© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 18/16 Pipeline Nord Stream 2 Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 2 Pipeline Nord Stream 2 Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 18/16 Abschluss der Arbeit: 8.3.2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Wettbewerbsrecht 4 3. Energierecht 5 3.1. Offshore-Pipeline 6 3.1.1. Geltungsbereich des Unionsrechts 6 3.1.2. Regelungsbereich der Richtlinie 2009/73/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 7 3.2. Weitere (onshore) Pipelines 8 3.3. Zuständige Behörden 9 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 4 1. Fragestellung Die nachfolgende Ausarbeitung befasst sich mit der Frage, unter welches Regulierungsregime der mögliche Ausbau der Nord Stream Pipeline (Nord Stream 2) fallen würde. Das Projekt Nord Stream 2 befindet sich derzeit in der Planungsphase. Es ist zudem nicht nur politisch sondern auch rechtlich unter verschiedenen Gesichtspunkten umstritten,1 so dass nicht sicher gesagt werden kann, ob und wenn ja, in welcher Form es tatsächlich realisiert wird. Es ist daher im Folgenden nur eine Darstellung der allgemeinen Grundlagen des Regulierungsregimes in den Bereichen des Wettbewerbs- und Energierechts in Bezug auf den Bau von Gaspipelines möglich. Dabei wird insbesondere auf die Vorgaben des Unionsrechts in diesen Bereichen und die Frage, ob nationale oder europäische Behörden zuständig sind, eingegangen. 2. Wettbewerbsrecht Für den Bau der Nord Stream 2-Pipeline haben die Unternehmen Gazprom, Wintershall, Shell, E.ON, ENGIE, OMV ein Gemeinschaftsunternehmen, die Nord Stream 2 AG, gegründet.2 Im deutschen Recht unterliegt die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen ab einer gewissen Größe der Fusionskontrolle, auch wenn das Gemeinschaftsunternehmen nur Teil- oder Hilfsfunktionen für die Muttergesellschaften erfüllt.3 Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens bedarf auf europäischer Ebene gemäß Art. 3 Abs. 4 i.V.m. Art. 1 der Fusionskontrollverordnung (FKVO)4 hingegen nur dann einer Genehmigung, wenn das Gemeinschaftsunternehmen auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt. Wenn das Gemeinschaftsunternehmen als selbständige wirtschaftliche Einheit sowohl nach deutschem wie nach europäischem Recht der Fusionskontrolle bedarf, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Umsatz der beteiligten Unternehmen. Bei Zusammenschlüssen von gemeinschaftsweiter Bedeutung ist die Kommission für die Fusionskontrolle zuständig. Gemeinschaftsweite Bedeutung wird in Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO anhand von den objektiven Umsatzgrenzen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen definiert.5 Fehlt es dem Zusammenschluss an einer gemeinschaftsweiten Bedeutung, sind die nationalen Behörden – in Deutschland das Bundeskartellamt (BKartA) – für die Fusionskontrolle verantwortlich. 1 Westphal, Gazprom und die EU-Regeln des Binnenmarktes – auch eine politische Frage, BPB 24.11.2015, abrufbar unter http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/216163/analyse-gazprom-und-die-eu-regeln-desbinnenmarktes -auch-eine-politische-frage. 2 http://www.nord-stream2.com/our-company/prospective-shareholders/. 3 Lindemann, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, Anh. zu § 1 GWB, Rn. 5. 4 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), ABl. 2004, L 24/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32004R0139&qid=1455023350000&from=DE. 5 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 1 FKVO, Rn. 5. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 5 Im Fall der Nord Stream 2 AG hat das Bundeskartellamt am 18.12.2015 eine Freigabeentscheidung erlassen und die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens genehmigt.6 3. Energierecht Im Bereich des Energierechts gibt es verschiedene Vorgaben durch das Unionsrecht. Die Union teilt sich im Bereich Energie gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. i AEUV die Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten . Gemäß Art. 194 Abs. 1 und 2 AEUV erlässt die Union im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Normen zur Sicherstellung des Funktionierens des Energiemarkts, zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit, zur Förderung der Energieeffizienz und Energieeinsparungen sowie der Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen und zur Förderung der Interkonnektion der Energienetze. Von besonderer Bedeutung im Bereich von Gaspipelines sind die Verordnung über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen (im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 715/2009)7 und die Richtlinie über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (im Folgenden: Richtlinie 2009/73/EG)8, welche im Rahmen des sog. dritten Energiepakets von der Union erlassen worden sind.9 Die Vorgaben der Richtlinie 2009/73/EG sind in Deutschland durch eine Novellierung des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) umgesetzt worden.10 Es wird im Folgenden dargestellt, welche Vorgaben für Offshore-Pipelines, welche im Meer verlegt werden (3.1.), und für andere Pipelines, die für den Transport von Gas über Land dienen, (3.2.) gelten. Die Bundesnetzagentur erklärte zu diesen verschiedenen Arten von Pipelines im Rahmen einer Entscheidung zu den Anbindungspipelines für Nord Stream: „In technischer Hinsicht unterscheiden sich die Nord Stream als Offshore-Leitung und die OPAL bzw. NEL als Onshore -Leitungen mit zwischengeschalteten Verdichtern und Ausspeisemöglichkeiten deutlich.“11 Abschließend wird untersucht, welche Behörden im Bereich des Energierechts für die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben in Bezug auf Pipelines zuständig sind (3.3.). 6 BKartA, Entscheidung B8-121/15, aufgeführt in der Liste über laufende Fusionskontrollverfahren, abrufbar unter http://www.bundeskartellamt.de/DE/Fusionskontrolle/LaufendeVerfahren/laufendeverfahren_node.html (zuletzt abgerufen am 11.2.2016), vgl. dazu auch http://www.top-energy-news.de/pipeline-ticker/ (zuletzt abgerufen am 4.3.2016). 7 Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005, ABl. 2009, L 211/36, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R0715-20150525&qid=1456922520333&from=DE. 8 Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. 2009, L 211/94, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0073&from=DE. 9 Martínez, The EU Energy Market Regulation Puzzle: Is There Still a Way Out?, RELP 2/2014, S. 121 (122). 10 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften , BT-Drucks. 17/6248. 11 Bundesnetzagentur, Beschluss vom 25.2.2009, BK7-08-009, S. 19. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 6 3.1. Offshore-Pipeline Die beiden Stränge der Nord Stream 2-Pipeline sollen Erdgas aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland transportieren.12 Es würde sich bei einer solchen Pipeline um eine sog. Offshore- Pipeline handeln.13 Fraglich sind diesbezüglich zum einen die Anwendbarkeit des Unionsrechts und, falls Unionsrecht auf Offshore-Pipelines Anwendung finden sollte, die Vorgaben der Richtlinie 2009/73/EG für Offshore-Pipelines. 3.1.1. Geltungsbereich des Unionsrechts Aus Art. 52 EUV i. V. m. Art. 355 AEUV folgt, dass das Unionsrecht im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten anwendbar ist. Das sog. Küstenmeer (die 12-Meilen-Zone) zählt im völkerrechtlichen Sinne zum staatlichen Hoheitsgebiet,14 mithin ist in der 12-Meilen Zone des Küstenmeeres Unionsrecht anwendbar.15 Es ist fraglich, ob das Energierecht der Union auch Anwendung findet, wenn sich eine Pipeline oder Teile davon jenseits des sog. Küstenmeeres (der 12-Meilen Zone) in den ausschließlichen Wirtschaftszonen der betroffenen Mitgliedstaaten befindet. Stimmen in der Literatur zufolge, sind die Mitgliedstaaten auch zur Anwendung des Unionsrechts berechtigt und verpflichtet, wenn sie über ihr Hoheitsgebiet hinaus in bestimmten Gebieten, wie etwa im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone, souveräne Rechte ausüben und der Union diesbezüglich eine Regelungsbefugnis zusteht.16 Diese Stimmen stützen sich auf die Rechtsprechung des EuGH, der beispielsweise in der Rechtssache Poulsen entschied: „Was die anderen Meereszonen angeht, so ist die Gemeinschaft befugt, die Beförderung und die Lagerung von Lachs, der in den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung genannten Zonen gefangen wurde, in der ausschließlichen Wirtschaftszone, den Küstengewässern, den inneren Meeresgewässern und den Häfen der Mitgliedstaaten als rechtswidrig zu behandeln.“17 Zu der Frage nach der Anwendbarkeit des europäischen Energierechts auf die Projekte Nord Stream und South Stream führte die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke (aus dem Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie) im Dezember 2014 aus: „Die Nord Stream Pipeline verbindet Wyborg in Russland mit Lubmin. Die Pipeline verläuft also außerhalb der Europäischen Union. Die Regeln des 3. Energiebinnenmarktpakets entfalten ihre Wirkung aber grundsätzlich nur innerhalb der Europäischen Union. […] Die South Stream Pipeline sollte von Russland durch das Schwarze Meer nach Bulgarien und weiter 12 http://www.nord-stream2.com/our-project/pipeline/. 13 Kohls, in: Danner/Theobald, Energierecht, EL 69, Stand: März 2011, B 1. Planung und Zulassung von Energieanlagen , Rn. 189. 14 Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, EL 45, Stand: August 2011, Art. 355 AEUV, Rn. 6. 15 Proelß, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, EL 67, Stand: November 2012, § 43 WHG, Rn. 11. 16 Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 52 EUV, Rn. 5; Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim , Das Recht der EU, EL 45, Stand: August 2011, Art. 355 AEUV, Rn. 7. 17 EuGH, 24.11.1991, Rs. C-286/90, Slg. 1992 I-06019, ECLI:EU:C:1992:453 – Poulsen, Rn. 24 (Hervorhebung durch den Verfasser). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 7 durch Serbien, Ungarn, Slowenien nach Italien führen. Für den Pipelinebereich außerhalb der Europäischen Union finden die Regelungen des 3. Energiebinnenmarktpakets keine Anwendung. Für den Teil der South Stream Pipeline, der auf dem Territorium von Mitgliedstaaten der Europäischen Union verlaufen soll, gelten die europäischen und nationalen Vorgaben.“18 Die Kommission will sich laut eines Presseartikels zu dieser Frage in Bezug auf Nord Stream 2 erst äußern, wenn die beteiligten Firmen die Baupläne für Nord Stream 2 vorgelegt haben.19 3.1.2. Regelungsbereich der Richtlinie 2009/73/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 Es ist umstritten, als welche Art von Leitung (Fernleitung oder vorgelagertes Rohrleitungsnetz) die Offshore-Pipeline des Nord Stream 2-Projekts qualifiziert werden würde und welche Vorgaben der Richtlinie 2009/73/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 für sie gelten, soweit sie dem Anwendungsbereich des Unionrechts unterliegt. Die Pipeline Nord Stream 2 soll dazu dienen, in Russland gewonnenes Erdgas nach Deutschland zu leiten.20 Nach Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2009/73/EG und Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 bezeichnet der Begriff der Fernleitung den Transport von Erdgas durch ein hauptsächlich Hochdruckfernleitungen umfassendes Netz mit Ausnahme von vorgelagerten Rohrleitungsnetzen und des in erster Linie im Zusammenhang mit der lokalen Erdgasverteilung benutzten Teils von Hochdruckfernleitungen, zum Zweck der Belieferung von Kunden, jedoch mit Ausnahme der Versorgung. Vorgelagerte Rohrleitungsnetze sind gemäß Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2009/73/EG Rohrleitungen oder ein Netz von Rohrleitungen, deren Betrieb und/oder Bau Teil eines Öl- oder Gasgewinnungsvorhabens ist oder die dazu verwendet werden, Erdgas von einer oder mehreren solcher Anlagen zu einer Aufbereitungsanlage, zu einem Terminal oder zu einem an der Küste gelegenen Endanlandeterminal zu leiten. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 verweist ausdrücklich auf die Begriffsbestimmungen des Art. 2 der Richtlinie 2009/73/EG, die für die Anwendung der Verordnung relevant sind. Das vorgelagerte Rohrleitungsnetz endet dort, wo vermarktungsfähiges Erdgas in das Fernleitungsnetz eingespeist wird,21 d.h. die Abgrenzung des vorgelagerten Rohrleitungsnetzes vom Fernleitungsnetz erfolgt in der Regel durch Übergabestationen, in denen mit Hilfe von Aufbereitungsanlagen das Gas zwecks Marktfähigkeit aufbereitet wird.22 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE), Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht der 75. Sitzung am 17. Dezember 2014, Plenarprotokoll 18/75, Anlage 22. 19 Weingärtner, Gezerre um Nord-Stream-Ausbau, Onlineartikel der E&M – Energie und Management vom 18.12.2015, abrufbar unter http://www.energie-und-management.de/nachrichten/detail/gezerre-um-nordstream -ausbau-112616. 20 http://www.nord-stream2.com/our-project/pipeline/. 21 Boesche, in: Säcker, Energierecht, Band 1, 3. Aufl. 2013, § 3 EnWG, Rn. 184. 22 Schex, in: Kment, EnWG Kommentar, 1. Aufl. 2015, § 3 EnWG, Rn. 95. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 8 In der Literatur sind Gastransportfernleitungen als „Pipelines, die Teil eines Rohstoffgewinnungsvorhabens sind und dazu dienen, Gas aus anderen Ländern zu einem Terminal auf deutschem Hoheitsgebiet zu leiten“ definiert und unter den Begriff der vorgelagerten Rohrleitungen subsumiert worden.23 Die Offshore-Pipeline des Projektes Nord Stream ist in einem Aufsatz aus 2007 als vorgelagertes Rohrleitungsnetz im Sinne der Vorgängernorm der Richtlinie 2009/73/EG qualifiziert worden.24 Eine abschließende Feststellung ist diesbezüglich nicht möglich. 3.2. Weitere (onshore) Pipelines Möglicherweise erfordert das Projekt Nord Stream 2 den Bau von Anbindungspipelines an Land für den Weitertransport von Erdgas. Auch insoweit ist der Planungsstand zu unkonkret, als dass abschließende Feststellungen zu diesen Anbindungspipelines möglich sind. Die Anbindungspipelines , welche im Rahmen des Projektes Nord Stream gebaut worden sind, sind von der Bundesnetzagentur als Fernleitungsnetze bezeichnet worden.25 In Bezug auf Fernleitungsnetze sieht die Richtlinie 2009/73/EG die Verpflichtung zur Entflechtung vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen vor: Unternehmen, die sowohl Übertragungsnetze bzw. Fernleitungsnetze betreiben und zudem in den Bereichen Energieerzeugung und Energieversorgung tätig sind, müssen die zwei Bereiche entflechten. Dafür sieht die Richtlinie drei Möglichkeiten vor. Die erste Möglichkeit ist eine eigentumsrechtliche Entflechtung der Bereiche nach Art. 9 ff. der Richtlinie. Die zweite Möglichkeit ist die Benennung eines unabhängigen Netzbetreibers gemäß Art. 14 der Richtlinie, der sowohl in personeller als auch in eigentumsrechtlicher Hinsicht von dem Eigentümer des Übertragungsnetzes hinreichend unabhängig ist. Die dritte Möglichkeit ist die Bestimmung eines unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers gemäß Art. 17 ff., der nur in rechtlicher Hinsicht von den Bereichen Energieerzeugung und Energieversorgung unabhängig ist.26 Den Mitgliedstaaten werden bei der Umsetzung der Entflechtungsvorgaben durch die Richtlinie große Handlungs- und Ausgestaltungsspielräume eingeräumt .27 Eine weitere Vorgabe des europäischen Energierechts ist der freie Netzzugang. Diesbezüglich wurde auf unionsrechtlicher Ebene der Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang für Dritte zu den Fernleitungsnetzen eingeführt.28 Gemäß Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2009/73/EG gewährleisten die Mitgliedstaaten die Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zum Fernleitungs - und Verteilernetz auf der Grundlage veröffentlichter Tarife. Art. 34 der Richtlinie 23 Missling, in: Danner/Theobald, Energierecht, EL 83, Stand: Januar 2015, § 43 EnWG, Rn. 9. 24 Wolf, Transnationale Vorhaben und nationalstaatliches Zulassungsregime – Rechtliche Rahmenbedingungen für die geplante Ostsee-Pipeline, ZuR 2007, S. 24 (27). 25 Bundesnetzagentur, Beschluss vom 25.2.2009, BK7-08-009, S. 20. 26 Zu dem Gesamtkomplex der Entflechtung: Gundel/Germelmann, Kein Schlussstein für die Liberalisierung der Energiemärkte – Das Dritte Binnenmarktpaket, EuZW 2009, S. 763 (764 ff.). 27 Schmidt-Preuß, in: Säcker, Energierecht, Band 1, 3. Aufl. 2013, EnWG Einl. B, Rn. 98. 28 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Art. 102 AEUV, Rn. 398. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 9 2009/73/EG trifft Regelungen für den Zugang zu vorgelagerten Rohrleitungsnetzen. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Erdgas-Unternehmen und die zugelassenen Kunden ungeachtet ihres Standorts bzw. Wohnsitzes Zugang zu den vorgelagerten Rohrleitungsnetzen erhalten können. Der Zugang erfolgt auf vertraglicher Grundlage, unterliegt also im Gegensatz zu anderen Netzen nicht von vornherein der Regulierung.29 3.3. Zuständige Behörden Die meisten Entscheidungen nach der Richtlinie 2009/73/EG obliegen den nationalen Regulierungsbehörden . Diese beaufsichtigen die Einhaltung der Vorgaben des Unionsrechts durch die Netzbetreiber30 und sind nach Art. 10 ff. der Richtlinie 2009/73/EG für die Zertifizierung der Fernleitungsnetzbetreiber zur Überprüfung der Entflechtungsvorgaben verantwortlich. Die Aufgaben der Regulierungsbehörde werden in Deutschland im Rahmen des EnWG gemäß § 54 Abs. 1 EnWG von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen und nach Maßgabe des Abs. 2 von den Landesregulierungsbehörden wahrgenommen. Die Kommission hat hingegen nur wenige Entscheidungsbefugnisse im Einzelfall,31 sie ist in bestimmten Fällen aber von der jeweils zuständigen Regulierungsbehörde zu beteiligen bzw. zu informieren . Sie hat beispielsweise das Recht zur (unverbindlichen) Stellungnahme bei der Zertifizierung eines Fernleitungsnetzeigentümers oder -betreibers, der von einer oder mehreren Personen aus einem oder mehreren Drittländern kontrolliert wird (Art. 11 Abs. 6 und 8 der Richtlinie 2009/73/EG), und das Letztentscheidungsrecht bei der Annahme von Ausnahmeregelungen für Infrastrukturprojekte (Art. 36 der Richtlinie 2009/73/EG). Neben diesen Sonderechten aus der Richtlinie 2009/73/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2009, ist die Kommission nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 EUV im Allgemeinen für die Überwachung der Anwendung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten verantwortlich. Vor diesem Hintergrund kann sie u. a. Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wenn die Mitgliedstaaten Unionsrecht verletzen. Art. 258 AEUV regelt das Vertragsverletzungsverfahren, mit dem die Kommission gegen Mitgliedstaaten, welche gegen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen, vorgehen kann. Im Bericht der Kommission zur Lage der Energieunion 2015 steht in Bezug auf den Ausbau der Nord Stream Pipeline: „Diese Pipelines müssen vollständig mit dem EU-Recht in Einklang stehen. Die Kommission wird jedes einzelne Projekt dieser Art auf Einhaltung des europäischen Rechtsrahmens prüfen.“32 Im Rahmen des Projektes South Stream kritisierte die Kommission 29 Boesche, in: Säcker, Energierecht, Band 1, 3. Aufl. 2013, § 3 EnWG, Rn. 185. 30 Gundel/Germelmann, Kein Schlussstein für die Liberalisierung der Energiemärkte – Das Dritte Binnenmarktpaket , EuZW 2009, S. 763 (767). 31 Gundel/Germelmann, Kein Schlussstein für die Liberalisierung der Energiemärkte – Das Dritte Binnenmarktpaket , EuZW 2009, S. 763 (767). 32 Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts - und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank – Bericht zur Lage der Energieunion 2015, S. 12, KOM(2015) 572 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/resource .html?uri=cellar:ebdf266c-8eab-11e5-983e-01aa75ed71a1.0009.02/DOC_1&format=PDF. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 18/16 Seite 10 eine Verletzung unionsrechtlicher Vorgaben aus dem Bereich des Energierechts durch die Abkommen , welche u. a. von Bulgarien mit Russland angeschlossen worden waren. Im Juni 2014 leitete die Kommission diesbezüglich das Vorverfahren eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Bulgarien nach Art. 258 AEUV ein.33 – Fachbereich Europa – 33 Kommission, Pressemitteilung – South Stream: Šefčovič für starke Energieunion, 2.12.2014, abrufbar unter http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/12915_de.htm.