© 2014 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 16/14 Ausarbeitung Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Kfz- Klimaanlagen-Richtlinie aus Sicht des Europarechts Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 5 PE 6 – 3000 – 16/2 Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Kfz-Klimaanlagen-Richtlinie aus Sicht des Europarechts Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 16/14 Abschluss der Arbeit: 18. März 2014 Fachbereich: PE 6: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 5 PE 6 – 3000 – 16/16 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Hintergrund 4 1.2. Gegenstand dieser Ausarbeitung 6 2. Entscheidende Regelungen der Kfz-Klimaanlagen-RL (2006/40/EG) 7 3. Haftung der Europäischen Union 10 3.1. Anspruchsberechtigte und - verpflichtete 10 3.2. Organ oder Bediensteter 11 3.3. Handeln in Ausübung einer Amtstätigkeit 11 3.4. Rechtswidrigkeit der Amtshandlung: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine individualschützende, höherrangige Norm 12 3.4.1. Schutznormverletzung? 12 3.4.1.1. Verletzung der Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum 13 3.4.1.2. Verletzung des Grundrechts auf unternehmerische Freiheit 16 3.4.2. hinreichend qualifizierter Verstoß 17 3.4.3. Zwischenergebnis 18 3.5. Kausaler Schaden 18 3.6. Ergebnis 19 4. Persönliche Haftung der Bediensteten 20 Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 5 PE 6 – 3000 – 16/17 1. Einleitung 1.1. Hintergrund Hintergrund dieser Ausarbeitung ist der Konflikt um Kühlmittel für Kfz-Klimaanlagen und die Um- und Durchsetzung der Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen 1 (Kfz-Klimaanlagen-RL) in Deutschland. In dieser Richtlinie ist geregelt, welche Art von Kühlmitteln im Hinblick auf ihr Treibhauspotenzial (Global Warming Potential – GWP) in Kfz-Klimaanlagen ab unterschiedlichen Stichtagen verwendet werden darf.2 Die Richtlinie war bis zum 4. Januar 2008 in mitgliedstaatliches Recht umzusetzen.3 Bis zum Ende des Jahres 2012 hatte die Kommission von der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten, die richtlinienwidriges Verhalten ihrer Kfz-Hersteller (etwa durch den Einbau von nicht die Grenzwerte der Richtlinie einhaltenden Kühlmitteln in ihre Fahrzeuge) geduldet haben, abgesehen, weil das einzige, die Anforderungen der Richtlinie erfüllende Kühlmittel R1234yf auf dem Markt nicht verfügbar war.4 Seit die Hersteller von R1234yf dieses wieder liefern können, erwartet die Kommission, dass die Richtlinienbestimmungen seit dem 1. Januar 2013 vollumfänglich anzuwenden sind.5 Ein deutscher Auto-Hersteller behauptet indes, dass sich R1234yf entzünden könne und dass daher bei seinem Einsatz eine erhebliche Gefahr für den Straßenverkehr, insbesondere für Leib und Leben von Unfallhelfern bestehe. Er weigert sich daher R1234yf in seinen Fahrzeugen zu verwenden und befüllt Klimaanlagen weiterhin mit dem alten Kühlmittel R134a. R134a hält je- 1 Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.05.2006 über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates (ABl. L 161 vom 14.06.2006, S. 12), online abrufbar unter http://new.eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/?qid=1395137115947&uri=CELEX:32006L0040 (zuletzt abgerufen am 18.03.2014) – im Folgenden : Kfz-Klimaanlagen-RL. 2 Im Einzelnen dazu siehe unter 2. Entscheidende Regelungen der Kfz-Klimaanlagen-RL (2006/40/EG), S. 7. 3 Die Kfz-Klimaanlagen-RL wurde durch die Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 10. Mai 2012 umgesetzt (BGBl. I vom 16.05.2012 S. 1086). Mit Wirkung vom 01. Juni 2012 wurden §§ 47 e, 72 Abs. 2 Nr. 6 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) erlassen (Straßenverkehrs -Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl. I S. 679), zuletzt geändert durch Art. 2 Erste VO zur Änd. der Fahrzeug-ZulassungsVO und and. straßenverkehrsrechtl. Vorschriften vom 19. 10. 2012 (BGBl. I S. 2232)). 4 Vgl. dazu im Einzelnen das als Anlage beigefügte Gutachten vom 12.12.12 „Zur Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Ankündigung der Kommission, keine Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nichteinhaltung der Anforderungen der Richtlinie einzuleiten“ von Andrea Eriksson (WD 11 – 3000 – 170/12). 5 Vgl. European Commission, Implementation of Directive 2006/40/EC - State of play (21/06/2013), online abrufbar unter http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/automotive/files/environment/mac/state-of-playen.pdf, zuletzt abgerufen am 15.08.13. Siehe auch Implementation of Directive 2006/40/EC – Questions and Answers, 22.04.13. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 5 PE 6 – 3000 – 16/14 doch die Emissionsvorgaben der Kfz-Klimaanlagen-RL nicht ein. Andere Kfz-Hersteller verneinen eine Gefährdung durch R1234yf.6 Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) konnte zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür finden, dass ein ernsthaftes Risiko i.S.d. deutschen Produktsicherheitsgesetzes vorliege7, konnte aber eine Gefährdung auch nicht sicher ausschließen. Entsprechend schätzte es die Verwendung des Kältemittels R1234yf in Klimaanlagen von Kraftfahrzeugen Presseberichten zufolge als „potentielles Risiko“8 ein. Ein von der Kommission beauftragtes und am 7. März 2014 veröffentlichtes wissenschaftliches Gutachten kommt auf Grundlage der vom KBA durchgeführten Testreihen zu dem Ergebnis, dass es keinen Beweis für ernsthafte Gefahren gebe, die vom normalen und berechenbaren Gebrauch von R1234yf ausgehen.9 Bislang hat das KBA vor diesem Hintergrund keine Sanktionen gegen den deutschen Kfz- Hersteller wegen der weiteren Verwendung von R134a erlassen.10 Zudem gibt es die Meldung, dass das KBA im Mai 2013 eine bereits vor dem 1. Januar 2011 (im Folgenden als Stichtag bezeichnet ) nach der Richtlinie 2007/46/EG zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen (Rahmenrichtlinie)11 erteilte Typengenehmigung insofern erweitert habe, als dass nun Fahrzeugmodelle, für die bereits nach dem Stichtag eine neue Typengenehmigung beantragt worden war und auch erteilt wurde, von ihr erfasst sind und somit (formell) der Geneh- 6 Vgl. Anlage 1 zu der Mitteilung der Bundesregierung an die EU-Kommission (Generaldirektion Unternehmen und Industrie) betr. Einsatz des Kältemittels R 1234yf und Erfüllung der Vorgaben der RL 2006/40/EG - Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen, (Sachstand Kältemittelverwendung gem. Schreiben ENTR/B4 – ASC/iv – 193866 vom 7.2.2013), abrufbar in EuDox unter http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokument?id=105749, zuletzt abgerufen am 18.03.2014. 7 Vgl. Note ot DG ENTR, JRC technical and scientific support to the research on safety aspects of the use of refrigerant 1234yf on MAC systems, Gutachten vom 3.3.2014, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/automotive/environment/macs/indexen.htm, zuletzt abgerufen am 18.03.2014. 8 Vgl. FAZ vom 9.8.13, Seite 15 („EU soll Auto-Kältemittel prüfen“). 9 Vgl. MEMO 14/168 der Kommission vom 7.3.2014, online abrufbar unter http://europa.eu/rapid/pressrelease MEMO-14-168en.htm, zuletzt abgerufen am 18.03.2014. 10 Vgl. auch die Ausführungen der Kommission in dem zur Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens übersandten Mahnschreiben, abrufbar in EuDox unter http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokument?id=105721, zuletzt abgerufen am 18.03.2014. 11 Richtlinie 2007/46/EG zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie). Mit Wirkung vom 29. April 2009 hat diese Rahmenrichtlinie die zuvor geltende Richtlinie 70/156/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger aufgehoben. Gemäß Art. 49 Rahmenrichtlinie gelten aber Verweisungen auf die Richtlinie 70/156/EG als solche auf die aktuelle Rahmenrichtlinie. Sämtliche Rechtsakte der EU sind unter Angabe der Rechtsaktnummer online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/RECHnaturel.do, zuletzt abgerufen am 15.08.13. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 15 PE 6 – 3000 – 16/14 migungszeitpunkt für diese Fahrzeuge vor dem Stichtag 1. Januar 2011 liegt (Erweiterung der alten Typengenehmigung).12 Die Kommission hat daraufhin „in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge“13 am 10. Juni 2013 die deutschen Behörden zur Stellungnahme aufgefordert (sog. Pilotverfahren) und nun durch ihr am 27. Januar 2014 zugegangenes Aufforderungsschreiben das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2013/2254 gegen Deutschland förmlich eingeleitet. Dem nur in Auszügen vorliegenden Mahnschreiben14 ist zu entnehmen, dass die Kommission Deutschland u.a. vorwirft, bislang - die Vorschriften über Sanktionen bei Verstößen gegen u.a. die Kfz-Klimaanalgen-RL nicht mitgeteilt zu haben und dass - die deutschen Behörden bislang keine konkreten Sanktionen gegen die Daimler AG wegen der Herstellung und des Inverkehrbringens von Fahrzeugen unter Missachtung ihrer Typengenehmigung verhängt hätten. Mit Schreiben vom 18. Februar 2014 hat die Bundesregierung bei der Kommission die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme um zwei Monate beantragt.15 1.2. Gegenstand dieser Ausarbeitung Gegenstand dieser Ausarbeitung ist die Frage, ob nach europäischem Recht eine Haftung der EU oder ihrer Organe und Organwalter in Betracht käme, wenn es nach einer Verwendung des mit der Kfz-Klimaanlagerichtlinie konformen Kältemittels R1234yf tatsächlich zu Explosionen und Bränden käme, durch die Sach- oder Personenschäden entstünden. In einem ersten Schritt werden dafür die relevanten Regelungen in der Kfz-Klimaanlagen-RL dargestellt (dazu unter 2.), um dann zu prüfen, ob die einzelnen Voraussetzungen für eine Haftung der EU erfüllt wären (dazu unter 3.). Schließlich wird erörtert, ob eine persönliche Haftung des handelnden Kommissars in Betracht kommen könnte (dazu unter 4.) 12 Vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 7.3.2014, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/deutschland/press/prreleases/12155de.htm, zuletzt abgerufen am 18.03.2014. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das als Anlage beigefügte Gutachten vom 16.08.13 „Zur Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen Sanktionen für richtlinienwidrig produzierte und zugelassene Fahrzeuge, Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Genehmigungsbehörde, nachträglichen Erweiterung einer Typengenehmigung“ von Andrea Eriksson (PE 6 – 3000 – 79/13). 13 Vgl. Statement von EU-Industriekommissar Tajani vom 17.07.2013, online abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-releaseMEMO-13-689de.htm, zuletzt abgerufen am 15.08.13. Der Hinweise auf die Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge ist so zu verstehen, dass sie erwäg, ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV durchzuführen. 14 Das intern zugeleitete Aufforderungsschreiben, welches in Teilen abrufbar ist in EuDox unter http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokument?id=105721, zuletzt abgerufen am 18.03.2014. 15 Schreiben abrufbar in EuDox unter http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokument?id=107022, zuletzt abgerufen am 18.03.2014 Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 16 PE 6 – 3000 – 16/14 Die anderen in diesem Zusammenhang gestellten Fragen (strafrechtliche Verantwortlichkeiten, Haftung nach deutschem Recht, Regressmöglichkeiten etc.) wurden vom zuständigen Fachbereich WD 7 in einer gesonderten Ausarbeitung beantwortet.16 2. Entscheidende Regelungen der Kfz-Klimaanlagen-RL (2006/40/EG) Vor dem Hintergrund der Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten zur Reduktion von Treibhausgasen durch die Regulierung der Verwendung von Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen17 und der Gefahr, dass bei einer unkoordinierten Umsetzung dieser Verpflichtung die Gefahr für eine Behinderung des freien Verkehrs von Kfz in der Union besteht, wurde die Kfz- Klimaanlagen-RL erlassen.18 Zur Erreichung der Klimaziele verfolgt die Richtlinie verschiedene Ansätze: Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten ab bestimmten Stichtagen für Fahrzeuge, die die Anforderungen der Richtlinie nicht erfüllen, zum einen - keine Typengenehmigungen19 für Fahrzeuge zu erteilen und zum anderen - die Zulassung von neuen Fahrzeugen zu verweigern und ihre Verkauf sowie die Inbetriebnahme zu verbieten. Schließlich macht sie - Vorgaben für die Nachrüstung und Befüllung von Klimaanlagen in bereits genehmigten Fahrzeugen. Dafür enthält sie zum einen Anforderungen an das Treibhauspotenzial (Global Warming Potential – GWP) der in den Klimaanlagen verwendeten Kältemittel, welches nicht größer als 150 sein darf. Zum anderen stellt sie für den Fall der Verwendung von Kältemitteln mit einem höheren GWP Anforderungen an die Leckage-Rate der jeweiligen Klimaanlage. 16 Das Gutachten „Allgemeine Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Kältemittel R1234yf“ von Anton Hilgers (Az. WD 7 – 3000 – 17/14) liegt dem Auftraggeber bereits vor. 17 Vgl. Entscheidung 2002/358/EG des Rates vom 25.04.2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 130 vom 15.05.2002, S. 1), online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32002D0358:DE:HTML, zuletzt abgerufen am 06.12.2012. 18 Vgl. insbesondere Erwägungsgrund 2. 19 Die Richtlinie stellt Anforderungen die Erteilung der EG-Typengenehmigung und der Betriebserlaubnis einzelstaatlicher Geltung für Kraftfahrzeuge. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit des Gutachtens wird im Folgenden von dem Begriff der Typengenehmigung auch der der Betriebserlaubnis einzelstaatlicher Geltung erfasst. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 17 PE 6 – 3000 – 16/14 Im Einzelnen ist geregelt: Erteilung von Typengenehmigungen Verweigerung der Zulassung Seit 1. Januar 2007 dürfen die Mitgliedstaaten Seit 1. Januar 2008 verweigern die Mitgliedkeine Typengenehmigung für Fahrzeugtypen staaten die Zulassung und verbieten den Vererteilen , deren Klimaanlagen Kältemittel miteinem GWP-Wert von mehr als 15020 benötikauf und die Inbetriebnahme neuer Fahrzeuge, deren Klimaanlagen GWP>150 benötigen, es gen, es sei denn, die Leckagerate erfüllt die sei denn, die Leckagerate erfüllt die Vorausset- Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Kfz- zungen des Art. 5 Abs. 3 Kfz-Klimaanlagen- Klimaanlagen-RL.21 RL.22 Seit 1. Januar 2011 dürfen die Mitgliedstaaten Ab 1. Januar 2017 müssen Mitgliedstaaten ununabhängig von der Leckagerate der jeweiligen abhängig von der Leckagerate der jeweiligen Klimaanlagen keine Typengenehmigung für Klimaanlange die Zulassung, den Verkauf und Fahrzeugtypen erteilen, deren Klimaanlagen die Inbetriebnahme von Fahrzeugen verwei- GWP>150 benötigen.23 gern, deren Klimaanlagen GWP>150 benötigen .24 20 Im Folgenden bezeichnet als GWP>150. 21 Art. 5 Abs. 2: „Nach Ablauf von zwölf Monaten nach der Annahme eines harmonisierten Leckage- Erkennungstests oder mit Wirkung vom 1. Januar 2007, wobei der spätere Zeitpunkt maßgebend ist, erteilen die Mitgliedstaaten keine EG-Typgenehmigung und keine Betriebserlaubnis mit einzelstaatlicher Geltung mehr für einen Fahrzeugtyp, dessen Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten, es sei denn, die Leckage-Rate dieses Systems beträgt nicht mehr als 40 Gramm fluorierter Treibhausgase pro Jahr bei Systemen mit einem Verdampfer bzw. 60 Gramm fluorierter Treibhausgase pro Jahr bei Systemen mit zwei Verdampfern.“ 22 Art. 5 Abs. 3: „Nach Ablauf von 24 Monaten nach der Annahme eines harmonisierten Leckage-Erkennungstests oder mit Wirkung vom 1. Januar 2008, wobei der spätere Zeitpunkt maßgebend ist, sehen die Mitgliedstaaten bei neuen Fahrzeugen, deren Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten, a) Übereinstimmungsbescheinigungen als nicht mehr gültig im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie 70/156/EWG an und b) verweigern die Zulassung und verbieten den Verkauf und die Inbetriebnahme , es sei denn, die Leckage-Rate dieses Systems beträgt nicht mehr als 40 Gramm fluorierter Treibhausgase pro Jahr bei Systemen mit einem Verdampfer oder 60 Gramm fluorierter Treibhausgase pro Jahr bei Systemen mit zwei Verdampfern.“ 23 Art. 5 Abs. 4: „Mit Wirkung vom 1. Januar 2011 erteilen die Mitgliedstaaten keine EG-Typgenehmigung und keine Betriebserlaubnis mit einzelstaatlicher Geltung mehr für einen Fahrzeugtyp, dessen Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten.“ 24 Art. 5 Abs. 5: „Mit Wirkung vom 1. Januar 2017 müssen die Mitgliedstaaten bei neuen Fahrzeugen, deren Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten, a) Übereinstimmungsbescheinigungen als nicht mehr gültig im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie 70/156/EWG ansehen und b) die Zulassung verweigern und den Verkauf und die Inbetriebnahme verbieten. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 14 PE 6 – 3000 – 16/14 Nachträglicher Einbau Befüllung Seit 1. Januar 2011 dürfen in Fahrzeuge, für die die Typengenehmigung ab diesem Datum erteilt wird, nachträglich keine Klimaanlagen eingebaut werden, die GWP>150 benötigen.25 Seit 1. Januar 2011 dürfen in Fahrzeugen, für die die Typengenehmigung ab diesem Datum erteilt wird, vorhandene Klimaanlagen nicht mehr mit GWP>150 befüllt werden.26 Ab 1. Januar 2017 dürfen in sämtliche Fahrzeuge , also auch in vor dem 1. Januar 2011 typengenehmigte , nachträglich keine Klimaanlagen mehr eingebaut werden, die GWP>150 benötigen .27 Ab 1. Januar 2017 dürfen in sämtlichen Fahrzeugen Klimaanlagen nicht mehr mit GWP>150 befüllt werden, es sei denn eine Klimaanlage wurde vor diesem Datum eingebaut wurde und bereits mit GWP>150 befüllt.28 Entscheidend für die hiesige Fragestellung ist vor dem Hintergrund dieser Regelungen zum einen , dass die Kfz-Klimaanlagen-RL nicht die Verwendung eines speziellen Kältemittels vorschreibt , sondern lediglich anordnet, dass die verwendeten Kühlmittel ab bestimmten Stichtagen den GWP-Wert von 150 bzw. dass die Leckage-Raten der Klimaanlagen einen bestimmten Wert nicht übersteigen dürfen. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass aus den Regelungen der Richtlinie zwar folgt, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Typengenehmigung für Fahrzeuge erteilt werden darf, die GWP>150 benötigen, dass aber die Zulassung und der Verkauf von Fahrzeugen, die bereits vor dem 1. Januar 2011 ihre Typengenehmigung erhalten haben, und deren Klimaanlagen darauf ausgelegt ist, ein GWP>150 zu enthalten, erst ab dem 1. Januar 2017 verboten sind. Entsprechend ist es nach hiesigem Verständnis nach der Kfz-Klimaanlagen-RL zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin möglich, Fahrzeuge zuzulassen, zu verkaufen und in Betrieb zu nehmen, deren Klimaanlagen GWP>150 benötigen, soweit, die Typengenehmigung vor dem 1. Januar 2011 erteilt wurde und die Leckage-Werte der Klimaanlage die Richtlinienanforderungen erfüllen. 25 Art. 6 Abs. 1 S. 1: „Mit Wirkung vom 1. Januar 2011 dürfen Klimaanlagen, die darauf ausgelegt sind, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten, nicht mehr nachträglich in Fahrzeuge eingebaut werden, für die die Typgenehmigung ab diesem Termin erteilt wurde.“ 26 Art. 6 Abs. 2 S. 1: „Klimaanlagen, die in Fahrzeuge eingebaut werden, für die am 1. Januar 2011 oder danach eine Typgenehmigung erteilt wird, dürfen nicht mit fluorierten Treibhausgasen mit einem GWP-Wert von über 150 befüllt werden.“ 27 Art. 6 Abs. 1 S. 2: „Mit Wirkung vom 1. Januar 2017 dürfen derartige Klimaanlagen in jegliche Fahrzeuge nicht mehr nachträglich eingebaut werden.“ 28 Art. 6 Abs. 2 S. 2: „Mit Wirkung vom 1. Januar 2017 dürfen Klimaanlagen in sämtlichen Fahrzeugen nicht mehr mit fluorierten Treibhausgasen mit einem GWP-Wert von über 150 befüllt werden; hiervon ausgenommen ist das Nachfüllen von diese Gase enthaltenden Klimaanlagen, die vor diesem Zeitpunkt in Fahrzeuge eingebaut worden sind.“ Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 15 PE 6 – 3000 – 16/14 3. Haftung der Europäischen Union Im Folgenden wird geprüft, ob eine Haftung der EU in Betracht käme, wenn es, nachdem R1234yf in ein Fahrzeug eingebaut wurde, tatsächlich zu einer Explosion kommen würde, die Personenund Sachschäden verursacht. Für die Haftung der Europäischen Union bildet Art. 340 AEUV die Kernvorschrift.29 Diese Vorschrift regelt neben der vertraglichen Haftung der Union auch die außervertragliche Haftung und die persönliche Haftung ihrer Bediensteten. Die vertragliche Haftung ist Konsequenz der in Art. 335 AEUV für die EU vorgesehenen Fähigkeit , Verträge sowohl privatrechtlicher als auch öffentlich-rechtlicher Natur zu schließen und umfasst sämtliche auf einer vertraglichen Abrede beruhenden Haftungsansprüche. Im Zusammenhang mit dem Einbau von Kältemitteln, die die Grenzwerte der Kfz-Klimaanlagen-RL einhalten und möglicherweise darauf beruhenden Explosionen, bei denen Personen- oder Sachschäden entstehen, sind vertragliche Abreden, die einer Haftung der Union zu Grunde liegen könnten, nicht ersichtlich. Ein vertraglicher Haftungsanspruch scheidet damit in diesem Zusammenhang aus. Gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV ersetzt die EU jedoch im Bereich der außervertraglichen Haftung Schäden, die durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursacht wurden, nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Da in der Vorschrift selbst die Haftungsvoraussetzung nicht ausdrücklich, sondern nur durch Verweis auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen geregelt sind, war es Aufgabe der europäischen Gerichte, den Haftungsanspruch im Einzelnen auszuformen. Insofern ist für die Ausgestaltung der Haftungsvoraussetzungen die Rechtsprechungspraxis des Gerichtshofs der Europäischen Union einschlägig.30 3.1. Anspruchsberechtigte und - verpflichtete Grundsätzlich sind alle natürlichen und juristischen Personen einschließlich der öffentlichrechtlichen Körperschaften in den Mitgliedstaaten, die durch eine Handlung der Union einen Schaden erleiden, mögliche Anspruchsinhaber. Anspruchsverpflichtet ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 340 Abs. 2 AEUV die Europäische Union.31 Damit ist die EU unmittelbar für Schäden, die ihre Organe oder Bediensteten verursachen, verantwortlich. Entsprechend könnten vorliegend jene Personen, die durch eine Explosion Schäden erleiden würden, als Anspruchsinhaber eines Haftungsanspruches gegen die Union in Betracht kommen. Dafür müssten aber die Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen vorliegen. So setzt die Haftung der Union nach ständiger Rechtsprechung der Unionsgerichte die Rechtswidrigkeit des dem Unionsorgan (bzw. Bediensteten) zur Last gelegten Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens 29 Gellermann in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 340 AEUV, Rn. 1. 30 Vgl. Gellermann in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 340 AEUV, Rn. 2. 31 Anders als im bundesdeutschen Staatshaftungsrecht handelt es sich nicht um einen Fall der übergeleiteten Haftung (vgl. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 11 PE 6 – 3000 – 16/14 und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden voraus.32 3.2. Organ oder Bediensteter Entsprechend haftet die Union für Schäden, die von Organen oder Bediensteten verursacht werden. Der Begriff des Organs erfasst dabei alle in Art. 13 EUV ausdrücklich aufgeführten Organe und zusätzlich auch solche Einrichtungen, die unter den Verträgen geschaffen wurden und „im Namen und auf Rechnung“ der Union tätig werden.33 Die Kommission ist Organ, ein handelnder Kommissar jedenfalls Bediensteter, so dass deren Verhalten haftungsauslösend sein kann. 3.3. Handeln in Ausübung einer Amtstätigkeit Weiterhin ist erforderlich, dass der geltend gemachte Schaden in Ausübung einer Amtstätigkeit des Organs oder Bediensteten entstanden ist. Diese Amtstätigkeit kann administrativer, legislativer oder judikativer Natur sein. Der Bereich des administrativen Handelns umfasst alle Einzelakte der Organe, zu denen neben dem Erlass oder Nichterlass von Rechtsakten auch Realakte und sonstiges faktisches Verhalten zählen.34 Vom administrativen Handeln zu unterscheiden ist das normative Handeln, welches den Erlass von Verordnungen und Richtlinien aber auch von sonstigen Rechtsakten, denen allgemeine Geltung zukommt, umfasst.35 Schließlich kann auch judikatives Handeln dem Begriff der Amtstätigkeit unterfallen.36 Die schädigende Handlung muss weiter in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Union stehen.37 Erfolgt die Schädigung lediglich bei Gelegenheit oder in einem bloß raum-zeitlichen Zusammenhang mit der Amtstätigkeit, sind die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben. Denkbare Amtshandlungen, an die ein Haftungsanspruch anknüpfen könnte, sind im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls - der Erlass der Kfz-Klimaanlagen-RL, - das Unterlassen, die Kfz-Klimaanlagen-RL wegen der behaupteten Explosivität von R1234yf zum jetzigen Zeitpunkt zu ändern oder aufzuheben oder - die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen der Nichtsanktionierung richtlinienwidrigen Verhaltens. 32 Vgl. statt vieler verb. Rs. C-106/06 P und C-121/06 P (FIAMM und Fedon), Urteil vom 9. September 2008, Rn. 106 m.w.N. 33 Gellermann in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 340, Rn. 12 m.w.N. 34 Für Beispiele vgl. Gellermann in in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 340 AEUV, Rn. 16 m.w.N. 35 EuGH, Rs. C-5/71 (Schöppenstedt), Urteil vom 2. Dezember 1971, Rn. 11. 36 EuGH, Rs. C-224/01 (Köbler), Urteil vom 30. September 2003, Rn. 36. 37 So Gellermann in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 340 AEUV, Rn. 17 m.w.N. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 17 PE 6 – 3000 – 16/14 Das Handeln im Zusammenhang mit dem Erlass bzw. der Änderung/Aufhebung der Richtlinie ist als normatives Handeln einzuordnen, während die Entscheidung, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, dem Bereich des administrativen Handelns zuzuordnen ist. Sämtliche Handlungen stehen auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Union, hier der Verwirklichung des Binnenmarktes durch die Harmonisierung von technischen Anforderungen für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen im Hinblick auf Klimaanlagen, um die Festlegung unterschiedlicher Anforderungen in den Mitgliedstaaten zu vermeiden (vgl. Art. 114 AEUV). 3.4. Rechtswidrigkeit der Amtshandlung: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine individualschützende , höherrangige Norm Entscheidende Voraussetzung eines etwaigen Haftungsanspruchs ist nach der Rechtsprechung des EuGH zudem, dass die schadenstiftende Amtstätigkeit rechtswidrig war.38 Art. 340 Abs. 2 AEUV etabliert insofern eine Unrechtshaftung.39 Eine Amtshandlung ist dann rechtswidrig , wenn sie eine „hinreichend qualifizierte Verletzung einer höherrangigen, dem Schutz des Einzelnen dienenden Rechtsnorm“40 darstellt.41 Zu prüfen ist damit Zweierlei: Es bedarf der Verletzung einer Schutznorm (dazu unter 3.4.1.) und diese Verletzung muss hinreichend qualifiziert sein (dazu unter 3.4.2.). 3.4.1. Schutznormverletzung? Bei der durch die Amtstätigkeit verletzten höherrangigen Norm muss es sich um eine sog. Schutznorm handeln. Schutznormen sind solche Vorschriften, die nicht bloß den Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Interessen des Geschädigten dienen.42 Ausreichend ist nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte insofern, dass die verletzte Norm, die in erster Linie Belange allgemeiner Natur schützt, als Reflex auch dem Schutz individueller Interessen dient. Als Schutznormen in Betracht kommen u.a. das allgemeine Diskrimi- 38 Im Einzelnen zum Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit der Amtshandlung vgl. Steiner, Das Kriterium der Rechtswidrigkeit im Bereich der außervertraglichen Haftung der EU nach Art. 340 Abs. 2 AEUV, Europarecht 2012, 244 ff. 39 Zu der Frage, ob die Union möglicherweise auch für rechtmäßiges Handeln haftet vgl. Ruffert in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 340 AEUV, Rn. 24 ff. Siehe auch Steiner, Das Kriterium der Rechtswidrigkeit im Bereich der außervertraglichen Haftung der EU nach Art. 340 Abs. 2 AEUV, Europarecht 2012, 244, 251. 40 sog. Schöppenstedt-Formel, EuGH, Rs. C-5/71 (Schöppenstedt), Urteil vom 2. Dezember 1971, Rn. 11. 41 Vgl. dazu mit vielen weiteren Nachweisen Ruffert in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 340 AEUV, Rn. 16ff. 42 EuGH, Rs. verb. Rs. 5, 7, 13-24/66 (Kampffmeyer), Urteil vom 14. Juli 1967, S. 354ff; Rs. C-440/07 (Schneider Electric), Urteil vom 16. Juli 2009, Rn. 160. Vgl. auch GA Mengozzi in seinen Schlussanträgen in der Rs. C- 282/05 P (Holcim (Deutschland) AG) vom 19. April 2007, Rn. 56 ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 13 PE 6 – 3000 – 16/14 nierungsverbot, die Grundfreiheiten und auch die Unionsgrundrechte.43 Form- und Verfahrensvorschriften scheiden indes nach der Rechtsprechung des EuGH aus.44 Es kommt also darauf an, ob die Kommission im hiesigen Zusammenhang durch Ihr Handeln oder Unterlassen Schutznormen, insbesondere Unionsgrundrechte verletzt hat. Wenn es tatsächlich zu Explosionen und damit zur Verletzung von Personen und Zerstörung von Sachen käme, könnten dadurch das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 3 GRCh), das Recht auf Leben (Art. 2 GRCh) und das Eigentumsrecht (Art. 17 GRCh) verletzt werden. Des Weiteren könnte die Kommission durch ihr Handeln möglicherweise das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit der Kfz-Hersteller (Art. 16 GRCh) verletzen. Die in der Europäischen Grundrechtecharta normierten Grundrechte sind Schutznormen und als Rechtmäßigkeitsmaßstab für unionales Handeln seit dem Vertrag von Lissabon direkt heranzuziehen (vgl. Art. 6 Abs. 1 EUV). Insofern bedarf es nicht mehr des früher durch den EuGH vorgenommenen Rückgriffs auf die Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze.45 3.4.1.1. Verletzung der Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum Zu prüfen ist damit zunächst, ob das Handeln oder Unterlassen der Kommission die Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum verletzt. Dass durch die Verletzung oder gar Tötung von Personen und die Zerstörung von Sachen in Folge einer Explosion die Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum beeinträchtigt werden, steht außer Frage.46 Fraglich ist jedoch, ob diese Beeinträchtigung auf einen Eingriff der Kommission und damit der EU zurückgehen. Anders als in der deutschen Grundrechtsdogmatik hat sich der EuGH bislang nicht detailliert mit der Konturierung des Eingriff-Begriffs auseinandergesetzt. Einigkeit dürfte aber insoweit bestehen , dass generell ein Eingriff vorliegt, wenn ein Rechtsakt die Grundrechtsbeeinträchtigung bezweckt oder unmittelbar bewirkt.47 Letzteres ist immer der Fall, wenn das grundrechtlich geschützte Verhalten unmittelbar geregelt wird. Fraglich ist aber, ob ein Eingriff auch dann vorliegt, wenn es um nicht bezweckte mehr oder weniger mittelbare bzw. um faktische Auswirkungen von Rechtsakten geht, die nicht an den Betroffenen gerichtet sind. Entscheidend muss dabei zunächst sein, ob das betroffene Grundrecht gegen die fragliche Art der Beeinträchtigung Schutz bieten soll. Außerdem kommt es wohl darauf an, ob die Beeinträchtigung dem Grundrechtsverpflichteten – hier also der Kommission und damit der Union – zurechenbar und wie gewichtig sie ist. So 43 Hartmann in: Dörr (Hrsg.), Staatshaftung in Europa: nationales und Unionsrecht, 2014, S. 35 m.w.N. 44 Für weitere Beispiele vgl. Gellermann in in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 340 AEUV, Rn. 20. 45 Vgl. dazu Steiner, Das Kriterium der Rechtswidrigkeit im Bereich der außervertraglichen Haftung der EU nach Art. 340 Abs. 2 AEUV, Europarecht 2012, 244, 247. 46 Zu den Schutzbereichen der einzelnen Grundrechte vgl. Jarass, Charta der EU-Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 2, 3, 17 GRCh. 47 EuGH, Rs. C-219/91, Urteil vom 28. Oktober 1992, Rn. 36 f.; Rs. C-200/96, Urteil vom 28. April 1998, Rn. 29. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 15 PE 6 – 3000 – 16/14 hat der EuGH u.a. darauf abgestellt, ob eine Maßnahme „hinreichend direkte und bedeutsame Auswirkungen“48 auf den grundrechtlich geschützten Bereich hat. Dass die Kommission vorliegend nicht bezweckt, die genannten Grundrechte zu beeinträchtigen, liegt auf der Hand. Fraglich ist aber, ob der Erlass der Richtlinie, ihre Nichtaufhebung oder die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens die Beeinträchtigung des Rechts auf Leben oder körperliche Unversehrtheit oder des Eigentumsrechts unmittelbar oder mittelbar bewirken und daher als Eingriff zu qualifizieren sind.49 Dabei ist insbesondere fraglich, ob mögliche Grundrechtsbeeinträchtigungen der Kommission zuzurechnen wären. Es gilt also zu untersuchen, ob der Erlass der Richtlinie, ihre unterlassene Änderung oder die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens hinreichend direkte und bedeutsame Auswirkungen auf das Recht auf Leben, körperlicher Unversehrtheit oder das Eigentumsrecht haben könnten. Dabei kann nicht jede Kausalität genügen und jede noch so fern liegende Folgewirkung hoheitlichen Handelns als Beeinträchtigung angesehen werden, weil dies zu einer uferlosen Verantwortlichkeit und Rechtfertigungslast der EU führen würde. Die entscheidende Frage im hiesigen Zusammenhang dürfte damit sein, ob eventuelle Explosionen und damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen hinreichend direkt auf das Kommissionshandeln zurückzuführen sind. Auch wenn eine Kausalitätskette zwischen Unionshandeln und Explosion möglicherweise begründbar ist, erscheinen folgende Aspekte für die Verneinung der Zurechenbarkeit entscheidend zu sein: Erstens, schreibt die Kfz-Klimaanlagen-RL nicht die Verwendung eines bestimmen oder gar explosiven Kältemittels vor, sondern setzt lediglich zu bestimmten Zeitpunkten einzuhaltende Grenzwerte im Hinblick auf das Treibhauspotential des verwendeten Kühlmittels fest.50 Von einer etwaigen Gefährlichkeit des, die Klimaanforderungen erfüllenden, nunmehr verfügbaren Kältemittels war zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie nicht auszugehen. Insofern stellt sich jedenfalls der Erlass der Richtlinie, in welcher Grenzwerte vorgesehen sind, nach hiesiger Auffassung nicht als Eingriff in die genannten Grundrechte dar. Zweitens hatten die Hersteller mehrere Jahre Zeit, ein Kältemittel zu entwickeln, das den Klima- Anforderungen der Richtlinie genügt. Sie selbst waren es, und nicht die Kommission, die sich im Jahr 2009 für eine Verwendung von R1234yf entschieden haben. Insofern geht die Situation, dass es nunmehr tatsächlich nur dieses eine, die Anforderungen erfüllende Kältemittel gibt, auf Handlungen Dritter zurück und nicht auf ein Fehlverhalten der Kommission. Dadurch dürfte der Zurechnungszusammenhang unterbrochen sein. Drittens wird durch die Richtlinie bzw. durch die Kommission kein Hersteller verpflichtet, R1234yf überhaupt zu verwenden. Vielmehr bleibt es den Herstellern vor dem Hintergrund der 48 EuGH, Rs. C-435/02 (Springer), Beschluss vom 23. September 2004, Rn. 49. 49 Als selbständiger Prüfungspunkt hat die Beeinträchtigung in der europarechtlichen Rechtsprechung und Literatur noch nicht die Aufmerksamkeit erfahren wie etwa in der deutschen Grundrechtslehre. Vgl. dazu Kingreen in: Caiiess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011,, Art. 52 GRCh, Rn. 56. 50 Vgl. oben 2. Entscheidende Regelungen der Kfz-Klimaanlagen-RL (2006/40/EG), S. 7. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 16 PE 6 – 3000 – 16/14 Regelungen der Richtlinie unbenommen, weiterhin das alte Kühlmittel in bereits typengenehmigten Fahrzeugen zu verwenden und bis zum 1. Januar 2017 ein die Anforderungen der Richtlinie erfüllendes, „sicheres“ Kältemittel zu entwickeln. Die Richtlinie51 schreibt die Verwendung von die Grenzwerte einhaltenden Kältemitteln zum jetzigen Zeitpunkt nämlich allein für Fahrzeugtypen vor, die ab dem 1. Januar 2011 eine EG-Typengenehmigung erhalten haben. In vor diesem Datum typenzugelassenen Fahrzeugen kann weiterhin das alte Kältemittel verwendet werden , wenn die Leckage-Rate der jeweiligen Klimaanlage den Anforderungen des Art. 5 der Richtlinie entspricht. Erst ab 1. Januar 2017 ist nach der Richtlinie die Verwendung des alten Kältemittels generell verboten. Insofern verbleibt den Kfz-Herstellern, die von einer Gefährlichkeit von R1234yf trotz des Ergebnisses des von der Kommission beauftragten Gutachtens ausgehen, also die Möglichkeit, weiterhin vor dem 1. Januar 2011 typengenehmigte Fahrzeuge unter Verwendung des alten Kältemittels zuzulassen, in Betrieb zu nehmen und zu verkaufen. Es mag möglicherweise in das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit der Kfz-Hersteller eingreifen, dass diese zum jetzigen Zeitpunkt keine neuen Fahrzeugtypen zulassen können, wenn sie von der Gefährlichkeit von R1234yf ausgehen.52 Ein hinreichender Zusammenhang zwischen Handeln der Kommission und Explosion eines Fahrzeugs ist allerdings nicht erkennbar. Viertens ist zum jetzigen Zeitpunkt – und für die Haftung kommt es auf den Zeitpunkt der schädigenden Handlung an – gerade nicht erwiesen, dass es sich bei R1234yf um ein explosives Kältemittel handelt. Es behauptet – soweit hier bekannt – lediglich ein Hersteller, dass es bei Verwendung von R1234yf zu Explosionen kommen könne. Die Kommission hat aufgrund dieser behaupteten Gefährlichkeit ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, welches zu dem Ergebnis kommt, dass das verfügbare R1234yf bei normaler Verwendung nicht gefährlich ist. Entsprechend dürfte davon auszugehen sein, dass eine Explosion allenfalls vorkommen kann, wenn außergewöhnliche Umstände eintreten. Dass die Kommission über die Prüfung der behaupteten Gefährlichkeit durch Experten hinausgehende Handlungspflichten hatte (z.B. einen Vorschlag zur Aufhebung der Richtlinie zu unterbreiten), lässt sich der Rechtsprechung des EuGH – soweit ersichtlich – nicht entnehmen. Ggfls. ließe sich argumentieren, dass für die Begründung weiterer Handlungspflichten berücksichtigt werden müsse, dass bei unterlassenem Tätigwerden möglicherweise hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben in Gefahr wären. Der Rechtsprechung des EuGH lässt sich aber soweit ersichtlich keine Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes dahingehend entnehmen, dass bei Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritt gering sein müssen, um weitgehende Handlungspflichten auszulösen. Und gerade die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als direkte Folge des Handelns oder Unterlassens der Kommission ist vorliegend als gering einzustufen: Insbesondere muss auch hier wieder berücksichtigt werden, dass weder die Richtlinie noch die Durchsetzungshandlungen der Kommission die Verwendung eines explosiven Kältemittels fordern . Alles in allem ist nach hiesiger Auffassung nicht ersichtlich, dass die EU und damit die Kommission eine Pflicht träfe, zum jetzigen Zeitpunkt die Aufhebung oder Änderung der Kfz- Klimaanlagen-RL vorzuschlagen oder auf deren Durchsetzung zu verzichten. 51 Vgl. Art. 5 und 6 Kfz-Klimaanlagen-RL. 52 Dazu im Einzelnen unten 3.4.1.2 Verletzung des Grundrechts auf unternehmerische Freiheit, S. 16. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 17 PE 6 – 3000 – 16/14 Fünftens sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es zwischen dem Tätigwerden der Kommission (oder anderer Unionsorgane) und einer tatsächlichen Explosion eines mit R1234yf befüllten Fahrzeuges vieler, nicht in der Hand der EU-Organe liegender, Zwischenschritte bedarf, die nach hiesiger Auffassung jedenfalls einen etwaigen Zurechnungszusammenhang unterbrechen: Mit Blick auf die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens bedarf es etwa des Urteils des Gerichtshofs der EU, einer Umsetzung des Urteils durch Deutschland und die tatsächliche konkrete Androhung der Sanktionierung der fortgesetzten weiteren Verwendung von R134a, die darauf begründete Entscheidung der Daimler AG, trotz der behaupteten Gefährlichkeit R1234yf einzubauen, außergewöhnlicher Umstände zur Verursachung eines Unfalls und einer Explosion, bei der tatsächlich Personen und Sachen zu Schaden kommen. Diese Zwischenschritte liegen größtenteils außerhalb des Einflussbereiches der Kommission (oder anderer Unionsorgane ), so dass Vieles dafür spricht, einen hinreichenden Zusammenhang und damit das Vorliegen eines Eingriffs zu verneinen. Alles in allem dürfte davon auszugehen sein, dass die Grundrechtsbeeinträchtigung, die im Falle einer Explosion zweifelsohne eintreten würde, der Kommission und damit der EU nicht zurechenbar wären und somit in dem Erlass der Kfz-Klimaanlagen-RL, in dem unterlassenen Vorschlag ihrer Änderung oder Aufhebung oder in der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens kein der EU zurechenbarer Eingriff in die Grundrechte auf Leben, Unversehrtheit und Eigentum zu sehen ist. 3.4.1.2. Verletzung des Grundrechts auf unternehmerische Freiheit Möglicherweise wird aber durch den Erlass der Kfz-Klimaanlagen-RL und deren Durchsetzung die unternehmerische Freiheit der Autohersteller verletzt. Dass durch die Vorschriften der Kfz-Klimaanlagen-RL die unternehmerische Freiheit53 der Autohersteller beschränkt wird, steht außer Frage, da den Kfz-Herstellern konkrete Vorgaben für die Herstellung von Fahrzeugen und damit für unternehmerische Betätigung gemacht werden. Dieser Eingriff dürfte aber nach Art. 52 Abs. 1 GRCh gerechtfertigt sein.54 Er geht zurück auf eine gesetzliche Grundlage. Der Umweltschutz55 ist auch als Einschränkungsgrund anerkannt. Möglicherweise fraglich könnte allenfalls die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung der unternehmerischen Freiheit sein. Die Vorschriften der Kfz-Klimaanlagen-RL und die Maßnahmen zu deren Durchsetzung müssten geeignet, erforderlich und angemessen im Hinblick auf die Erreichung des Ziels des Umweltschutzes sein. Für die Eignung genügt ein Beitrag zur Zielerreichung56, während es bei der Prüfung der Erforderlichkeit darauf ankommt, dass zur Erreichung des Ziels 53 Zum Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit vgl. Jarass, Charta der EU-Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 16 GRCh, Rn. 7ff. 54 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte durch das Präsidium des Konvents, Art. 16 GRCh. Im Einzelnen zur Möglichkeit der Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufs- und wirtschaftliche Bestätigungsfreiheit vgl. Jarass, Charta der EU-Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 15, Rn. 13; Art. 16, Rn. 18. 55 Jarass, Charta der EU-Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 16 GRCh, Rn. 20 m.w.N. 56 Jarass, Charta der EU-Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 16 GRCh, Rn. 22 m.w.N. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 14 PE 6 – 3000 – 16/14 kein milderes, aber gleich geeignetes Mittel zur Verfügung steht. Im Rahmen der Angemessenheit wird geprüft, ob die Einschränkungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen. Hinsichtlich der Eignung der Regelung von Klimaschädlichkeits-Grenzwerten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt für die Erreichung der Klimaziele der EU bestehen keine Bedenken. Ebenso wenig ist ersichtlich, welches mildere Mittel gleich geeignet sein soll, zumal dem Unionsgesetzgeber sowohl, was die Eignung, als auch was die Erforderlichkeit betrifft, ein weiter Einschätzungsspielraum verbleibt. Möglicherweise könnte aber argumentiert werden, dass die Durchsetzung der Umweltziele verfolgenden Richtlinie zu einem Zeitpunkt, in dem die Gefährlichkeit des umweltfreundlichen Klimamittels behauptet wird, unangemessen wäre. Hiergegen spricht allerdings, dass es den Herstellern – wie oben erläutert – nicht verwehrt ist, weiterhin das alte Kältemittel in alten Fahrzeugtypen zu verwenden. Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit wiegt insofern relativ gering, insbesondere deshalb, da sämtliche Autohersteller und damit alle in der EU ansässigen Mitbewerber an die Richtlinienvorgaben gebunden sind. Zu welchem Ergebnis der Gerichtshof der EU im Rahmen der Abwägung kommen würde, vermag an dieser Stelle nicht prognostiziert werden. Angesichts der Tatsachen, dass die Kommission den Behauptungen einer Gefährlichkeit durch die Beauftragung eines weiteren Gutachtens nachgegangen ist und dass den Kfz-Herstellern die Verwendung von R134a zum jetzigen Zeitpunkt in alten Fahrzeugtypen weiter möglich ist, wenn die eingebauten Klimaanlagen die Leckage-Rate- Anforderungen der Richtlinie erfüllen, spricht aber Vieles dafür, dass das Handeln der Kommission als angemessen einzustufen wäre. Im Ergebnis dürfte damit nach hiesiger Auffassung der Eingriff in die unternehmerische Freiheit gerechtfertigt sein, so dass auch diesbezüglich keine Schutznormverletzung und damit keine rechtswidrige Amtshandlung vorläge. 3.4.2. hinreichend qualifizierter Verstoß Nur wenn vorliegend eine Grundrechtsverletzung bejaht würde, wäre weiter zu prüfen, ob diese Verletzung – unabhängig davon, ob es sich um normatives oder administratives Unrecht handelt 57 – hinreichend qualifiziert wäre. Dies wäre nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte jedenfalls dann der Fall, „wenn das handelnde Gemeinschaftsorgan die Grenzen seiner Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten“58 hätte.59 Hier eine offenkundige und erhebliche Grundrechtsverletzung anzunehmen scheidet – insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kommission den Behauptungen R1234yf sei gefährlich, durch die Beauftragung eines weiteren Gutachtens auf die Spur gegangen ist – nach hiesiger Auffassung aus. 57 Vgl. Hartmann in: Dörr (Hrsg.), Staatshaftung in Europa: nationales und Unionsrecht, 2014,, S. 34/35. 58 Vgl. statt vieler EuGH, Rs. C-440/07 P (Schneider Electric), Urteil vom 16. Juli 2009, Rn. 160. 59 Im Einzelnen zur hinreichenden Qualifizierung des Verstoßes vgl. Steiner, Das Kriterium der Rechtswidrigkeit im Bereich der außervertraglichen Haftung der EU nach Art. 340 Abs. 2 AEUV, Europarecht 2012, 244, 250. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 15 PE 6 – 3000 – 16/14 3.4.3. Zwischenergebnis Nach alledem dürfte davon auszugehen sein, dass das Handeln bzw. Unterlassen der Kommission (oder anderer Unionsorgane) vorliegend nicht rechtswidrig ist. Sowohl der Erlass als auch die Durchsetzung der wirksamen Kfz-Klimaanlagen-RL durch die Kommission im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens sind zwar Amtshandlungen eines Unionsorgans. Ihnen dürfte es aber an der Rechtswidrigkeit fehlen, weil mögliche Explosionen der Kommission und damit der Union nach hiesiger Auffassung nicht zurechenbar sind. Dies stützt sich vor allem darauf, dass - die fragliche Richtlinie auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht den Einbau von R1234yf vorschreibt , sondern allein fordert, dass in Fahrzeugen mit nach dem Stichtag erteilter Typenzulassung ein Kältemittel verwendet wird, welches die geforderten Grenzwerte einhält , - die Tatsache, dass derzeit nur das scheinbar gefährliche R1234yf die Grenzwerte einhält, nicht auf eine Handlung der Kommission, sondern auf eine Einigung der Kfz-Hersteller aus dem Jahr 2009 zurückgeht und dass - zwischen den Handlungen der Kommission und etwaigen Explosionen viele Zwischenschritte erforderlich sind. Hinzu kommt, dass in Fahrzeugen mit alter Typenzulassung derzeit noch das scheinbar sicherere R134a eingebaut werden kann. Das Unionsrecht verpflichtet keinen Hersteller, neue Typenzulassungen zu beantragen und sich so der Pflicht zu unterwerfen, zum jetzigen Zeitpunkt ein die Grenzwerte einhaltendes (möglicherweise gefährliches) Kältemittel zu verwenden. Alte Fahrzeugtypen können weiterhin mit dem alten Kältemittel befüllt werden. Der darin liegende Eingriff in die unternehmerische Freiheit führt – soweit er nicht gerechtfertigt wäre – aber nicht zu einer Haftung der EU, da er nicht als hinreichend qualifiziert einzuordnen sein dürfte. 3.5. Kausaler Schaden Ginge man ungeachtet der vorgetragenen Argumente davon aus, dass das Verhalten der Kommission vorliegend rechtswidrig wäre, müsste als weitere haftungsbegründende Voraussetzung ein Schaden eintreten und zwischen diesem und dem rechtswidrigen Organhandeln ein unmittelbarer , ursächlicher Zusammenhang bestehen.60 Die vom Gerichtshof verlangte „Unmittelbarkeit“ der Kausalität wird von der Literatur als Adäquanz verstanden: Danach ist ein relevantes Verhalten kausal für den entstandenen Schaden, wenn es nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise geeignet ist, einen Schaden wie den eingetretenen zu verursachen.61 Schaden ist dabei „jede Einbuße, die der Betroffene durch ein bestimmtes Ereignis an seinem Vermögen oder an seinen sonstigen rechtlich geschützten Gütern erleidet“.62 Dass Sach- und Personenschäden in Folge von Explosionen Schäden in diesem Sinne sind, steht außer Frage. Ob Kfz-Hersteller dadurch einen wirtschaftlichen Schaden erleiden können, dass sie wegen der be- 60 Vgl. statt vieler EuGH, Rs. C-153/73 (Willemsen), Urteil vom 2. Juli 1974, Rn. 7. 61 Hartmann in: Dörr (Hrsg.), Staatshaftung in Europa: nationales und Unionsrecht, 2014,, S. 36 m.w.N. 62 Vgl. statt vieler EuGH, verb. Rs. C-104/98 und C-37/90 (Mulder), Urteil vom 27. Januar 2000, Rn. 23 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 16 PE 6 – 3000 – 16/14 haupteten Nichtverfügbarkeit eines sicheren und die Klimaanforderungen erfüllenden Kältemittels derzeit von der Beantragung neuer Typenzulassung absehen (müssen), lässt sich von hier aus nicht beurteilen. Zweifelhaft ist weiter, ob diese Schäden unmittelbar auf die Amtshandlungen der Kommission oder anderer Unionsorgane zurückzuführen sind. Der Rechtsprechung ist nicht zu entnehmen, wann genau das der Fall ist. Der Gerichtshof hat jedoch angedeutet, dass nicht jede noch so entfernte Folge einer Organhandlung die Union zum Schadensersatz verpflichtet.63 Entscheidend ist, dass gerade das rechtswidrige Organhandeln den Schaden verursacht hat. Daran fehlt es etwa, wenn der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, oder wenn der Ursachenzusammenhang zwischen dem Handeln der Unionsorgane und dem Schaden infolge eines Verhaltens des Geschädigten oder eines Mitgliedstaates unterbrochen wird. Schon ein Zurechnungszusammenhang zwischen Organhandeln und Grundrechtsbeeinträchtigung lässt sich kaum begründen.64 Entsprechend bestehen auch an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Organhandeln und Schaden erhebliche Zweifel. Zwar lässt sich eine Kausalität bei weitem Verständnis durchaus begründen: ohne eine Durchsetzung der Kfz- Klimaanlagen-RL würde ggf. der Hersteller das Kältemittel nicht verwenden, ohne die Verwendung käme es nicht zur Explosion, ohne Explosion nicht zum Schaden... Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist aber weder der Erlass einer Grenzwerte festschreibenden Richtlinie noch die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zu deren Durchsetzung typischerweise geeignet, Sach- und Personenschäden zu verursachen. Hinzu tritt, dass es verschiedener Handlungen Dritter bedarf um einen Kausalzusammenhang zwischen Erlass der Richtlinien bzw. Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens und Schaden herzustellen: Entwicklung und Verwendung eines explosiven, die Grenzwerte einhaltenden Kältemittels, Urteil des Gerichtshofs im Vertragsverletzungsverfahren, Umsetzung des Urteils durch den Mitgliedstaat entweder durch gesetzgeberische oder administrative Maßnahmen, Beantragung einer neuen Typenzulassung für ein Fahrzeug durch Kfz-Hersteller nach dem Stichtag, tatsächlicher Einbau von R1234yf, Benutzung des mit R1234yf befüllten Kfz, Unfall bzw. andere außergewöhnliche Umstände , die zu einer Explosion führen, Explosion. Insofern dürfte ein Haftungsanspruch gegenüber der EU nach hiesiger Auffassung jedenfalls an der fehlenden Kausalität zwischen Amtshandlung der Kommission und möglicherweise entstehendem Schaden scheitern. 3.6. Ergebnis Alles in allem spricht Vieles dafür, dass die Voraussetzungen für eine Haftung der EU vorliegend nicht erfüllt wären. Insbesondere hat nach hiesiger Auffassung das Verhalten der Kommission im Kfz-Klimaanlagen-Streit keine hinreichend direkten und bedeutsamen Auswirkungen auf 63 EuGH, verb. Rs. 64 und 113/76, 167 und 239/78, 27, 28 und 45/79 (Dumortier frères), Urteil vom 4. Oktober 1979, Rn. 21. 64 Vgl. oben 3.4.1. Schutznormverletzung?, S. 12. Fachbereich Europa Ausarbeitung Seite 17 PE 6 – 3000 – 16/14 das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und auf das Eigentumsrecht. Der mögliche Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist – soweit er nicht gerechtfertigt ist – jedenfalls nicht hinreichend qualifiziert, um eine Haftung zu begründen. Hinzu kommt, dass auch die erforderliche Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Schaden sich vorliegend kaum begründen lässt. Im Ergebnis scheidet nach hiesiger Auffassung eine Haftung der EU für den Fall, dass mit R1234yf befüllte Kfz explodieren, aus. 4. Persönliche Haftung der Bediensteten Die persönliche Haftung der Bediensteten gegenüber der Union richtet sich gemäß Art. 340 Abs. 4 AEUV nach den Vorschriften ihres Statuts oder der für sie geltenden Beschäftigungsbedingungen . Gemäß Art. 22 Beamtenstatut können Beamte zum vollen oder teilweisen Ersatz des Schadens herangezogen werden, der der Union durch deren schwerwiegendes Verschulden in Ausübung oder anlässlich der Ausübung ihres Amtes entstanden ist. Ein direkter Haftungsanspruch etwaiger Geschädigter gegenüber dem zuständigen Kommissar scheidet damit von vornherein aus. Allenfalls denkbar wäre, dass die EU – soweit sie auf Schadensersatz in Anspruch genommen würde – Regress bei dem handelnden Beamten nehmen kann. Dies gilt aber nur, wenn ihm ein schwerwiegendes Verschulden in Ausübung seiner Amtstätigkeit nachzuweisen ist. Dafür gibt es vorliegend, selbst wann man einen Haftungsanspruch gegenüber der Union konstruieren könnte, keinerlei Anhaltspunkte. Im Ergebnis scheidet auch eine persönliche Haftung des handelnden Kommissars aus.