© 2021 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 015/21 Zu den Prüfungsrechten des Europäischen Rechnungshofs Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 015/21 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Zu den Prüfungsrechten des Europäischen Rechnungshofs Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 015/21 Abschluss der Arbeit: 5. März 2021 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 015/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtsstellung und Rechnungsprüfungsaufgabe des EuRH 4 3. Prüfungsrechte des EuRH 5 3.1. Europäische Zentralbank 5 3.2. Europäische Investitionsbank 5 3.3. Europäischer Stabilitätsmechanismus 6 3.3.1. Status Quo 6 3.3.2. Reform des ESM 7 3.4. Die Aufbau- und Resilienzfazilität 8 3.4.1. Prüfungsrechte des EuRH 8 3.4.2. Bestimmungen zu den Prüfungsrechten des EuRH in der ARF-Verordnung 9 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 015/21 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa wurde beauftragt, die Prüfungsrechte des Europäischen Rechnungshofs (EuRH) hinsichtlich der Europäischen Zentralbank (EZB), der Europäischen Investitionsbank (EIB), des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sowie hinsichtlich der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) darzulegen. Mit dem vorliegenden Sachstand werden die Rechtsgrundlagen sowie der Umfang bestehender Prüfungsrechte ausgeführt. Fehlen solche Rechte, wird die durch den EuRH hierzu ggf. veröffentlichte Standpunkte dargelegt. 2. Rechtsstellung und Rechnungsprüfungsaufgabe des EuRH Der EuRH gehört zu den sieben Hauptorganen der Europäischen Union (EU) und befindet sich neben dem Europäischen Parlament (EP), dem Europäischen Rat, dem Rat der EU, der Europäischen Kommission (KOM), dem Europäischen Gerichtshof und der Europäischen Zentralbank (EZB) auf der mit Art. 13 des Vertrages über die Europäische Union (EUV)1 geschaffenen sog. primären Ebene2 der EU-Organisationsstruktur. Er steht gemeinsam mit diesen Organen und ihnen gleichrangig im hierarchisch höchsten Rang aller Institutionen der EU. Die Art. 285 bis 287 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV)3 enthalten die den EuRH betreffenden grundlegenden institutionellen Bestimmungen. Art. 285 Abs. 1 AEUV weist dem EuRH allgemein die Aufgaben der externen Rechnungsprüfung für die Union als Teil des sog Haushaltskreislaufs zu. In diesem Kreislauf folgt die externe Rechnungsprüfung auf die Ausführung des Haushaltsplans (Art. 317 AEUV) und die Rechnungslegung (Art. 318 AEUV) durch die KOM; sie bildet schließlich die Grundlage für die Entlastung der KOM durch das EP (Art. 319 AEUV). Art. 285 Abs. 2 AEUV trifft Festlegungen zur Zusammensetzung und zur Unabhängigkeit des EuRH. Art. 286 AEUV enthält Bestimmungen zu den Qualifikationserfordernissen der Mitglieder des EuRH, zu ihrer Amtszeit, ihren Rechten und Pflichten sowie einige Festlegungen zur Organisation und Arbeitsweise des EuRH. Diese sind näher bestimmt in seiner Geschäftsordnung 4, die er sich in Wahrnehmung seines Selbstorganisationsrechts gemäß Art. 287 Abs. 4 AEUV mit Genehmigung des Rates gibt. Art. 287 AEUV enthält die Bestimmungen zu den Kompetenzen des EuRH. Die durch den EuRH vorzunehmende Rechnungsprüfung betrifft gemäß Art. 287 Abs.1 S. 1 AEUV alle Einnahmen und Ausgaben der Union5 und erfasst damit auch sämtliche von der Union geschaffenen Einrichtungen oder sonstigen Stellen, es sei denn, deren Gründungsakt oder vertragsrechtliche Sonderrege- 1 Vertrags über die Europäische Union, konsolidierte Fassung, ABl. C 202/01 vom 7. Juni 2016. 2 Calliess in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 13 EUV, Rn. 4. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung, ABl. C 202/47 vom 7. Juni 2016. 4 Geschäftsordnung des Rechnungshofs der Europäischen Union, ABl. L 103 vom 23. April 2010. 5 Die Bestimmung geht damit über eine frühere Vorläuferregelung (Art. 206 Abs. 1 S. 1 EWG-Vertrag vom 25. März 1957) hinaus, die lediglich die Einnahmen und Ausgaben des Gemeinschaftshaushalts der Rechnungsprüfung durch den damaligen Kontrollausschuss unterwarf. Vgl. hierzu Magiera in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 71. EL August 2020, AEUV, Art. 287 Rn. 5. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 015/21 Seite 5 lungen schließen dies aus. Nach dem mit geltendem Primärrecht bestimmten umfassenden Prüfungsansatz 6 unterliegen somit auch jene Unionsmittel der Rechnungsprüfung, die außerhalb des Unionshaushalts stehen.7 Die weiteren Bestimmungen des Art. 287 AEUV treffen Festlegungen zur Pflicht des EuRH zur Vorlage einer Zuverlässigkeitserklärung8 (Abs. 1 S. 2), zu den Maßstäben (Abs. 2) und zur Durchführung der Rechnungsprüfung (Abs. 3) sowie zu den Formen seiner Berichterstattung und zu Verfahrens- bzw. Organisationsfragen (Abs. 4). 3. Prüfungsrechte des EuRH 3.1. Europäische Zentralbank Wenngleich die EZB zu den sieben förmlichen Unionsorganen gehört, fällt ihr Finanzgebaren lediglich beschränkt in den Kompetenzrahmen der externen Rechnungsprüfung durch den EuRH. Zum einen begrenzt Art. 27 Abs.2 des Protokolls Nr. 49 zum Vertrag von Lissabon den Prüfungsgegenstand der Rechnungsprüfung durch den EuRH auf eine Prüfung der Effizienz der Verwaltung der EZB. Die Aufgabe der Prüfung der Jahresabschlüsse der EZB und der nationalen Zentralbanken wird dagegen unabhängigen externen Rechnungsprüfern zugewiesen, die auf Empfehlung des EZB-Rats zuvor vom Rat anzuerkennen sind (Art. 27 Abs. 1). Zum anderen nimmt die Haushaltsordnung für den Haushaltsplan der Union10 (HO) die EZB von den Unionsorganen im Sinne der HO aus (Art. 2 Ziff. 67 HO). 3.2. Europäische Investitionsbank Als Einrichtung der Union, die durch das Protokoll Nr. 5 zum Vertrag von Lissabon primärrechtlich konstituiert ist und Unionsmittel bewirtschaftet, unterliegt die EIB der externen Rechnungsprüfung durch den EuRH. Dies gilt hinsichtlich der Aktivitäten, die die EIB aufgrund ihr durch die EU übertragener Mandate durchführt, sowie für die Finanzierungsoperationen der EIB, die durch eine Haushaltsgarantie der Union abgesichert sind. Jedoch unterliegt die EIB bei der Bewirtschaftung ihrer auf dem Kapitalmarkt beschafften oder ihrer eigenen Mittel (Art. 309 AEUV) allein der besonderen Finanzkontrolle durch einen Prüfungsausschuss gemäß Art. 12 Abs. 1 Protokoll Nr. 5, der durch den Rat der Gouverneure der EIB ernannt wird. 6 So Niedobitek in: Streinz, EUV-AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 287 AEUV, Rn. 4. 7 In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden hier die Einnahmen und Ausgaben der Versorgungsagentur und der gemeinsamen Unternehmen der Europäischen Atomgemeinschaft sowie diejenigen im Rahmen des EWR-Abkommens aufgeführt. Weiterhin die Einnahmen und Ausgaben des Europäischen Entwicklungsfonds sowie die Anleihe - und Darlehensoperationen der Union. Vgl. u.a. Magiera in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 71. EL August 2020, AEUV, Art. 287 Rn. 5, Niedobitek in: Streinz, EUV-AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 287 AEUV, Rn. 3 ff. 8 Vgl. exemplarisch EuRH, Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2019, Zuverlässigkeitserklärung und zugehörige Ausführungen , S. 10 ff. 9 Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, konsolidierte Fassung, ABl. C 202/230 vom 7. Juni 2016. 10 Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, ABl. 193/1 vom 30. Juli 2018. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 015/21 Seite 6 In einer sog. Drei-Parteien-Vereinbarung („Tripartite Agreement“)11 sind die Regeln für die Zusammenarbeit zwischen der EIB, der KOM und dem EuRH hinsichtlich des Informationszugangs bei der Durchführung der Prüfungen durch den EuRH im Sinne von Art. 287 Abs. 3 UAbs. 3 AEUV bestimmt. 3.3. Europäischer Stabilitätsmechanismus 3.3.1. Status Quo Der am 2. Februar 2012 durch die Mitgliedstaaten der Eurozone als dauerhafter Mechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität der Eurozone errichtete ESM gründet auf einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen diesen Staaten. Der ESM wurde als internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg gegründet (Art. 1Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 ESM-Vertrag12). Der Errichtungszweck des ESM besteht darin, ESM-Mitgliedern mit schwerwiegenden Finanzierungsproblemen Stabilitätshilfen zu gewähren, soweit dies für die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist und an strenge Auflagen gebunden wird (Art. 3 ESM-Vertrag). Diese Auflagen variieren von makroökonomischen Anpassungsprogrammen bis hin zur Erfüllung zuvor festgelegter Anspruchsvoraussetzungen (Art. 12 ESMV). Der ESM verfügt über ein Stammkapital i.H.v. 700 Mrd. EUR (Art. 8 Abs. 1; Anhang II ESM-Vertrag ). Es wird aus „eingezahlten Anteilen“ der beteiligten Staaten i.H.v. insgesamt 80 Mrd. EUR (Bareinlagen) und „abrufbaren Anteilen“ i.H.v. insgesamt 620 Mrd. EUR (Art. 8 Abs. 2 ESMV) aufgebracht. Der individuelle Beitrag der beteiligten Staaten am Stammkapital richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Anteil am Kapital der EZB (Art. 11 Abs. 1; Anhang I ESMV). Der Finanzierungsanteil Deutschlands i.H.v. von ca. 27% entspricht ca. 190 Mrd. Euro, davon 22 Mrd. EUR „eingezahltes“ und 168 Mrd. EUR „abrufbares“ Kapital. Die durch den ESM gewährten Stabilitätshilfen werden mit Anleihen finanziert, die der ESM am Kapitalmarkt begibt (Art. 21 ESMV). Der ESM ist keine Institution auf Grundlage des Unionsrechts. Die völkerrechtlich verfasste internationale Finanzinstitution verwaltet keine Unionsmittel. Folglich kommt eine Prüfungskompetenz des EuRH nach Art. 287 Abs.1 S. 1 AEUV hinsichtlich des ESM nicht in Betracht. Diese Auffassung teilt der EuRH selbst, regte in einer Stellungnahme zugleich an, die ESM-Mitgliedstaaten könnten den EuRH mit Prüfungsaufgaben hinsichtlich des ESM außerhalb der EU-Rechtsordnung betrauen.13 Die externe Rechnungsprüfung des ESM wird mit Art. 29 ESM-Vertrag unabhängigen externen Abschlussprüfern zugewiesen, die mit Zustimmung des ESM-Gouverneursrats bestellt werden. Diese sind für die Bestätigung des Jahresabschlusses verantwortlich. Art. 29 ESM-Vertrag mandatiert die so beauftragten externen Abschlussprüfer zur Prüfung sämtlicher Bücher und Konten 11 Tripartite Agreement between the European Commission, the European Court of Auditors, and the European Investment Bank, 26. September 2016. 12 Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 2. Februar 2012. 13 EuRH, Stellungnahme Nr. 2/2018 gemäß Artikel 287 Absatz 4 AEUV "Erwägungen hinsichtlich Prüfung und Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit dem Vorschlag vom 6. Dezember 2017 zur Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds innerhalb des Unionsrechtsrahmens", 18. September 2018, S. 11 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 015/21 Seite 7 des ESM; sie sind ermächtigt, alle Auskünfte über die Geschäfte des ESM zu verlangen.14 Ihre Prüfungsergebnisse hinsichtlich des Jahresabschlusses halten die externen Abschussprüfer in ihrem Jahresabschlussbericht fest, der dem Jahresbericht des ESM beigefügt ist.15 Art. 30 ESM-Vertrag sieht die Einrichtung eines fünfköpfigen unabhängigen Prüfungsausschusses (board of auditors) vor, dessen unabhängige und weisungsfreie Mitglieder vom Gouverneursrat aufgrund ihres Sachverstands im Bereich der Rechnungsprüfung und der Finanzen ernannt werden. Hierzu gehören zwei Mitglieder der Obersten Rechnungskontrollbehörden der ESM-Mitgliedstaaten , die einander in einem Rotationsverfahren abwechseln, sowie ein Mitglied des EuRH.16 Der Prüfungsausschuss prüft die Konten und die Ordnungsmäßigkeit der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Bilanz des ESM. Er fertigt unabhängige Prüfberichte sowie einen Jahresbericht 17 an, den er dem ESM-Gouverneursrat vorlegt. Der Prüfungsausschuss ist zum uneingeschränkten Zugang zu allen Unterlagen des ESM berechtigt, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Er kann das Direktorium des ESM jederzeit über seine Feststellungen unterrichten. Der ESM-Gouverneursrat macht den Jahresbericht des Prüfungsausschusses sowohl den nationalen Parlamenten und Obersten Rechnungskontrollinstitutionen der ESM-Mitgliedstaaten als auch dem EP und dem EuRH zugänglich. 3.3.2. Reform des ESM Am 30. November 2020 einigte sich die Eurogruppe auf eine Reform des ESM-Vertrags. Am 27. Januar 2021 haben die ESM-Mitgliedstaaten das Übereinkommen zur Änderung des ESM-Vertrags 18 (ESM-Änderungsübereinkommen) in Brüssel unterzeichnet. Derzeit laufen die erforderlichen Ratifizierungsverfahren in den ESM-Mitgliedstaaten. Die Umsetzung der ESM-Vertragsreform erfordert in Deutschland ein Zustimmungsgesetz von Bundestag und Bundesrat (Art. 23 Abs. 1 GG, Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) zum Änderungsvertrag und die Zustimmung des Bundestages zu den geänderten bzw. neuen ESM-Leitlinien. Zur Gewährleistung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung sowie der Integrationsverantwortung des Bundestages muss außerdem das ESM-Finanzierungsgesetz (ESMFinG) reformiert werden. Die Bundesregierung übermittelte am 27. Januar 2021 Referentenentwürfe für das Zustimmungsgesetz zum ESM-Änderungsübereinkommen und zur Änderung des ESMFinG zur Stellungnahme an die Bundesländer. Die Gesetzesentwürfe sollen am 17. März 2021 vom Bundeskabinett beschlossen werden. Das ESM-Änderungsübereinkommen enthält keine Änderungen der die externe Rechnungsprüfung des ESM regelnden Bestimmungen der Art. 29 und 30 ESM-Vertrag. Es nimmt auch keine Modifikation der institutionellen Verfasstheit des ESM, seines völkerrechtlichen Status‘ und seiner zwischenstaatlichen Finanzierung vor. Damit ergeben sich auch durch die Reform des ESM keine Veränderungen hinsichtlich der fehlenden Prüfungskompetenz des EuRH betreffend den ESM. 14 Vgl. hierzu: ESM, External Audit, 2021. 15 So im Jahresbericht des ESM 2019 vom 11. Juni 2020, S. 119 ff. 16 Diese gehören als unabhängige Mitglieder dem Prüfungsausschuss nicht als Vertreter ihrer Institutionen an. 17 Vgl. jüngsten verfügbaren Jahresbericht 2019 des Prüfungsausschusses vom 11. Juni 2020. 18 Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 27. Januar 2021. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 015/21 Seite 8 3.4. Die Aufbau- und Resilienzfazilität Die Einrichtung des europäischen Wiederaufbauprogramms Next Generation EU(NGEU) bildet die Antwort der Union auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Pandemie. NGEU umfasst einen neuen, außerordentlichen und temporären Mechanismus zur Finanzierung der Aufbaumaßnahmen durch externe zweckgebundene Einnahmen. Der Mechanismus soll für die Jahre 2021 bis 2024 mit einem Finanzvolumen von 750 Mrd. EUR ausgestattet werden. Seine Finanzierung erfolgt auf der Grundlage des neuen Eigenmittelbeschlusses , der vom Rat nach der Einigung über den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 am 14. Dezember 2020 angenommen wurde. Mit dem neuen Eigenmittelbeschluss wird die KOM ermächtigt , im Namen der EU Anleihen i.H.v. bis zu 750 Mrd. EUR zu begeben. Die Mittel sind zur Bewältigung der Folgen der COVID-19-Krise zweckgebunden und ihre Verwendung in Grundzügen festgelegt (360 Mrd. EUR Darlehen, 390 Mrd. EUR Zuschüsse). Die Anleihen werden durch eine temporäre Erhöhung der Eigenmittelobergrenze um 0,6 Punkte auf dann 2,0 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) abgesichert. Die Tilgung soll spätestens 2028 beginnen und bis 2058 abgeschlossen sein. Die Mittelverwendung auf der Ausgabenseite wird durch das Aufbauinstrument EURI19 gesteuert. Das im EURI vorgesehene Programm zur Vergabe von Darlehen und Zuschüssen an die Mitgliedstaaten soll mit der sog. Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) umgesetzt werden. Zu dem Entwurf der ARF-Verordnung20 erzielten Rat und EP am 17. Dezember 2020 eine politische Einigung. Die EU-Mitgliedstaaten stimmten dem von der deutschen Ratspräsidentschaft mit dem EP ausgehandelten Kompromisstext am 22. Dezember 2020 einstimmig zu. In seiner legislativen Entschließung vom 10. Februar 2021 stimmte das EP dem Kompromisstext zur ARF-Verordnung zu. Nach Bestätigung durch den Rat vom 11. Februar 2021 ist die ARF-Verordnung am 18. Februar 2021 in Kraft getreten. 3.4.1. Prüfungsrechte des EuRH Dem gemäß Art. 287 Abs.1 S. 1 AEUV alle Einnahmen und Ausgaben der Union umfassenden Prüfungsauftrag des EuRH unterliegen auch die Mittel und Operationen des NGEU, die aus der vorgesehenen Anleihetätigkeit der KOM im Namen der Union außerhalb ihres Haushalts finanziert werden. Dies gilt folglich auch für die zur Vergabe der Darlehen und Zuschüsse errichtete ARF. 19 European Union Recovery Instrument (EURI). Errichtet durch Verordnung (EU) 2020/2094 des Rates vom 14. Dezember 2020 zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der COVID-19-Krise, ABl. L 433 I/23 vom 22. Dezember 2020. 20 KOM, Vorschlag (KOM(2020) 408) für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 015/21 Seite 9 3.4.2. Bestimmungen zu den Prüfungsrechten des EuRH in der ARF-Verordnung Bereits im September 2020 nahm der EuRH eine Stellungnahme21 zum Vorschlag der KOM für eine ARF-Verordnung (KOM(2020) 408)an, in der er darauf hinwies, dass in der vorgeschlagenen Verordnung weder die Rolle des EP im Haushalts- und Entlastungsverfahren klar definiert, noch die Prüfungsrechte des Hofes ausdrücklich verankert seien. Darüber hinaus seien Vorkehrungen zur Bekämpfung von Betrug und Unregelmäßigkeiten zu verstärken, um neuen Risiken wirksam zu begegnen.22 Hinsichtlich seiner Prüfungsrechte führte der EuRH darin seine Rechtsauffassung aus, derzufolge er gemäß Art. 287 Abs. 1 AEUV berechtigt sei, alle Einnahmen oder Ausgaben der Union im Rahmen der Fazilität zu prüfen. Mit Blick darauf, dass die Fazilität außerhalb des Unionshaushalts durchgeführt werde, empfahl der EuRH aus Gründen der Rechtsklarheit, eine spezifische Bestimmung in den Verordnungstext aufzunehmen, die das Prüfungsrecht des EuRH für die Finanzhilfen sowie für die Darlehenskomponente der Fazilität ausdrücklich vorsieht.23 Der mit dem EP ausgehandelte Kompromisstext24 des ARF-Verordnungsentwurfs, der schließlich seinen Niederschlag in der angenommenen ARF-Verordnung 25 fand, weist keine der Empfehlung des EuRH entsprechende explizite Bestimmung über dessen Prüfungsrecht auf. Dagegen lässt sich aber die vom EP vorgenommene Einfügung von Art. 22 (neu) ARF-Verordnung dahingehend interpretieren, dass eine Absicherung der Ausübung der Prüfungskompetenz des EuRH angestrebt wurde. Eine Reduzierung des Prüfungsgegenstands oder eine Verminderung des Kompetenzfeldes des EuRH bei der Durchführung seiner Prüfungsaufgaben hinsichtlich der ARF infolge des Fehlens der empfohlenen prüfungskompetenzlichen Klarstellung ist jedoch nicht zu erkennen. Etwaige Vergleiche mit den begrenzten Prüfungskompetenzen des EuRH hinsichtlich der EZB oder der EIB gehen wegen der unter Tz. 3.1 und 3.2 bereits beschriebenen abweichenden Rechtslage fehl. - Fachbereich Europa - 21 EuRH, Stellungnahme Nr. 6/2020 vom 7. September 2020 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität, ABl. C 350/1 vom 20. Oktober 2020. 22 Vgl. EuRH, Fn. 21, S. 9. 23 Vgl. EuRH, Fn. 21, Ziff. 22. 24 Legislative Entschließung des EP (P9_TA-PROV(2021)0038) vom 10. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität (COM(2020)0408 – C9-0150/2020 – 2020/0104(COD), 25 Verordnung (EU) 2021/241 vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität, ABl. L 57/17 vom 18. Februar 2021.