgelöst. Von besonderer Bedeutung ist überdies die Verordnung (EG) Nr. 726/200414 (im Folgenden: Verordnung 726/2004), welche das zentralisierte Zulassungsverfahrens für Human- und Tierarzneimittel regelt und zugleich die Rechtsgrundlage für die Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, EMA) bildet.15 Sie beinhaltet außerdem Vorschriften zur Pharmakovigilanz . Als Verordnung gilt sie unmittelbar in den Mitgliedstaaten, vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV. Die bereits oben genannte Verordnung (EU) Nr. 536/201416 bildet den Rechtsrahmen für die Durchführung klinischer Prüfungen mit Humanarzneimitteln. Sie soll insbesondere die Sicherheit der Prüfungsteilnehmer und die Einhaltung der Grundsätze der guten klinischen Praxis (Good Clinical Practice, GCP) sicherstellen. Näheres zu den insoweit von den Mitgliedstaaten vorzunehmenden Inspektionen legt die auf ihrer Grundlage erlassene Durchführungsverordnung (EU) 2017/55617 fest. 10 Gegenstand dieser Ausarbeitung sind lediglich die unionsrechtlichen Verfahrensvorgaben. Ob und inwieweit solche Verfahrensvorgaben, die in Richtlinien im Sinne des Art. 288 Abs. 3 AEUV geregelt sind, durch die Mitgliedstaaten umgesetzt worden sind, wird an dieser Stelle nicht erörtert. 11 Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 1, letzte konsolidierte Fassung. 12 Kügel, in: Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2. Aufl. 2013, § 14, Rn. 30. 13 Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43. Siehe die Art. 149 und 160 dieser Verordnung zu der Ersetzung der Tierarzneimittel-Richtlinie. 14 Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1, letzte konsolidierte Fassung. 15 Siehe hierzu unten unter 2.2.2.1. (S. 8) sowie 3.2. (S. 14). 16 Siehe Fn. 6. 17 Durchführungsverordnung (EU) 2017/556 der Kommission vom 24. März 2017 über die Einzelheiten der Inspektionsverfahren hinsichtlich der guten klinischen Praxis gemäß der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 80 vom 25.3.2017, S. 7. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 7 Zu nennen sind an dieser Stelle des Weiteren die Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 (im Folgenden: Verordnung 1234/2008)18, die den Rechtsrahmen nicht nur für Änderungen solcher Arzneimittelzulassungen bildet, welche im Wege eines zentralisierten, dezentralisierten oder Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung erteilt wurden, sondern auch für Änderungen rein nationaler Arzneimittelzulassungen , sowie die Verordnungen (EG) Nr. 141/200019 und 1901/200620, die Sonderregelungen für Orphan Drugs (Arzneimittel für seltene Leiden) bzw. Kinderarzneimittel enthalten. 2.1.3. Nationales Recht Aufgrund der fortgeschrittenen europäischen Integration beruhen zahlreiche Regelungen des nationalen und damit auch des deutschen Arzneimittelrechts auf – u. a. oben genannten – unionsrechtlichen Vorgaben.21 Das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz, im Folgenden: AMG)22, welches sowohl auf Human-, als auch Tierarzneimittel Anwendung findet, bildet dabei den zentralen deutschen Rechtsakt.23 Es beinhaltet neben allgemeinen Anforderungen an Arzneimittel u. a. Vorschriften zu deren Herstellung, Zulassung, Registrierung, klinischen Prüfung und zur Pharmakovigilanz . An dieser Stelle beispielhaft zu nennen sind überdies die Verordnungen über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher 18 Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 der Kommission vom 24. November 2008 über die Prüfung von Änderungen der Zulassungen von Human- und Tierarzneimitteln (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 334 vom 12.12.2008, S. 7, letzte konsolidierte Fassung. 19 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden, ABl. L 18 vom 22.1.2000, S. 1, letzte konsolidierte Fassung. 20 Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1, letzte konsolidierte Fassung. 21 Vgl. Schnall, in: Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, 38. EL Oktober 2017, Rn. 364. 22 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz), zul. geä. durch Art. 1 des Gesetzes vom 18.7.2017 (BGBl. I S. 2757). 23 Schnall, in: Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, 38. EL Oktober 2017, Rn. 365. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 8 Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung - AMWHV)24 und über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung - AMVV)25. 2.2. Genehmigung als Marktzutrittsvoraussetzung Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Gemeinschaftskodex und Art. 5 Abs. 1 UAbs. 1 Tierarzneimittel- Richtlinie unterliegt das Inverkehrbringen von Arzneimitteln einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt . Arzneimittel dürfen erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn durch die zuständige Behörde eine entsprechende Genehmigung erteilt worden ist. Zu unterscheiden ist dabei zwischen nationalen Registrierungen (2.2.1.) und Zulassungen (2.2.2.). 2.2.1. Nationale Registrierung Lediglich gemäß den nationalen Vorschriften zu registrieren oder zu genehmigen sind nach den Art. 13 ff. Gemeinschaftskodex und Art. 16 ff. Tierarzneimittel-Richtlinie homöopathische Arzneimittel . Für ersteres haben die Mitgliedstaaten besondere vereinfachte Registrierungsverfahren zu schaffen, wie es in Deutschland in den §§ 38 f. AMG geschehen ist. Ebenfalls ausreichend ist ein vereinfachtes nationales Registrierungsverfahren ferner nach den Art. 16a ff. Gemeinschaftskodex für traditionelle pflanzliche Arzneimittel, wie es in Deutschland in den §§ 39a ff. AMG geregelt ist. 2.2.2. Zulassung Für sonstige Arzneimittel gibt es innerhalb der EU vier unterschiedliche Wege diese zuzulassen: in einem zentralisierten Zulassungsverfahren (2.2.2.1.), einem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (2.2.2.2.), einem dezentralisierten Zulassungsverfahren (2.2.2.3.) oder einem rein nationalen Zulassungsverfahren (2.2.2.4.). Für die Fragestellung von Relevanz sind allein die drei letztgenannten Verfahren, da nur im Rahmen dieser Verfahren nationale Zulassungen erteilt werden . 2.2.2.1. Zentralisiertes Zulassungsverfahren Das in der Verordnung 726/2004 geregelte zentralisierte Zulassungsverfahren ist gemäß ihres Art. 3 Abs. 1 verpflichtend für solche Arzneimittel, die unter den Anhang der Verordnung 726/2004 fallen. Dazu gehören insbesondere Arzneimittel, die in den dort genannten biotechnologischen Verfahren hergestellt werden (Nr. 1). Für die im Anhang aufgelisteten Arznei- 24 Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung - AMWHV), zul. geä. durch Art. 3 der Verordnung vom 2.7.2018 (BGBl. I S. 1080). 25 Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung - AMVV), zul. geä. durch Art. 1 der Verordnung vom 26.9.2018 (BGBl. I S. 1386). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 9 mittel besteht also eine ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Kommission (im Folgenden : Kommission) und der EMA für die Zulassung.26 Lediglich fakultativ anwendbar ist das zentralisierte Zulassungsverfahren demgegenüber auf unter die Absätze 2 und 3 des Art. 3 Verordnung 726/2004 fallenden Arzneimittel. Der Zulassungsantrag ist bei der EMA einzureichen.27 Nach dessen positiver Validierung beginnt die Beurteilungsphase, in welcher der Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) oder der Ausschuss für Tierarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Veterinary Use, CVMP) der EMA eine wissenschaftliche Bewertung der Antragsunterlagen vornimmt, an deren Ende ein finales Gutachten des Ausschusses mit einer positiven oder negativen unverbindlichen Empfehlung zur Zulassung steht.28 Im Anschluss an die Übermittlung des Gutachtens und der Empfehlung an die Kommission, die Mitgliedstaaten und den Antragsteller29 sowie an einen ersten Entscheidungsentwurf erteilt oder versagt die Kommission die Zulassung (im Folgenden: Gemeinschaftszulassung).30 Eine Gemeinschaftszulassung gilt gemäß Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1, Art. 38 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 Verordnung 726/2004 innerhalb der gesamten Union, weshalb es zu ihrer Wirksamkeit in den Mitgliedstaaten keiner Umsetzung, z. B. in Form nationaler Zulassungen, mehr bedarf.31 Die Versagung einer Gemeinschaftszulassung stellt nach Art. 12 Abs. 2, Art. 37 Abs. 2 Verordnung 726/2004 für das jeweilige Arzneimittel ein unionsweites Verbot des Inverkehrbringens dar. 2.2.2.2. Verfahren der gegenseitigen Anerkennung Nach Erlangung einer nationalen Zulassung gemäß dem nationalem Recht in einem nationalen Verfahren im sog. Referenzmitgliedstaat (Reference Member State, RMS), besteht – soweit nicht Kommission und EMA nach Art. 3 Abs. 1 i. V. m. dem Anhang der Verordnung 726/2004 ausschließlich für die Erteilung einer (Gemeinschafts-)Zulassung zuständig sind – die Möglichkeit, deren Anerkennung im Wege des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Procedure, MRP) in weiteren Mitgliedstaaten (Concerned Member States, CMS) zu beantragen .32 26 Vgl. Friese, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 1. Aufl. 2010, § 5, Rn. 10. 27 Art. 4 Abs. 1 Verordnung 726/2004. 28 Art. 6 ff. bzw. Art. 31 ff. Verordnung 726/2004. 29 Art. 9 Abs. 3 bzw. Art. 34 Abs. 3 Verordnung 726/2004. 30 Art. 10 Abs. 1, 2 bzw. Art. 35 Abs. 1, 2 Verordnung 726/2004. 31 Friese, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 1. Aufl. 2010, § 5, Rn. 67. 32 Vgl. Art. 28 Abs. 1, 2 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 1, 2 Tierarzneimittel-Richtlinie. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 10 Der RMS erstellt oder aktualisiert auf Ersuchen des Antragsstellers einen Beurteilungsbericht über das jeweilige Arzneimittel,33 welcher dem Antragsteller und den CMS zusammen mit der gebilligten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, der Etikettierung und der Packungsbeilage übermittelt wird.34 Letztere entscheiden nun über die Billigung dieser Unterlagen .35 Kommt es zu einer Verweigerung der Billigung durch einen CMS, wird zunächst in der jeweiligen Koordinierungsgruppe, der Coordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures – Human (CMDh) oder der Coordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures – Veterinary (CMDv), versucht, eine Einigung herbeizuführen.36 Allein Gründe der potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit rechtfertigen solch eine Weigerung.37 Konnte eine Einigung über die genannten Unterlagen erzielt werden, stellt der RMS das Einverständnis der Parteien fest, schließt das Verfahren und informiert den Antragsteller hierüber.38 Die CMS genehmigen daraufhin nach ihren nationalen Vorschriften das Inverkehrbringen des Arzneimittels in Übereinstimmung mit den genannten Unterlagen.39 Konnte demgegenüber – auch in der jeweiligen Koordinierungsgruppe – keine Einigung erzielt werden, können die CMS, welche die genannten Unterlagen gebilligt haben, das Arzneimittel auf Antrag des Antragstellers trotzdem nach ihrem nationalen Recht zulassen.40 Außerdem findet vor dem jeweiligen Ausschuss der EMA CHMP oder CVMP nach den Art. 32 bis 34 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 36 bis 38 Tierarzneimittel-Richtlinie ein Schiedsverfahren statt,41 das sog. Artikel 29 Absatz 4-Referral bzw. Artikel 33 Absatz 4-Referral, an dessen Ende ein gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV bindender Beschluss der Kommission über die Erteilung oder Versagung der Zulassung steht, welcher in nationale Entscheidungen umzusetzen ist.42 33 Art. 28 Abs. 2 S. 2, 3 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 2 S. 2, 3 Tierarzneimittel-Richtlinie. 34 Art. 28 Abs. 2 S. 4 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 2 S. 4 Tierarzneimittel-Richtlinie. 35 Vgl. Art. 28 Abs. 4 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 4 Tierarzneimittel-Richtlinie. 36 Vgl. Art. 29 Abs. 3 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 33 Abs. 3 Tierarzneimittel-Richtlinie. 37 Art. 29 Abs. 1 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 33 Abs. 1 UAbs. 1 Tierarzneimittel-Richtlinie. 38 Art. 28 Abs. 4 S. 2, Art. 29 Abs. 3 S. 3 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 4 S. 2, Art. 33 Abs. 3 S. 3 Tierarzneimittel -Richtlinie. 39 Art. 28 Abs. 5, Art. 29 Abs. 3 S. 4 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 5, Art. 33 Abs. 3 S. 4 Tierarzneimittel- Richtlinie. 40 Art. 29 Abs. 6 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 33 Abs. 6 Tierarzneimittel-Richtlinie. 41 Art. 29 Abs. 4 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 33 Abs. 4 Tierarzneimittel-Richtlinie. 42 Vgl. Art. 34 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 38 Tierarzneimittel-Richtlinie. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 11 Der jeweilige Ausschuss der EMA CHMP oder CVMP wird auch dann von der Kommission, einem Mitgliedstaat oder dem Antragsteller nach den Art. 32 bis 34 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 36 bis 38 Tierarzneimittel-Richtlinie mit dem Zulassungsantrag befasst, wenn ein besonderer Fall von Unionsinteresse gegeben ist, sog. Artikel 31-Referral in Gestalt des Nicht-Pharmakovigilanz -Verfahrens bzw. Artikel 35-Referrals.43 Ein solches Verfahren endet ebenfalls mit einem bindenden und von den Mitgliedstaaten umzusetzenden Beschluss der Kommission im Sinne des Art. 288 Abs. 4 AEUV über die Erteilung oder Versagung der Zulassung. 2.2.2.3. Dezentralisiertes Zulassungsverfahren Haben Kommission und EMA nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. dem Anhang der Verordnung 726/2004 die ausschließliche Kompetenz für eine (Gemeinschafts-)Zulassungserteilung inne und liegt noch keine nationale Zulassung vor, kann im Wege eines dezentralisierten Zulassungsverfahrens (Decentralised Procedure, DCP) zugleich in mehreren Mitgliedstaaten ein Zulassungsantrag eingereicht werden.44 Der Antragsteller benennt einen Mitgliedstaat, der die Funktion des RMS übernimmt und den Beurteilungsbericht , die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, die Etikettierung und die Packungsbeilage entwirft.45 Nachdem diese Dokumente an den Antragsteller und die CMS übermittelt wurden,46 entscheiden letztere über deren Billigung.47 Das Verfahren, sollte ein CMS die Billigung verweigern, entspricht demjenigen im Rahmen eines MRP.48 Konnte eine Einigung über die genannten Dokumente erzielt werden, stellt der RMS das Einverständnis der Parteien fest, schließt das Verfahren und informiert den Antragsteller hierüber.49 Anschließend lassen die CMS und der RMS das Arzneimittel nach ihren nationalen Vorschriften in Übereinstimmung mit den genannten Dokumenten zu.50 43 Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 35 Abs. 1 UAbs. 1 Tierarzneimittel-Richtlinie. 44 Vgl. Art. 28 Abs. 1 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 1 Tierarzneimittel-Richtlinie. 45 Art. 28 Abs. 1, 3 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 1, 3 Tierarzneimittel-Richtlinie. 46 Art. 28 Abs. 3 S. 2 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 3 S. 2 Tierarzneimittel-Richtlinie. 47 Vgl. Art. 28 Abs. 4 Gemeinschafts-kodex bzw. Art. 32 Abs. 4 Tierarzneimittel-Richtlinie. 48 Vgl. Art. 29 Abs. 1, 3 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 33 Abs. 1 UAbs.1, Abs. 3 Tierarzneimittel-Richtlinie. Siehe hierzu oben unter 2.2.2.2. (S. 9). 49 Art. 28 Abs. 4 S. 2, Art. 29 Abs. 3 S. 3 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 4 S. 2, Art. 33 Abs. 3 S. 3 Tierarzneimittel -Richtlinie. 50 Art. 28 Abs. 5, Art. 29 Abs. 3 S. 4 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 32 Abs. 5, Art. 33 Abs. 3 S. 4 Tierarzneimittel- Richtlinie. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 12 Wird – auch in der jeweiligen Koordinierungsgruppe – keine Einigung erzielt, können die Mitgliedstaaten , welche die genannten Dokumente gebilligt haben, das Inverkehrbringen des Arzneimittels wiederum nach ihren nationalen Vorschriften genehmigen.51 Wie im MRP findet in einer solchen Situation ein Artikel 29 Absatz 4-Referral bzw. Artikel 33 Absatz 4-Referral vor dem jeweiligen Ausschuss der EMA statt.52 Bei Vorliegen eines besonderen Falls von Unionsinteresse befassen die Kommission, ein Mitgliedstaat oder der Antragsteller ebenfalls – wie im MRP – den jeweiligen Ausschuss der EMA CHMP oder CVMP mit dem Zulassungsantrag in einem Nicht-Pharmakovigilanz-Verfahren bzw. einem Artikel 35-Referral.53 2.2.2.4. Separate nationale Zulassungsverfahren Ist keine ausschließliche Zuständigkeit von Kommission und EMA für die Erteilung einer (Gemeinschafts -)Zulassung nach Art. 3 Abs. 1 i. V. m. dem Anhang der Verordnung 726/2004 gegeben , besteht die Möglichkeit, nach nationalem Recht eine nationale Zulassung in einem nationalen Zulassungsverfahren – in Deutschland geregelt in den §§ 22 ff. AMG – zu beantragen, ohne, wie oben dargestellt, im Wege eines DCP zugleich in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten einen Zulassungsantrag einzureichen oder im Anschluss an die nationale Zulassung ein MRP anzustoßen. Die nationale Zulassung ist und bleibt dann grundsätzlich allein für den jeweiligen zulassenden Mitgliedstaat von Bedeutung. Liegt jedoch bereits in mindestens einem anderen Mitgliedstaat eine Zulassung vor, kann ein besonderes Unionsinteresse im Sinne des Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 35 Abs. 1 UAbs. 1 Tierarzneimittel-Richtlinie gegeben sein.54 Dann leitet ein Mitgliedstaat, die Kommission oder der Antragsteller ein Nicht-Pharmakovigilanz-Verfahren bzw. ein Artikel 35-Referral vor dem jeweiligen EMA-Ausschuss CHMP oder CVMP ein.55 Auch im Falle eines rein nationalen Zulassungsverfahrens steht am Ende eines solchen Verfahrens ein gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV bindender Beschluss der Kommission über die Erteilung oder Versagung der Zulassung.56 51 Art. 29 Abs. 6 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 33 Abs. 6 Tierarzneimittel-Richtlinie. 52 Art. 29 Abs. 4 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 33 Abs. 4 Tierarzneimittel-Richtlinie. Siehe hierzu oben unter 2.2.2.2. (S. 9). 53 Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 35 Abs. 1 UAbs. 1 Tierarzneimittel-Richtlinie. Siehe hierzu oben unter 2.2.2.2. (S. 9). 54 Vgl. EuG, Rs. T-672/14, Rn. 63 f. 55 Siehe hierzu oben unter 2.2.2.2. (S. 9). 56 Vgl. EuG, Rs. T-672/14, Rn. 42, 44. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 13 2.3. Harmonisierungs-Verfahren Unabhängig von den verschiedenen Zulassungsverfahren regelt Art. 30 Gemeinschaftskodex für Human- (auch Artikel 30-Referral genannt) und Art. 34 Tierarzneimittel-Richtlinie für Tierarzneimittel (auch bezeichnet als Artikel 34-Referral) das sog. Harmonisierungs-Verfahren mit dem Ziel, nationale Entscheidungen im Rahmen von Arzneimittelzulassungen unionsweit zu harmonisieren . Haben mindestens zwei Mitgliedstaaten bezüglich einer Arzneimittelzulassung, deren Entzug oder Ruhenlassen unterschiedliche Entscheidungen getroffen, besteht für einen Mitgliedstaat, die Kommission, den jeweiligen Antragsteller oder Inhaber der Arzneimittelzulassung die Möglichkeit , die Angelegenheit an den jeweiligen EMA-Ausschuss, CHMP oder CVMP, zu verweisen. Wie die Artikel 29 Absatz 4-, Artikel 33 Absatz 4- und Artikel 35-Referrals sowie Nicht-Pharmakovigilanz -Verfahren richtet sich dieses Verfahren nach den Art. 32 bis 34 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 36 bis 38 Tierarzneimittel-Richtlinie, endet also mit einem bindenden und von den Mitgliedstaaten umzusetzenden Beschluss der Kommission gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV.57 3. Organe und Einrichtungen der Europäischen Union im Bereich des Arzneimittelrechts Zu den auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts zuständigen Organen und Einrichtungen der EU gehören die Kommission (3.1.), die EMA (3.2.) sowie die beiden Koordinierungsgruppen CMDh und CMDv (3.3.), deren Rollen und Aufgaben in den verschiedenen Zulassungsverfahren innerhalb der Union bereits oben unter 2.2.2. dargestellt wurden. 3.1. Kommission Die Kommission, gemäß Art. 13 Abs. 1 S. 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) ein Organ der EU, übt nach Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV auch Verwaltungsfunktionen aus. Als zentrales Vollzugsorgan der Union58 ist sie u. a. befugt, im Rahmen der ihr übertragenen Verwaltungsaufgaben gegenüber privaten Rechtssubjekten oder den Mitgliedstaaten verbindliche Beschlüsse mit unmittelbarer Wirkung zu erlassen;59 so auch auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts. Hinsichtlich ihrer sonstigen Aufgaben und Funktionen, ihrer Zusammensetzung und ihres Aufbaus wird auf den Art. 17 EUV sowie die Art. 244 ff. AEUV verwiesen. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben hat sich die Kommission auf der Grundlage des Art. 249 Abs. 1 AEUV eine Geschäftsordnung gegeben.60 57 Siehe hierzu oben unter 2.2.2.2. (S. 9). 58 Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, 2009, S. 295. 59 Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 27 EUV, Rn. 46. 60 Geschäftsordnung der Kommission, ABl. L 308 vom 8.12.2000, S. 26, letzte konsolidierte Fassung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 14 Gesondert zu erwähnen ist, dass die Kommission als Kollegialorgan Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer Mitglieder fasst.61 3.2. Europäische Arzneimittel-Agentur Neben der Kommission auf Unionsebene wichtigster Akteur im Bereich des Arzneimittelrechts ist die 1995 durch die Verordnung (EWG) Nr. 2309/9362 geschaffene EMA63, welche „für die Koordinierung der vorhandenen Wissenschaftsressourcen, die ihr von den Mitgliedstaaten zur Beurteilung , Überwachung und Pharmakovigilanz von Arzneimitteln zur Verfügung gestellt werden“, verantwortlich ist.64 Die Agentur besitzt eigene Rechtspersönlichkeit.65 Ihre Berichterstatter und Sachverständigen, die Verwaltungsrats- und Ausschussmitglieder sind unparteilich.66 Zu den Aufgaben der EMA gehört es u. a., den Mitgliedstaaten und den Unionsorganen wissenschaftlichen Rat hinsichtlich der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln zu erteilen , deren wissenschaftliche Bewertung und die Überwachung der in der EU genehmigten Arzneimittel zu koordinieren sowie eine Datenbank67 über deren vermutete Nebenwirkungen zu betreiben .68 Gesetzlich vertreten wird sie durch einen vom Verwaltungsrat ernannten Verwaltungsdirektor.69 Der Verwaltungsrat setzt sich aus je einem Vertreter pro Mitgliedstaat, je zwei Vertretern der Kommission und des Europäischen Parlaments sowie vier weiteren Vertretern aus Patienten-, Ärzte- und Tierärzteorganisationen zusammen.70 61 Vgl. Art. 250 Abs. 1 AEUV. 62 Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, ABl. L 214 vom 24.8.1993, S. 1. Aufgehoben und ersetzt worden durch die Verordnung 726/2004. 63 Für weitergehende Informationen vgl. Website, European Medicines Agency. 64 Art. 55 Abs. 2 Verordnung 726/2004. 65 Art. 71 Verordnung 726/2004. 66 Vgl. Art. 63 Verordnung 726/2004. 67 EudraVigilance, siehe Website, Europäische Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen . 68 Vgl. zu den Aufgaben der EMA insbesondere Art. 57 Verordnung 726/2004. 69 Vgl. zum Verwaltungsdirektor und seinen Aufgaben insbesondere Art. 64 Verordnung 726/2004. 70 Vgl. zum Verwaltungsrat und seinen Aufgaben insbesondere die Art. 65 und 66 Verordnung 726/2004. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 15 Die Agentur umfasst sieben Ausschüsse: neben den bereits o. g. Ausschüssen CHMP und dem CVMP die Ausschüsse für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC), für Arzneimittel für seltene Leiden (Committee for Orphan Medicinal Products, COMP), für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products, HMPC) und für neuartige Therapien (Committee for Advanced Therapies, CAT) sowie den Pädiatrieausschuss (Paediatric Committee, PDCO).71 Die Ausschüsse werden ebenso wie die Koordinierungsgruppen CMDh und CMDv vom Sekretariat unterstützt, welches auch deren Arbeit koordiniert.72 Einige der Ausschüsse können gemäß Art. 56 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Verordnung 726/2004 ständige und nicht ständige Arbeitsgruppen einrichten. 3.3. Koordinierungsgruppen CMDh und CMDv Aus den informellen Gruppen für die gegenseitige Anerkennung Mutual Recognition Facilitation Group (MRFG) und Veterinary Mutual Recognition Facilitation Group (VMRFG) sind auf der Grundlage des Art. 27 Gemeinschaftskodex bzw. des Art. 31 Tierarzneimittel-Richtlinie die Koordinierungsgruppen CMDh73 und CMDv74 als offizielle Gremien hervorgegangen.75 Sie setzen sich aus je einem Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen, die sich von Sachverständigen begleiten lassen können.76 Aufgabe der Koordinierungsgruppen ist es, alle Fragen im Zusammenhang mit der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln im Wege des dezentralisierten Verfahrens und des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung zu prüfen.77 4. Zuständigkeiten der Organe und Einrichtungen der EU im Rahmen des Entzugs, Änderns und Ruhenlassens nationaler Arzneimittelzulassungen Welche Zuständigkeiten die Kommission und die genannten Einrichtungen der EU EMA, CMDh sowie CMDv im Zusammenhang mit dem Ändern, Entziehen und Ruhenlassen auch solcher Arzneimittelzulassungen haben, die von nationalen Behörden in nationalen Zulassungsverfahren erteilt wurden, wird im Folgenden erörtert. Dabei wird nach den oben dargestellten verschiedenen Zulassungsverfahren innerhalb der Union unterschieden. Während am Ende eines zentralisierten Zulassungsverfahrens anstatt nationaler Zulassungen eine Gemeinschaftszulassung steht, werden 71 Vgl. Art. 56 Abs. 1 lit. a bis e Verordnung 726/2004. 72 Art. 56 Abs. 1 lit. f Verordnung 726/2004. 73 Für weitergehende Informationen vgl. Website, CMDh. 74 Für weitergehende Informationen vgl. Website, About CMDv, Role of CMDv. 75 Vgl. Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, C. Zulassung des Arzneimittels, Rn. 103. 76 Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 31 Abs. 2 Tierarzneimittel-Richtlinie. 77 Art. 27 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a Gemeinschaftskodex bzw. Art. 31 Abs. 1 S. 1 Tierarzneimittel-Richtlinie. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 16 im Rahmen von DCP und MRP (4.1.) sowie separater nationaler Verfahren (4.2.) nationale Zulassungen erteilt. 4.1. Dezentralisiertes Zulassungsverfahren und Verfahren der gegenseitigen Anerkennung Die Verfahrensvorschriften zur Änderung (4.1.1.), zum Ruhenlassen und Entzug (4.1.2.) solcher nationaler Arzneimittelzulassungen, die im Wege eines DCP erteilt wurden, stimmen mit denen überein, welche im Rahmen eines MRP unionsweit harmonisiert worden sind. 4.1.1. Änderung der Arzneimittelzulassungen Die Verordnung 1234/2008, welche Änderungen sämtlicher Arzneimittelzulassungen regelt, (Art. 1 Abs. 1), unterscheidet hinsichtlich solcher Zulassungen, die im Wege eines DCP oder MRP erteilt wurden, zwischen Zulassungserweiterungen gemäß Art. 19 und Anhang I (4.1.1.1.) sowie den drei Änderungstypen Typ IA, IB und II gemäß Art. 3 und Anhang II, den Zulassungsänderungen im engeren Sinne (4.1.1.2.). Daneben besteht die Möglichkeit, mehrere Änderungsanzeigen zusammenzufassen.78 4.1.1.1. Zulassungserweiterungen Zulassungserweiterungen im Sinne des Art. 19 und des Anhangs I der Verordnung 1234/2008 erfordern entweder eine neue oder die Aufnahme in die ursprüngliche Zulassung nach eben jenem Verfahren, gemäß dem die ursprüngliche Zulassung erlassen worden ist.79 Die insoweit gegebenen Zuständigkeiten der Kommission, EMA, CMDh und CMDv sind folglich abhängig von dem jeweils anzuwendenden Zulassungsverfahren.80 4.1.1.2. Änderungstypen IA, IB und II Hinsichtlich der Zulassungsänderungen im engeren Sinne ist zwischen den in den Art. 8 bis 10 Verordnung 1234/2008 geregelten Verfahren (4.1.1.2.1.), den Artikel 31-Referrals und dem Artikel 35-Referral (4.1.1.2.2.) sowie dem Dringlichkeitsverfahren der Union (4.1.1.2.3.) zu unterscheiden . 4.1.1.2.1. Verfahren nach den Art. 8 bis 10 Verordnung 1234/2008 In den Art. 8 bis 10 Verordnung 1234/2008 sind die Mitteilungsverfahren bzw. das Verfahren der „Vorabgenehmigung“ für die verschiedenen Änderungstypen geregelt. Innerhalb bestimmter Fristen sind die in Anhang IV aufgelisteten Dokumente zugleich allen maßgeblichen Behörden – 78 Art. 7, 20 Verordnung 1234/2008. 79 Vgl. Art. 19 Verordnung 1234/2008. 80 Siehe zum MRP oben unter 2.2.2.2. (S. 9) sowie zum DCP oben unter 2.2.2.3. (S. 11). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 17 nach Art. 2 Nr. 7 lit. a Verordnung 1234/2008 die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten , d. h. aller Mitgliedstaaten, in denen das fragliche Arzneimittel zugelassen ist81 – mitzuteilen. Erfüllt eine Mitteilung diese Bedingungen, bestätigt die zuständige Behörde des RMS nach Anhörung der CMS im Mitteilungsverfahren für Änderungen des Typs IB den Erhalt einer gültigen Mitteilung.82 Im Folgenden erlässt der RMS einen ablehnenden oder positiven Bescheid, wobei bei fehlender Übermittlung eines negativen Bescheids innerhalb von 30 Tagen nach Erhaltsbestätigung von einer positiven Entscheidung ausgegangen werden kann.83 Im Verfahren der „Vorabgenehmigung“ für Änderungen des Typs II bestätigt die zuständige Behörde des RMS ebenfalls den Erhalt einer gültigen Mitteilung, wenn diese die o. g. Bedingungen erfüllt, unterrichtet jedoch zusätzlich den Zulassungsinhaber und die anderen maßgeblichen Behörden über den Verfahrensbeginn mit dem Datum der Empfangsbestätigung.84 Anschließend erstellt sie neben einer Entscheidung über den Änderungsantrag einen Beurteilungsbericht und übermittelt beides den übrigen maßgeblichen Behörden.85 Diese erkennen die Entscheidung des RMS an oder lehnen sie ab.86 Wird innerhalb einer bestimmten Frist keine ablehnende Haltung übermittelt, gilt die Entscheidung des RMS als von der schweigenden Behörde anerkannt.87 Zum Abschluss eines Mitteilungsverfahrens oder Verfahrens der „Vorabgenehmigung“ ergreift der RMS gemäß Art. 11 Abs. 1 Verordnung 1234/2008, soweit auf diese Vorschrift verwiesen wird,88 die folgenden Maßnahmen: Unterrichtung des Zulassungsinhabers und der anderen maßgeblichen Behörden über die Akzeptanz oder Ablehnung der Änderung (lit. a), die Gründe einer etwaigen Ablehnung (lit. b) und ggf. über das Erfordernis, die Entscheidung über die Zulassungserteilung zu ändern (lit. c). Soweit erforderlich, ändern die zuständigen Behörden der CMS und des RMS ihre Entscheidung über die Zulassungserteilung entsprechend der angenommenen Änderung .89 81 Art. 2 Nr. 6 Verordnung 1234/2008. 82 Art. 9 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung 1234/2008. 83 Vgl. Art. 9 Abs. 2 bis 4 Verordnung 1234/2008. 84 Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung 1234/2008. 85 Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 Verordnung 1234/2008. 86 Vgl. Art. 10 Abs. 4 UAbs. 1 Verordnung 1234/2008. 87 Art. 10 Abs. 4 UAbs. 2 Verordnung 1234/2008. 88 Die Art. 8 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2, Abs. 3 UAbs. 3, Abs. 4 sowie Art. 10 Abs. 5 Verordnung 1234/2008 verweisen auf die Regelung des Art. 11 Verordnung 1234/2008. 89 Art. 11 Abs. 2 Verordnung 1234/2008. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 18 Wird in einem Verfahren der „Vorabgenehmigung“ nach Art. 10 Abs. 4 Verordnung 1234/2008 oder einem Verfahren zusammengefasster Änderungsanträge gemäß Art. 20 Abs. 8 lit. b Verordnung 1234/2008 aus den in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung 1234/2008 genannten Gründen keine Einigung zugunsten einer Anerkennung der Änderung bzw. auf ein Gutachten erzielt, beantragt die zuständige Behörde eines betroffenen Mitgliedstaats die Befassung der CMDh oder CMDv mit dieser Angelegenheit, sog. Artikel 13-Referral.90 Insoweit gelten die Art. 29 Abs. 3 bis 5 Gemeinschaftskodex oder Art. 33 Abs. 3 bis 5 Tierarzneimittel-Richtlinie:91 In der jeweiligen Koordinationsgruppe , der CMDh oder der CMDv, wird versucht, eine Einigung herbeizuführen. Gelingt dies in der genannten Frist, stellt der RMS das Einverständnis der Parteien fest, schließt das Verfahren und informiert den Antragsteller hierüber. Die zuständigen Behörden der CMS und des RMS ändern dann ihre Entscheidung über die Zulassungserteilung entsprechend der angenommenen Änderung. Gelingt demgegenüber innerhalb dieser Zeit keine Einigung, findet vor dem jeweiligen Ausschuss der EMA CHMP oder CVMP ein Schiedsverfahren statt, an dessen Ende ein gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV bindender Beschluss der Kommission über die Akzeptanz oder Ablehnung der Änderung steht, welcher in nationale Entscheidungen umzusetzen ist. Grundsätzlich sind demzufolge die Kommission, die EMA und die Koordinationsgruppen CMDh und CMDv im Zusammenhang mit Änderungen von Arzneimittelzulassungen, welche keine Zulassungserweiterungen darstellen, nur unter den Voraussetzungen des Art. 13 Verordnung 1234/2008 zuständig. 4.1.1.2.2. Artikel 31-Referrals und Artikel 35-Referral Ist jedoch ein besonderer Fall des Unionsinteresses gegeben, befassen die Kommission, ein Mitgliedstaat oder der Zulassungsinhaber ebenfalls den jeweiligen EMA-Ausschuss nach den Art. 32 bis 34 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 36 bis 38 Tierarzneimittel-Richtlinie mit der Anwendung des Nicht-Pharmakovigilanz-Verfahrens bzw. Artikel 35-Referrals92oder des Artikel 31-Referrals in Gestalt des sog. Pharmakovigilanz-Verfahrens nach den Art. 32, 107j Abs. 2 bis 107k Gemeinschaftskodex , soweit es um die Änderung der Zulassung eines Humanarzneimittels geht und sich das besondere Unionsinteresse aus der Bewertung von Pharmakovigilanzdaten ergibt. Für die Beurteilung im Rahmen des Pharmakovigilanz-Verfahrens ist der Ausschuss der EMA PRAC zuständig,93 der auch eine begründete Empfehlung abgibt.94 90 Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung 1234/2008. 91 Art. 13 Abs. 2 Verordnung 1234/2008. 92 Siehe hierzu oben unter 2.2.2.2. (S. 9). 93 Art. 107j Abs. 2 Gemeinschaftskodex. 94 Art. 107j Abs. 3 Gemeinschaftskodex. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 19 Zu dieser Empfehlung legt die CMDh, nachdem sie diese überprüft hat, einen Standpunkt fest.95 Einigen sich die in der CMDh vertretenen Mitgliedstaaten auf bestimmte Maßnahmen, stellt deren Vorsitzende diese Einigung fest und übermittelt sie an den jeweiligen Zulassungsinhaber und die Mitgliedstaaten, welche die entsprechenden Maßnahmen vornehmen.96 Bei einer Einigung auf eine Zulassungsänderung muss der Zulassungsinhaber bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gemäß Art. 107k Abs. 2 UAbs. 2 Gemeinschaftskodex entsprechende Änderungsanträge stellen. Konnte in der CMDh keine Einigung erzielt werden, wird der Standpunkt der Mehrheit der vertretenen Mitgliedstaaten an die Kommission übermittelt, die gemäß den Art. 33 und 34 Gemeinschaftskodex eine Entscheidung in Form eines gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV bindenden, von den Mitgliedstaaten umzusetzenden Beschlusses über die Angelegenheit trifft.97 4.1.1.2.3. Dringlichkeitsverfahren der Union Des Weiteren ergeben sich im Rahmen einer Zulassungsänderung im engeren Sinne Kompetenzen der Kommission, EMA, und CMDh im Zusammenhang mit dem Dringlichkeitsverfahren der Union oder auch sog. Art. 107i-Referral. Dieses Referral ist in den Art. 107i ff. (Abschnitt 4) Gemeinschaftskodex geregelt und folglich allein auf Humanarzneimittel anwendbar. Ergeben sich aus der Bewertung von Pharmakovigilanzdaten Bedenken hinsichtlich eines Humanarzneimittels , leitet ein Mitgliedstaat oder die Kommission dieses Verfahren im Zusammenhang mit Zulassungsänderungen im engeren Sinne dann ein, „wenn es für notwendig befunden wird, eine neue Gegenanzeige aufzunehmen, die empfohlene Dosis zu verringern oder Indikationen für ein Arzneimittel einzuschränken“98 und „dringlicher Handlungsbedarf gesehen wird“99. Zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens kann die Kommission die betroffenen Mitgliedstaaten zu sofortigen vorläufigen Maßnahmen auffordern.100 Das weitere Verfahren und damit auch die Kompetenzen der EMA, CMDh und Kommission hierfür richten sich wie im Pharmakovigilanz-Verfahren nach den Art. 107j bis 107k, sodass insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.101 95 Art. 107k Abs. 1 Gemeinschaftskodex. 96 Art. 107k Abs. 2 UAbs. 1 Gemeinschaftskodex. 97 Art. 107k Abs. 2 UAbs. 2 Gemeinschaftskodex. 98 Art. 107i Abs. 1a UAbs. 1 S. 1 Gemeinschaftskodex. 99 Art. 107i Abs. 1a UAbs. 2 Gemeinschaftskodex. 100 Art. 107i Abs. 3 UAbs. 1 Gemeinschaftskodex. 101 4.1.1.2.2. (S. 18). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 20 Sind die Interessen der Union betroffen, ist das Dringlichkeitsverfahren der Union jedoch gemäß Art. 107i Abs. 1a UAbs. 4 Gemeinschaftskodex gegenüber dem Artikel 31-Referral nachrangig. 4.1.2. Entzug und Ruhen der Arzneimittelzulassungen Die Zuständigkeiten der Kommission und der Einrichtungen EMA, CMDh und CMDv im Zusammenhang mit dem Entzug und Ruhen nationaler Arzneimittelzulassungen, die im Wege eines DCP oder MRP erteilt wurden, richten sich nach dem jeweils anzuwendenden Verfahren. Liegt ein besonderer Fall des Unionsinteresses vor, befassen die Kommission, ein Mitgliedstaat oder der Zulassungsinhaber den jeweiligen EMA-Ausschuss nach den Art. 32 bis 34 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 36 bis 38 Tierarzneimittel-Richtlinie mit der Anwendung des Nicht-Pharmakovigilanz -Verfahrens bzw. Artikel 35-Referrals.102 Soweit es um den Entzug oder das Ruhenlassen eines Humanarzneimittels geht und sich das besondere Unionsinteresse aus der Bewertung von Pharmakovigilanzdaten ergibt, ist gemäß Art. 31 Abs. 1 UAbs. 3 i. V. m. Art. 107i Abs. 1 lit. a Gemeinschaftskodex das Dringlichkeitsverfahren der Union nach den Art. 107i ff. Gemeinschaftskodex103 gegenüber dem Artikel 31-Referral in Gestalt des Pharmakovigilanz-Verfahrens nach den Art. 32, 107j Abs. 2 bis 107k Gemeinschaftskodex vorrangig anzuwenden. 4.2. Separate nationale Zulassungsverfahren Wie unter 2.2.2.4. dargelegt, sind und bleiben Zulassungen, welche nach nationalem Recht in nationalen Zulassungsverfahren erlassen wurden, ohne dass im Wege eines DCP in mehreren Mitgliedstaaten zugleich ein Zulassungsantrag eingereicht oder im Anschluss an die erste nationale Zulassung ein MRP angestoßen wurde, grundsätzlich allein für den jeweils zulassenden Mitgliedstaat von Bedeutung. Unter bestimmten Voraussetzungen sind die Kommission und die Einrichtungen der EU EMA, CMDh sowie CMDv allerdings auch im Zusammenhang mit dem Ändern, Entziehen und Ruhenlassen solcher Arzneimittelzulassungen zuständig. Ihre Kompetenzen in diesem Zusammenhang sind abhängig von dem jeweils einschlägigen Verfahren. Liegt in mehr als einem Mitgliedstaat eine Zulassung vor, kann ein besonderes Unionsinteresse im Sinne des Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 Gemeinschaftskodex bzw. Art. 35 Abs. 1 UAbs. 1 Tierarzneimittel -Richtlinie gegeben sein.104 Dann leitet ein Mitgliedstaat, die Kommission oder der Antragsteller ein Nicht-Pharmakovigilanz-Verfahren bzw. ein Artikel 35-Referral vor dem jeweiligen 102 Siehe hierzu oben unter 2.2.2.2. (S. 9). 103 Siehe hierzu oben unter 4.1.1.2.3. (S. 19). 104 Vgl. EuG, Rs. T-672/14, Rn. 63 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 21 EMA-Ausschuss CHMP oder CVMP ein.105 Auch im Falle eines rein nationalen Zulassungsverfahrens steht am Ende eines solchen Verfahrens ein gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV bindender Beschluss der Kommission über die Änderung, den Entzug oder das Ruhenlassen der Zulassung.106 Sind Humanarzneimittel betroffen und ergibt sich das besondere Unionsinteresse aus der Bewertung von Pharmakovigilanzdaten, leitet ein Mitgliedstaat, die Kommission oder der Zulassungsinhaber ein Artikel 31-Referral in Gestalt des Pharmakovigilanz-Verfahrens nach den Art. 32, 107j Abs. 2 bis 107k Gemeinschaftskodex ein.107 Jedenfalls dann, wenn in mehr als einem Mitgliedstaat eine Zulassung vorliegt, ist bei Änderungen von Humanarzneimitteln nachrangig und bei deren Entzug oder Ruhenlassen vorrangig gegenüber dem Pharmakovigilanz-Verfahren das Dringlichkeitsverfahren der Union anzuwenden, soweit die Voraussetzungen des Art. 107i Abs. 1 bzw. 1a Gemeinschaftskodex gegeben sind.108 Ob das Dringlichkeitsverfahren der Union auch auf Arzneimittel anwendbar ist, die lediglich in einem einzigen Mitgliedstaat zugelassen sind, kann an dieser Stelle mangels Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dieser Frage nicht abschließend beantwortet werden. Die EMA vertritt die Auffassung, dass dieses Verfahren auf solche Arzneimittel keine Anwendung findet.109 5. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festzuhalten, dass sich die Kompetenzen der Kommission sowie der auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts tätigen Einrichtungen der Union – EMA, CMDh und CMDv – im Zusammenhang mit dem Ändern, Entziehen und Ruhenlassen solcher Arzneimittelzulassungen , die von nationalen Behörden in nationalen Zulassungsverfahren erteilt wurden, danach richten, ob ein und wenn ja, welches Referral einzuleiten ist. Welche Zuständigkeiten der Kommission, EMA, CMDh sowie CMDv in diesem Zusammenhang zukommen ist demnach davon abhängig, im Wege welchen Verfahrens die jeweilige Zulassung erteilt worden ist und ob es um die Zulassung eines Human- oder Tierarzneimittels geht. Während die Verfahrensvorschriften zur Änderung, zum Ruhenlassen und Entzug solcher nationaler Arzneimittelzulassungen, die im Wege eines DCP erteilt wurden, mit denen übereinstimmen , welche im Rahmen eines MRP unionsweit harmonisiert worden sind, gelten für in separaten nationalen Verfahren erlassene Zulassungen Besonderheiten. Das Artikel 13-Referral findet keine Anwendung. Die Artikel 31-Referrals und das Artikel 35-Referral sowie nach Ansicht der 105 Siehe hierzu oben unter 2.2.2.2. (S. 9). 106 Vgl. EuG, Rs. T-672/14, Rn. 42, 44. 107 Siehe hierzu oben unter 4.1.1.2.2. (S. 18). 108 Siehe hierzu oben unter 4.1.1.2.3. (S. 19) und 4.1.2. (S. 20). 109 EMA, Questions & answers on Urgent Union Procedures (Article 107i of Directive 2001/83/EC), S. 6, Nr. 8. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 22 EMA auch das Dringlichkeitsverfahren der Union sind lediglich dann einschlägig, wenn in mehr als einem Mitgliedstaat eine Zulassung für das betroffene Arzneimittel gegeben ist. Allein auf Humanarzneimittel anwendbar sind die Artikel 31-Referrals und das Dringlichkeitsverfahren der Union. Demgegenüber findet das Artikel 35-Referral nur auf Tierarzneimittel Anwendung . Das Artikel 13-Referral gilt sowohl für Human- als auch Tierarzneimittel. Des Weiteren ist von Bedeutung, ob die Änderung einer Arzneimittelzulassung oder deren Entzug oder Ruhen angestrebt wird. Im Gegensatz zu den Artikel 31-Referrals und dem Artikel 35- Referral kann das Artikel 13-Referral nämlich lediglich im Rahmen von Änderungsverfahren eingeleitet werden. Daneben ist das Dringlichkeitsverfahren der Union nur dann in Bezug auf Änderungen anwendbar, wenn eine der in Art. 107i Abs. 1a Gemeinschaftskodex abschließend aufgelisteten Änderungen angestrebt wird. Die unterschiedlichen Referrals sind zudem an weitere Voraussetzungen geknüpft, wie bspw. die Artikel 31-Referrals und das Artikel 35-Referral an das Vorliegen eines besonderen Unionsinteresses . Soweit die unterschiedlichen Voraussetzungen ihrer Zuständigkeiten gegeben sind, erfüllen die genannten Organe und Einrichtungen in den einzelnen Referrals verschiedene Funktionen und Aufgaben: Die Kommission ist dazu berechtigt, bestimmte Referrals einzuleiten.110 In den Koordinierungsgruppen CMDh und CMDv versuchen die betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb der vorgeschriebenen Fristen eine Einigung über die hinsichtlich des jeweiligen Arzneimittels von diesen Mitgliedstaaten zu treffenden Maßnahmen herbeizuführen.111 Gelingt dies nicht, findet gegebenenfalls vor dem jeweils zuständigen Ausschuss der EMA CHMP oder CVMP ein Schiedsverfahren statt.112 Letztlich erlässt die Kommission entweder im Anschluss an eine gescheiterte Einigung in der jeweiligen Koordinierungsgruppe113 oder an ein Schiedsverfahren vor dem jeweiligen EMA-Ausschuss114 einen bindenden, von den Mitgliedstaaten in nationale Entscheidungen umzusetzenden Beschluss. In manchen Referrals ist von dem Ausschuss der EMA PRAC die Angelegenheit vor einer Befassung durch die Koordinierungsgruppe zu beurteilen und eine begründete Empfehlung über die bezüglich des jeweiligen Arzneimittels zu ergreifenden Maßnahmen abzugeben .115 In anderen prüft der EMA-Ausschuss CHMP oder der CVMP die Angelegenheit ohne Einschaltung der Koordinierungsgruppe und gibt ein begründetes Gutachten ab.116 Auch im An- 110 Die Artikel 31-Referrals, das Artikel 35-Referral und das Dringlichkeitsverfahren der Union. 111 In einem Artikel 13-Referral, Pharmakovigilanz-Verfahren oder Dringlichkeitsverfahren der Union. 112 Nur in einem Artikel 13-Referral. 113 In einem Pharmakovigilanz-Verfahren oder Dringlichkeitsverfahren der Union. 114 Nur in einem Artikel 13-Referral. 115 In einem Pharmakovigilanz-Verfahren oder Dringlichkeitsverfahren der Union. 116 In einem Nicht-Pharmakovigilanz-Verfahren oder Artikel 35-Referral. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 022/19 Seite 23 schluss an ein solches Gutachten des CHMP oder CVMP erlässt die Kommission einen bindenden , von den Mitgliedstaaten in nationale Entscheidungen umzusetzenden Beschluss.117 In einem Dringlichkeitsverfahren der Union ist die Kommission außerdem zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens befugt, die betroffenen Mitgliedstaaten zu sofortigen vorläufigen Maßnahmen aufzufordern. Abschließend ist festzuhalten, dass in einigen Konstellationen die Kommission, die EMA oder die Koordinierungsgruppen CMDh oder CMDv oder sogar jedes bzw. jede dieser Organe und Einrichtungen der Union im Zusammenhang mit dem Ändern, Entziehen und Ruhenlassen von Arzneimittelzulassungen , die von nationalen Behörden in nationalen Zulassungsverfahren erteilt wurden, nicht zuständig sind. – Fachbereich Europa – 117 In einem Nicht-Pharmakovigilanz-Verfahren oder Artikel 35-Referral.