© 2017 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 15/17 Sichtbarkeit von Warnhinweisen beim Verkauf von Tabakerzeugnissen Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 2 Sichtbarkeit von Warnhinweisen beim Verkauf von Tabakerzeugnissen Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 15/17 Abschluss der Arbeit: 31. März 2017 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Hintergründe 4 3. Auslegung am Maßstab des Art. 8 RL 2014/40/EU 5 3.1. Begründung des unionsrechtlichen Maßstabs 5 3.2. Verdeckungsverbot 6 3.2.1. Auslegung des Verdeckungsbegriffs 7 3.2.2. Vereinbarkeit einer weiten Auslegung mit Art. 114 AEUV 8 3.2.2.1. Anwendungsbereich des Art. 114 AEUV 8 3.2.2.2. Begriff der Verkaufsmodalität 9 3.2.2.3. Folgerungen für den Begriff des Verdeckens 10 3.2.3. Zusammenfassung 12 3.3. Begriff des Inverkehrbringen 12 3.3.1. Auslegung des Begriffs „in Verkehr bringen“ 12 3.3.2. Folgerungen 13 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 4 1. Einleitung Die Ausarbeitung setzt sich mit der Frage auseinander, wie die auf § 6 Tabakerzeugnisgesetz (Tabakerz G)1 gestützte Regelung in § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 Tabakerzeugnisverordnung (Tabakerz VO)2 im Lichte des Unionsrechts, insbesondere der Richtlinie 2014/40/EU3 (im Folgenden: RL 2014/40/EU), auszulegen ist, wonach die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf Tabakprodukten „zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht teilweise oder vollständig verdeckt oder getrennt werden“ dürfen. 2. Hintergründe Hintergrund der Fragestellung ist die Praxis, dass vor die Tabakproduktpackungen4 in Verkaufsstellen 5 sog. Vorsteckkarten gestellt werden, auf denen sich regelmäßig nur die Marke des Tabakerzeugnisses befindet. Durch diese Vorsteckkarten werden die kombinierten Text-Bild-Warnhinweise (sog. Schockbilder) auf Tabakproduktverpackungen in Verkaufsstellen verdeckt. Eine dementsprechende fehlende Sichtbarkeit des kombinierten Text-Bild-Warnhinweises ist auch bei dem Verkauf durch Zigarettenautomaten zu beobachten. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Fragen betreffend den Vertrieb von Tabakprodukten in Verkaufsräumen und die diesbezügliche Praxis der Verwendung von Vorsteckkarten. Nach dem diesem Auftrag zugrundeliegenden Informationen, der dieser Ausarbeitung zugrunde liegt, vertritt ein Interessenverband die Ansicht, dass die Vorsteckkarten dem Zweck dienen, „angesichts der übergroßen Schockbilder […] den Überblick über das Sortiment zu behalten und die gesuchte Marke im Regal aufzufinden“. Die Warnhinweise seien nur in der Ablage verdeckt und bei der Übergabe an den Käufer sichtbar. Diese Praxis sei mit dem nationalen Recht und dem Unionsrecht vereinbar. Der Interessenverband stützt diese Rechtsauffassung auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten,6 in dem darauf verwiesen wird, dass die Tragweite von § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 TabakerzVO umstritten sei. In dem Gutachten wird auf die Auffassung verwiesen , wonach diese Regelung der TabakerzVO die gesamte Präsentation von Tabakerzeugnissen im Einzelhandel und in Zigarettenautomaten umfasse und insbesondere Produktkarten unzu- 1 Tabakerzeugnisgesetz vom 4. April 2016, BGBl. I S. 569. 2 Tabakerzeugnisverordnung vom 27. April 2016, BGBl. I S. 980, zuletzt geändert die durch Artikel 1 V. vom 21. Juni 2016, BGBl. I S. 1468. 3 Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02014L0040-20150106&qid=1490344298204&from=DE. 4 Zum Begriff vgl. Art. 2 Nr. 30 RL 2014/40/EU. 5 Zum Begriff vgl. Art. 2 Nr. 41 RL 2014/40/EU. 6 Pieroth, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zum Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzVO) vom 1. Februar 2017 (im Folgenden: Gutachten). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 5 lässig seien, die den Markennamen aufweisen und vor die hintereinander gestapelten Einzelpackungen gestellt werden.7 Auch habe die Arbeitsgruppe „Lebensmittel, Bedarfsgegenstände, Wein und Kosmetik“ (ALB) der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz am 25. Januar 2017 in einem Beschluss festgestellt, dass das Verbot, die gesundheitsbezogenen Warnhinweise bei Tabakerzeugnissen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens teilweise oder vollständig zu verdecken , gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TabakerzVO auf die Abgabe im Handel einschließlich Automaten anzuwenden sei. Das Angebot und die Präsentation im Tabakwarenregal des Handels stelle ebenso wie das Bereitstellen in einem Automaten eine Verkaufsstelle gemäß Art. 2 Nr. 41 RL 2014/40/EU dar. Demgegenüber wird in dem Gutachten die Ansicht vertreten, dass § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 TabakerzVO auf das Vorhalten von Tabakerzeugnissen in Verkaufsstellen und Warenausgabegeräten keine Anwendung findet. Das Tatbestandsmerkmal „Verdecken“ beziehe sich sowohl dem Wortlaut nach als auch systematischer Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts und des Bundesrechts (TabakerzG und TabakerzVO) auf ein Verdecken an der Packung und Außenverpackung eines Tabakerzeugnisses, nicht aber auf die Präsentation in der Verkaufsstelle. 3. Auslegung am Maßstab des Art. 8 RL 2014/40/EU 3.1. Begründung des unionsrechtlichen Maßstabs § 6 TabakerzG und § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 TabakerzVO setzen die Vorgaben der RL 2014/40/EU um. Im Rahmen einer Richtlinienumsetzung trifft alle Träger öffentlicher Gewalt die unionsrechtliche Pflicht (Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV), das nationale Recht richtlinienkonform auszulegen und anzuwenden.8 Dabei handelt es sich bei der europarechtskonformen Auslegung nicht um eine eigenständige Auslegungsmethode oder um die Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts, sondern vielmehr um eine Möglichkeit, auf Grundlage der national anerkannten Auslegungsmethoden9 zu einem Ergebnis zu gelangen, durch dass sich das Unionsrecht im nationalen Recht effektiv entfalten kann.10 In einem potenziellen Rechtstreit besteht für die mit der Sache befassten Gerichte bei Zweifeln an der Auslegung und Anwendung in einer entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Frage eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bzw. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG,11 um dem EuGH im Rahmen seiner Zu- 7 Vgl. dementsprechend bspw. http://www.forum-rauchfrei.de/de/2016/11/24/tabakhandel-verdeckt-schockbilder -forum-rauchfrei-fordert-bundesminister-schmidt-zum-handeln-auf/. 8 Vgl. BVerfGE 129, 78 (96 ff.); Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union (August 2012), Art. 288 AEUV Rn. 133 ff. mwN. 9 Vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juni 2016, 2 BvR 2728/13, Rn. 159. 10 Vgl. EuGH, Rs. C-212/04 (Adeneler u.a.), Rn. 110; EuGH, verb. Rs. C-188/10 und C-189/10 (Melki und Abdeli), Rn. 50. 11 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2014, 2 BvR 1549/07, Rn. 15 ff.; EuGH, verb. Rs. C-188/10 und C- 189/10 (Melki und Abdeli), Rn. 41 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 6 ständigkeit gem. Art. 19 Abs. 1 EUV die abschließende Entscheidung über die Auslegung der Verträge und über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten Handlungen von Stellen der Union zu ermöglichen.12 Vor diesem Hintergrund und ungeachtet einer potenziell unmittelbaren Wirkung13 der RL 2014/40/EU werden im Folgenden die Maßstäbe untersucht, die sich aus Art. 8 Abs. 3 S. 1 RL 2014/40/EU im Hinblick auf die Tatbestandmerkmale des Verdeckens und des Inverkehrbringens gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 TabakerzVO ergeben. 3.2. Verdeckungsverbot Gemäß Art. 8 Abs. 3 S. 1 RL 2014/40/EU sorgen die Mitgliedstaaten „dafür, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale , Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden.“ Der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 3 S. 1 RL 2014/40/EU ist im Kontext der Ziele der RL 2014/40/EU zu betrachten, die u.a. in ihren Erwägungsgründen 22 bis 28 dargelegt werden . Vor dem Hintergrund der erheblichen Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen im Bereich der Kennzeichnung und Verpackung von Tabakerzeugnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 2014/40 bestanden,14 dienen insbesondere die Bestimmungen in Titel II Kapitel II der Richtlinie der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für „bestimmte Aspekte der Kennzeichnung und Verpackung von Tabakerzeugnissen, unter anderem die gesundheitsbezogenen Warnhinweise, die auf den Packungen und den Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen erscheinen müssen“ (Art. 1 lit. b RL 2014/40/EU), ohne hierdurch eine abschließende Harmonisierung bezüglich der Herstellung, der Aufmachung und des Verkaufs von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen zu bewirken. Durch die Harmonisierung bestimmter Aspekte der Kennzeichnung und Verpackung von Tabakerzeugnissen soll, ausgehend von einem hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, insbesondere das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse erleichtert werden (Art. 1 RL 2014/40/EU). Zudem sollen mit der Harmonisierung u.a. der gesundheitsbezogenen Warnhinweise die für die Union und ihre Mitgliedstaaten bindenden Regelungen des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control, im Folgenden: FCTC)15 umgesetzt werden.16 12 Vgl. BVerfGE 52, 187 (200); 73, 339 (368); 75, 223 (234); BVerfG, Urteil vom 21. Juni 2016, 2 BvR 2728/13, Rn. 157 ff. 13 Vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union (Stand: August 2012), Art. 288 AEUV Rn. 137 ff. 14 Vgl. SWD(2012) 452 final, Teil 1, S. 30 ff. 15 ABl. L 213 vom 15.6.2004, S. 8; Genehmigung der Unterzeichnung mit den Beschlüssen 2013/744/EU und 2013/745/EU des Rates (ABl. L 333 vom 12.12.2013, S. 73 und 75). 16 Erwägungsgrund 7 RL 2014/40/EU. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 7 3.2.1. Auslegung des Verdeckungsbegriffs Vor dem Hintergrund dieser Regelungszwecke der Kennzeichnung und Verpackung von Tabakerzeugnissen sowie mit Blick auf seine systematische Stellung in Kapitel II (Kennzeichnung und Verpackung) der RL 2014/40/EU lässt sich der Begriff des Verdeckens dahingehend verstehen, dass er sich in dem Sinne unmittelbar auf die Verpackung bzw. Warnhinweise auf Verpackungen bezieht, dass von dem Begriff nur solche Verdeckungen erfasst werden, die mit den Packungen unmittelbar verbunden sind und von der Packung entfernt werden müssten, damit die Warnhinweise sichtbar werden.17 Gegen dieses unmittelbar auf die Verpackung bezogene Verständnis spricht zunächst der Wortlaut von Art. 8 Abs. 3 S. 1 RL 2014/40/EU. Die Norm bezieht sich nur im Hinblick auf die Gestaltung und Anbringung der gesundheitsbezogenen Warnhinweise (Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 RL 2014/40/EU) unmittelbar auf die Packung. Der Verdeckungsbegriff bezieht sich hingegen auf die in Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 RL 2014/40/EU genannten Gegenstände, d.h. auf eine Verdeckung u.a. durch „Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände“. Diese sind nicht unmittelbare Teile der Packung und als solche mit der Aufmachung und Gestaltung verbunden, sondern ergänzen die Packung als eigenständige Elemente und in verdeckender Weise. Dem entspricht in systematischer Hinsicht, dass die in Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 RL 2014/40/EU genannten, unmittelbar auf die Packungsgestaltung bezogenen Aspekte (unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar) insbesondere durch den auf Art. 10 Abs. 4, 27 RL 2014/40/EU gestützten Durchführungsbeschluss (EU) 2015/184218 weiter konkretisiert werden. Nicht erfasst werden hingegen die in Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 RL 2014/40/EU genannten Gegenstände, was ihrer Eigenständigkeit gegenüber den Packungen entspricht. Dass die in Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 RL 2014/40/EU genannten Gegenstände, auf die sich der Verdeckungsbegriff bezieht, von der Packung zu unterscheiden sind, verdeutlicht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Art. 8 Abs. 3 RL 2014/40/EU geht zurück auf Art. 7 Nr. 4 des Vorschlags KOM(2012) 788 endg. der Kommission, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen, „dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf der Hauptfläche der Packung und der Außenverpackung vollständig sichtbar sind, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, und auch nicht durch Umhüllungen, Beutel, Taschen, Dosen, Kisten, Schachteln oder Sonstiges ganz oder teilweise verdeckt oder getrennt werden.“ Im Gesetzgebungsverfahren wurde das Verdeckungsverbot u.a. auf „Steuermarken, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Beutel, Taschen , Schachteln oder sonstige Umhüllungen“19 bezogen. Während der Begriff der „sonstigen Umhüllung“ eine besondere Nähe der Verdeckung zur Packung nahe legt, ist der nunmehr in Art. 8 Abs. 3 RL 2014/40/EU vorgesehene Begriff der „sonstigen Gegenstände“ weiter gefasst und 17 Vgl. dementsprechend Gutachten, S. 6 f. 18 Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1842 der Kommission vom 9. Oktober 2015 über die technischen Spezifikationen für das Layout, die Gestaltung und die Form der kombinierten gesundheitsbezogenen Warnhinweise für Rauchtabakerzeugnisse, ABl. L 267 vom 14.10.2015, S. 5, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015D1842&qid=1490361639415&from=DE. 19 Rat, Allgemeine Ausrichtung im Verfahren 2012/0366 (COD), Rats-Dok. 11483/13, S. 33. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 8 lässt darauf schließen, dass hierdurch auch Verdeckungen erfasst werden, die außerhalb der Packung liegen bzw. von der Packung unabhängig sind. Für ein weites Verständnis spricht schließlich auch der oben genannte Zweck der RL 2014/40/EU, durch eine Harmonisierung der Bestimmungen betreffend die Kennzeichnung und Verpackung nicht nur das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes für Tabakerzeugnisse zu erleichtern, sondern zugleich einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit zu ermöglichen . Demnach dient die Ausgestaltung der gesundheitsbezogenen Warnhinweise dem Zweck, in verhältnismäßiger20 und wirksamer Weise über Gesundheitsrisiken zu informieren, um dadurch das Ziel eines hohen Gesundheitsschutzniveaus zu verwirklichen. Dementsprechend dient der Begriff des Verdeckens der Gewährleistung von Integrität und Sichtbarkeit der gesundheitsbezogenen Warnhinweise.21 Diese Zweckbestimmung entspricht der völkervertraglichen Verpflichtung gem. Art. 11 Abs. 1 lit. b FCTC,22 in deren Licht das Sekundärrecht auszulegen ist.23 Vor diesem Hintergrund erscheint ein enges, unmittelbar auf die Packung bezogenes Verständnis des Verdeckungsbegriffs nicht geeignet, insbesondere das Ziel der Sichtbarkeit der gesundheitsbezogenen Warnhinweise zu erreichen, da dieses auch durch außerhalb der Packung liegende Faktoren beeinträchtigt werden kann. Vielmehr erscheint ein weites Verständnis, das auch außerhalb der Packung liegende Gegenstände erfasst, geeignet und erforderlich, um die effektive Verwirklichung der Zwecke der RL 2014/40/EU zu gewährleisten. 3.2.2. Vereinbarkeit einer weiten Auslegung mit Art. 114 AEUV Die weite Auslegung des Verdeckungsbegriffs in Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 RL 2014/40/EU muss mit den zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen vereinbar sein.24 3.2.2.1. Anwendungsbereich des Art. 114 AEUV Die Regelungen der Richtlinie 2014/40/EU stützen sich auf Art. 53 Abs. 1, 62 und 114 AEUV. Auf Grundlage und in den Grenzen von Art. 114 AEUV kann der Unionsgesetzgeber Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen, die tatsächlich das Ziel verfolgen, die Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern.25 Die Inanspruchnahme von Art. 114 AEUV setzt Unterschiede zwischen 20 Vgl. EuGH, Rs. C-547/14 (Philip Morris u.a.), Rn. 137 ff. 21 Vgl. Erwägungsgrund 23 KOM(2012) 788 endg. sowie dementsprechend Erwägungsgrund 28 Richtlinie 2014/40/EU. 22 „[…] auf jeder Packung und Verpackung von Tabakerzeugnissen und auf jeder Außenverpackung und Etikettierung dieser Erzeugnisse außerdem gesundheitsrelevante Warnhinweise angebracht sind, die auf die schädlichen Auswirkungen des Tabakgebrauchs hinweisen und auch andere geeignete Aussagen umfassen können. Diese Warnhinweise und Aussagen […] müssen groß und deutlich sicht- und lesbar sein“. 23 Vgl. EuGH, Rs. C-5/11 (Donner), Rn. 23 f. 24 Vgl. EuGH, Rs. C-547/14 (Philip Morris u.a.), Rn. 70. 25 Vgl. EuGH, Rs. C-58/08 (Vodafone), Rn. 32; EuGH, Rs. C-217/04 (Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat), Rn. 42; EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Rn. 60. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 9 den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten voraus, die geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes auszuwirken oder zu erheblichen spürbaren Wettbewerbsverzerrungen zu führen.26 Als Beeinträchtigung der vorliegend insbesondere in Betracht kommenden Warenverkehrsfreiheit werden grundsätzlich alle nationalen Maßnahmen verstanden, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.27 Eine solche marktzugangsbeschränkende Wirkung besteht regelmäßig bei produktbezogenen Regelungen . Dementsprechend kann der Unionsgesetzgeber auf Grundlage von Art. 114 AEUV Anforderungen an Produkte oder deren Aufmachung regeln, um ihre unionsweite Verkehrsfähigkeit zu gewährleisten.28 3.2.2.2. Begriff der Verkaufsmodalität Demgegenüber können sogenannte Verkaufsmodalitäten grundsätzlich nicht Gegenstand einer Harmonisierung nach Art. 114 AEUV sein. Der Begriff der Verkaufsmodalität, der auch im 48. Erwägungsgrund der RL 2014/40/EU aufgegriffen wird,29 beruht auf der Rechtsprechung des EuGH zur Qualifizierung einer Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung (Art. 34 AEUV) bzw. zu der Frage der Eignung einer mitgliedstaatlichen Maßnahme, den innerstaatlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.30 Diesbezüglich hat der EuGH festgestellt, dass Regelungen von bestimmten Verkaufsmodalitäten, die allgemein für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und die den Absatz inländischer Erzeugnisse und von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren, nicht in den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit fallen.31 In der Rechtsprechung des EuGH wurde nie klar definiert, was unter einer „bestimmten Verkaufsmodalität “ zu verstehen ist.32 Eine Annäherung an den Begriff kann sich insbesondere aus 26 EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 84, 106 f.; EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 37; EuGH, Rs. C-547/14 (Philip Morris u.a.), Rn. 58 ff. 27 EuGH, Rs. 8/74 (Dassonville), Rn. 5; vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht , 7. Auflage 2015, Art. 34 AEUV Rn. 39 ff. 28 Nettesheim, EuZW 2016, 578 (579). 29 Entschließung des EP vom 26. Februar 2014 zum Richtlinienvorschlag KOM(2012) 788 endg., P7_TA- PROV(2014)0160, vgl. Rats-Dok. 6838/14. 30 EuGH, Rs. 8/74 (Dassonville), Rn. 5; EuGH, Rs. C-112/00 (Schmidberger), Rn. 56; vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34 AEUV Rn. 237 ff. 31 EuGH, Rs. C-267/91 (Keck und Mithouard), Rn. 16. 32 Zur Schwierigkeit einer Abgrenzung von produktbezogenen Regelungen und Verkaufsmodalitäten vgl. Generalanwalt Maduro, Schlussanträge zu EuGH, verb. Rs. C-158/04 und C-159/04 (Alfa Vita), Rn. 24 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 10 einer negativen Abgrenzung zum Begriff der Produktbezogenheit ergeben.33 Eine solche produktbezogene Regelung liegt insbesondere bei nationalen Vorschriften betreffend die Bezeichnung, Form, Abmessungen, Zusammensetzung, Aufmachung, Etikettierung und Verpackung vor, denen die Waren entsprechen müssen.34 In Abgrenzung zu produktbezogenen Regelungen handelt es sich bei „bestimmten Verkaufsmodalitäten“ um Maßnahmen, deren Anwendung mit Blick auf die Erfordernisse des freien Warenverkehrs (Art. 34 AEUV) nicht geeignet ist, den Marktzugang für die betreffenden Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als dies für inländische Erzeugnisse der Fall ist.35 Vor dem Hintergrund des zentralen Kriteriums des Marktzugangs bezieht sich der Begriff der Verkaufsmodalität in Abgrenzung zu produktbezogenen Regelungen insbesondere auf solche Regelungen, die unterschiedslos für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gelten und lediglich die Absatzbedingungen sowohl inländischer als auch ausländischer Erzeuger und Händler in einem Mitgliedstaat beeinflussen, ohne auf die Waren an sich bzw. den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten Einfluss zu nehmen.36 Dementsprechend kann eine Verkaufsmodalität bspw. dann vorliegen, wenn die nationale Regelung nicht auf die Merkmale eines Erzeugnisses abstellt und lediglich die zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen betrifft, unter denen Waren an die Verbraucher verkauft werden können.37 3.2.2.3. Folgerungen für den Begriff des Verdeckens Vor diesem Hintergrund sowie mit Blick auf die aus hiesiger Sicht zutreffende weite Auslegung38 bezieht sich das Verdeckungsverbot gemäß Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 RL 2014/40/EU nicht unmittelbar auf die Packung des Tabakprodukts und stellt somit auf den ersten Blick keine Regelung dar, die sich auf die Merkmale eines Erzeugnisses wie bspw. deren Zusammensetzung, Etikettierung oder Verpackung bezieht.39 Zudem ist das Verdeckungsverbot unterschiedslos sowohl auf 33 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34 AEUV Rn. 253. 34 EuGH, Rs. C-267/91 (Keck und Mithouard), Rn. 15. 35 EuGH, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Rn. 37; EuGH, Rs. 212/09 (Kommission/Portugal), Rn. 63 ff.; vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34 AEUV Rn. 244. 36 EuGH, Rs. C-267/91 (Keck und Mithouard), Rn. 16; EuGH, Rs. C-470/93 (Mars), Rn. 12 f.; EuGH, Rs. C-309/02 (Radeberger), Rn. 72 f.; für ein weiteres, auch auf bestimmte Verkaufsmodalitäten bezogenes Verständnis marktzugangsbeschränkender Regelungen vgl. EuGH, Rs. C-108/09 (Ker-Optika), Rn. 51 sowie im Überblick Müller- Graff, in: von der Groeben /Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34 AEUV Rn. 250, 254. 37 EuGH, verb. Rs. C-401/92 und C-402/92 (Tankstation ´t Heukske u.a.), Rn. 14; EuGH, Rs. C-531/07 (LIBRO), Rn. 20. 38 Siehe oben 3.2.1. 39 EuGH, Rs. C-267/91 (Keck und Mithouard), Rn. 15. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 11 Gebietsansässige als auch auf Gebietsfremde anwendbar und für sich genommen keine Bestimmung , die im Sinne von Art. 114 Abs. 1 S. 2 AEUV unmittelbar die Verbesserung der Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarktes zum Ziel hat. Jedoch dient das das Verdeckungsverbot unmittelbar dem Ziel der RL 2014/40/EU, die Sichtbarkeit der kombinierten gesundheitsbezogenen Warnhinweise zu gewährleisten, die ihrerseits ein zentrales Element der sekundärrechtlich harmonisierten Kennzeichnung und Verpackung von Tabakprodukten und deren Marktzugangsfähigkeit darstellen. Mit Blick auf die Systematik der Richtlinie 2014/40/EU steht das Verdeckungsverbot gem. Art 8 Abs. 3 Richtlinie 2014/40/EU somit im unmittelbaren Zusammenhang zur Kennzeichnung und Verpackung von Tabakprodukten und dient der effektiven Gewährleistung einer unmittelbar packungs- und somit produktbezogenen Regelung.40 Indem es sich unmittelbar auf die Packung und die darauf befindlichen Warnhinweise bezieht, ist es abzugrenzen von Regelungen betreffend die Anforderungen an die Verkaufsstellen , dortigen Produktpräsentationen41 sowie Tabakwerbung.42 Folglich stellt sich das Verdeckungsverbot als eine produktbezogene Regelung dar, die auf Art. 114 AEUV gestützt werden konnte. Ein auf der Grundlage von Art. 114 AEUV erlassener Rechtsakt kann auch Bestimmungen umfassen, die für sich genommen keinen Beitrag zur Beseitigung von Hemmnissen der Grundfreiheiten leisten, aber die Umgehung von Bestimmungen verhindern sollen, die mit einem solchen Ziel für den Binnenmarkt erlassen worden sind.43 Entsprechend dem erforderlichen Binnenmarktbezug einer auf Art. 114 AEUV gestützten Regelung muss die fragliche Maßnahme einen akzessorischen bzw. begleitenden Charakter zur eigentlichen Rechtsangleichungsmaßnahme besitzen.44 Dem entspricht das Verständnis des Verdeckungsverbots in Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 RL 2014/40/EU als einer Regelung, die die vollständige Sichtbarkeit und damit verbundene Wirksamkeit der kombinierten gesundheitsbezogenen Warnhinweise auch gegenüber Umgehungsversuchen gewährleisten soll. Mit dieser Zielsetzung ist das Verdeckungsverbot akzessorisch mit den Rechtsangleichungsmaßnahmen, d.h. den harmonisierten Vorschriften betreffend bestimmte Aspekte der Aufmachung und Kennzeichnung von Packungen bzw. Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen,45 verbunden. 40 Vgl. Erwägungsgrund 25 und 28 Richtlinie 2014/40/EU sowie EuGH, Rs. C-547/14 (Philip Morris u.a.), Rn. 192 ff. 41 Vgl. SWD(2012) 452 final, Part 1, S. 50; SWD(2012) 452 final, Part 4, S. 7 f.. 42 Vgl. Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen , ABl. L 152 vom 20.6.2003, S. 16 sowie EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 76 ff.; EuGH, Rs. C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 36 ff. 43 EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Rn. 100; EuGH, Rs. C-491/91 (British American Tobacco), Rn. 82 ff. 44 Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Juli 2016, Art. 114 AEUV Rn. 101. 45 EuGH, Rs. C-547/14 (Philip Morris u.a.), Rn. 72 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 12 3.2.3. Zusammenfassung Zusammenfassend sprechen somit die besseren Gründe für eine Auslegung, wonach der Verdeckungsbegriff in Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 RL 2014/40/EU sowohl mit der Packung verbundene als auch außerhalb der Packung liegende Verdeckungen erfasst. Eine Regelung mit einem dementsprechenden Verständnis kann auf Art. 114 AEUV gestützt werden. Im Sinne einer effektiven Richtlinienumsetzung bzw. einer richtlinienkonformen Auslegung wäre dementsprechend auch der Begriff des Verdeckens in § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 TabakerzVO gemäß diesem weiten Verständnis auszulegen bzw. anzuwenden. Vor diesem Hintergrund fallen auch Vorsteckkarten in den Anwendungsbereich des Verdeckungsverbots gem. Art. 8 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 RL 2014/40/EU bzw. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 Tabakerz VO. Die Verdeckung durch Vorsteckkarten erfolgt gegenständlich getrennt von der Packung und haftet dieser nicht unmittelbar an. Jedoch dienen Vorsteckkarten nicht einer vom Produktvertrieb verschiedenen wirtschaftlichen Tätigkeit wie bspw. der Bewerbung des Tabakerzeugnisses , sondern beziehen sich – entsprechend den eingangs erwähnten Aussagen des Interessenverbandes – unmittelbar auf das Inverkehrbringen eines Tabakerzeugnisses im Verkaufsraum. Dies spricht dafür, für die Präsentation der Waren im Verkaufsraum und die Verwendung von Vorsteckkarten einen einheitlichen, produktbezogenen Vorgang anzunehmen. 3.3. Begriff des Inverkehrbringen Das Verdeckungsverbot in Art. 8 Abs. 3 S. 1 RL 2014/40/EU bezieht sich situativ auf das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen. Der Begriff „in Verkehr bringen“ wird in Art. 2 Nr. 40 RL 2014/40/EU legaldefiniert als „die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten — unabhängig vom Ort ihrer Herstellung – für Verbraucher, die sich in der Union befinden, auch mittels Fernabsatz; m Fall von grenzüberschreitendem Fernabsatz gilt das Produkt als in dem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht, in dem sich der Verbraucher befindet“. 3.3.1. Auslegung des Begriffs „in Verkehr bringen“ Vor diesem Hintergrund wird vertreten, dass die Verpackung ein spezieller Aspekt des Inverkehrbringens ist und sich der Anwendungsbereich der RL 2014/40/EU hierauf, d.h. auf die Gestaltung und Aufmachung von Tabakprodukten im Zeitpunkt des Inverkehrbringens beschränkt. Als unmittelbar produktbezogen verstandenes Kriterium sowie mit Blick auf den Erwägungsgrund 48 der RL 2014/40/EU träfe der Begriff des Inverkehrbringens keine Regelungen im Hinblick auf die Festlegung von Verkaufsmodalitäten, bspw. die Präsentation von Tabakerzeugnissen in Verkaufsstellen.46 Differenzierend zwischen der Präsentation einer Ware und deren Abgabe an den Verbraucher wäre demnach nicht die verdeckungsfreie Sichtbarkeit der Warnhinweise bei der Präsentation des Produkts, sondern bei seiner Abgabe an den Verbraucher entscheidend. Gegen die vorstehende Auslegung spricht zunächst der Wortlaut von Art. 2 Nr. 40 RL 2014/40/EU. Indem er situativ auf die Bereitstellung von Produkten für Verbraucher abstellt, ist er zwar enger gefasst als bspw. die Bereitstellung eines bestimmten Produkts zum Zweck des 46 Vgl. dementsprechend Gutachten, S. 8 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 15/17 Seite 13 Vertriebs und/oder der Verwendung dieses Produkts.47 Der Wortlaut von Art. 2 Nr. 40 RL 2014/40/EU differenziert jedoch nicht zwischen dem eigentlichen Verkauf der Ware und deren Übergabe an den Verbraucher einerseits und vorgelagerten Handlungen andererseits. Vielmehr knüpft der Begriff des Bereitstellens seinem natürlichen Wortsinn nach an das (ggf. sichtbare ) Vorhalten und Anbieten von Tabakprodukten in Verkaufsstellen an, durch das die Ware Gegenstand eines Verkaufs an einen Verbraucher oder eines an einen Verbraucher gerichteten Verkaufsangebots oder einer Werbung sein kann.48 Diese Auslegung entspricht den Zielen der Richtlinie, durch sichtbare und dadurch wirksame Warnhinweise auf Verbraucherentscheidungen einzuwirken.49 Die Wirkung dieses Ziels würde verringert, wenn die Sichtbarkeit für den Verbraucher erst nach seiner Kaufentscheidung bei einer Aushändigung der Ware gegeben wäre. 3.3.2. Folgerungen Vor diesem Hintergrund sprechen aus hiesiger Sicht die überwiegenden Argumente dafür, dass der Begriff des Inverkehrbringens in Art. 8 Abs. 3 S. 1 RL 2014/40/EU sowie seine Definition in Art. 2 Nr. 40 RL 2014/40/EU nicht dahingehend zu verstehen ist, dass damit erst die Abgabe an den Verbraucher durch den Einzelhandel gemeint ist. Dementsprechend bezieht sich das Verdeckungsverbot „zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens“ (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1 TabakerzVO) auf das Vorhalten von Tabakprodukten in Verkaufsstellen einschließlich des Anbietens zum Verkauf und ist situativ nicht auf den eigentlichen Verkaufsvorgang beschränkt. - Fachbereich Europa - 47 Vgl. bspw. die dementsprechende Definition in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2007/23. 48 Vgl. dementsprechend Art. 3 VO (EG) 178/2002 („[…] das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig , ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst“) sowie EuGH, Rs. C-98/13 (Blomqvist), Rn. 32. 49 Vgl. Erwägungsgründe 22 bis 28 RL 2014/40/EU.