© 2015 Deutscher Bundestag PE 6 – 3000 – 20/15 Ausarbeitung Subventionierung neuer Gaskraftwerke im Lichte des EU-Beihilferechts Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 2 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 Subventionierung neuer Gaskraftwerke im Lichte des EU-Beihilferechts Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 20/15 Abschluss der Arbeit: 16.04.1025 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 3 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung und Hintergrund 4 2. Grundzüge des EU-Beihilferechts 5 3. Nationale Subventionierung neuer Gaskraftwerke im Lichte des EU-Beihilferechts 7 3.1. Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV 7 3.1.1. Beihilfemerkmale 7 3.1.2. Netzreservekapazitäten 8 3.2. Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV 10 3.2.1. Beihilfen für hocheffiziente Kraft-Wärme-Koppelung 10 3.2.2. Beihilfen zur Förderung einer angemessenen Stromerzeugung 11 3.2.3. Beihilfen für Energieinfrastruktur 13 3.2.4. Sonstige Rechtfertigungsmöglichkeiten? 13 4. Zusammenfassung 13 Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 4 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 1. Fragestellung und Hintergrund Die Ausarbeitung geht der Frage nach, ob eine mögliche Subvention der Errichtung und des Betriebs von Gaskraftwerken mit dem EU-Beihilferecht vereinbar wäre. Sie stellt sich vor dem Hintergrund der Debatte zum geplanten Aus- und Umbau der Stromnetzinfrastruktur im Zuge der sog. Energiewende.1 Einer der Streitpunkte bezieht sich auf den Bau von Höchstspannungsleitungen, die den im Norden der Bundesrepublik erzeugten Strom aus regenerativen Energiequellen (v. a. aus Windenergie) in die südlichen Bundesländer transportieren sollen. Von Seiten des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie wird in einer Veröffentlichung in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Netzausbau „nur im nötigen Maße umzusetzen [ist], um v. a. die verbleibende Lücke bei der Strommengenbereitstellung zu schließen [...] .“2 Im gleichen Dokument wird an die Bundesregierung die Forderung gestellt, „rasch Anreizmechanismen zur Errichtung und Betrieb von Gaskraftwerken zu schaffen [und ...] die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der dann noch erforderliche Netzausbau geringstmögliche Auswirkungen auf Bevölkerung und Landschaft hat [...].“3 Zur Erläuterung sei hinzugefügt, dass die Förderung der Stromerzeugung aus regenerativen Energieträgern nach dem EEG jedenfalls teilweise zu der Konsequenz führt, dass die Errichtung und der Betrieb von konventionellen (und damit auch Gas-)Kraftwerken stetig unwirtschaftlicher werden .4 Damit steigt zugleich auch die Unsicherheit über die Refinanzierbarkeit von Investitionen in derartige Erzeugungsanlagen.5 Angaben zur Form und zum Umfang möglicher Subventionen, um diesen Problemen zu begegnen , sowie zur Art und Funktion der ggf. zu errichtenden Gaskraftwerkwerke lassen sich den zu 1 Siehe zu den energiewirtschaftlichen und -politischen Zusammenhängen die Ausführungen von A. Schwarz in dem Sachstand des Fachbereichs WD 5 – 3000 – 10/15 „Neue Höchstspannungsleitungen oder die Subventionierung neuer Gaskraftwerke in Süddeutschland“ vom 09.02.2015 (Im Folgenden: Schwarz, Sachstand WD 5). 2 Vgl. die Informationen auf der vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie betriebenen Internetseite http://www.energie-innovativ.de/nc/energiedialog/ sowie insbesondere Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie (2015a). Energiedialog: Maßnahmen und Forderungen. Stand: 02.02.2015 (Link: http://www.energie-innovativ.de/fileadmin/userupload/energieinnovativ /Energiedialog/Dokumente/2015-02-02-Massnahmen-und-Forderungen-Energiedialog.pdf, letzter Abruf: 16.04.15), S. 5. 3 Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie (2015a). a. a. O. (Fn. 2). S. 5 f. 4 Siehe etwa die Nachricht über die durch die Betreiber erwogene Stilllegung des modernen Gaskraftwerks in Irsching nahe Ingolstadt, Handelsblatt-online vom 06.03.2015, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie /irsching-eon-und-partner-wollen-hochmodernes-gaskraftwerk-stilllegen/11466284.html (letztmaliger Abruf am 16.04.15). 5 Siehe dazu Schwarz, Sachstand WD 5 (Fn. 1), S. 7. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 5 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 diesen Fragen bisher veröffentlichten Dokumenten sowie den einschlägigen Beiträgen aus den Printmedien nicht entnehmen.6 Im Folgenden werden zunächst kurz die Grundzüge des EU-Beihilferechts in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht dargestellt (siehe unter 2.). Hierauf aufbauend erfolgt dann die Erörterung einer national veranlassten Subventionierung neuer Gaskraftwerke im Lichte der einschlägigen Vorgaben des EU-Beihilferechts (siehe unter 3.). 2. Grundzüge des EU-Beihilferechts Den materiellen Kern des EU-Beihilferechts bildet das an die Mitgliedstaaten gerichtete grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen . Das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV gilt allerdings nicht absolut, sondern nur insoweit, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen „anderen Bestimmungen“ zählt vor allem Art. 107 Abs. 3 AEUV.7 Danach können Beihilfen unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden (Ermessensausnahme). Der Vollzug des EU-Beihilferechts obliegt auf Grundlage von Art. 108 AEUV sowie seiner sekundärrechtlichen Konkretisierung in Gestalt der Beihilfenverfahrensordnung8 vor allem der Kommission .9 Verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beihilfen vor ihrer Einführung bei der Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV). Diese prüft sodann, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und ob sie insbesondere nach Art. 107 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden kann. Erst im Anschluss hieran darf der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe gewähren (sog. Durchführungsverbot , vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV). 6 Siehe die Anlagen 1 bis 6 bei Schwarz, Sachstand WD 5 (Fn. 1). 7 Weitere Vorschriften in diesem Zusammenhang sind die hier nicht relevanten Art. 107 Abs. 2 AEUV (zwingende Legalausnahmen), Art. 93 AEUV für den Verkehrsbereich und Art. 106 Abs. 2 AEUV für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben. 8 Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, ABl.EU 1999 Nr. L 83/1 (konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1417182877791&uri=CELEX:01999R0659-20130820 (letztmaliger Abruf am 16.04.15). 9 Zu den wenigen, zum Teil auf Ausnahmesituationen beschränkten Kompetenzen des Rates im EU-Beihilfenrecht nach Art. 107 Abs. 3 lit. e, Art. 108 Abs. 2 UAbs. 3 sowie Art. 109 AEUV, vgl. allgemein Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Beihilfen- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1224 ff. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 6 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 Insbesondere im Zusammenhang mit den in Art. 107 Abs. 3 AEUV geregelten Ausnahmen kommt der Kommission beim Vollzug des Beihilferechts ein weites Ermessen zu, welches sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Union als Ganzes zu beziehen sind.10 Dieses Ermessen ist gerichtlich – anders als die Frage, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt oder nicht – nur daraufhin überprüfbar, ob eine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des betreffenden Sachverhalts oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt.11 Die Unionsgerichte dürfen bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung der Kommission nicht durch eine eigene Beurteilung ersetzen .12 Von hoher praktischer Bedeutung sind an dieser Stelle daher zahlreiche Sekundärrechtsakte, in denen vor allem die Kommission einerseits ihre Ermessenspraxis und andererseits die beihilferechtliche Rechtsprechung der Unionsgerichte verschriftlicht hat, um die Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit ) und Transparenz ihres Entscheidungsprozesses zu erhöhen.13 Zu diesen Rechtsakten gehören sowohl rechtlich verbindliche als auch nicht verbindliche Maßnahmen, wobei letztere – ähnlich wie nationale Verwaltungsvorschriften – zumindest eine Selbstbindung der Kommission begründen.14 Zur Gruppe der erstgenannten Akte zählen v. a. sog. Freistellungsverordnungen, auf deren Grundlage Beihilfen bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen von dem Notifizierungserfordernis nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen werden.15 Nicht verbindliche Vorschriften werden in Form sog. Leitlinien, Gemeinschaftsrahmen und Mitteilungen16 erlassen. Die Einhaltung der darin enthaltenen Vorgaben entbindet zwar nicht – anders als bei Freistellungsverordnungen - von der Pflicht zur Notifizierung der Beihilfe, gewährleistet in der Regel jedoch einen positiven Ausgang des Beihilfeverfahrens. 10 Vgl. Kreuschitz, in: Montag/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) - Band 3 Beihilfen- und Vergaberecht 2011 (im Folgenden: MüKo- Wettbewerbsrecht), Art. 107 AEUV, Rn. 523. 11 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-333/07 (Société Régie Networks), Slg. 2008, I-10807, Rn. 78. 12 Vgl. bspw. EuGH, Rs. C-456/00 (Frankreich/Kommission), Slg. 2002, I-11949, Rn. 41. 13 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 107 AEUV, Rn. 4. 14 Vgl. bspw. Vgl. EuGH, Rs. C-288/96 (Deutschland/Deutschland), Slg. 2000, I-8237, Rn. 62; EuGH, Rs. C-310/99 (Italien/Kommission), Slg. 2002, I-2289, Rn. 52. 15 Vgl. etwa die Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV, ABl.EU 2014 Nr. L 187/1 (online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0651&qid=1417702206558&from=DE – letztmalig abgerufen am 16.04.15). 16 Ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Rechtsakte findet sich auf den Seiten der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission unter http://ec.europa.eu/competition/stateaid/legislation/compilation/indexde.html (Stand vom 15.04.201416.04.15). Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der ermessenskonkretisierenden Kommissionsakte , vgl. Frenz, Beihilfe- und Vergaberecht (Fn. 9), Rn. 747 ff. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 7 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 3. Nationale Subventionierung neuer Gaskraftwerke im Lichte des EU-Beihilferechts Die Anwendbarkeit des EU-Beihilfenrechts setzt zunächst voraus, dass die in Frage stehenden nationalen Maßnahmen die Voraussetzungen einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen. Wie einleitend ausgeführt, lassen sich den derzeit vorliegenden Dokumenten sowie den einschlägigen Aussagen in den Printmedien keine konkreten Angaben zu Form und Umfang möglicher Subventionen entnehmen. Allein aus der Verwendung des Begriffs „Subvention“ lässt sich ein solcher Schluss jedenfalls nicht ziehen. Aus diesem Grund werden im Folgenden lediglich die praktisch relevantesten Beihilfemerkmale kurz beschrieben (siehe unter 3.1.). Hierbei ist auch auf eine grundsätzlich beihilfefreie Konstellation einzugehen. Für die anschließende Erörterung der Rechtfertigung möglicher Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV (siehe unter 3.2.) wird unterstellt , dass die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV gegeben sind. 3.1. Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV Das Vorliegen einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV setzt insbesondere voraus, dass eine auf den Staat zurückgehende Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige gegeben ist (siehe unter 3.1.1.). Hieran dürfte es im Fall der Bereithaltung von sog. Netzreservekapazitäten durch eigens hierfür eingerichtete Gaskraftwerke fehlen (siehe unter 3.1.2.). 3.1.1. Beihilfemerkmale Unter einer Begünstigung wird allgemein jeder geldwerte Vorteil verstanden, dem keine angemessene Gegenleistung gegenübersteht.17 Erfasst werden v. a. positive Leistungen wie sie typischerweise bei Subventionen vorliegen.18 Das Fehlen einer angemessenen Gegenleistung ist dann anzunehmen, wenn der Begünstigte den geldwerten Vorteil unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.19 Die Begünstigung ist auf den Staat zurückzuführen, wenn sie entweder direkt durch staatliche Stellen gewährt wird oder, wenn dies über öffentliche oder private Einrichtungen erfolgt, die staatlicherseits zur Durchführung der Beihilfengewährung errichtet oder benannt worden sind, und die konkrete Gewährung dem Staat zurechenbar ist.20 Das Erfordernis der Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige soll schließlich solche staatlichen Fördermaßnahmen aus dem Beihilfeverbot ausschließen, die nicht 17 Arhold, in: MüKo-Wettbewerbsrecht (o. Fn. 10), Art. 107 AEUV, Rn. 107 ff. 18 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-387/92 (Banco Exterior de España), Slg. 1994, I-877, Rn. 13. (Alle Entscheidungen der EU-Gerichte sind online unter Angabe der Rs.-Nr. abrufbar unter http://curia.europa.eu/juris/recherche.jsf?language =de – letztmaliger Abruf am 18.06.14). Siehe auch Arhold, in: MüKo-Wettbewerbsrecht (o. Fn. 10), Art. 107 AEUV, Rn. 108. 19 Frenz, Beihilfe- und Vergaberecht (Fn. 9), Rn. 174 ff.; Arhold, in: MüKo-Wettbewerbsrecht (o. Fn. 10), Art. 107 AEUV, Rn. 143. 20 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.05.2002, Rs. C-482/99 (Frankreich/Kommission „Stardust Marine“), Rn. 24, 37; siehe dazu auch Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 1201 ff. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 8 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 auf die Bevorzugung einzelner Wirtschaftsteilnehmer zielen, sondern unterschiedslos der gesamten Wirtschaft zugutekommen (etwa allgemeine Infrastrukturmaßnahmen).21 Würde eine nationale Subventionierung für die Errichtung und den Betrieb von Gaskraftwerken die eben genannten Kriterien erfüllen, wäre in der Regel auch von dem Vorliegen der beiden verbleibenden Beihilfemerkmale auszugehen – der Wettbewerbsverfälschung und der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. An beide Voraussetzungen werden nur geringe Anforderungen gestellt, die allenfalls etwa aufgrund einer niedrigen Beihilfehöhe (sog. de-minimis-Beihilfen ) oder besonderer Umstände verneint werden könnten.22 3.1.2. Netzreservekapazitäten Da nicht nur konkrete Angaben zu Form und Umfang der Subvention fehlen, sondern auch Hinweise auf Art und Funktion der begünstigten Gaskraftwerke, sei an dieser Stelle auf eine grundsätzlich beihilfefreie Konstellation der Errichtung einer solchen Anlage hingewiesen. Diese ist in § 8 der Reservekraftwerksverordnung (ResKV)23 geregelt. Danach können die durch die ResKV insgesamt verpflichteten privaten Übertragungsnetzbetreiber aus Gründen der Vorhaltung von Erzeugungskapazitäten zur Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems sog. Netzreserven ausnahmsweise auch aus neu zu errichtenden Kraftwerken beschaffen (vgl. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 ResKV).24 Die hierdurch gewonnenen Netzreserven dürfen ausschließlich außerhalb des Energiemarktes nach Maßgabe der Systemsicherheitsmaßnahmen eingesetzt werden (vgl. § 7 Abs. 1 ResKV). Es handelt sich somit um eine nicht-kommerzielle Nutzung neuer Kraftwerksanlagen. Ihre Errichtung und ihr Betrieb sind öffentlich auszuschreiben (vgl. § 8 Abs. 3 ResKV25) oder – soweit hierbei kein Ergebnis erzielt wird – durch die Übertragungsnetzbetreiber selbst zu gewährleisten (vgl. § 8 Abs. 4 ResKV). Die dabei in beiden Fällen auf Seiten des jeweiligen Übertragungsnetzbetreibers entstehenden Kosten fließen in die 21 Vgl. zu diesem Merkmal Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, , Rn. 1205 ff. 22 Siehe zu diesen beiden Merkmalen Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 1208 und 1209. 23 Verordnung zur Regelung des Verfahrens der Beschaffung einer Netzreserve sowie zur Regelung des Umgangs mit geplanten Stilllegungen von Energieerzeugungsanlagen zur Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems, online abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht /reskv/gesamt.pdf (letztmaliger Abruf am 16.04.15). 24 Zuvor haben die Übertragungsnetzbetreiber den Bedarf an Erzeugungskapazität zur Netzreserve festzustellen (Systemanalyse iSd § 3 Abs. 2 ResKV), der anschließend von der Bundesnetzagentur bestätigt werden muss (vgl. § 3 Abs. 1 ResKV). In der Regel hat die Beschaffung der Netzreserve sodann aus bestehenden Kraftwerksanlagen zu erfolgen (vgl. § 1 Abs. 1 ResKV). Zu diesem Zweck sind (schuldrechtliche und damit dem Privatrecht zuzuordnende ) Verträge zwischen Übertragungsnetz- und Anlagenbetreibern nach Abstimmung mit der Bundesnetzagentur zu schließen (vgl. § 1 Abs. 2 ResKV). Für die Zulässigkeit der Beschaffung einer Netzreserve aus neuen Stromerzeugungsanlagen muss die Bundesnetzagentur einen entsprechenden Bedarf bestätigen (§ 8 Abs. 1, Abs. 2 ResKV). 25 Hinsichtlich der anzuwendenden Vergabevorschriften verweist § 8 Abs. 3 ResKV auf die Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung ). Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 9 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 Kalkulation der Netzentgelte ein26, die sämtliche Nutzer dieses Übertragungsnetzes und somit letztlich die stromverbrauchenden Endkunden für die Netznutzung zu zahlen haben.27 Die Annahme einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV – sie es zugunsten der eigentlichen Betreiber oder der Übertragungsnetzbetreiber – wird in dieser Konstellation regelmäßig bereits an dem Vorliegen einer Begünstigung scheitern. Denn in beiden Alternativen – durch öffentliche Ausschreibung ermittelte Errichtung und Betrieb oder durch Übertragungsnetzbetreiber sichergestellte – steht einem möglichen geldwerten Vorteil in Gestalt der Vertragsvergütung bzw. des Netzentgeltes zumindest eine Gegenleistung gegenüber: Die Gewährleistung der Netzreserve durch Errichtung und jederzeit möglichen Betrieb einer Stromerzeugungsanlage seitens des jeweiligen Anlagebetreibers. Diese Gegenleistung wird – ohne Vorliegen besonderer Umstände – auch als angemessen angesehen werden können. Insbesondere in der Ausschreibungsvariante wird dies anzunehmen sein, da die Durchführung von Vergabeverfahren nach der Rechtsprechung zumindest bei der Angemessenheitsermittlung für Vergütungen von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) anerkannt ist.28 Das den Zuschlag erhaltende (wirtschaftlich günstigste29) Angebot stellt zugleich den (angemessenen) Marktpreis für diese Art der Leistung dar. Zwar kann die Gewährleistung einer Netzreserve aufgrund des fehlenden Marktbezugs nicht als klassische DAWI angesehen werden.30 Gleichwohl weist sie aufgrund ihres Bezugs zur Energieversorgung als einem der anerkannten DAWI-Bereiche einerseits und ihrer Allgemeinwohlausrichtung anderseits Parallelen auf31, die eine Übertragung der beihilferechtlichen Wertung zur Angemessenheitsermittlung rechtfertigt. Im Fall der Eigenerrichtungs- und -betriebsvariante kann die Angemessenheit der Kosten dagegen nicht mit Verweis auf die Durchführung eines Vergabeverfahrens festgestellt werden. Dennoch spricht einiges dafür, auch insoweit von einer Angemessenheit auszugehen. Zum einen darf zu dieser Variante erst dann gegriffen werden, wenn die Ausschreibung keine Ergebnisse erzielt, sich also kein angemessener „Marktpreis“ herauskristallisiert. Zum anderen können die Übertragungsnetzbetreiber in derartigen Fällen nur solche Kosten bei der Kalkulation der Netzentgelte berücksichtigen, die durch die neue Anlage „verursacht“ werden (vgl. § 8 Abs. 4 S. 3 ResKV). Ob 26 Vgl. insoweit § 9 Abs. 1 S. 2 ResKV (Ausschreibung und Kontrahierung) bzw. § 8 Abs. 4 S. 3 ResKV (Eigenbetrieb ) jeweils i. V. m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, § 11 Abs. 2 S. 4, S. 2, § 4 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 3, § 17 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 S. 2 der Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (ARegV), online abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/aregv/gesamt.pdf (letztmaliger Abruf am 16.04.15). 27 Vgl. § 17 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 S. 2 ARegV i. V. m. § 17, § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (StromNEV), online abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet .de/bundesrecht/stromnev/gesamt.pdf (letztmaliger Abruf am 16.04.15). 28 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.07.03, C-280/00 (Altmark Trans), Rn. 87 ff., insb. 93. Siehe dazu auch Arhold, in: MüKo- Wettbewerbsrecht (o. Fn. 10), Art. 107 AEUV, Rn. 235 ff. 29 Vgl. § 29 Abs. 1 Sektorenverordnung (Fn. 25). 30 Siehe zu diesem Begriff Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der Europäischen Union, 54. Ergänzungslieferung 2014 (im Folgenden: Grabitz/Hilf/Nettesheim), Art. 106 AEUV, Art. Rn. 37 ff. 31 Vgl. Wernicke, aaO, Rn. 38. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 10 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 dies der Fall ist, wird seitens der Bundesnetzagentur im zwingend durchzuführenden Festlegungsverfahren nach § 8 Abs. 4 S. 3 bzw. § 9 Abs. 1 S. 2 ResKV überprüft. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass die Qualifizierung von Mitteln wie Netzentgelten als auf den Staat rückführbare Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV durchaus umstritten ist.32 Sollen die Errichtung und der Betrieb neuer Gaskraftwerke hingegen außerhalb des beschriebenen Rahmens der ResKV erfolgen und diese Anlagen am Energiemarkt teilnehmen, so wird im Folgenden unterstellt, dass eine finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates als Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. 3.2. Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV In diesen Fällen käme der Ebene der beihilferechtlichen Rechtfertigung entscheidende Bedeutung zu. Könnte die staatliche Subventionierung nicht gerechtfertigt werden, wäre sie unionsrechtlich unzulässig. Sie dürfte dann nicht gewährt oder müsste – bei entgegen dem Notifizierungsgebot erfolgter Gewährung – zurückgefordert werden. Als Maßstab für eine mögliche Rechtfertigung der hier im Raum stehenden Beihilfen kommen vor allem zwei Kommissionsakte in Betracht, die der Konkretisierung von Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV dienen: zum einen die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014- 202033 (im Folgenden: Leitlinien) und zum anderen die sog. allgemeine Freistellungsverordnung 34 (im Folgenden: FVO). Beide Kommissionsmaßnahmen verfolgen hinsichtlich der Rechtfertigung von Beihilfen im Energiebereich den gleichen Ansatz und stellen im Wesentlichen die gleichen Bedingungen auf, soweit die gleichen Beihilfekategorien geregelt sind. Unterschiede bestehen in Einzelfragen und sind v. a. den unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Zusammenhängen beider Akte geschuldet.35 Im Folgenden werden die vorliegend in Betracht kommenden rechtfertigungsfähigen Beihilfekategorien dargestellt. Dabei wird zwischen den entsprechenden Bedingungen der Leitlinien und der Freistellungsverordnung nur insoweit ausdrücklich differenziert , als die Unterschiede für die Beurteilung von Bedeutung sein könnten. 3.2.1. Beihilfen für hocheffiziente Kraft-Wärme-Koppelung Eine von beiden Akten erfasste rechtfertigungsfähige Kategorie sind Beihilfen für eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Koppelung (KWK). Für die Definition einer solchen verweisen sowohl Leitli- 32 Vgl. dazu Schroeder, EU-Beihilfeverbot und Staatlichkeit der Mittel, EuZW 2015, S. 207 ff. 33 Mitteilung der Kommission, ABl. EU 2014 Nr. C 200/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52014XC0628(01)&from=DE – letztmaliger Abruf am 16.04.15. Vgl. in Bezug auf die Konkretisierung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c) AEUV die Tz. 2 der Leitlinien. 34 Siehe die Angaben in Fn. 15. 35 Die Leitlinie dient als Orientierung für die individuelle Vorhabenprüfung durch die Kommission nach vorheriger Notifizierung. Bei Einhaltung der FVO-Vorgaben bedarf es keiner Notifizierung, das Vorhaben unterliegt lediglich einer ex-post-Kontrolle der Kommission, siehe dazu oben unter 2. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 11 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 nien als auch die FVO auf die Begriffsdefinition in Art. 2 Nr. 34 der sog. Energieeffizienzrichtlinie36 (vgl. Tz. 19/13 der Leitlinien bzw. Art. 2 Nr. 107 FVO). Erfasst werden danach Anlagen, die im Vergleich zu Werten für die getrennte Strom- und Wärmeerzeugung einen näher berechneten Grad an Primärenergieeinsparungen erzielen.37 Soweit Gaskraftwerke als KWK-Anlagen die daraus folgenden Vorgaben erfüllen würden, wären sie dem Grunde nach förderfähig. Beide Akte sehen vor, dass die Mitgliedstaaten in diesem Bereich Investitionsbeihilfen gewähren können (vgl. Tz. 148 der Leitlinien bzw. Art. 40 Abs. 2 FVO). Eine Förderung des Betriebs entsprechender Anlagen ist dagegen nur in den Leitlinien vorgesehen (vgl. Tz. 151) und setzt im Hinblick auf Unternehmen, die Strom und Wärme für die Allgemeinheit erzeugen, voraus, dass die Kosten für die Erzeugung dieses Stroms oder dieser Wärme über den Marktpreisen liegen (vgl. Tz 151 lit. a). Darüber hinaus wird die Zulässigkeit solcher Betriebsbeihilfen an die Voraussetzungen geknüpft, die für die ebenfalls in den Leitlinien geregelten Betriebsbeihilfen zur Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen gelten. Zu diesen Vorgaben zählt ab dem 1. Januar 2017 u. a. die grundsätzlich bestehende Pflicht, im Fall der Beihilfegewährung vorher Ausschreibung durchzuführen. Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen für Investitions- und Betriebsbeihilfen wird auf die einschlägigen Bestimmungen in den Leitlinien (siehe Tz. 142 ff.) bzw. der FVO (siehe Art. 40) verwiesen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich weitere Vorgaben für die Förderung von hocheffizienten KWK aus Art. 14 der Energieeffizienzrichtlinie ergeben. Zwar sind diese nicht-beihilferechtlicher Natur (vgl. Art. 14 Abs. 11), müssen von Mitgliedstaaten aber gleichwohl beachtet werden. U.a. sind diese verpflichtet, bis Ende 2015 eine umfassende Bewertung des Potentials für den Einsatz hocheffizienter KWK durchführen (vgl. Abs. 1). Ferner müssen die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass in Fällen der Planung neuer und der erheblichen Modernisierung vorhandener thermischer Stromerzeugungsanlagen näher vorgegebene Kosten-Nutzen- Analysen durchgeführt werden (Art. 14 Abs. 5 Energieeffizienzrichtlinie). Für weitere Einzelheiten wird auf Art. 14 Energieeffizienzrichtlinie verwiesen. Ob und inwieweit diese Kategorie rechtfertigungsfähiger Beihilfen in Betracht für die vorliegend erörterte Subventionierung neuer Gaskraftwerke als Grundlage kommen würde, kann im Rahmen dieses Gutachtens nicht beantwortet werden. Soweit die Gaskraftwerke als hocheffiziente KWK betrieben werden sollten und die insoweit bestehenden Vorgaben der Energieeffizienzrichtlinie eingehalten würden, wären entsprechende Vorhaben unter den einzelnen Voraussetzungen der Leitlinien bzw. der FVO beihilfefähig. 3.2.2. Beihilfen zur Förderung einer angemessenen Stromerzeugung Eine nur in den Leitlinien geregelte und in diesem Kontext potentiell geeignete weitere Kategorie rechtfertigungsfähiger Beihilfen ist die Förderung einer angemessenen Stromerzeugung (Tz. 216 ff.). Sie steht im engen Zusammenhang mit Systemumstellungen hinsichtlich der genutzten Energiequellen wie bspw. der deutschen Energiewende, die sich durch einen stetig steigenden Anteil 36 Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 zur Energieeffizienz [...], ABl.EU 2012 Nr. L 315/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32012L0027&rid=2 – letztmaliger Abruf am 16.04.15. 37 Vgl. hierzu im Einzelnen die Vorgaben in Anhang II der Energieeffizienzrichtlinie (Fn. 36). Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 12 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 der erneuerbaren Energiequellen an der Stromerzeugung auszeichnet (vgl. Tz. 216 der Leitlinien). Um den damit verbundenen Herausforderungen für die Gewährleistung einer angemessenen Stromerzeugung zu begegnen, sehen die Leitlinien unter strengen Bedingungen die Möglichkeit vor, staatliche Beihilfen für die Zurverfügungstellung von Stromerzeugungskapazitäten zu gewähren (Tz. 218 ff. der Leitlinien). So wird etwa darauf hingewiesen, dass „Beihilfen zur Förderung der angemessenen Stromerzeugung [...] im Widerspruch zu dem Ziel der schrittweisen Abschaffung umweltgefährdender Subventionen, u. a. für die Stromerzeugung auf der Basis fossiler Brennstoffe, stehen [können]. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten vorrangig andere Ansätze zur Sicherstellung einer angemessenen Stromerzeugung wählen, die dem Ziel der allmählichen Abschaffung umweltschädigender und wirtschaftlich nachteiliger Subventionen nicht abträglich sind, zum Beispiel eine Förderung der Nachfragesteuerung und der Ausbau der Verbindungskapazität .“, (vgl. Tz. 220 der Leitlinien – Unterstr. durch Verfasser) Hinsichtlich der Erforderlichkeit entsprechender staatlicher Maßnahmen als einer der Bedingungen ist etwa vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten „eindeutig nachweisen [müssen], warum nicht davon auszugehen ist, dass der Markt ohne staatliche Intervention eine angemessene Stromerzeugung sicherstellen kann“, wobei auf die aktuellen Markt- und Technologieentwicklungen einzugehen ist (vgl. Tz. 223). Bezüglich der Voraussetzung, übermäßige negative Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel zu vermeiden, fordern die Leitlinien, dass die Förderung so ausgestaltet wird, dass „alle Kapazitäten , die konkret zur Behebung des Erzeugungsdefizits beitragen können, an der Maßnahme teilnehmen können“, wobei insbesondere die folgenden – hier ausgewählten – Faktoren zu berücksichtigen sind (vgl. Tz. 232, lit. a) - c) der Leitlinien): Beteiligung von Stromerzeugern, die unterschiedliche Technologien einsetzen; Beteiligung von Betreibern aus anderen Mitgliedstaaten, wenn insbesondere im regionalen Kontext eine Beteiligung praktisch möglich ist; Beteiligung einer ausreichend großen Zahl von Stromerzeugern, um einen wettbewerbsbestimmten Preis für die Kapazität festsetzen zu können. Darüber hinaus sollte die Förderung u. a. nicht dazu führen, dass Anreize, in Verbindungskapazität zu investieren, verringert werden und die Marktkopplung (mit ausländischen Energiemärkten ) erschwert wird; im Falle technisch und wirtschaftlich vergleichbarer Parameter sollten kohlenstoffarme Stromerzeuger bevorzugt werden (vgl. Tz. 233 lit. a), b) und e) der Leitlinien). Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen wird auf die Leitlinien verwiesen. Insgesamt lässt sich den Vorgaben entnehmen, dass die Förderfähigkeit von Stromerzeugungsanlagen durch staatliche Beihilfen an die Einführung eines (umfassenden) Kapazitätsmarktes geknüpft wird.38 38 Vgl. dazu auch das Diskussionspapier (Grünbuch) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), Ein Strommarkt für die Energiewende, 2014 (im Folgenden: BMWi-Grünbuch), online abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/G/gruenbuch-gesamt,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache =de,rwb=true.pdf (letztmaliger Abruf am 16.04.15), Kap. 10, S. 50. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 13 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 Zur Bereithaltung von Stromerzeugungskapazitäten könnten aus technologischen Gründen zwar auch und gerade Gaskraftwerke eingesetzt werden.39 Allerdings würde dies zum einen die Einführung eines entsprechenden Marktes in Deutschland erfordern, da ein solcher zurzeit nicht besteht . Neben der leitlinienkonformen Ausgestaltung im Übrigen müsste hierfür zum anderen nachgewiesen werden, dass ein entsprechender Bedarf besteht, der auch nicht durch den nach den Leitlinien vorrangig zu erwägenden Ausbau von Verbindungskapazitäten einerseits und die Nutzung EU-ausländischer Stromerzeugungskapazitäten andererseits gedeckt werden kann.40 Ob ein solcher Nachweis möglich ist, kann im Rahmen dieses Gutachtens nicht beantwortet werden . 3.2.3. Beihilfen für Energieinfrastruktur In den Leitlinien und der FVO geregelt sind schließlich auch Beihilfen für Energieinfrastruktur (Tz. 201 ff. bzw. Art. 48). Diese beziehen sich allerdings im Hinblick auf den Energieträger Gas nur auf folgende Ausrüstungsgegenstände und Anlagen: Fern- und Verteilerleitungen für den Transport von Erdgas und Biogas, Untergrundspeicher, Anlagen für die Übernahme, Speicherung und Rückvergasung oder Dekomprimierung von Flüssigerdgas („LNG“) oder von komprimiertem Erdgas („CNG“) und alle Ausrüstungen oder Anlagen, die für den ordnungsgemäßen, sicheren und effizienten Betrieb des Systems oder für die Ermöglichung der bidirektionalen Kapazität unentbehrlich sind, einschließlich Verdichterstationen (vgl. Tz. 19/31 lit. b) Leitlinien sowie Art. 2 Nr. 130 lit. b) FVO). Eine Subventionierung der Errichtung und des Betriebs von Gaskraftwerken fällt somit nicht unter diese rechtfertigungsfähige Beihilfekategorie. 3.2.4. Sonstige Rechtfertigungsmöglichkeiten? Weitere, potentiell geeignete Kategorien rechtfertigungsfähiger Beihilfen lassen sich den Leitlinien und der FVO nicht entnehmen. Dies bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass eine staatliche Subventionierung der Errichtung und des Betriebs von Gaskraftwerken unionsrechtlich zwingend ausgeschlossen ist. Denn die Anwendung des Art. 107 Abs. 3 AEUV steht im Ermessen der Kommission. In praktischer Hinsicht ist allerdings sehr fraglich, ob diese derartige Vorhaben auch außerhalb der oben vorgestellten, von ihr letztlich vorgegebenen und sachlich dem Grunde nach auch passenden Kategorien akzeptieren würde. 4. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Subventionierung der Errichtung und des Betriebs von Gaskraftwerken durch staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur unter den Voraussetzungen unionsrechtskonform wäre, die in den Leitlinien für staatliche Umweltschutz - und Energiebeihilfen bzw. der allgemeinen Freistellungsverordnung für die Förderung von hocheffizienter Kraft-Wärme-Koppelung oder für die Förderung angemessener Stromerzeugung (Einführung eines Stromkapazitätsmarktes) vorgesehen sind. Ob diese Voraussetzungen im 39 Siehe etwa die Angaben des Bundesverbandes für Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) unter https://www.bdew.de/internet.nsf/res/E40F096E25DB3054C1257BCE0051429A/$file/BDEW-13-00025Erdgaskomplett %20Kapitel.pdf (letztmaliger Abruf am 16.04.15), S. 3. 40 Vgl. zum letztgenannten Punkt auch die kritischen Erwägung im BMWi-Grünbuch (o. Fn. 38), S. 50. Unterabteilung Europa Ausarbeitung Seite 14 Fachbereich Europa PE 6 – 3000 – 20/15 Falle Deutschlands in tatsächlicher Hinsicht erfüllt werden könnten, kann im Rahmen dieses Gutachtens nicht beantwortet werden. Keinen beihilferechtlichen Einschränkungen unterliegt hingegen die Errichtung neuer Gaskraftwerke im Anwendungsbereich der Reservekraftwerksverordnung zur nicht-kommerziellen Bereithaltung von Netzreserven. Hierbei fehlt es bereits an dem Vorliegen einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.