© 2017 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 18/17 Zur geplanten Neufassung von § 6 Abs. 2 Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) und ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrecht Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Vereinbarkeit mit Unionsrecht 10 3.1. Prüfungsmaßstab 10 3.2. Vereinbarkeit mit Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 11 3.2.1. Zur Auslegung des Tatbestands der Qualitätsverbesserung nach geltendem Recht 11 3.2.1.1. Nach der Gesetzesbegründung zu § 31d WpHG 12 3.2.1.2. Im Schrifttum vertretene Auffassungen 13 3.2.1.3. CESR-Empfehlungen 14 3.2.1.4. Zusammenfassung 14 3.2.2. § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE als zulässige Umsetzung? 15 3.2.2.1. Zum Verständnis der ausdrücklichen Anforderungen nach Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 15 3.2.2.2. § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE im Lichte der Vorgaben des Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 17 3.3. Ergebnis 18 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 4 1. Einleitung Der Fachbereich wird um Beantwortung der Frage ersucht, ob eine im Referentenentwurf des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (2. FiMaNoG)1 enthaltene Verordnungsbestimmung, die Vorgaben über Zuwendungen Dritter im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen enthält, mit europäischem Recht vereinbar ist. Bei der betreffenden Vorschrift handelt es sich um § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) der Wertpapierdienstleistungs -Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV).2 Danach ist die Zulässigkeit von Zuwendungen Dritter an eine Wertpapierfirma u. a. davon abhängig, dass durch diese Zuwendungen „ein verbesserter Zugang zu Beratungsdienstleistungen ermöglicht wird, etwa durch die Bereitstellung eines weitverzweigten regionalen Filialnetzwerkes, welches eine Vor-Ort- Verfügbarkeit von qualifizierten Beratern auch in ländlichen Regionen absichert.“ Das 2. FiMaNoG sowie die in dem einschlägigen Referentenentwurf enthaltene Neufassung der WpDVerOV dienen der Umsetzung verschiedener EU-Rechtsakte auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts . Zu diesen Rechtsakten gehört insbesondere die sog. MiFID-II-Richtlinie3 und die auf ihrer Grundlage ergangenen delegierten Rechtsakte der Kommission.4 Der hier im Fokus stehende geplante § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV selbst geht ausweislich der Gesetzesbegründung des Referentenentwurfs nicht auf ausdrückliche Vorgaben in den genannten EU-Rechtsakten zurück, sondern ergänzt die unionsrechtlich unmittelbar vorgegebenen Zulässigkeitsvoraussetzungen für Zuwendungen Dritter an Wertpapierfirmen.5 Im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist die Änderung bzw. Neufassung der WpDVerOV, einschließlich des § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d), zwar nicht mehr enthalten.6 Soweit bekannt, soll die WpDVerOV außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens zum 2. FiMaNoG geändert werden. Für die 1 Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte . Online abrufbar ist der Entwurf bspw. auf den Seiten des Bundesgerichtshofs unter http://www.bundesgerichtshof .de/SharedDocs/Downloads/DE/Bibliothek/Gesetzesmaterialien/18_wp/Finanzmarktnov G/refe.pdf?__blob=publicationFile (letztmaliger Abruf am 26.04.17). 2 Vgl. Art. 19 des Referentenentwurfs des 2. FiMaNoG (Fn. 1). 3 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien, ABl.EU 2014 Nr. L 173/349, letzte konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02014L0065- 20160701&qid=1492000306383&from=DE (letztmaliger Abruf unter 26.04.17). 4 Vgl. die Ausführungen in der Einleitung zum Referentenentwurf des 2. FiMaNoG (Fn. 1). 5 Vgl. die Begründung des Referentenentwurfs des 2. FiMaNoG zu § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV (Fn. 1), S. 372. 6 Vgl. BT-Drs.18/10936, online abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/109/1810936.pdf (letztmaliger Abruf am 26.04.17). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 5 Zwecke der Ausarbeitung wird daher auf die Fassung des § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV im Referentenentwurf zurückgegriffen (im Folgenden: WpDVerOV-RefE). Zur Beantwortung der Gutachtenfrage wird im Folgenden zunächst der rechtliche Hintergrund der geplanten Verordnungsbestimmung beleuchtet (2.). Anschließend ist ihre Vereinbarkeit mit Unionsrecht zu erörtern (3.). 2. Rechtlicher Hintergrund § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE steht im Zusammenhang mit Art. 23 und 24 der Mi- FID-II-Richtlinie (RL) sowie mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2017/5937 (2.1.). Letztere wurde von der Kommission als delegierter Rechtsakt auf Grundlage von Art. 24 Abs. 13 MiFID-II-RL erlassen . Beide Rechtsakte sind bis zum 3. Juli 2017 umzusetzen, anzuwenden ist das nationale Umsetzungsrecht allerdings grundsätzlich erst ab dem 3. Januar 2018 (vgl. Art. 93 Abs. 1 MiFID-II-RL bzw. Art. 14 Abs.1 Del.-RL 2017/593). Hilfreich für die unten unter Punkt 3 vorzunehmende Bewertung der Vereinbarkeit von § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE mit Unionsrecht ist darüber hinaus eine Betrachtung des noch geltenden Unions- und nationalen Rechts auf Grundlage der MiFID-I-Richtlinie8 (2.2.). 2.1. Unionsrechtlicher Hintergrund des § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE Art. 23 MiFID-II-RL trägt die Artikelüberschrift „Interessenskonflikte“. In seinem ersten Absatz werden die Mitgliedstaaten verpflichtet dafür zu sorgen, dass Wertpapierfirmen Vorkehrungen treffen, um Interessenskonflikte insbesondere zwischen ihnen und ihren Kunden „zu erkennen und zu vermeiden oder zu regeln, die bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen […] entstehen […].“ Eingeschlossen sind diejenigen Interessenskonflikte, „die auf den Erhalt von Anreizen von Dritten […] zurückgehen.“ Art. 24 MiFID-II-RL ist mit „Allgemeine Grundsätze und Kundeninformation“ überschrieben. Nach seinem Absatz 1 haben die Mitgliedstaaten vorzuschreiben, „dass eine Wertpapierfirma bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder gegebenenfalls Nebendienstleistungen für ihre Kunden ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden handelt und insbesondere den Grundsätzen [u. a.] dieses Artikels […] genügt.“ 7 Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, ABl.EU 2017 Nr. L 87/500, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017L0593&qid=1492011564668&from=DE (letztmaliger Abruf am 26.04.17) – im Folgenden: Del.-RL 2017/593. 8 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente […], ABl.EU 2004 Nr. L 145/1, letzte konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02004L0039-20110104&qid=1492519886589&from=DEn (letztmaliger Abruf am 26.04.17). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 6 Unmittelbarer sachlicher Anknüpfungspunkt für die Regelung des § 6 Abs. 2 WpDVerOV-RefE ist schließlich Art. 24 Abs. 9 S. 1 MiFID-II-RL. Danach haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen , „dass nicht davon ausgegangen wird, dass Wertpapierfirmen ihre Verpflichtungen nach Artikel 23 oder Absatz 1 dieses Artikel erfüllen, wenn sie eine Gebühr oder Provision zahlen oder eine Gebühr oder Provision erhalten oder einen nicht-monetären Vorteil im Zusammenhang mit der Erbringung einer Wertpapierdienstleistung oder einer Nebendienstleistung einer Partei gewähren oder von einer Partei erhalten, sofern es sich bei dieser Partei nicht um den Kunden oder eine Person handelt, die im Auftrag des Kunden tätig wird, es sei denn, die Provision oder der Vorteil a) ist dazu bestimmt, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden zu verbessern , und b) beeinträchtigt nicht die Erfüllung der Pflicht der Wertpapierfirma, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln.“9 Werden Zuwendungen erbracht, verpflichtet Art. 24 Abs. 9 S. 2 MiFID-II-RL zu deren Offenlegung „in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise“. Aus dem Regelungskontext sowie den Bezugnahmen in Art. 24 Abs. 9 MiFID-II-RL auf seinen Absatz 1 sowie auf Art. 23 MiFID-II-RL lässt sich schließen, dass diese Vorschrift der MiFID-II-RL der Bekämpfung eines bestimmten Interessenskonflikts dient, der bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen auf Seiten der Wertpapierfirmen entstehen kann: Das vorrangige Kundeninteresse soll nicht dadurch gefährdet werden, dass Wertpapierfirmen sich bei ihren Dienstleistungen von externen finanziellen Anreizen (sog. Inducements) leiten lassen.10 Art. 24 Abs. 9 Mi-FiD- II-RL stellt insoweit eine Sonderregelung über die Behandlung finanzieller Anreize dar.11 Deren Wortlaut lässt sich hinsichtlich Zuwendungen Dritter an Wertpapierfirmen ein Regel-Ausnahme- Verhältnis entnehmen: derartige Zuwendungen sind grundsätzlich verboten, zulässig sind sie nur ausnahmsweise unter bestimmten Bedingungen („es sei denn“).12 Zu diesen Ausnahmebedingungen zählt v. a. der Tatbestand der Qualitätsverbesserung nach Art. 24 Abs. 9 S. 1 Buchst. a) MiFID-II-RL. Diesen hat die Kommission in Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 konkretisiert. Von einer Qualitätsverbesserung ist danach auszugehen, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind: 9 Unterstreichung durch den Verfasser. 10 Vgl., wenngleich zur alten Rechtslage nach der MiFID-I-RL und in Bezug auf die Umsetzung im aktuell geltenden § 31d WpHG, Fuchs, in: Fuchs, Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 2. Aufl. 2016 (im Folgenden: Fuchs), § 31d WpHG, Rn. 1a, 1; Just, in: Just/Voß/Ritz/Becker, Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 2015 (im Folgenden: Just/Voß/Ritz/Becker), § 31d WpHG, Rn. 3; Siehe auch Spindler, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts -Kommentar, 2. Aufl. 2016 (im Folgenden: Bankrechts-Kommentar), 33. Kapitel, Rn. 156 f.; Möllers/Wenninger , in: Hirte/Möllers, Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl. 2014 (im Folgenden: Kölner Kommentar), § 31d WpHG, Rn. 3 ff. 11 Vgl. Fuchs, in: Fuchs (Fn. 12), § 31d WpHGWpHG, Rn. 3. 12 Vgl., Fuchs, in: Fuchs (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 3 f.; Just, in: Just/Voß/Ritz/Becker (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 3, 17, 22; Möllers/Wenninger, in: Hirte/Möllers, Kölner (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 2. Siehe auch Erwägungsgrund Nr. 74 der MiFID-II-RL (Fn. 3). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 7 Die Zuwendungen … „a) […] sind durch die Erbringung einer zusätzlichen oder höherrangigen Dienstleistung für den jeweiligen Kunden gerechtfertigt, die in angemessenem Verhältnis zum Umfang der erhaltenen Anreize steht, beispielweise: i) die Erbringung nicht-unabhängiger Anlageberatung und den Zugang zu einer breiten Palette geeigneter Finanzinstrumente, einschließlich einer angemessenen Zahl von Instrumenten dritter Produktanbieter ohne enge Verbindungen zu der betreffenden Wertpapierfirma ; ii) die Erbringung nicht-unabhängiger Anlageberatung entweder in Kombination mit einem Angebot an den Kunden, mindestens einmal jährlich zu bewerten, ob die Finanzinstrumente , in die der Kunde investiert hat, weiterhin geeignet sind, oder in Kombination mit einer anderen fortlaufenden Dienstleistung mit wahrscheinlichem Wert für den Kunden, beispielsweise Beratung über die vorgeschlagene optimale Portfoliostrukturierung des Kunden; oder iii) die zu einem wettbewerbsfähigen Preis erfolgende Gewährung von Zugang zu einer breiten Palette von Finanzinstrumenten, die geeignet sind, den Bedürfnissen des Kunden zu entsprechen, darunter eine angemessene Zahl von Instrumenten dritter Produktanbieter ohne enge Verbindung zu der betreffenden Wertpapierfirma, entweder in Kombination mit der Bereitstellung von Instrumenten, die einen Mehrwert aufweisen, wie etwa objektiven Informationsinstrumenten, die dem betreffenden Kunden bei Anlageentscheidungen helfen oder ihm die Möglichkeit geben, die Palette der Finanzinstrumente, in die er investiert hat, zu beobachten, zu modellieren und anzupassen, oder in Kombination mit der Übermittlung periodischer Berichte über die Wertentwicklung sowie die Kosten und Gebühren der Finanzinstrumente; b) sie kommen nicht unmittelbar der Empfängerfirma, ihren Anteilseignern oder Beschäftigten zugute, ohne materiellen Vorteil für den betreffenden Kunden; c) sie sind durch die Gewährung eines fortlaufenden Vorteils für den betreffenden Kunden in Relation zu einem laufenden Anreiz gerechtfertigt. Eine Gebühr, eine Provision oder ein nicht-monetärer Vorteil werden nicht als zulässig angesehen , wenn die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen für den Kunden aufgrund der Gebühr , der Provision oder des nicht-monetären Vorteils befangen oder verzerrt ist.“13 Mit Ausnahme des hier im Fokus stehenden § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE, der nicht auf ausdrücklichen EU-Vorgaben beruht, setzt § 6 Abs. 2 WpDVerOV-RefE im Übrigen den Inhalt des Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 weitgehend wortgetreu um. § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE ergänzt die in Art. 11 Abs. 2 Buchst. a) i) bis iii) Del.-RL 2017/593 vorgegebenen und in § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) bis c) WpDVerOV-RefE umgesetzten Fälle um ein viertes Beispiel. In diesem Zusammenhang ist schließlich noch auf einen weiteren Aspekt einzugehen, nämlich die Genese der unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf die Behandlung von Zuwendungen Dritter an Wertpapierfirmen. Wie oben ausgeführt, handelt es sich bei Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 um delegiertes EU-Recht, welches von der Kommission auf Grundlage von Art. 24 13 Unterstreichung durch Verfasser. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 8 Abs. 13 MiFID-II-RL erlassen wurde. Danach wird der Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu erlassen, „um sicherzustellen, dass die Wertpapierfirmen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen für ihre Kunden die in diesem Artikel vorgeschriebenen Grundsätze einhalten […].“ Nach Art. 24 Abs. 13 Buchst. d) MiFID-II-RL umfasst diese Rechtssetzungsermächtigung den Erlass von „Kriterien, anhand derer beurteilt wird, ob Firmen, die Anreize erhalten, die Pflicht erfüllen, ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden […] handeln.“ Primärrechtliche Grundlage für die Einräumung der delegierten Rechtssetzungsbefugnis an die Kommission ist Art. 290 AEUV. Danach kann der Kommission in Gesetzgebungsakten des Parlaments und des Rates unter Einhaltung der in dieser Vertragsvorschrift genannten materiellen und formellen Bedingungen die Befugnis übertragen werden, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen. Anders als im Fall der sog. Durchführungsrechtssetzung nach Art. 291 AEUV (vormals Komitologie ) ist eine auf Kontrolle zielende Beteiligung der Mitgliedstaaten (vgl. Art. 291 Abs. 3 AEUV) bei der delegierten Rechtssetzung nicht vorgesehen.14 Parlament und Rat haben nach Art. 290 Abs. 2 Buchst. a) und b) AEUV jedoch die Möglichkeit, die Rechtssetzungsbefugnis zu widerrufen bzw. durch Erhebung von Einwänden das Inkrafttreten delegierter Rechtsakte zu verhindern. In materieller Hinsicht wird die delegierte Rechtssetzungsbefugnis v. a. durch das Wesentlichkeitskriterium beschränkt, wie es insbesondere in Art. 290 Abs. 2 S. 2 AEUV zum Ausdruck kommt. Danach sind „die wesentlichen Aspekte eines Bereichs […] dem Gesetzgebungsakt vorbehalten und eine Befugnisübertragung ist für sie deshalb ausgeschlossen.“ Der EuGH formuliert insoweit in nunmehr ständiger Rechtsprechung, dass „der Erlass der wesentlichen Vorschriften einer Materie […] der Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers vorbehalten [ist]; diese Bestimmungen sind in der Grundregelung zu erlassen. Daraus folgt, dass Bestimmungen, die wesentliche Aspekte einer Grundregelung festlegen und deren Erlass politische Entscheidungen erfordert, die in die eigene Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fallen, weder Gegenstand einer solchen Befugnisübertragung sein noch in Durchführungsrechtsakte aufgenommen werden können.“15 In einer der ersten grundlegenden Entscheidungen zu Art. 290 AEUV führte der Gerichtshof ferner aus: „Folglich können Durchführungsvorschriften weder die wesentlichen Aspekte einer Grundregelung ändern noch diese durch neue wesentliche Aspekte ergänzen.“16 14 Vgl. hierzu die Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl.EU 2011 Nr. L 55/13, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R0182&qid=1492591814671&from=DE (letztmaliger Abruf am 26.04.17). 15 EuGH, Urt. v. 22.06.14, Rs. C-540/14 P (DK Recycling und Roheisen/Kommission), Rn. 47. Siehe auch EuGH, Urt. v. 10.09.2016, Rs. C-363/14 (Parlament/Rat), Rn. 46. 16 EuGH, Urt. v. 05.09.2102, Rs. C-355/10 (Parlament/Rat), Rn. 66. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 9 Ob die delegierte Rechtsetzungsbefugnis in Art. 24 Abs. 13 Buchst. d) MiFID-II-RL sowie ihre Wahrnehmung durch die Kommission in Gestalt des Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 diesen Anforderungen entspricht, ist zwar nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. Es stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, ob und ggf. inwieweit eine – im konkreten Fall zudem sehr detaillierte – Konkretisierung eines Tatbestandes, der im Gesetzgebungsakt als Ausnahme formuliert ist, noch Gegenstand einer Delegation im Sinne des Art. 290 AEUV sein kann. Hierauf wird im Folgenden allerdings nicht weiter eingegangen. 2.2. Bisherige Rechtslage nach der MiFID-I-Richtlinie Regelungen über Zuwendungen Dritter im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen enthält auch die MiFID-I-Richtlinie von 200417 sowie die auf ihrer Grundlage durch die Kommission erlassene Durchführungsrichtlinie 2006/73 aus dem Jahr 200618.19 Im Vergleich zur zukünftigen Rechtslage nach der MiFID-II-Richtlinie sind die betreffenden Vorgaben rechtssetzungstechnisch anders auf die beiden Rechtsakte verteilt. Sie weisen ferner einen geringeren Konkretisierungsgrad auf. Schließlich ist der Tatbestand der Qualitätsverbesserung in der deutschen Fassung im Vergleich zur zukünftigen Rechtslage leicht abweichend formuliert. Die in Art. 23 Abs. 1 und 24 Abs. 1 MiFID-II-RL enthaltenen Vorgaben zu Interessenskonflikten und sog. Wohlverhaltensregeln der Wertpapierfirmen sind derzeit weitgehend inhaltsgleich in Art. 18 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 MiFID-I-RL geregelt. Ein inhaltlicher Unterschied liegt in der Ergänzung des Art. 23 Abs. 1 MiFID-II-RL durch die ausdrückliche Erwähnung des durch Zuwendung Dritter entstehenden Interessenskonflikts. Die nun in Art. 24 Abs. 9 MiFID-II-RL enthaltene Bestimmung zu Zuwendungen Dritter an Wertpapierfirmen findet sich derzeit – einschließlich des Ausnahmetatbestands der Qualitätsverbesserung – auf der Tertiärebene in Art. 26 Buchst. b) ii) der RL 2006/73. Sie ist folglich erst mit Erlass der MiFID-II-RL in den durch das Parlament und den Rat verantworteten Gesetzgebungsakt aufgenommen worden. 17 Siehe oben unter Fn. 8. 18 Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl.EU 2006 Nr. L 241/26, online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006L0073&qid=1492592581285&from=DE (letztmaliger Abruf am 26.04.17). Vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zum und der hierdurch vorgegebenen Reform der EU-Verträge kannte das Unionsrecht nur eine Form der tertiären EU-Rechtssetzung durch die Kommission. Diese wurde als Durchführungsrechtssetzung oder auch als Komitologie bezeichnet, vgl. dazu etwa Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 290 AEUV (60. Erglfg. 2016), Rn. 4 ff. In dieser Form ist sie nach geltender Rechtslage in Art. 291 AEUV verankert. 19 Siehe insoweit zur Gesetzesgeschichte Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar zur WpHG (Fn. 12), § 31d WpHG, Rn. 7 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 10 Die in Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 geregelte Konkretisierung des Tatbestands der Qualitätsverbesserung gibt es nach bisheriger Rechtslage nicht. Sie ist erst mit dem Erlass der betreffenden delegierten Richtlinie in das Unionsrecht eingeführt worden. Der Tatbestand der Qualitätsverbesserung weist in der deutschen Sprachfassung der RL 2006/73 im Hinblick auf die Relation von Zuwendung und der Qualitätsverbesserung eine im Vergleich mit der Fassung nach der MiFID-II-RL leicht geänderte Formulierung auf. Während die Zuwendung nach Art. 26 Buchst. a) ii) RL 2006/73j „darauf ausgelegt sein [musste], die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern“ (vgl.), muss sie nach Art. 24 Abs. 9 S. 1 Buchst. a) MiFID-II-RL „dazu bestimmt sein, die Qualität der jeweiligen Dienstleitung für den Kunden zu verbessern“. Im Englischen ist die Sprachfassung hinsichtlich des einschlägigen Verbs hingegen gleich geblieben („to be designed to“).20 Es lässt sich ins Deutsche sowohl als „bestimmt sein für“ als auch als „ausgelegt sein auf“ übersetzen. Dies deutet darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber jedenfalls insoweit keine Änderung des Rechtsgehalts beabsichtigte.21 Die (noch) auf Grundlage der MiFID-I-Richtlinie bestehenden Vorgaben zu Interessenskonflikten und Wohlverhaltensregeln sind in §§ 30 ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) umgesetzt worden. Die in Art. 26 Buchst. b) ii) Richtlinie 2006/73 enthaltenen Regeln zu Zuwendungen Dritter an Wertpapierfirmen finden sich derzeit in § 31d Abs. 1 WpHG. Eine über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehende Konkretisierung der Voraussetzungen, unter denen Zuwendungen Dritter zulässig sind, beinhaltet das deutsche Recht derzeit nicht. 3. Vereinbarkeit mit Unionsrecht In Bezug auf die Vereinbarkeit des § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE mit Unionsrecht ist zunächst der einschlägige Prüfungsmaßstab zu ermitteln (3.1.). Sodann ist zu erörtern, ob diese Verordnungsbestimmung den daraus folgenden Anforderungen genügt (3.2.). 3.1. Prüfungsmaßstab Bei § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE handelt es sich um eine Vorschrift, die zwar nicht auf ausdrücklichen Vorgaben im Unionsrecht beruht. Sie dient im Gesamtkontext des § 6 Abs. 2 WpDVerOV-RefE ausweislich der Gesetzesbegründung gleichwohl der Umsetzung von Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593.22 Vor diesem Hintergrund bildet Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 den primären Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeitsprüfung. 20 Vgl. jeweils die englischen Fassungen des Art. 24 Abs. 9 S. 1 Buchst. a) MiFID-II-RL 593, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017L0593&qid=1492011564668&from=EN bzw. des Art. 26 Buchst. a) ii) RL 2006/73, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006L0073&qid=1492592581285&from=EN (letztmaliger Abruf jeweils am 26.04.17). 21 Von einer Verschärfung des Rechtssituation ausgehend, wenngleich ohne Berücksichtigung anderssprachlicher Wortlaute der Richtlinienbestimmungen Spindler, in: Bankrechts-Kommentar (Fn. 10), 33. Kapitel, Rn. 164a. 22 Siehe Referentenentwurf zum 2. FiMaNoG (Fn. 1), S. 372. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 11 Die Prüfung an weiteren, höherrangingen Prüfungsmaßstäben des EU-Rechts kommt nur dann in Betracht, wenn § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE als zulässige Umsetzung von Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 anzusehen ist. Mit Ausnahme des ggf. einschlägigen unionsrechtlichen Gleichheitssatzes nach Art. 20 EU-Grundrechte-Charta sind andere höherranginge Bestimmungen , an denen § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE u. U. zu messen wäre, nicht ersichtlich . 3.2. Vereinbarkeit mit Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 konkretisiert den Tatbestand der Qualitätsverbesserung in Art. 24 Abs. 9 S. 1 Buchst. a) MiFID-II-RL. Dessen Auslegung ist nach noch geltender Rechtslage umstritten.23 Die Ansichten, die hierzu vertreten werden, lassen sich auch für die auf die zukünftige Rechtslage bezogene Gutachtenfrage fruchtbar machen und sollen daher vorab kurz dargestellt werden (3.2.1.). Im Anschluss daran ist zu untersuchen, ob der als Ergänzung zu den ausdrücklichen unionsrechtlichen Vorgaben eingeführte § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE als zulässige Umsetzung des Art. 11 Abs. 2 Del.-RL angesehen werden kann (3.2.2.). 3.2.1. Zur Auslegung des Tatbestands der Qualitätsverbesserung nach geltendem Recht Wie oben ausgeführt, wird der Tatbestand der Qualitätsverbesserung in dem derzeit noch geltenden Art. 26 Buchst. b) ii) RL 2006/73 unionsrechtlich nicht weiter konkretisiert. Soweit ersichtlich , liegt hierzu auch keine Rechtsprechung der Unionsgerichte vor, in welcher eine Auslegung vorgenommen wurde. Unter welchen Bedingungen somit eine Zuwendung als „darauf ausgelegt [angesehen werden kann], die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern […],“ ist somit bisher unionsrechtlich nicht verbindlich geklärt. Sollte der EuGH hierzu in Zukunft keine Gelegenheit mehr haben, so wird es dabei bleiben. Zukünftig wird die Konkretisierung in Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 gewisse Abhilfe leisten. Vor diesem Hintergrund bieten sowohl die in der Gesetzesbegründung zu § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG enthaltenen Ausführungen zu diesem Tatbestand (3.2.1.1.) als auch die hierzu im Schrifttum vertretenen Auffassungen (3.2.1.2.) zwar eine gewisse Orientierung. Im Lichte des Unionsrechts sind sie jedoch letztlich als unverbindliche Rechtsansichten zu betrachten, soweit sie von dem ggf. noch in Zukunft festzustellenden Unionsverständnis abweichen. Aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs vor nationalem Recht könnten sie in diesen Fall keinen Bestand haben. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang schließlich auch die – rechtlich un- 23 Vgl. etwa Just, in: Just/Voß/Ritz/Becker (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 4, mit weiteren Angaben aus dem Schrifttum. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 12 verbindlichen – Empfehlungen des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (engl. CESR – The Committee of European Securities Regulators)24 aus dem Jahre 2007 zum Thema „Anreize im Kontext der MiFID-I-Richtlinie“25 (3.2.1.3.). 3.2.1.1. Nach der Gesetzesbegründung zu § 31d WpHG In der Gesetzesbegründung zu § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG findet sich neben einer weitgehenden Wiedergabe des Gesetzeswortlautes bzw. der Richtlinienbestimmung auch ein Beispiel für Zuwendungen , die „dazu geeignet sein [können], die Qualität der Dienstleistung zu verbessern“, nämlich solche, „die dazu dienen, effiziente und qualitativ hochwertige Infrastrukturen für den Erwerb und die Veräußerung von Finanzinstrumenten aufzubauen oder zu erhalten […]“.26 Weitere Ausführungen zur Frage, wann von einer qualitätsverbessernden Zuwendung auszugehen ist, enthält die Gesetzesbegründung nicht, insbesondere nicht, was es bedeutet, dass die Zuwendung auf eine Qualitätsverbesserung für den Kunden ausgelegt sein muss. Das Beispiel weist jedenfalls auf ein weites Verständnis des Zusammenhangs hin, der nach dem Tatbestand zwischen der Zuwendung, Dienstleistung, Qualitätsverbesserung und dem Kunden bestehen muss. Denn zum einen stellen der Aufbau und die Erhaltung von Infrastrukturen einen sehr allgemein gefassten Verwendungszweck dar, der eine Vielzahl von Maßnahmen umfassen kann, ohne dass ein konkreter Bezug zu der jeweils erbrachten Wertpapierdienstleistung bestehen muss. Zum anderen bedeutet ein solcher Verwendungszweck, dass es genügt, dass die Zuwendung in unspezifischer Weise einer Vielzahl an Kunden pauschal zugutekommen kann. 24 Hierbei handelte es sich um eine von der Kommission ursprünglich durch Beschluss 2001/527/EG vom 6. Juni 2001 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden, ABl.EU 2001 Nr. L 191/43, gegründete unabhängige Einrichtung mit Beratungsfunktion. Abrufbar ist der ursprüngliche Beschluss in konsolidierter Fassung online unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02001D0527-20040107&from=EN (letztmaliger Abruf am 26.04.17). 2010 wurde die Einrichtung aufgelöst und ihre Funktionen der zu diesem Zeitpunkt ins Leben gerufenen Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) übertragen, vgl. Art. 8 Abs. 1 Buchst. l) und Art. 80 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) […], ABl.EU 2010 Nr. L 331/84, konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02010R1095-20140523&qid=1493101565073&from=DE (letztmaliger Abruf am 26.04.17). 25 CESR, Recommendations „Inducements under MiFID“, CESR 07/228b vom Mai 2007, online abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/07_228.pdf (letztmaliger Abruf am 26.04.17). 26 BT-Drs. 16/4028, S. 67. Online abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/040/1604028.pdf (letztmaliger Abruf am 26.04.17). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 13 3.2.1.2. Im Schrifttum vertretene Auffassungen Im Schrifttum wird der Tatbestand der Qualitätsverbesserung als zentrales Merkmal für die (ausnahmsweise ) Zulässigkeit von Zuwendungen angesehen.27 In Anknüpfung an die Gesetzesbegründung wird überwiegend ein weites Verständnis propagiert.28 Danach genüge allein eine „objektive Eignung der Zuwendung zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität“, ein enger subjektiv intendierter Zusammenhang zwischen der Zuwendung und der Qualitätssteigerung sei weder ausreichend noch erforderlich.29 Die Regelung dürfe nicht so ausgelegt werden, dass „ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer konkreten Zuwendung und einer konkreten Wertpapierdienstleistung an einem bestimmten (End-)Kunden bestehen [muss.]“.30 Entsprechend bedürfe es auch keines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Drittzuwendung und einem bestimmten Kunden.31 Es sei vielmehr ausreichend, das die „Drittzuwendung dem Kunden bei typisierender Betrachtung zugutekommt, weil sie der Verbesserung des Dienstleistungsangebots dient, das auch von dem betreffenden Kunden nachgefragt wird oder nachgefragt werden könnte.“32 Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzung erfüllt werde, sei von einer ex-ante-Perspektive auszugehen, die tatsächlich bewirkte Qualitätsverbesserung sei „unerheblich“33 bzw. nur ein „Indikator“34. Vor diesem Hintergrund werden etwa die folgenden Beispiele zulässiger Qualitätsverbesserungen genannt: der Einsatz der Drittzuwendung zur Deckung der Kosten des bestehenden Dienstleistungsangebots 35, Akquisezwecke36, die Beschaffung von Hard- und Software37, Mitarbeiterschulungen und Informationsveranstaltungen.38 Erwähnt wird ferner auch die „Aufrechterhaltung eins weit verzweigten, flächendeckenden Filialsystems und die Beschäftigung von kompetenten Beratern durch Sparkassen, Genossenschaftsbanken oder andere herkömmliche Kreditinstitute 27 Vgl. Rozok, in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, 2007 (im Folgenden: MiFID-Praktikerhandbuch), Rn. 539; Fuchs, in: Fuchs (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 25. 28 Vgl. Fuchs, in: Fuchs (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 25 f.; Just, in: Just/Voß/Ritz/Becker (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 31, 29 f.; Rozok, in: MiFID-Praktikerhandbuch (Fn. 27), Rn. 543, 544; Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 39 ff. 29 So Fuchs, in: Fuchs (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 25. 30 Rozok, in: MiFID-Praktikerhandbuch (Fn. 27), Rn. 543. 31 Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 40. 32 Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 40. 33 Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 41. 34 Just, in: Just/Voß/Ritz/Becker (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 31. 35 Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 39. 36 Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 39. 37 Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 39. 38 Just, in: Just/Voß/Ritz/Becker (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 30; Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 39. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 14 […]“39, welches als Anliegen in ähnlicher Formulierung auch in § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpD- VerOV-RefE enthalten ist. 3.2.1.3. CESR-Empfehlungen Ein im Vergleich mit der herrschenden Meinung im deutschen Schrifttum tendenziell eher engeres Verständnis des Tatbestandsmerkmals der Qualitätsverbesserung liegt den (unverbindlichen) Empfehlungen des CESR zugrunde.40 So wird zwar vorgeschlagen, dass eine Zuwendung und die daraus folgende Qualitätsverbesserung auch anderen als dem die Dienstleistung in Anspruch nehmenden Kunden zugutekommen können; dies setze jedoch voraus, dass die qualitätsverbesserten Dienstleistungen auch tatsächlich anderen vergleichbaren Kunden oder Kundengruppen gegenüber erbracht werden.41 In diesen, über konkrete Kundenrelationen hinausgehenden Fällen dürfe das Merkmal der Qualitätsverbesserung nicht zu weit ausgelegt werden, da es ansonsten bedeutungslos zu werden drohe.42 Im Übrigen könne die Beurteilung einer qualitätsverbessernden Zuwendung sowohl aus der ex-ante als auch aus der ex-post-Perspektive erfolgen.43 3.2.1.4. Zusammenfassung Sowohl nach der Gesetzesbegründung zu § 31d Abs. 1 WpHG als auch nach der herrschenden Ansicht im deutschen Schrifttum ist von einem weiten Verständnis des Tatbestandes der Qualitätsverbesserung auszugehen. Danach bedarf es keines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Zuwendung und der Qualitätsverbesserung einer bestimmten Wertpapierdienstleistung an einen konkreten Kunden. Die CESR-Empfehlungen sind in der Tendenz zwar ein wenig restriktiver , setzen aber ebenfalls nicht zwingend voraus, das die Qualitätsverbesserung infolge einer Zuwendung in dem Dienstleistungsverhältnis eintreten muss, anlässlich dessen die Zuwendung erfolgt ist. Ein solches Verständnis führt im Ergebnis zu einem sehr weiten Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestandes. Damit verschiebt sich auch die Gewichtung zwischen dem unionsrechtlich jetzt noch in Art. 26 RL 2006/73 vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnis zur (Un-) Zulässigkeit von Drittzuwendungen.44 Ob dies mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, 39 Fuchs, in: Fuchs (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 26; Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 39; vgl. auch Rozok, in: MiFID-Praktikerhandbuch (Fn. 27), Rn. 542. 40 CESR 07/228b (Fn. 25), Nr. 15, S. 10. 41 CESR 07/228b (Fn. 25), Nr. 15, S. 10: „[…] CESR considers that such payments may also benefit other clients or groups of clients apart from the particular client that is receiving the investment service; in that case the requirement to enhance the quality of the relevant service to the client is met at the level of the service, provided that the other clients or group of clients are receiving such a service. […] However, [a bank] will not be able to assess the requirement at the level of the service provided to all its clients over different business lines.” 42 CESR 07/228b (Fn. 25), Nr. 15, S. 10: „The assessment at the level of service should not be interpreted too widely to convert the test into a meaningless exercise.” 43 CESR 07/228b (Fn. 25), Nr. 15, S. 10: „[…] a judgment about a fee or payment […] can be made at the time the arrangement is proposed, rather than only once a payment has been made.“ 44 Siehe dazu die Nachweise oben in Fn. 12. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 15 lässt sich angesichts fehlender Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Tatbestand der Qualitätssicherung nicht abschließend beurteilen. Der Wortlaut des Art. 26 Buchst. b) ii) RL 2006/73 ist insoweit mehrdeutig, ebenso wie seine Umsetzung in § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG. 3.2.2. § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE als zulässige Umsetzung? Ob es sich bei § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE um eine zulässige Ergänzung der unionsrechtlichen Vorgaben handelt, ist im Lichte der ausdrücklich in Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 genannten Anforderungen zu beurteilen. Diese Anforderungen sind zunächst separat zu betrachten und darauf hin zu untersuchen, ob in ihnen ein weites oder enges Verständnis der Qualitätsverbesserung zum Ausdruck kommt (3.2.2.1.). Sodann ist zu prüfen, ob § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE dem betreffenden Verständnis entspricht (3.2.2.2.). 3.2.2.1. Zum Verständnis der ausdrücklichen Anforderungen nach Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 Die in dieser Vorschrift vorgenommene Konkretisierung des Tatbestandes der Qualitätsverbesserung erfolgt zum Teil zweistufig. Auf der ersten Ebene werden drei kumulativ zu erfüllende Bedingungen formuliert (vgl. Art. 11 Abs. 2 Buchst. a) bis c) Del.-RL 2017/59345). Darüber hinaus erfährt die erste der drei Bedingungen durch die Angabe dreier, nicht abschließend zu verstehender Beispiele eine weitere Konkretisierung (vgl. Art. 11 Abs. 2 Buchst. a) i) bis iii) Del.-RL 2017/59346). Nach der ersten Bedingung in Art. 11 Abs. 2 Buchst. a) i) bis iii) Del.-RL 2017/593 müssen die Zuwendungen durch „die Erbringung einer zusätzlichen oder höherrangigen Dienstleistung für den jeweiligen Kunden gerechtfertigt [sein].“ Dies ist beispielsweise möglich durch die „Erbringung nicht-unabhängiger Anlageberatung und den Zugang zu einer breiten Palette geeigneter Finanzinstrumente “ (i) oder der „Erbringung nicht-unabhängiger Anlageberatung entweder in Kombination mit einem Angebot an den Kunden, mindestens einmal jährlich zu bewerten, ob die Finanzinstrumente, in die der Kunde investiert hat, weiterhin geeignet sind, oder in Kombination mit einer anderen fortlaufenden Dienstleistung mit wahrscheinlichem Wert für den Kunden, beispielsweise Beratung über die vorgeschlagene optimale Portfoliostrukturierung des Kunden“ (ii) oder „die […] Gewährung von Zugang zu einer breiten Palette von Finanzinstrumenten […], die geeignet sind, den Bedürfnissen des Kunden zu entsprechen, […] entweder in Kombination mit der Bereitstellung von Instrumenten, die einen Mehrwert aufweisen, wie etwa objektiven Informationsinstrumenten , die dem betreffenden Kunden bei Anlageentscheidungen helfen oder ihm die Möglichkeit geben, die Palette der Finanzinstrumente, in die er investiert hat, zu beobachten, zu modellieren und anzupassen […]“ (iii). Die Vorgabe der Erbringung einer zusätzlichen oder höherrangigen Dienstleistung und das Abstellen auf den „jeweiligen“ oder „betreffenden“ Kunden implizieren, dass die Qualitätsverbesserung in einem konkreten Dienstleistungsverhältnis erfolgen muss, es also auf einen unmittelba- 45 Siehe zum Wortlaut des Art. 11 Abs. 2 D-RL 2017/593 oben auf S. 7. 46 Siehe zum Wortlaut des Art. 11 Abs. 2 D-RL 2017/593 oben auf S. 7. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 16 ren Zusammenhang zwischen einer konkreten Zuwendung und einer konkreten Wertpapierdienstleistung an einem bestimmten (End-)Kunden ankommt. Nur vor diesem Hintergrund lassen sich auch die drei Beispiele zusätzlicher oder höherwertiger Dienstleistungen in Gestalt bestimmter nicht-unabhängiger Anlageberatungen in Kombination mit bestimmten anderen Dienstleistungen (Bewertung bestehender Finanzinstrumente, Portfolioberatung, Zurverfügungstellung von Informationsinstrumenten etc.) erklären, denen eine individuelle Perspektive zugrunde liegt. Für das Abstellen auf ein konkretes Dienstleistungsverhältnis sprechen auch die zweite und dritte Bedingung in Art. 11 Abs. 2 Buchst. b) und c) Del.-RL 2017/593. Die zweite bezieht sich zwar in erster Linie auf die Wertpapierfirma und untersagt, dass Zuwendungen unmittelbar der Empfängerfirma, ihren Anteilseignern oder Beschäftigten zugutekommen dürfen. Dies gilt allerdings nur insoweit, als dies ohne materiellen Vorteil für den betreffenden Kunden geschieht. Die dritte Bedingung verlangt, dass Zuwendungen durch die Gewährung eines fortlaufenden Vorteils für den betreffenden Kunden in Relation zu einem laufenden Anreiz gerechtfertigt sind. Die Erfüllung beider Bedingungen lässt sich nur anhand der Betrachtung eines konkreten Dienstleistungsverhältnisses überprüfen. Schließlich spricht auch der höherrangige Regelungskontext, in welchem die Konkretisierung durch Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 erfolgt ist, für ein enges, das konkrete Dienstleistungsverhältnis und den jeweiligen Kunden in den Mittelpunkt stellendes Verständnis: Der Tatbestand der Qualitätsverbesserung stellt eine Ausnahme vom grundlegenden Verbot von Drittzuwendungen in Art. 24 Abs. 9 MiFID-II-RL dar. Hintergrund dieses Verbots ist der Konflikt zwischen dem vorrangigen Kundeninteresse und externen finanziellen Anreizen im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen.47 Die Durchbrechung des Verbots erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn die Zuwendung zugleich dem Kundeninteresse dient. Verzichtet man insoweit auf einen konkretisierten individuellen Kundennutzen als Erfordernis der Qualitätsverbesserung , so verliert der Regel-Ausnahme-Mechanismus seine kundenschützende Wirksamkeit. Für zuwendungsempfangende Wertpapierfirmen bestünde bei einem weiten Verständnis stets die Möglichkeit, Interessenskonflikte zum Nachteil des individuellen Kunden durch einen Verweis auf eine durch die Zuwendung bewirkte generelle Qualitätsverbesserung ihrer Dienstleistungen zu rechtfertigen. Soweit ein danach anzunehmendes enges Verständnis des Tatbestandes der Qualitätsverbesserung als Restriktion im Vergleich zur bisherigen – ungeklärten – Rechtslage anzusehen sein sollte, kann auf die Erwägungsgründe der einschlägigen EU-Rechtsakte verwiesen werden. Danach soll die Möglichkeit der Wertpapierfirmen, Anreize entgegenzunehmen oder zu zahlen, durch die MiFID-II-RL aus Gründen des Anlegerschutzes weiter eingeschränkt werden.48 Die besseren Argumente sprechen somit für ein enges Verständnis des Tatbestandes der Qualitätsverbesserung nach zukünftiger Rechtslage. Eine abschließende Beurteilung ist an dieser Stelle jedoch nicht möglich, da die Umsetzungs- und Anwendungsfrist für die delegierte Richtlinie 2017/593 als auch für die MiFID-II-Richtlinie noch nicht abgelaufen ist und die Unionsgerichte 47 Siehe dazu oben unter 2.1., S. 5. 48 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 21 der Del.-RL 2017/593 (Fn. 7); ferner Erwägungsgrund Nr. 74 der MiFID-II-RL (Fn. 3). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 17 daher noch keine Gelegenheit haben konnten, eine verbindlich Auslegung des Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 vorzugeben. 3.2.2.2. § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE im Lichte der Vorgaben des Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 Geht man davon aus, dass nach Art. 11 Abs. 2 Buchst. a) Del.-RL ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer konkreten Zuwendung und einer konkreten Wertpapierdienstleistung an einem bestimmten (End-)Kunden bestehen muss, so erscheint der in § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE geregelte Beispielsfall problematisch. Zwar sind die ausdrücklich zur Konkretisierung der ersten Bedingung in Art. 11 Abs. 2 Buchst. a) i) bis iii) Del.-RL 2017/593 aufgeführten Fälle als „nicht erschöpfende Auflistung“49 anzusehen, so dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung Raum verbleibt, um weitere Beispielsfälle vorzusehen . Letztere müssen jedoch von ihrem Regelungsansatz her den unionsrechtlich vorgegebenen Beispielen entsprechen. In dem einschlägigen Erwägungsgrund der Del.-RL 2017/593 findet sich hierzu die Aussage, dass die unionsrechtlich beschriebenen Situationen „für die Bedingungen, dass Anreize die Qualität der Dienstleistung für den Kunden verbessern müssen, als maßgeblich angesehen werden.“50 § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE sieht vor, dass eine zusätzliche oder höherwertige Dienstleistung auch vorliegt, wenn ein „verbesserter Zugang zu Beratungsdienstleistungen ermöglicht wird, etwa durch die Bereitstellung eines weitverzweigten regionalen Filialnetzwerkes, welches eine Vor-Ort-Verfügbarkeit von qualifizierten Beratern auch in ländlichen Regionen absichert .“ Während die Zugangsverbesserung bezüglich Beratungsdienstleistungen noch als individueller Kundennutzen in einem konkreten Dienstleistungsverhältnis infolge einer Zuwendung verstanden werden kann, lässt sich dies für das anschließende Beispiel in der Weise nicht ohne weiteres feststellen. Es stellt sich nämlich die Frage, welchen individuellen Nutzen ein konkreter Kunde im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zu einer Wertpapierfirma dadurch haben kann, dass diese als zusätzliche oder höherwertige Dienstleistung entweder selbst über ein weitverzweigtes regionales Filialnetzwerk mit vor-Ort-verfügbaren Beratern verfügt oder dem Kunden den Zugang zu einem solchen regionalen Filialnetzwerk eröffnet. In der Regel dürften Kunden einer Wertpapierfirma keinen Nutzen daraus ziehen können, dass sie in einem anderen als ihren Wohn- oder Tätigkeitsort eine (zusätzliche) persönliche Beratung in Wertpapierangelegenheiten erhalten könnten . In diesen (Regel-)Fällen fehlte es somit an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer konkreten Zuwendung und einer konkreten Wertpapierdienstleistung an einen bestimmten Kunden. Der Vorteil eines solchen weitverzweigten regionalen Filialnetzwerkes mit vor-Ort-verfügbaren qualifizierten Beratern dürfte im Normalfall jeweils anderen – nämlich den vor-Ort-ansässigen potentiellen Kunden zugutekommen und daher allgemeiner Natur sein. Dieser Aspekt ist somit 49 Erwägungsgrund Nr. 21 der Del.-RL 2017/593 (Fn. 7). 50 Erwägungsgrund Nr. 21 der Del.-RL 2017/593 (Fn. 7). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 18 eher Ausdruck eines weiten Zusammenhangs zwischen Zuwendung, Qualitätsverbesserung, Dienstleistung und Kunden. Dafür spricht auch, dass die „Aufrechterhaltung eins weit verzweigten , flächendeckenden Filialsystems und die Beschäftigung von kompetenten Beratern durch Sparkassen, Genossenschaftsbanken oder andere herkömmliche Kreditinstitute […]“ nach derzeitiger Rechtslage als ein Beispiel für ein weites Verständnis des Tatbestandes der Qualitätsverbesserung angesehen wird.51 Ausgehend von einem engen Verständnis des Art. 11 Abs. 2 Buchst. a) Del.-RL 2017/593 kann § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE daher nur insoweit als zulässige Ergänzung der in dieser Richtlinienvorschrift ausdrücklich vorgesehenen Beispielsfälle angesehen werden, als die Vorschrift gewährleistet, dass zwischen der Drittzuwendung und einer bestimmten Dienstleistung an einem konkreten Kunden ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, die zuwendungsbedingte Qualitätsverbesserung durch Erbringung zusätzlicher oder höherwertiger Dienstleistungen in der betreffenden Geschäftsbeziehung zum Tragen kommt. Das dürfte bei dem einzigen für einen verbesserten Zugang zu Beratungsdienstleistungen gegebenen Beispiel in § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE, der „Bereitstellung eines weitverzweigten regionalen Filialnetzwerkes , welches eine Vor-Ort-Verfügbarkeit von qualifizierten Beratern auch in ländlichen Regionen absichert“, in der Regel nicht gewährleistet sein. Denn die sich daraus ergebenden Vorteile aus der Qualitätsverbesserung kommen im Normalfall jeweils anderen – nämlich den vor-Ort-ansässigen – potentiellen Kunden zugute und sind daher allgemeiner Natur, die über einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Zuwendung, Dienstleistung und Kunde hinausgeht. 3.3. Ergebnis Die Vereinbarkeit von § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE mit Unionsrecht hängt entscheidend davon ab, ob es sich dabei um eine zulässige Umsetzung von Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 handelt, in welchem die Bedingungen für den Ausnahmetatbestand der Qualitätsverbesserung konkretisiert werden. Dies wiederum ist abhängig von dem Verständnis dieser Richtlinienvorschrift bzw. den dort insbesondere unter Art. 11 Abs. 2 Buchst. a) Del.-RL 2017/593 beispielhaft vorgegebenen Fällen einer gerechtfertigten höherwertigen oder zusätzlichen Dienstleistung . Da die Umsetzungs- und Anwendungsfrist für die delegierte Richtlinie 2017/593 als auch für die MiFID-II-Richtlinie noch nicht abgelaufen ist, gibt es eine durch die Unionsgerichte verbindlich vorgegebene Auslegung des Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 zum jetzigen Zeitpunkt zwar nicht, so dass eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist. Die besseren Argumente sprechen jedoch für ein enges Verständnis, wonach eine Drittzuwendung nur dann zulässig ist, wenn zwischen ihr und einer bestimmten Dienstleistung an einem konkreten Kunden ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, die zuwendungsbedingte Qualitätsverbesserung durch Erbringung zusätzlicher oder höherwertiger Dienstleistungen in der betreffenden Geschäftsbeziehung zum Tragen kommt. Dies ist bei dem einzigen für einen verbesserten Zugang zu Beratungsdienstleistungen gegebenen Beispiel in § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE, der „Bereitstellung eines weitverzweigten regionalen Filialnetzwerkes, welches eine Vor-Ort-Verfügbarkeit von qualifizierten Beratern auch in ländlichen Regionen absichert“, in der Regel nicht gewährleistet. Denn 51 Fuchs, in: Fuchs (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 26; Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar (Fn. 10), § 31d WpHG, Rn. 39; vgl. auch Rozok, in: MiFID-Praktikerhandbuch (Fn. 27), Rn. 542. Vgl. dazu oben unter 2.2., S. 13 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/17 Seite 19 die sich daraus ergebenden Vorteile aus der Qualitätsverbesserung kommen im Normalfall jeweils anderen – nämlich den vor-Ort-ansässigen – potentiellen Kunden zugute und sind daher allgemeiner Natur, die über einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Zuwendung, Dienstleistung und Kunde hinausgeht. Ausgehend von einem engen Verständnis des Art. 11 Abs. 2 Del.-RL 2017/593 kann § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpDVerOV-RefE daher hinsichtlich des dort angegebenen Beispiels der Bereitstellung eines weitverzweigten regionalen Filialnetzwerkes nicht als unionsrechtskonforme Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung angesehen werden. Vor diesem Hintergrund kommt es auf eine Vereinbarkeit des § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) WpD- VerOV-RefE mit weiteren, v. a. höherrangigen Bestimmungen des EU-Rechts nicht an. – Fachbereich Europa –