© 2019 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 017/19 Zur Erreichung der EU-Emissionsreduktionsziele per 2020 und 2030 in den Sektoren der EU-Lastenteilung (EU Effort Sharing) Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 017/19 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Aussagen zu finanziellen Lasten durch den Ankauf von Emissionszuweisungen 7 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 017/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich ist befragt worden, ob offizielle Einschätzungen der Bundesregierung oder von Einrichtungen der Europäischen Union (EU) zur Einhaltung oder Verfehlung der EU-Emissionsreduktionsziele durch die Bundesrepublik Deutschland für die Sektoren vorliegen, die nicht unter das EU-Emissionshandelsregime fallen. Darüber hinaus werden offizielle Einschätzungen der Höhe möglicher Strafzahlungen erfragt. 2. Einordnung Nachdem sich die Weltgemeinschaft im Übereinkommen von Paris 2015 dazu bekannte, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius und möglichst unter 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken, hat sich die Europäische Union (EU) dazu verpflichtet , ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken.1 Die EU greift zur Minderung ihrer Treibhausgasemissionen auf zwei zentrale Klimaschutzinstrumente zurück: den EU-Emissionshandel (EU-ETS), der den Energiesektor und die Industrie erfasst , sowie die Klimaschutzverordnung, die die Ziele der Union für die Nicht-ETS-Sektoren, insbesondere Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfall (doch ohne Flugverkehr), bestimmt. Im Anwendungsbereich der Klimaschutzverordnung nimmt die sog. Lastenteilungsentscheidung (Effort-Sharing-Decision, ESD)2 die Verteilung der EU-Emissionsreduktionsziele auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten für den Zeitraum bis 2020 vor. Darin werden für jeden Mitgliedstaat nationale Emissionsziele für 2020 festgelegt; ausgewiesen als relative Veränderungen im Vergleich zum Stand des Jahres 2005. Weiterhin bestimmt die ESD die Berechnung der in Tonnen ausgewiesenen jährlichen Emissionszuweisungen für die Jahre 2013 bis 2020 sowie Flexibilitätsmöglichkeiten . Da die nationalen Emissionsziele für 2020 auf dem durch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ermittelten relativen Wohlstand der Mitgliedstaaten basieren, reichen sie von einer Reduktion um 20 % für die wohlhabendsten Mitgliedstaaten bis hin zu einem Anstieg um 20 % für Bulgarien. Das der EU am 1. Juli 2013 beigetretene Kroatien darf seine Emissionen bis 2020 um 11 % im Vergleich zu 2005 erhöhen. Für den Folgezeitraum von 2021 bis 2030 bestimmt die 2018 erlassene sog. Lastenteilungsverordnung (Effort-Sharing-Regulation, ESR)3 für alle Mitgliedstaaten die nationalen Emissionsziele; sie liegen zwischen 0 % und einer Reduktion um 40 % im Vergleich zum Stand im Jahr 2005. 1 Intended Nationally Determined Contribution of the EU and its Member States vom 6. März 2015. 2 Entscheidung Nr. 406/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen mit Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020 3 Verordnung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 (ESR). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 017/19 Seite 5 Die beiden Zielbestimmungen geben Deutschland auf, seine Treibhausgasemission in den Nicht- EU-ETS-Sektoren bis 2020 um 14 Prozent4 und bis 2030 um 38 Prozent5 im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Sie legen zugleich jährliche Emissionsbudgets bezogen auf die Summe der betroffenen Emissionen für den von der ESD geregelten Zeitraum 2013 bis 2020 sowie für den durch die ESR erfassten Zeitraum von 2021 bis 2030 fest. So dürfen danach im Geltungsbereich der ESD in den Jahren 2018, 2019 und 2020 in Deutschland 425 Millionen t CO2-Äq., 418 Millionen t CO2- Äq. bzw. 411 Millionen t CO2-Äq. emittiert werden. Die jährlichen Emissionsbudgets für die unter die Bestimmungen der ESR fallende Periode 2021 bis 2030 werden derzeit durch die Europäische Kommission auf Grundlage der ESR berechnet und voraussichtlich im Jahr 2020 veröffentlicht .6 Beide Sekundärrechtsakte sehen– anders als in der Frage des Auftraggebers unterstellt – keine Strafzahlungen für den Fall der Verfehlung der jeweils auferlegten Emissionsreduktionsziele vor. Vielmehr ist als Folge der Verfehlung der Ziele ein nichtmonetärer Maßnahmenkatalog vorgesehen (Art. 7 ESD, Art. 8 und 9 ESR). Finanzielle Konsequenzen im Sinne einer Kostenwirksamkeit der Zielverfehlung kann dagegen eines der Flexibilisierungsinstrumente7 erzeugen, die beide Rechtsakte vorsehen, um eine faire und kosteneffiziente Erreichung der Emissionsreduktionsziele zu ermöglichen (Art. 5 ESD, Art. 5 ESR). Hierbei handelt es sich um die Möglichkeit des An- und Verkaufs von Emissionszuweisungen zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 5 Abs. 6 ESD; Art. 5 Abs. 4 ESR). 3. Aussagen zur Frage der Erreichung der Emissionsreduktionsziele durch Deutschland 3.1. Europäische Kommission und Europäische Umweltagentur In ihrem aktuellen Bericht8 „ Die EU und das Pariser Klimaschutzübereinkommen: Bestandsaufnahme der Fortschritte bei der Klimakonferenz in Kattowitz“ vom 26. Oktober 2018 führt die Europäische Kommission (KOM) aus, dass die meisten EU-Mitgliedstaaten ihre in der ESD festgelegten Ziele für 2020 voraussichtlich erreichen werden. Den nationalen Projektionen zufolge würden jedoch acht Mitgliedstaaten, darunter Deutschland die Ziele verfehlen. Während Irland sein Ziel möglicherweise um 20 Prozentpunkte verfehlen werde, wiesen die Projektionen für Zypern und Malta Negativabweichungen von 12 bzw. 11 Prozentpunkte aus. Die Abweichungen für 4 Art. 3 i.V.m. Anhang I ESD. 5 Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I ESR. 6 BT-Drs. 19/4395, S. 3 f. 7 Die Flexibilitätsmöglichkeiten nach der ESD umfassen die Übertragung von Überschüssen (in Jahren, in denen die Emissionen eines Mitgliedstaats unter seinen jährlichen Emissionszuweisungen liegen, kann er diese Überschüsse auf nachfolgende Jahre übertragen und in späteren Jahren verwenden), die Vorwegnahme von Zuweisungen (in Jahren, in denen die Emissionen über der jährlichen Obergrenze liegen, kann ein Mitgliedstaat einen begrenzten Anteil seiner Zuweisungen für das folgende Jahr vorwegnehmen, um jährliche Emissionsschwankungen z.B. wegen schlechter Wirtschaftsbedingungen aufzufangen) sowie den An- und Verkauf von Emissionszuweisungen zwischen den Mitgliedstaaten. Die ESR behält diese Möglichkeiten bei und ergänzt sie um zwei weitere Optionen, den Zugriff auf Zertifikate aus dem EU-Emissionshandel sowie den Zugriff auf Gutschriften aus dem Landnutzungssektor (Art. 6 und 7 ESR). 8 Bericht der Kommission (KOM(2018) 716) vom 26. Oktober 2018 gemäß Art. 21 der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 „ Die EU und das Pariser Klimaschutzübereinkommen: Bestandsaufnahme der Fortschritte bei der Klimakonferenz in Kattowitz“. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 017/19 Seite 6 Deutschland sowie für Belgien, Luxemburg, Österreich und Finnland fielen voraussichtlich geringer aus.9 Zu den Emissionsreduktionszielen für 2030 stellt die KOM in diesem Bericht fest, dass lediglich drei Mitgliedstaaten (Ungarn, Portugal und Griechenland) ihre Ziele für 2030 voraussichtlich übertreffen werden und sich fünf weitere Mitgliedstaaten den Zielen annähern. Dagegen legten die Projektionen den Schluss nahe, dass mit den derzeitigen Maßnahmen zehn Mitgliedstaaten,10 darunter auch Deutschland ihre Ziele für 2030 um mehr als 10 Prozentpunkte verfehlen. Die KOM appelliert an diese Mitgliedstaaten, in ihren nationalen Energie- und Klimaplänen darzulegen , wie sie ihren Verpflichtungen nachkommen werden, insbesondere durch neue oder verschärfte Strategien und Maßnahmen.11 Der Bericht der KOM wird ergänzt durch die Berichterstattung der Europäischen Umweltagentur (EEA) „Trends and Projections in Europe 2018“ vom 26. November 2018.12 Für Deutschland quantifiziert dieser Bericht die Abweichungen von den Emissionszielen 2020 auf Grundlage der Projektionen innerhalb zweier Szenarien: unter Annahme des sog. WEM-Scenario13 wird ein Defizit von 15,6 Mio. AEAs14 im Jahr 2020 projiziert; dieses Defizit wird im sog. WAM-Scenario15 auf 8,1 Mio. AEAs reduziert.16 3.2. Bundesregierung Die Bundesregierung hat sich zu den hier erörterten Fragen bislang sehr zurückhaltend geäußert. In ihren Antworten auf Kleine Anfragen der Bundestagsfraktionen der FDP17 sowie Bündnis 90/DIE GRÜNEN18 führte sie zur Frage der Verfehlung der Emissionsreduktionsziele der ESD aus, dass bis zum Jahr 2020 insgesamt von einem Defizit auszugehen sei. Die genaue Höhe des Defizits über den gesamten Zeitraum der Jahre 2013 bis 2020 sei aber derzeit noch nicht belastbar abzuschätzen .19 Hinsichtlich der Emissionsreduktionsziele nach der ESR verweist die Bundesregierung auf ihre Arbeiten an einem Maßnahmenprogramm, das die Erreichung der Sektorziele des (nationalen) 9 KOM(2018) 716, Fn. 8, S. 11. 10 Estland, Lettland, Finnland, Deutschland, Dänemark, Litauen, Österreich, Rumänien, Polen und Spanien. 11 KOM(2018) 716, Fn. 8, S. 11 f. 12 EEA, Bericht Nr. 16/2018 vom 26. November 2018, Trends and Projections in Europe: 2018: Tracking progress towards Europe’s climate and energy targets, Luxemburg, 2018. Vgl. hier Ausführungen zu den Fortschritten der Mitgliedstaaten bei der Erreichung ihrer Emissionsziele (Tz. 3 des Berichts), S. 24 ff. 13 Das WEM-Scenario erfasst die Situation mit aktuell angewandten Politiken und Maßnahmekatalogen („existing measures“). 14 AEAs sind die in Tonnen ausgedrückten jährlichen Emissionszuweisungen („annual emission allocation“) für einen Mitgliedstaat. 15 Das WAM-Scenario erfasst die Situation mit zusätzlichen Maßnahmen („additional measures“). 16 EEA, Bericht Nr. 16/2018, Fn. 12, S. 29. 17 BT-Drs. 19/4659. 18 BT-Drs. 19/6176. 19 Vgl. Fn. 17und 18, jeweils Antwort zu Frage 1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 017/19 Seite 7 Klimaschutzplans 205020 bis zum Jahr 2030 sicherstellen soll. Die in diesem Programm enthaltenen Maßnahmen sollen auch die Einhaltung der europäischen Klimaschutzverpflichtungen Deutschlands gewährleisten.21 4. Aussagen zu finanziellen Lasten durch den Ankauf von Emissionszuweisungen In ihren oben genannten Antworten auf Kleine Anfragen traf die Bundesregierung keine Aussagen zu der Frage finanzieller Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt aufgrund von Emissionszuweisungstransfers . Sie führte aus, dass weder die Preise für Emissionszuweisungen unter der ESD bekannt seien, noch die genaue Höhe des Defizits über den gesamten Zeitraum 2013 bis 2020 für Deutschland belastbar abgeschätzt werden könne. Der Sachverhalt sei derzeit nicht veranschlagungsreif ; innerhalb der Bundesregierung finde hierzu ein regelmäßiger Austausch statt.“22 Darüber hinaus haben sich weder die KOM noch die EEA zu diesem Themenkomplex geäußert. Fachbereich Europa 20 Zur Projektion der Zielerreichung in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft sowie Landnutzung und Forstwirtschaft vgl. Bundesregierung, Klimaschutzbericht 2018 zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung, BT-Drs. 19/7670, S. 12 ff. 21 Vgl. BT-Drs. 19/6176, Antwort zu Frage 5. 22 Vgl. Fn. 17und 18, Antworten zu Frage 3 bzw. 2 bis 4.