© 2018 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 16/18 Rüstungslieferungen Deutschlands an die Türkei Bewertung am Maßstab des Unionsrechts Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 2 Rüstungslieferungen Deutschlands an die Türkei Bewertung am Maßstab des Unionsrechts Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 16/18 Abschluss der Arbeit: 9.2.2018 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vorgaben des Unionsrechts zu Rüstungsexporten 4 2.1. Inhalt des Gemeinsamen Standpunkts 5 2.1.1. Vorgaben 5 2.1.2. Anwendung des Gemeinsamen Standpunkts auf Rüstungsexporte in die Türkei 6 2.1.2.1. Kriterien des Art. 2 des Gemeinsamen Standpunkts 6 2.1.2.2. Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung 7 2.2. Rechtliche Konsequenzen für Verstöße nach dem Gemeinsamen Standpunkt 7 2.3. Rechtliche Konsequenzen für Verstöße nach dem primären Unionsrecht 8 2.3.1. Rechtsnatur des Gemeinsamen Standpunkts 8 2.3.2. Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens 9 3. Fazit 9 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 4 1. Einleitung Am 20. Januar 2018 hat das türkische Militär begonnen, im nordsyrischen Gebiet um die Stadt Afrîn gegen die kurdischen Volksschutzeinheiten Yekîneyên Parastina Gel (YPG) vorzugehen. Presseberichten zufolge sind im Rahmen dieser Militäroperation vom türkischen Militär aus Deutschland importierte Leopard 2-Panzer eingesetzt worden.1 In einer Pressekonferenz am 29. Januar 2018 erklärte Maria Adebahr, die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, „dass in dem Gespräch des Botschafters Erdmann mit dem türkischen Verteidigungsminister von türkischer Seite nicht bestritten wurde, dass bei dem Einsatz in Syrien auch Gerät, das ursprünglich aus Deutschland stammte, möglicherweise zum Einsatz kommen könnte.“2 Vor diesem Hintergrund ist der Fachbereich um Auskunft ersucht worden, ob die Bundesregierung bzw. die Bundesrepublik Deutschland für den Einsatz von aus Deutschland gelieferten Rüstungsgütern durch die Türkei bei der Militäroperation gegen die kurdischen Volksschutzeinheiten YPG aus europarechtlicher Perspektive belangt werden kann. Die Frage nach der Bewertung aus völkerrechtlicher Perspektive erfolgt durch den Fachbereich WD 2.3 Auf Grund der ungesicherten Faktenlage nehmen der Fachbereich Europa wie auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages von einer abschließenden rechtlichen Bewertung des konkreten Falls Abstand. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Fragen, welche Vorgaben das Unionsrecht für den Rüstungsexport von Mitgliedstaaten enthält und ob bzw. welche Rechtsfolgen Verstöße gegen entsprechende Vorgaben des Unionsrechts haben. 2. Vorgaben des Unionsrechts zu Rüstungsexporten Gemäß Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV kann jeder Mitgliedstaat die Maßnahmen ergreifen, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen. Diese Maßnahmen dürfen allerdings im Binnenmarkt die Wettbewerbsbedingungen hinsichtlich 1 Gebauer, Militäroffensive in Nord-Syrien - Türkei bestätigt Einsatz deutscher Leopard-Panzer, spiegel online vom 29.1.2018, abrufbar unter http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-tuerkei-bestaetigt-einsatz-deutscher -leopard-panzer-a-1190398.html. 2 Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 29.1.2018 – Türkische Militäroffensive in Nordsyrien, s. dazu den Artikel auf Zeit online vom 29.1.2018, abrufbar unter http://www.zeit.de/news/2018-01/29/tuerkei-bestaetigt-einsatz-deutscher-leopard-2-panzer-180129-99-850559. 3 Der türkische Militäreinsatz in Nordsyrien – Völkerrechtliche Verantwortlichkeit Deutschlands für die Lieferung von Leopard 2-Panzern, WD 2 - 3000 - 010/18. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 5 der nicht eigens für militärische Zwecke bestimmten Waren nicht beeinträchtigen. Dieser mitgliedstaatliche Kompetenzvorbehalt steht einer umfassenden unionsrechtlichen Regelung der Rüstungsausfuhr entgegen.4 Die EU hat durch verschiedene Maßnahmen in Teilbereichen das Vorgehen der Mitgliedstaaten im Bereich der Rüstungsexporte harmonisiert. Sie hat beispielsweise eine Richtlinie zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern5 und eine Verordnung über die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck6 erlassen. Vorgaben für die Rüstungsexporte aus Mitgliedstaaten in Drittstaaten sind auf Unionsebene dabei bisher nur in dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern7 festgelegt worden. 2.1. Inhalt des Gemeinsamen Standpunkts 2.1.1. Vorgaben Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP hat jeder Mitgliedstaat die ihm vorgelegten Anträge auf Erteilung einer Exportgenehmigung betreffend die in der Gemeinsamen Militärgüterliste der EU8 enthaltenen Gegenstände zu prüfen. Exportgenehmigungen werden gemäß Art. 5 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP nur auf der Grundlage einer zuverlässigen vorherigen Kenntnis der Endverwendung im Endbestimmungsland erteilt. Bei der Prüfung einer Exportgenehmigung sind von den Mitgliedstaaten acht Kriterien zu berücksichtigen, die in Art. 2 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP aufgeführt sind: Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten (Kriterium 1); Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland (Kriterium 2); 4 Moltmann, HSFK-Report Nr. 3/2012, Die Zange, die nicht kneift – Der EU-Gemeinsame Standpunkt zu Rüstungsexporten – Chancen und Risiken seiner Überprüfung, S. 8 f.; Lustgarten, The European union, the member states and the arms trade: a study in law and policy, European Law Review 2013, S. 521 (523). 5 Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.5.2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern, ABl.  L 146/1 vom 10.6.2009, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009L0043- 20170622&qid=1517935036577&from=DE. 6 Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5.5.2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, ABl. L 134/1 vom 29.5.2009, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R0428-20171216&qid=1518002158801&from=DE. 7 Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern, ABl. L 335/99 vom 13.12.2008, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008E0944&from=DE. 8 Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union vom Rat am 6. März 2017 angenommen, ABl. C 97/1 vom 28.3.2017, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52017XG0328(01)&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 6 innere Lage im Endbestimmungsland als Ergebnis von Spannungen oder bewaffneten Konflikten (Kriterium 3); Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region (Kriterium 4); nationale Sicherheit der Mitgliedstaaten und befreundeter und verbündeter Länder (Kriterium 5); Verhalten des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft (Kriterium 6); Risiko der Abzweigung von Militärtechnologie oder Militärgütern im Käuferland oder der Wiederausfuhr von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen (Kriterium 7); Vereinbarkeit der Ausfuhr von Militärtechnologie oder Militärgütern mit der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes (Kriterium 8). 2.1.2. Anwendung des Gemeinsamen Standpunkts auf Rüstungsexporte in die Türkei 2.1.2.1. Kriterien des Art. 2 des Gemeinsamen Standpunkts Im Hinblick auf den möglichen Einsatz von aus Deutschland exportierten Leopard 2-Panzern durch das türkische Militär in Syrien sind insbesondere die Kriterien 2, 4, 5 und 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP von Bedeutung. Gemäß Art. 2 Abs. 2 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP verweigern die Mitgliedstaaten eine Ausführgenehmigung aufgrund von Kriterium 2, wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, verwendet werden , um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen. Nach Art. 2 Abs. 4 verweigern die Mitgliedstaaten eine Ausfuhrgenehmigung aufgrund des Kriteriums 4, wenn eindeutig das Risiko besteht, dass der angegebene Empfänger die Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, zum Zwecke der Aggression gegen ein anderes Land oder zur gewaltsamen Durchsetzung eines Gebietsanspruchs benutzt. Die wiederholte Bezugnahme auf einen gewaltsamen Konflikt zwischen zwei „Ländern“ in diesem Absatz legt nahe, dass das Kriterium 4 nur Auseinandersetzungen zwischen Staaten erfasst. Gemäß Art. 2 Abs. 5 berücksichtigen die Mitgliedstaaten als Kriterium 5 die möglichen Auswirkungen der Militärtechnologie oder der Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, auf ihre Verteidigungs - und Sicherheitsinteressen sowie auf die anderer Mitgliedstaaten und befreundeter oder verbündeter Länder, wobei sie anerkennen, dass hierdurch die Berücksichtigung der Kriterien betreffend die Achtung der Menschenrechte und die Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region nicht beeinträchtigt werden darf. Da die Türkei sowohl NATO- Mitgliedstaat als auch Beteiligte am internationalen Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat ist, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die Aufrüstung ihrer Leopard 2-Panzer auf die Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen Deutschlands und verbündeter oder befreundeter Länder auswirkt. Nach Art. 2 Abs. 6 berücksichtigen die Mitgliedstaaten als Kriterium 6 auch das bisherige Verhalten des Käuferlandes in Bezug auf die Einhaltung seiner internationalen Verpflichtungen, insbesondere im Hinblick auf die Nichtanwendung von Gewalt, und der Bestimmungen des humanitären Völkerrechts. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 7 2.1.2.2. Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung Für die Erteilung einer Exportgenehmigung ist die Endverwendung der fraglichen Rüstungsgüter im Endbestimmungsland von Bedeutung. Es ist jedoch nicht auf Jahre hinweg absehbar, zu welchen Maßnahmen ein Staat bestimmte Rüstungsgüter einsetzen wird. Entscheidend ist die Situation , wie sie sich im Moment der Genehmigungserteilung darstellt. Basierend auf einer Genehmigungsentscheidung aus dem Jahr 2005 (erweitert im Jahr 2009) wurden aus Deutschland zwischen 2006 und 2011 354 Leopard 2-Panzer in die Türkei exportiert.9 Diesbezüglich ist festzustellen, dass zur Zeit der Genehmigungsentscheidung im Jahr 2005 der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP noch nicht existierte und dementsprechend keinen Prüfungsmaßstab für die Entscheidung darstellt. Vorgaben für Rüstungsexporte der Mitgliedstaaten auf Unionsebene existierten 2005 in Form eines rechtlich unverbindlichen Verhaltenskodex .10 Auch ist im Rahmen dieser Ausarbeitung keine Prüfung möglich, wie sich die Situation in der Türkei im Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung 2005 und im Zeitpunkt der Genehmigungserweiterung 2009 dargestellt hat. Es ist daher auch nicht möglich, zu prüfen, ob eines der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP zum Zeitpunkt der Exportgenehmigung erfüllt war. 2.2. Rechtliche Konsequenzen für Verstöße nach dem Gemeinsamen Standpunkt Gemäß Art. 4 Abs. 2 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP bleibt die Frage, ob der Transfer von Militärtechnologie oder Militärgütern genehmigt oder verweigert wird, dem nationalen Ermessen eines jeden Mitgliedstaats überlassen. Es liegt mithin in der Verantwortung der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob ein Drittstaat eines oder mehrere der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts erfüllt und daher keine Exportgenehmigung für die Ausfuhr von Militärgütern in diesen Drittstaat erteilt werden darf. Die Mitgliedstaaten entscheiden, wie sie den Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP in ihrem nationalen Recht umsetzen, und sie entscheiden über seine Anwendung auf die ihnen vorliegenden Einzelfälle bei der Erteilung von Exportgenehmigungen .11 Gemäß Art. 4 Abs. 1 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP informieren die Mitgliedstaaten der EU einander detailliert über Anträge auf Ausfuhrgenehmigungen, die entsprechend 9 Regierungspressekonferenz vom 22.1.2018, „Militäreinsatz der Türkei in der Grenzregion zu Syrien“, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/01/2018-01-22- regpk.html; s. auch die Informationen der ARD unter http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/leopard- 109.html. 10 Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren, angenommen vom Rat der EU am 8. Juni 1998, 8675/2/98 Rev 2, abrufbar unter http://ruestungsexport-info.de/fileadmin/media/Dokumente/R%C3%BCstungsexporte ___Recht/EU-Doks/EU_Waffenausfuhren/EU-Verhaltenskodex-1998DE.pdf. S. dazu auch die Ausführungen von Bromley, The review of the EU common position on arms exports: prospects for strengthened controls , Non-proliferation papers No. 7, 2012, abrufbar unter https://www.sipri.org/publications/2012/eu-nonproliferation -papers/review-eu-common-position-arms-exports-prospects-strengthened-controls. 11 Hansen/Marsh, Normative power and organized hypocrisy: European Union member states' arms export to Libya, European Security 2014, S. 264 (269). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 8 den Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts verweigert wurden und geben die Gründe dafür an. Nach Art. 8 Abs. 1 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP übermittelt jeder Mitgliedstaat den anderen Mitgliedstaaten jährlich einen vertraulichen Bericht über seine Ausfuhren und seine Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts. Der Gemeinsame Standpunkt stärkt mithin die Transparenz der Militärexporte der Mitgliedstaaten und ihren diesbezüglichen Informationsaustausch . Er sieht jedoch keine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten oder die Unionsorgane vor, auf Genehmigungsentscheidungen über Rüstungsexporte der (anderen) Mitgliedstaaten einzuwirken .12 2.3. Rechtliche Konsequenzen für Verstöße nach dem primären Unionsrecht Der Gemeinsame Standpunkt selbst sieht keine rechtlichen Konsequenzen für Mitgliedstaaten vor, die seinen Vorgaben zuwiderhandeln. Fraglich ist, ob das primäre Unionsrecht rechtliche Konsequenzen für die Verletzung eines Gemeinsamen Standpunkts durch einen Mitgliedstaat vorsieht. Zu überlegen ist, ob die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 258 ff. AEUV gegen einen Mitgliedstaat wegen einer Verletzung des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP besteht. 2.3.1. Rechtsnatur des Gemeinsamen Standpunkts Bei einem Gemeinsamen Standpunkt handelt es sich um eine Handlungsform gemäß Art. 15 EUV alte Fassung (in der Fassung gemäß dem Vertrag von Amsterdam). Die Vorschrift bestimmte: „Der Rat nimmt gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geographischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit den gemeinsamen Standpunkten in Einklang steht.“ Die weitgehend identische Nachfolgeregelung des Art. 29 EUV in seiner aktuellen Fassung (Vertrag von Lissabon) lautet wie folgt: „Der Rat erlässt Beschlüsse, in denen der Standpunkt der Union zu einer bestimmten Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt wird. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit den Standpunkten der Union in Einklang steht.“ Auch wenn Art. 29 EUV die Beschlüsse zur Festlegung von Standpunkten – anders als Art. 28 Abs. 2 EUV – nicht ausdrücklich für bindend erklärt, wird davon ausgegangen, dass sie für die Mitgliedstaaten maßgeblich und Abweichungen grundsätzlich nicht zulässig sind.13 Das Fehlen von mit Art. 28 Abs. 2 und 5 EUV vergleichbaren Bestimmungen in Art. 29 EUV deutet zwar darauf hin, dass im Einzelfall von einem Standpunkt leichter als von einem Beschluss gemäß Art. 28 EUV abgewichen werden kann, jedoch wird dieser Unterschied durch den Grundsatz der 12 Bromley, The review of the EU common position on arms exports: prospects for strengthened controls, Nonproliferation papers No. 7, 2012, S. 6, abrufbar unter https://www.sipri.org/publications/2012/eu-non-proliferation -papers/review-eu-common-position-arms-exports-prospects-strengthened-controls. 13 Marquardt/Gaedtke in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 29 EUV, Rn. 7. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 9 Unionstreue nach Art. 24 Abs. 3 EUV begrenzt.14 Daher werden die Standpunkte von der herrschenden Meinung als in der Praxis rechtlich verbindlich angesehen.15 2.3.2. Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens Ausgehend von der vorstehenden Annahme, dass der Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP für die Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich ist, stellt sich die Frage, ob die Einhaltung seiner Vorgaben auf Unionsebene kontrolliert werden kann. Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) besitzt der EuGH gemäß Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 6 EUV i.V.m. Art. 275 AEUV nur die Zuständigkeit, die Einhaltung des Art. 40 EUV zur Abgrenzung der GASP vom supranationalen Unionsrecht zu kontrollieren und die Rechtmäßigkeit bestimmter Beschlüsse nach Art. 275 Abs.2 AEUV zu überwachen. Somit ist im Bereich der GASP die Jurisdiktion des EuGH für Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 6 EUV i.V.m. Art. 275 AEUV ausgeschlossen.16 Der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP unterliegt mithin nicht seiner Gerichtsbarkeit.17 Die beschränkte Jurisdiktion des EuGH im Bereich der GASP wirkt sich auf das gesamte Vertragsverletzungsverfahren aus.18 Auch die Kommission verfügt mithin nicht über die Kompetenz, die Einhaltung des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP mittels eines Vertragsverletzungsverfahrens durchzusetzen.19 3. Fazit Der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP enthält Vorgaben für den Rüstungsexport der Mitgliedstaaten . Die in ihm benannten Kriterien für den Export von Rüstungsgütern in Drittstaaten unterliegen jedoch dem nationalen Ermessen eines jeden Mitgliedstaats. Die Einhaltung dieser Vorgaben kann nicht von der Union mittels eines Vertragsverletzungsverfahrens durchgesetzt werden. Hinsichtlich der Genehmigung des Exports von Leopard 2-Panzern aus Deutschland an 14 Marquardt/Gaedtke in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 29 EUV, Rn. 7. 15 Marquardt/Gaedtke in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 29 EUV, Rn. 7; Kaufmann-Bühler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 41. EL, Stand: Juli 2010, Art. 29 EUV, Rn. 19. 16 Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 50. EL, Stand: Mai 2013, Art. 258 AEUV, Rn. 26. 17 Lustgarten, The European union, the member states and the arms trade: a study in law and policy, European Law Review 2013, S. 521 (528); Marquardt/Gaedtke in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 29 EUV, Rn. 7. 18 Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl, 2012, Art. 258 AEUV, Rn. 7. 19 So auch: Lustgarten, The European union, the member states and the arms trade: a study in law and policy, European Law Review 2013, S. 521 (529). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 16/18 Seite 10 die Türkei ist festzuhalten, dass im Zeitpunkt der Genehmigung 2005 der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP noch nicht existierte und daher für diese Entscheidung keinen Prüfungsmaßstab darstellt. – Fachbereich Europa –