© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 – 015/20 Einzelfragen zur Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union Rückführungen nach dem EU-Türkei-Abkommen, Planungen zur Stärkung der EU-Außengrenzen sowie zur Einrichtung einer EU- Asylagentur Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 2 Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Einzelfragen zur Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union Rückführungen nach dem EU-Türkei-Abkommen, Planungen zur Stärkung der EU-Außengrenzen sowie zur Einrichtung einer EU-Asylagentur Aktenzeichen: PE 6 - 3000 – 015/20 Abschluss der Arbeit: 5. März 2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellungen und Vorbemerkung 4 2. Rückführungen von Griechenland in die Türkei nach der EU-Türkei-Erklärung vom 18. März 2016 4 2.1. Hintergrund 4 2.2. Zahl der Rückführungen von Griechenland in die Türkei 5 3. Planungen zur Stärkung der EU-Außengrenzen 5 3.1. Erweiterung des Mandats der Europäischen Agentur für die Grenzund Küstenwache 6 3.2. Rahmen für die Umsetzung der Maßgaben der neuen FRONTEX- Verordnung 7 4. Vorschlag zur Einrichtung einer EU-Agentur für Asyl 8 5. Zum Neuen Pakt für Migration und Asyl 9 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 4 1. Fragestellungen und Vorbemerkung Der Fachbereich Europa ist um eine Übersicht über die Zahl der Migranten gebeten worden, die im Rahmen der EU-Türkei Erklärung vom 16. März 2016 aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt wurden. Weiterhin wurde der Fachbereich beauftragt, Informationen über die Planungen der Europäischen Kommission (KOM) zur Stärkung der Außengrenzen der Union sowie für ein „Europäisches Asylamt“ zusammenzustellen. Mit dem vorliegenden Sachstand werden zunächst die EU-Türkei-Erklärung skizziert und die verfügbaren Quellen zu den Rückführungszahlen im erbetenen Zeitraum ausgewertet (Tz. 2). Hinsichtlich der Fragen zur EU-Außengrenzenstärkung wird angesichts der Bandbreite der hierauf zielenden Aktivitäten der Union der Fokus auf die Rahmenplanung der neuen KOM für die Umsetzung der novellierten Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (sog. FRONTEX-VO) einschließlich ihres Vorschlags für die Schaffung eines Instruments für die finanzielle Hilfe im Bereich Grenzmanagement und Visa gerichtet (Tz. 3). Die Frage nach den Plänen für ein „Europäisches Asylamt“ wird mit Informationen zu den Kommissionsvorschlägen zur Einrichtung einer EU-Agentur für Asyl (EUAA) beantwortet (Tz. 4). Ein kurzer Ausblick auf die Ankündigung der Kommissionspräsidentin v.d. Leyen für einen sog. Neuen Pakt für Migration und Asyl ordnet die Perspektive der Bemühungen um die Außengrenzenstärkung ein (Tz. 5). 2. Rückführungen von Griechenland in die Türkei nach der EU-Türkei-Erklärung vom 18. März 2016 2.1. Hintergrund Am 18. März 2016 vereinbarten die Mitglieder des Europäischen Rates mit der Türkei neue zusätzliche Maßnahmen zur Beendigung der irregulären Migration aus der Türkei in die EU, mit denen die Maßgaben sowohl des Gemeinsamen Aktionsplans EU-Türkei vom 15. Oktober 2015 als auch der Erklärung vom 7. März 2016 ergänzt wurden. Der gemeinsame Aktionsplan aus dem Jahr 2015 sah eine Verstärkung der Zusammenarbeit zur Unterstützung der Aufnahme syrischer Flüchtlinge in der Türkei und eine engere Zusammenarbeit bei der Verhütung irregulärer Migrationsströme in die EU vor.1 Die Türkei erklärte sich ausweislich der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der EU vom 7. März 2016 einverstanden, die rasche Rückführung aller Migranten zu akzeptieren, die keinen internationalen Schutz benötigen und von der Türkei aus nach Griechenland einreisen, sowie alle in türkischen Gewässern aufgegriffenen irregulären Migranten zurückzunehmen.2 1 Am 29. November 2015 aktivierten die Türkei und die EU auf dem EU-Türkei-Gipfel den Gemeinsamen Aktionsplan, der am 15. Oktober 2015 ad referenda vereinbart worden war. Dieser Aktionsplan zielt darauf, die Kooperation zur Unterstützung der syrischen Flüchtlinge unter vorübergehendem Schutz und der Aufnahmegemeinden in der Türkei zu verstärken und auch bei der Verhütung irregulärer Migrationsströme in die EU enger zusammenzuarbeiten. Die Umsetzung des Aktionsplans soll sowohl die Migrationsströme ordnen als auch zur Eindämmung irregulärer Migration beitragen. 2 Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vom 8. März 2016, Pressemitteilung des Europäischen Rats vom 8. März 2016. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 5 In der Erklärung vom 18. März 20163 wurde u. a. festgehalten, dass alle neuen irregulären Migranten , die ab dem 20. März 2016 von der Türkei auf die griechischen Ägäis-Inseln gelangen, in die Türkei zurückgeführt werden und für jeden von den griechischen Inseln in die Türkei rückgeführten syrischen Staatsangehörigen ein anderer syrischer Staatsangehöriger aus der Türkei in der EU neu angesiedelt wird. Weitere Punkte der Erklärung betreffen die Visaliberalisierung für türkische Staatsangehörige und die beschleunigte Auszahlung der im Aktionsplan vereinbarten drei Milliarden Euro an die Türkei und die Entscheidung über zusätzliche drei Milliarden Euro für die Flüchtlingsfazilität für syrische Staatsangehörige. 2.2. Zahl der Rückführungen von Griechenland in die Türkei Die KOM bewertet in ihrem Fortschrittsbericht über die Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda vom 17. Oktober 2019 die Rückführung neuer irregulärer Migranten von Griechenland in die Türkei im Rahmen der EU-Türkei-Erklärung als kontinuierliche Herausforderung. Sie beziffert die Zahl der zurückgeführten Migranten mit Stand Oktober 2019 auf lediglich 1.908 Personen seit Beginn der Umsetzung.4 Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) veröffentlicht in regelmäßigen Abständen die Zahl der im Rahmen der EU-Türkei-Erklärung zurückgeführten Migranten . Der jüngsten Publikation vom 3. März 20205 ist zu entnehmen, dass in der Zeit zwischen April 2016 und dem 29. Februar 2020 insgesamt 2.117 Personen aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt wurden. Die Gliederung dieser Personen nach Herkunftsstaat, Geschlecht und Rückführungsgründen ist der hier beigefügten Anlage zu entnehmen. 3. Planungen zur Stärkung der EU-Außengrenzen Die Bemühungen der EU zur Stärkung ihrer Außengrenzen umfassen eine ganze Reihe komplexer Maßnahmen. So zielen sie einerseits auf die Stärkung des Unionsrechtsrahmens zum Grenzmanagement , wie beispielsweise den Schengener Grenzkodex, sowie den Ausbau und die Aufwertung der Mandate relevanter EU-Agenturen, wie FRONTEX, Europol und EASO. Andererseits konzentrieren sie sich auf die bessere Nutzung der Möglichkeiten, die die Informationssysteme und -technologien für die Sicherheit, Strafregisterverwaltung sowie das Grenz- und Migrationsmanagement bieten. Hierzu zählen der Ausbau bestehender IT-Systeme, wie z.B. SIS II, VIS, Eurodac , ECRIS-TCN, die Einrichtung neuer IT-Systeme, wie des Europäischen Reiseinformations- 3 Erklärung EU-Türkei vom 18. März 2016, Ratsdok. SN 38/16. Für die jüngste Berichterstattung der KOM zur Umsetzung der Erklärung vgl. Mitteilung der KOM, Fortschrittsbericht über die Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda, [KOM(2019) 481] vom 17. Oktober 2019. 4 Mitteilung der KOM, KOM(2019) 481 vom 17. Oktober 2019, Fn. 3, S. 7. 5 UNHCR Greece, Returns from Greece to Turkey in the framework of the EU-TUR Statement, 3. März 2020. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 6 und Genehmigungssystems ETIAS und eines Einreise- und Ausreisesystems sowie die Verbesserung der Interoperabilität der in der EU genutzten Datenbanken.6 Das Kernstück7 dieser Bemühungen bildet der Ausbau der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, die gemeinsam mit den für den Außengrenzschutz verantwortlichen Behörden der EU-Mitgliedstaaten die Europäische Grenz- und Küstenwache bildet. 3.1. Erweiterung des Mandats der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) wurde mit Verordnung (EU) 2016/1624 vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache errichtet .8 Sie trat mit verstärktem Mandat an die Stelle der im Jahr 2004 gegründeten Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Europäischen Union. Zu den Kernaufgaben von FRONTEX nach der Verordnung (EU) 2016/1624 gehören die enge Überwachung der EU-Außengrenzen sowie die Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten, um potenzielle Sicherheitsbedrohungen an den Außengrenzen der EU zügig zu identifizieren und abzuwehren. Damit soll FRONTEX zu einer wirksameren Migrationssteuerung, zur Verbesserung der inneren Sicherheit in der Union sowie zur Wahrung des Freizügigkeitsgrundsatzes beitragen. Im Juni 2018 beschloss der Europäische Rat, FRONTEX‘ Rolle beim EU-Außengrenzschutz zu verstärken. Daraufhin legte die KOM im September 2018 ihren Vorschlag9 für die Revision der sog. FRONTEX-Verordnung vor, demzufolge das Mandat der Agentur ausgeweitet und dabei u.a. die Zahl der Einsatzkräfte bis zum Jahr 2020 auf 10.000 erhöht werden sollte. Ihr Kompetenzfeld sollte u.a. dahingehend erweitert werden, dass sie künftig Tätigkeiten der Mitgliedstaaten stärker unterstützen kann, insbesondere bei der Grenzkontrolle, der Rückführung oder der Zusammenarbeit mit Drittländern.10 6 Vgl. a. Rat der Europäischen Union, Stärkung der EU-Außengrenzen, März 2020, online abrufbar unter: http://consilium.europa.eu/de/policies/strengthening-external-borders/ sowie EPRS, Schutz der EU-Außengrenzen – Briefing, Juni 2019, online abrufbar unter: https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes /BRIE/2018/630316/EPRS_BRI(2018)630316_DE.pdf (zul. abgerufen am 2. März 2020). 7 So: Mitteilung der KOM, KOM(2019) 481 vom 17. Oktober 2019, Fn. 3, S. 19. 8 Verordnung (EU) 2016/1624 vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates und der Entscheidung des Rates 2005/267/EG, Abl. L 251 vom 16. September 2016, S. 1. 9 Vorschlag für eine Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Gemeinsamen Aktion 98/700/JHA des Rates, der Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 und der Verordnung (EU) 2016/1624, KOM(2018) 631 vom 12. September 2018. 10 Kernelemente des Verordnungsvorschlags der KOM waren u.a. der Aufbau einer sog. ständigen Reserve von 10.000 Mitarbeitern bis 2020, die Ausübung von exekutiven Befugnissen unter Aufsicht und Kontrolle der Mitgliedstaaten , die eigene Ausrüstung von FRONTEX, die Einführung vorübergehender Binnengrenzkontrollen bei gravierenden Gefahren für den Schengen-Raum, die Ausweitung des FRONTEX-Mandats im Bereich der Rückführung , die Integration von EUROSUR in den FRONTEX-Rechtsrahmen, die Errichtung einer Zentralstelle für das Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS) bei FRONTEX sowie die Durchführung von Einsätzen in Drittstaaten durch FRONTEX. Vgl. a. Übersicht der KOM, Eine gestärkte und voll ausgerüstete Europäische Grenz- und Küstenwache, 2018, online abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/sites/betapolitical /files/soteu2018-factsheet-coast-guard_de.pdf (zul. abgerufen am 27. Februar 2020). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 7 Der KOM-Vorschlag ist in sog. Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament (EP), KOM und Rat umfassend überarbeitet worden; nach informeller Einigung11 zwischen Rat und EP im April 2019 wurde die Verordnung (EU) 2019/1896 schließlich im November 2019 angenommen . Sie trat am 4. Dezember 2019 in Kraft und sieht nun den Aufbau eines sog. Standing Corps von 10.000 Grenzschutzbeamten bis zum Jahr 2027 vor; ein Zwischenziel von 5.000 Beamten soll bis 2021 erreicht werden, wobei die KOM Größe und Zusammensetzung des Standing Corps nach einer Evaluierung in 2023/2024 anpassen kann. FRONTEX wird eine stärkere Rolle im Bereich der Rückführungen eingeräumt. Die Agentur kann die Mitgliedstaaten in technischer und operationeller Hinsicht unterstützen. Die noch im KOM-Entwurf vorgesehene Beteiligung der Agentur an Rückführungen in bzw. zwischen Drittstaaten fand nicht Eingang in die Verordnung. Zur Verstärkung der Zusammenarbeit mit Drittstaaten ist FRONTEX ermächtigt, Statusabkommen auch mit Nicht-Nachbarländern der EU abzuschließen. Bestimmungen über zusätzliche Pflichten zur Wahrung der Grundrechte durch FRONTEX fanden auf Drängen des EP Eingang in den Normenkatalog der Verordnung; ein Stab von 40 Beamten wird für ein Grundrechte-Monitoring eingerichtet , das u.a. die Überprüfung von Operationen der Agentur mit Ortsbesuchen umfasst. 3.2. Rahmen für die Umsetzung der Maßgaben der neuen FRONTEX-Verordnung Die Präsidentin der KOM, Ursula von der Leyen, unterstreicht in ihren Politischen Leitlinien für die künftige KOM 2019-2024 die Notwendigkeit starker EU-Außengrenzen und stellte den direkten Zusammenhang zu einer Stärkung von FRONTEX her. Hierbei strebe sie an, den Aufbau einer ständigen Reserve von 10.000 FRONTEX-Grenzschutzbeamten bereits vor dem derzeit angestrebten Zeitziel 2027 abzuschließen. So solle diese Reserve bereits 2024 an den Außengrenzen der Union eingesetzt werden können. Wichtige Bedingung hierfür sei die rechtzeitige Einigung über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2020-2027.12 Der MFR-Vorschlag der KOM13 sieht eine erhebliche Stärkung der EU-Außengrenzen durch ein neues Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzmanagement und Visa als Teil eines neuen Fonds für integriertes Grenzmanagement (IBMF) mit einem Budget von 9,3 Mrd. EUR vor. Darüber hinaus sollen die Mittel für die dezentralen Agenturen, darunter insbesondere FRONTEX, und zur Unterstützung der Mitgliedstaaten beim Grenzschutz auf 12 Mrd. EUR aufgestockt werden. Diese Finanzmittel im Rahmen des IBMF sollen für den Auf- und Ausbau der mitgliedstaatlichen Kapazitäten im Bereich der gemeinsamen Visumpolitik und zur Bewältigung von Migrationsproblemen und potenziellen künftigen Bedrohungen an den Außengrenzen sowie zur 11 Für eine detaillierte Übersicht zu den Eckdaten der Einigung einschl. der jeweils durchgesetzten und verworfenen Positionen vgl. Deutscher Bundestag, Referat PE 4, Europäische Grenz- und Küstenwache – Trilogeinigung und Reaktionen, Bericht aus Brüssel 8/2019 vom 8. April 2019, PE Dok 151/2019 sowie Rat der Europäischen Union, Europäische Grenz- und Küstenwache, online abrufbar unter: https://www.consilium.europa .eu/de/press/press-releases/2019/04/01/european-border-and-coast-guard-council-confirms-agreement-onstronger -mandate/ (zul. abgerufen am 28. Februar 2020). 12 Von der Leyen, Politische Leitlinien für die künftige Europäische Kommission 2019-2024, S. 18. 13 Mitteilung der KOM, Ein moderner Haushalt für eine Union, die schützt, stärkt und verteidigt - Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-2027, KOM(2018)321, 2. Mai 2018. Vgl. Hierzu auch: Deutscher Bundestag, Referat PE 2, Der Mehrjährige Finanzrahmen für den Zeitraum 2021 bis 2027, EU-Sachstand, PE Dok 304/2018. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 8 Bekämpfung schwerer grenzüberschreitender Kriminalität und zur Sicherstellung eines hohen Maßes an innerer Sicherheit innerhalb der EU bereitgestellt werden. 4. Vorschlag zur Einrichtung einer EU-Agentur für Asyl Am 12. September 2018 legte die KOM ihren veränderten Verordnungsvorschlag14 über die Einrichtung einer Asylagentur der Europäischen Union vor, der über ihren bereits im Mai 2016 eingebrachten Verordnungsvorschlag15 über den Ausbau des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) zu einer EU-Agentur für Asyl (EUAA) hinausgeht, ihn inhaltlich aber fortführt . Die KOM ordnet darin die vorgeschlagene Agentur als zentralen Pfeiler eines effizienten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ein und benennt als ihre Aufgaben einerseits die Bereitstellung operativer und technischer Hilfe, wenn die EU-Mitgliedstaaten sie benötigen, um ein besseres Migrationsmanagement zu ermöglichen. Andererseits soll die Agentur eng mit der Europäischen Grenz- und Küstenwache sowie anderen EU-Agenturen zusammenarbeiten, um voll integrierte europäische Unterstützungsleistungen in den Bereichen Grenzmanagement, Asyl und Rückführung zu erbringen. Vor diesem Hintergrund schlägt die KOM Änderungen an ihrem ersten Vorschlag für eine EU-Asylagentur vor: So soll die operative und technische Unterstützung, die die Agentur den Mitgliedstaaten z.B. durch Entsendung von Unterstützungsteams gewähren kann, ausgeweitet werden. Der im ursprünglichen KOM-Vorschlag verfolgte Ansatz der Umwandlung des bestehenden EASO in eine vollwertige Asylagentur der Europäischen Union mit erweitertem Mandat und erweiterten Aufgaben wird fortgeführt. Die Agentur soll den Mitgliedstaaten in Zeiten eines erhöhten Migrationsdrucks größere Unterstützung bieten können, unter anderem durch eine rasche Entsendung von Asylexperten. Diese Möglichkeiten sollen nun dahingehend erweitert werden, dass sie den Mitgliedstaaten während der gesamten administrativen Phase der Asyl- und Dublin- Verfahrens zur Verfügung steht. Damit sollen die Leistungen der Agentur die Entsendung von Teams zur Unterstützung des Migrationsmanagements umfassen, die sich aus Mitarbeitern der Agentur, der Europäischen Grenz- und Küstenwache, von Europol und anderen EU-Agenturen 14 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung über die Asylagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 439/2010, KOM(2018)633, vom 12. September 2018. Nach den Ausführungen der KOM trage dieser geänderte Legislativvorschlag der vorläufigen Einigung zwischen Rat und EP vom 28. Juni 2017 hinsichtlich des ursprünglichen Verordnungsvorschlags über eine EU-Asylagentur Rechnung. Er solle als Ergänzung im Rahmen der laufenden Verhandlungen über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems beraten werden und zudem die Annahme der ursprünglich vorgeschlagenen Verordnung in keiner Weise verzögern. 15 Vorschlag für eine Verordnung über die Asylagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 439/2010, KOM(2016)271, vom 4. Mai 2016. Der Vorschlag sieht die Umwandlung des EASO zu einer EU-Asylagentur mit einem erheblich erweiterten Mandat vor. So sollen der Informationsaustausch und die praktische Zusammenarbeit in Asylfragen sowie das Unionsrecht und gemeinsame Standards gefördert, die Konvergenz bei der Beurteilung der Schutzbedürftigkeit innerhalb der Union sichergestellt, die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems überwacht und eine erweiterte operative und technische Unterstützung an die Mitgliedstaaten ermöglicht werden. Die Festlegung eines Schwellenwertes für den im Rahmen der Dublin-Reform vorgesehenen Korrekturmechanismus soll künftig in den Aufgabenbereich der einzurichtenden Agentur fallen. Für den Fall, dass die Asylsysteme der einzelnen MS unvorhergesehen unter übermäßigen Druck geraten, soll die Agentur Unterstützungsteams für Asylfragen aus einer Einsatzreserve von Sachverständigen der Mitgliedstaaten sowie eigenen Experten entsenden können. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 9 zusammensetzen. Die Agentur soll nicht nur in Zeiten erhöhten Migrationsdrucks, sondern zu jeder Zeit in Asylverfahren und in Verfahren nach der Dublin-Verordnung Unterstützung gewähren , wenn ein Mitgliedstaat dieser bedarf. Folgende neue Aufgaben sieht der geänderte Verordnungsvorschlag der KOM konkret vor: Operative und technische Unterstützung auf Ersuchen des betreffenden Mitgliedstaats, auf eigene Initiative und mit Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaats oder auf Grundlage eines Durchführungsbeschlusses des Rates (Art. 16 Abs. 1) sowie Festlegung der Aufgaben , die die EU-Asylagentur bei der Bereitstellung operativer und technischer Unterstützung im Einzelnen übernehmen kann (Abs. 2); Entsendung von Asyl-Unterstützungsteams auf Ersuchen eines Mitgliedstaats, um a) das Verfahren für internationalen Schutz in der administrativen Phase nach der Asylverfahrensverordnung vollständig oder teilweise durchzuführen, wobei die Letztentscheidung über Einzelanträge beim Mitgliedstaat verbleibt, b) die Umsetzung oder Durchführung der Verfahren nach der Dublin-Verordnung zu unterstützen und c) bei der Bearbeitung von im Zusammenhang mit lit. a) und b) stehenden Rechtsbehelfen Unterstützung zu leisten (Art. 16a neu). Erweiterung des Einsatzes von Teams zur Unterstützung des Migrationsmanagements: die Entsendung soll auf Ersuchen des Mitgliedstaats erfolgen, jedoch nicht mehr auf Fälle eines „unverhältnismäßigen Migrationsdrucks“ beschränkt sein. Die Teams sollen sich aus operativen Mitarbeitern der Europäischen Grenz- und Küstenwache, von Europol oder anderen zuständigen EU-Agenturen zusammensetzen. Der KOM soll die Koordinierung der Ersuchen der Mitgliedstaaten und die Bedarfsermittlung obliegen (Art. 21). Der Verordnungsvorschlag der KOM sieht zur Wahrnehmung des geänderten und erweiterten Mandats der Agentur ein Budget von 321 Mio. EUR im Zeitraum 2019-2020 und von 1,25 Mrd. EUR im Gesamtzeitraum des bevorstehenden MFR 2021-2027 vor. Rat und EP konnten bereits in der letzten Legislaturperiode des EP eine weitreichende vorläufige Einigung über den geänderten Verordnungsvorschlag der KOM erzielen, jedoch wurde der Legislativvorschlag formal nie angenommen.16 5. Zum Neuen Pakt für Migration und Asyl Bei ihrem Amtsantritt kündigte die Kommissionspräsidentin v.d. Leyen einen sog. Neuen Pakt für Migration und Asyl an, den die KOM derzeit vorbereite.17 Mit diesem Neuen Pakt beabsichtigt die KOM, u. a. einen Neustart bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) einzuleiten, nachdem keine der bisherigen Rechtsetzungsinitiativen der KOM vom Mai bzw. Juli 2016 (insgesamt sieben Legislativvorschläge zur GEAS-Reform) angenommen wurde. Die überarbeitete FRONTEX-Verordnung ist der einzige aus einer weiteren Gruppe dreier Legislativvorschläge vom September 2018, der vom europäischen Gesetzgeber verabschiedet wurde. 16 Vgl. Deutscher Bundestag, Referat PE 4, Aktuelle Entwicklungen im Bereich Migration, Bericht aus Brüssel 5/2019 vom 11. März 2019, PE Dok 102/2019. 17 Vgl. Fn. 12, S. 18. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 015/20 Seite 10 Mit dem Neuen Pakt für Migration und Asyl will die KOM einem ganzheitlichen Ansatz folgen und dabei Aktivitäten im Bereich Zusammenarbeit mit Drittstaaten, Rückkehr und Rückführung, Schengen, Außengrenzschutz und Seenotrettung bündeln. Es wird erwartet, dass die KOM bis Mai 2020 eine Mitteilung sowie erste Legislativvorschläge vorlegen wird. Zunächst soll die Reform des GEAS im Mittelpunkt stehen, insbesondere Vorschläge für eine neue Dublin- und Asylverfahrensverordnung .18 Fachbereich Europa 18 Vgl. Deutscher Bundestag, Referat PE 4, Erste Überlegungen zu einem Neuen Pakt für Migration und Asyl der Kommission, Bericht aus Brüssel 4/2020 vom 2. März 2020, PE Dok 68/2020.