© 2017 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 14/17 Sanktionsmöglichkeiten aufgrund von Abschalteinrichtungen Vorgaben des Unionsrechts Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 2 Sanktionsmöglichkeiten aufgrund von Abschalteinrichtungen Vorgaben des Unionsrechts Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 14/17 Abschluss der Arbeit: 13.3.2017 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Vorgaben des Unionsrechts und ihre Umsetzung im deutschen Recht 4 2.1. Vorgaben des Unionsrechts zur Genehmigung von Kfz 4 2.2. Vorgaben des Unionsrechts zur Sanktionierung 4 2.3. Regelungen im deutschen Recht zur Sanktionierung 5 2.3.1. Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG 5 2.3.2. Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 7 2.3.2.1. Rechtsauffassung der Bundesregierung 8 2.3.2.2. Rechtsauffassung der Sachverständigen 8 2.3.2.3. Rechtsauffassung der Kommission 9 3. Anwendbarkeit der EG-FGV in Bezug auf Abschalteinrichtungen 10 3.1. Objektiver Tatbestand 10 3.1.1. Ungültige Übereinstimmungsbescheinigung 10 3.1.1.1. Ausgangsüberlegung 10 3.1.1.2. Stützen dieser Ansätze im Unionsrecht 12 3.1.1.3. Auslegung am Maßstab des deutschen Rechts 13 3.1.1.3.1. Begriff der Gültigkeit in anderen Normen 14 3.1.1.3.2. Systematik 15 3.1.1.3.3. Ziel und Zweck der Norm 15 3.1.1.3.4. Zwischenergebnis 16 3.1.1.4. Unionsrechtskonforme Auslegung 16 3.1.1.4.1. Wortlaut und Systematik des Unionsrechts 16 3.1.1.4.2. Zweck des Unionsrechts 18 3.1.1.4.3. Grenzen des Wortlauts der nationalen Norm 20 3.1.1.5. Abwägung 21 3.1.2. Verkauf, veräußern, in den Verkehr bringen 21 3.2. Subjektiver Tatbestand 21 3.3. Unternehmen als Täter 22 3.3.1. Haftung nach § 37 EG-FGV i.V.m. § 30 OWiG 23 3.3.2. Haftung nach §§ 30, 130 OWiG 24 3.3.3. Haftungsumfang 25 4. Fazit 26 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Die nachfolgende Ausarbeitung befasst sich mit den Möglichkeiten zur Sanktionierung von Automobilherstellern für den Einbau von Abschalteinrichtungen in Kraftfahrzeugen (Kfz). Dafür werden zunächst die Vorgaben des Unionsrechts zur Genehmigung von Kfz hinsichtlich der Abgasemissionen sowie den dazugehörigen Sanktionsmechanismen und die Umsetzung dieser Vorgaben in das deutsche Recht dargestellt (2.). Dabei wird der aktuelle Diskussionsstand wiedergegeben. Eine eigene Bewertung durch den Fachbereich erfolgt im anschließenden Teil der Ausarbeitung. In diesem wird untersucht, ob aus den Normen des deutschen Rechts, insbesondere der EG-FGV, eine Sanktionsmöglichkeit für Kfz-Hersteller folgt, die Abschalteinrichtungen in die von ihnen produzierten Kfz eingebaut haben (3.). 2. Vorgaben des Unionsrechts und ihre Umsetzung im deutschen Recht 2.1. Vorgaben des Unionsrechts zur Genehmigung von Kfz Wenn ein bestimmter Kfz-Typ allen Vorgaben der sog. Rahmenrichtlinie 2007/46/EG1 und den Vorgaben der in ihrem Anhang aufgeführten Rechtsakte entspricht, erteilen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG dem Hersteller die sog. EG-Typgenehmigung. Damit ist es dem Hersteller erlaubt, Fahrzeuge des entsprechenden Fahrzeugtyps herzustellen. Der Hersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge legt gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG jedem Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine sog. Übereinstimmungsbescheinigung bei. Diese Bescheinigung bestätigt, dass das fragliche Kfz mit dem genehmigten Fahrzeugtyp und folglich mit den Vorgaben des Unionsrechts übereinstimmt. Gemäß Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG gestatten die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen nur dann, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. 2.2. Vorgaben des Unionsrechts zur Sanktionierung Gemäß Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG legen die Mitgliedstaaten die Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen die Richtlinie (insbesondere gegen die in Art. 31 vorgesehenen oder sich daraus ergebenden Verbote und die in Anhang IV Teil I der Richtlinie aufgeführten Rechtsakte) anzuwenden sind, und ergreifen alle für ihre Durchführung erforderlichen Maßnahmen. Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG ordnet an, dass die Mitgliedstaaten den Verkauf, das Anbieten zum Verkauf oder die Inbetriebnahme von Teilen oder Ausrüstungen, von denen ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren von Systemen ausgehen kann, die für die Sicherheit des Fahrzeugs oder für seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung sind, nur dann erlauben, 1 Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, ABl. 2007, L 263/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02007L0046- 20160701&from=EN. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 5 wenn für diese Teile oder Ausrüstungen von einer Genehmigungsbehörde eine Autorisierung erteilt wurde. Anhang IV Teil I der Richtlinie 2007/46/EG verweist u. a. auf die Verordnung (EG) Nr. 715/20072. Diese Verordnung enthält Vorgaben über die Typgenehmigung von Kfz hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 enthält eine mit Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG vergleichbare Regelung. Nach Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 legen die Mitgliedstaaten für Verstöße von Herstellern gegen die Vorschriften der Verordnung Sanktionen fest und treffen die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Zu den Verstößen, die einer Sanktion unterliegen, gehört nach Art. 13 Abs. 2 lit. d der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Verwendung von gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verbotenen Abschalteinrichtungen. 2.3. Regelungen im deutschen Recht zur Sanktionierung 2.3.1. Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG Zwischen der Kommission und Deutschland ist bzw. war streitig, ob Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG von der Bundesrepublik durch den Erlass der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung 3 (im Folgenden: EG-FGV), insbesondere deren § 37, effektiv umgesetzt worden ist bzw. ob die erforderlichen Maßnahmen zu seiner Durchsetzung ergriffen worden sind. Gemäß § 37 Abs. 1 EG-FGV handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 2 oder 4, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, 5 oder § 28 Abs. 2 Satz 2 EG-FGV ein Fahrzeug, eine selbstständige technische Einheit, ein Bauteil, ein Teil oder eine Ausrüstung feilbietet, veräußert oder in den Verkehr bringt. Gemäß § 37 Abs. 2 EG-FGV handelt ordnungswidrig im Sinne des § 23 Abs. 2 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Handlung nach § 37 Abs. 1 EG-FGV begeht, indem er ein Fahrzeug, eine selbstständige technische Einheit, ein Bauteil, ein Teil oder eine Ausrüstung gewerbsmäßig feilbietet. § 27 EG-FGV enthält Vorgaben zur Zulassung und Veräußerung von Kfz, § 28 EG-FGV enthält Bestimmungen zur Informationspflicht des Herstellers. Nach § 27 Abs. 1 EG-FGV dürfen neue Fahrzeuge zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. 2007, L 171/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02007R0715-20121231&from=EN. 3 Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge, vom 3.2.2011 (BGBl. I S. 126), die zuletzt durch Art. 4 der Verordnung vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2232) geändert worden ist. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 6 oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Ein Verstoß gegen diese Pflicht erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 37 Abs. 1 EG-FGV.4 Ausweislich der Gesetzesbegründung der EG-FGV werden in § 37 EG-FGV „die Tatbestände festgelegt , die als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden können. Damit wird Artikel 46 der Richtlinie 2007/46/EG umgesetzt […].“5 Eine strafrechtliche Sanktionierung ist im deutschen Recht jedoch nur in Bezug auf natürliche Personen möglich, nicht im Hinblick auf Unternehmen.10 Bei juristischen Personen und Personenvereinigungen scheitert die strafrechtliche Verantwortung an ihrer mangelnden Handlungsfähigkeit und dem Schuldprinzip.11 Sie können jedoch nach §§ 130, 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ein Bußgeld auferlegt bekommen, wenn eine solche 4 Zunner, Genehmigung von Fahrzeugen nach Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG in nationales Recht, SVR 2009, S. 441 (445). 5 Entwurf der Verordnung zur Neuordnung des Rechts der Erteilung von EG-Genehmigungen für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge, 20.2.2009, BR-Drucksache 190/09, S. 57. 10 Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, § 14, Rn. 129. 11 Isfen, Mehr Schein als Sein – die VW-Abgasaffäre aus strafrechtlicher Sicht, JA 2016, S. 1 (6). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 7 Straftat von ihren Leitungspersonen verwirklicht oder durch mangelnde Aufsicht nicht unterbunden worden ist.12 Zwei der vier Sachverständigen, die im Rahmen des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages um Rechtsgutachten zum Beweisbeschluss SV- 4 („Wann und auf welche Weise wurden die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008 und der Richtlinie 2007/46/EG, insbesondere Vorgaben zur Abschalteinrichtung (inklusive festzusetzender Sanktionen), in Deutschland umgesetzt und entspricht die Umsetzung den Vorgaben der genannten Regelungen?“)13 ersucht worden sind, kommen zu dem Ergebnis, dass Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG ordnungsgemäß in das deutsche Recht umgesetzt worden ist.14 Die anderen zwei Sachverständigen sind hingegen der Ansicht, dass die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Normierung und Durchsetzung von wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen bei Verstößen gegen die Richtlinie 2007/46/EG bzw. die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bisher nicht (ausreichend) umgesetzt worden sind.15 Die diesbezügliche Entscheidung des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren bleibt abzuwarten. 2.3.2. Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Fraglich ist, ob im deutschen Recht, insbesondere mit § 37 EG-FGV, auch die Vorgaben von Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 umgesetzt worden sind. Zwar gilt eine Verordnung gemäß Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 gibt jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten für Verstöße von Herstellern gegen die Vorschriften der Verordnung Sanktionen festlegen und die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen treffen müssen. Diese Regelung kann nicht unmittelbar als Sanktionsnorm angewandt werden, sie bedarf aufgrund ihres Inhalts einer Umsetzung.16 12 Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG Kommentar, 4. Aufl. 2016, § 130, Rn. 1-3. 13 Verkürzte Wiedergabe des Beweisbeschlusses mit Beschränkung auf den Fragebereich der für die vorliegende Ausarbeitung von Interesse ist. 14 Brenner, Rechtsgutachten zur Umsetzung der Verordnung 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008 und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) im deutschen Recht, 28.10.2016, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/481326/37b80450b6b86699527d9e690ee62a03/stellungnahme-prof--dr--brenner--sv-4--data.pdf und Neumann, Rechtsgutachten zum Beweisbeschluss SV- 4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/481324/f5b0951619abc129681080cab233cf5d/stellungnahme-dr--neumann--sv-4--data.pdf. 15 Klinger, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/481328/582edca3c468da80a64db2ff3745e859/stellungnahme-prof--dr--klinger--sv-4--data.pdf und Führ, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag - 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode , abrufbar unter https://www.bundestag.de/blob/481344/c6f582c8598c9d6b62fcfb2acd012462/stellungnahme -prof--dr--fuehr--sv-4--data.pdf. 16 So auch: Klinger, Rechtsgutachten, S. 20. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 8 2.3.2.1. Rechtsauffassung der Bundesregierung In seiner Antwort auf die Frage des Abgeordneten Kühn, wo die Sanktionen nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 im deutschen Recht verankert sind, hat der Parlamentarische Staatssekretär Barthle ausgeführt, dass sich Möglichkeiten der staatlichen Reaktion auf Verstöße aus der EG-FGV ergeben würden und verwies dabei auf die §§ 7, 25, 27 und 37 EG-FGV.17 § 7 EG- FGV regelt das Erlöschen der sog. EG-Typgenehmigung. § 25 EG-FGV enthält Vorgaben zu Widerruf und Rücknahme der EG-Typgenehmigung, § 27 EG-FGV zur Zulassung und Veräußerung von Kfz. Nur § 37 EG-FGV normiert Sanktionsregelungen im engeren Sinne. 2.3.2.2. Rechtsauffassung der Sachverständigen Die Aussage des Staatssekretärs wird – soweit ersichtlich – nur von einem der vier Sachverständigen , die der Untersuchungsausschuss zu dieser Frage gutachterlich beauftragt hat, in seiner Stellungnahme geteilt. Der Sachverständige Brenner führt in seinem Rechtsgutachten aus: „§ 37 Abs. 1 EG-FGV bewehrt Zuwiderhandlungen gegen § 27 Abs. 1 S. 1 EG-FGV. Danach dürfen neue Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG vorgeschrieben ist, nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Die Übereinstimmungsbescheinigung darf vom Hersteller nur ausgestellt werden, wenn eine EG-Typgenehmigung für den Fahrzeugtyp vorliegt (§ 6 EG-FGV); zudem darf die Ausstellung im Umfang und inhaltlich nur in Übereinstimmung mit der für den Fahrzeugtyp ergangenen EG-Typgenehmigung erfolgen . Eine nicht von der EG-Typgenehmigung umfasste Abschalteinrichtung weicht indes von den Angaben ab, die von der Genehmigungsbehörde genehmigt worden sind, so dass in diesem Fall der Bußgeldtatbestand greift.“18 Dieser Ansicht widerspricht der Sachverständige Klinger in seinen Gutachten. In seinem Rechtsgutachten kommt er zu dem Ergebnis: „Die Benutzung unzulässiger Abschalteinrichtungen wird damit [gemeint ist § 37 EG-FGV] nicht sanktioniert. Denn die Norm bestraft nur das Nichtvorhandensein der geforderten Bescheinigungen, nicht deren rechtswidrige Erlangung.“19 In seinem ergänzenden Rechtsgutachten fügt er hinzu: „Ein Bußgeldtatbestand [wegen des Einbaus einer Abschalteinrichtung ] wird auch nicht dadurch verwirklicht, dass eine Übereinstimmungsbescheinigung als sogenannte technische Information im Sinne des § 28 Abs. 1 EG-FGV von den Angaben abweicht, die von der Genehmigungsbehörde genehmigt worden sind. Denn soweit hier bekannt, machen die Antragsteller weder in ihren technischen Informationen noch in einer Übereinstimmungsbescheinigung Angaben zur Verwendung einer Abschaltvorrichtung. Die Übereinstimmungsbescheinigung wird nicht dadurch „ungültig", dass die technischen Voraussetzungen 17 Antwort des Parl. Staatssekretär Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht der 126. Sitzung am 30. September 2015, Plenarprotokoll 18/126, S. 12220. 18 Brenner, Rechtsgutachten, S. 22. 19 Klinger, Rechtsgutachten, S. 12. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 9 durch das Fahrzeug nicht erfüllt werden.“20 Eine andere Sichtweise vertritt Klinger jedoch in einem Aufsatz in der Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR), in dem er ausführt, die Übereinstimmungsbescheinigungen dürften nicht von den Angaben abweichen, die von der Genehmigungsbehörde genehmigt worden sind, wie es bei der Verwendung einer Abschalteinrichtung der Fall wäre, andernfalls sein die Übereinstimmungsbescheinigungen ungültig.21 Auch der Sachverständige Führ verneint in seinem Rechtsgutachten eine Umsetzung des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 im deutschen Recht. Er weist darauf hin, dass § 37 EG-FGV keinen Bußgeldtatbestand enthält, der explizit die Verwendung von Abschalteinrichtungen sanktioniert . Auch generelle Strafbestimmungen des StGB zu Betrug und Urkundenfälschung erfüllen nach seiner Ansicht nicht die europäische Sanktionsverpflichtung, da nach Art. 13 Abs. 2 lit. d der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bereits die bloße Verwendung von Abschalteinrichtungen mit Sanktionen zu belegen ist.22 Der Sachverständige Kolke, der nicht zu dem Beweisbeschluss SV- 4 angehört worden ist, führt in seinem Gutachten für den Untersuchungsausschuss zu einer anderen Rechtsfrage aus, dass der deutsche Gesetzgeber die Vorgabe des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nur unzureichend umgesetzt habe. Nach § 24 StVG i.V.m. §§ 27, 37 EG-FGV könne nur das Feilbieten, Veräußern oder in den Verkehr bringen eines von einem Verstoß betroffenen Kfz geahndet werden. Die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verlange aber eine Sanktion bereits für die Verwendung von Abschalteinrichtungen, unabhängig vom Verkauf. 2.3.2.3. Rechtsauffassung der Kommission Die Rechtsansicht der Kommission ist nicht eindeutig zu bestimmen. Die Kommission hat in einem weiteren Vertragsverletzungsverfahren die fehlenden Durchsetzungsmaßnahmen in Bezug auf den Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 durch die Bundesrepublik Deutschland bemängelt . Ausweislich einer Presseerklärung vom 8.12.2016 hat die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen sieben Mitgliedstaaten mangels Umsetzung bzw. Durchsetzung der Richtlinie 2007/46/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eingeleitet.23 Laut Pressemitteilung wirft die Kommission drei Mitgliedstaaten vor, keine Sanktionssysteme gemäß Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG und Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in ihrem nationalen Recht eingeführt zu haben. Der Bundesrepublik wird, wie drei weiteren Staaten, hingegen vorgeworfen, die nationalen Bestimmungen über Sanktionen nicht angewendet zu haben, obwohl Volkswagen verbotene Abschaltprogramme verwendet habe. Es geht aus der Pressemitteilung nicht eindeutig hervor, ob und, wenn ja, durch welche Normen die Kommission Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 20 Klinger, Ergänzung des Rechtsgutachtens zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/481330/3376d326acaa5c27c2e0b9999d1ca2fc/ergaenzung-zur-stellungnahme-prof--dr--klinger--sv-4- -data.pdf. 21 Klinger, Dieselgate öffentlich-rechtlich – EG-Typgenehmigung, Übereinstimmungsbescheinigung und Konsequenzen für deutsche Pkw-Halter, ZUR 2017, S. 131 (134). 22 Führ, Rechtsgutachten, S. 27. 23 Kommission, Pressemitteilung vom 8.12.2016 – Fahrzeugemissionen: Kommission eröffnet Vertragsverletzungsverfahren gegen sieben Mitgliedstaaten wegen Nichteinhaltung von EU-Vorschriften, abrufbar unter http://europa .eu/rapid/press-release_IP-16-4214_de.htm. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 10 715/2007 im deutschen Recht umgesetzt sieht. Diesbezüglich sind der Text des Mahnschreibens der Kommission und ggf. die Antwort der Bundesregierung von Interesse. Diese sind dem Bundestag von der Bundesregierung jedoch nicht zugeleitet worden, da – so die Bundesregierung – das Vertragsverletzungsverfahren nicht die Umsetzung einer EU-Richtlinie durch den Bund betreffe und § 4 Abs. 6 Nr. 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) in diesem Fall nicht einschlägig sei. 3. Anwendbarkeit der EG-FGV in Bezug auf Abschalteinrichtungen Wie aus den oben stehenden Ausführungen hervorgeht, ist umstritten, ob das Sanktionsgebot für die Verwendung von Abschalteinrichtungen aus Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 im deutschen Recht umgesetzt worden ist. Im Folgenden soll untersucht werden, ob der Einbau einer Abschalteinrichtung durch einen Kfz-Hersteller nach hiesiger Ansicht gemäß § 23 bzw. § 24 StVG i.V.m. §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld sanktioniert werden kann. 3.1. Objektiver Tatbestand Gemäß § 37 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV erfüllt den objektiven Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit , wer neue Fahrzeuge ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung in den Verkehr bringt. 3.1.1. Ungültige Übereinstimmungsbescheinigung Gemäß § 27 Abs. 1 EG-FGV dürfen neue Fahrzeuge nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Die Übereinstimmungsbescheinigung ist nach § 6 Abs. 1 EG-FGV vom Inhaber einer EG- Typgenehmigung für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Kfz auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen. Sie bescheinigt gemäß Art. 3 Nr. 36 der Richtlinie 2007/46/EG, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach der Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht. 3.1.1.1. Ausgangsüberlegung Fraglich ist, ob ein Kfz, das (ebenso wie der genehmigte Fahrzeugtyp) eine verbotene Abschalteinrichtung besitzt, vom Hersteller mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen werden kann oder ob die Übereinstimmungsbescheinigung aufgrund der Abschalteinrichtung ungültig ist. Die erste entscheidende Frage ist dabei, ob der Begriff der „gültigen Übereinstimmungsbescheinigung “ in § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV auf die Rechtskraft der Übereinstimmungsbescheinigung oder ihre inhaltliche Richtigkeit abhebt bzw. ob nur eine inhaltlich richtige, auf eine rechtmäßige Typgenehmigung gestützte Übereinstimmungsbescheinigung gültig sein kann. Wenn die Gültigkeit der Bescheinigung eine Umschreibung ihrer Rechtsgeltung ist und diese unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit der Bescheinigung besteht, genügt es, dass eine Typgenehmigung und Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 11 darauf basierend eine Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und nicht wieder entzogen worden ist.24 Die Übereinstimmungsbescheinigung wäre nach dieser Sichtweise nur ungültig, wenn keine EG-Typgenehmigung besteht oder diese dem Hersteller entzogen worden ist. Wenn hingegen in § 27 Abs. 1 EG-FGV mit dem Begriff der Gültigkeit die inhaltliche Richtigkeit der Bescheinigung oder die Rechtmäßigkeit der Typgenehmigung als Grundlage der Bescheinigung vorausgesetzt wird bzw. die Bescheinigung bei unrichtigem Inhalt oder Rechtswidrigkeit der Typgenehmigung automatisch ihre Rechtsgültigkeit einbüßt und ungültig wird, könnte eine Übereinstimmungsbescheinigung für ein Kfz mit Abschalteinrichtung unwirksam sein.25 Wenn diesem zweiten Modell gefolgt werden sollte, führt das zu der nächsten Frage, wann genau eine Übereinstimmungsbescheinigung ungültig ist. Ein erster Ansatz, der in einem Aufsatz von Harke anklingt, beruht auf der Erwägung, dass ein Kfz mit Abschalteinrichtung den Vorgaben des Unionsrechts, namentlich Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, widerspricht.26 Die Übereinstimmungsbescheinigung bescheinigt gemäß Art. 3 Nr. 36 der Richtlinie 2007/46/EG, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach der Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht. Wenn es dies nicht tut, weil es Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 widerspricht, könnte argumentiert werden, dass die Bescheinigung inhaltlich falsch und deswegen ungültig ist. Ein anderer Ansatz, der in dem Rechtsgutachten des Sachverständigen Brenner angedeutet und von Klinger in seinem Zeitschriftenaufsatz ausführlicher begründet wird, stellt auf die mangelnde Übereinstimmung eines Kfz mit Abschalteinrichtung mit der Typgenehmigung ab.27 Diese mangelnde Übereinstimmung, so ließe sich argumentieren, führt zur Ungültigkeit der Bescheinigung , 24 In diese Richtung argumentieren Klinger, Rechtsgutachten, S. 12 („[…] die Norm bestraft nur das Nichtvorhandensein der geforderten Bescheinigungen, nicht deren rechtswidrige Erlangung.“) und LG Braunschweig, Urt. v. 27.9.2016, Rs. 7 O 585/16, Rn. 36 – abrufbar unter juris („Das Fahrzeug verfügt allerdings nach wie vor über eine gültige Übereinstimmungsbescheinigung/Typgenehmigung. Das Kraftfahrtbundesamt hat die Übereinstimmungsbescheinigung durch Verwaltungsakt erteilt, ohne sie zwischenzeitlich widerrufen zu haben.“). 25 In diese Richtung Brenner, Rechtsgutachten, S. 22 („Die Übereinstimmungsbescheinigung darf vom Hersteller nur ausgestellt werden, wenn eine EG-Typgenehmigung für den Fahrzeugtyp vorliegt (§ 6 EG-FGV); zudem darf die Ausstellung im Umfang und inhaltlich nur in Übereinstimmung mit der für den Fahrzeugtyp ergangenen EG-Typgenehmigung erfolgen. Eine nicht von der EG-Typgenehmigung umfasste Abschalteinrichtung weicht indes von den Angaben ab, die von der Genehmigungsbehörde genehmigt worden sind, so dass in diesem Fall der Bußgeldtatbestand greift.“); Harke, Herstellerhaftung im Abgasskandal, VuR 2017, S. 83 (92) („Indem er [der Hersteller] eine inhaltlich unzutreffende Bescheinigung ausgestellt hat, hat er zum einen gegen das Verbot von Inverkehrgabe und Handel ohne gültige Bescheinigung in § 27 Abs. 1 EG-FGV […] verstoßen.“) und Klinger, Dieselgate öffentlich-rechtlich – EG-Typgenehmigung, Übereinstimmungsbescheinigung und Konsequenzen für deutsche Pkw-Halter, ZUR 2017, S. 131 (133) („Die Frage der Gültigkeit einer Übereinstimmungsbescheinigung ist daher (schlicht) danach zu beurteilen, ob die Übereinstimmungsbescheinigung unter Erfüllung der dafür geltenden Voraussetzungen abgegeben worden ist.“). 26 Harke, Herstellerhaftung im Abgasskandal, VuR 2017, S. 83. 27 Brenner, Rechtsgutachten, S. 18; Klinger, Dieselgate öffentlich-rechtlich – EG-Typgenehmigung, Übereinstimmungsbescheinigung und Konsequenzen für deutsche Pkw-Halter, ZUR 2017, S. 131 (133 f.) Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 12 Auch wenn das Fahrzeug in der Genehmigungsprüfung eine Abschalteinrichtung besaß, ist diese nicht durch die EG-Typgenehmigung genehmigt worden , wenn die Behörde nichts von ihrer Existenz wusste.29 Die zuständige Behörde kann nur einen Fahrzeugtyp ohne Abschalteinrichtung als unionsrechtskonform genehmigen, da Abschalteinrichtungen gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verboten sind. Ein Kfz mit einer (verbotenen) Abschalteinrichtung stimmt also nicht mit dem genehmigten Fahrzeugtyp überein. Stellt der Hersteller einem solchen Kfz eine Übereinstimmungsbescheinigung aus, wäre diese inhaltlich falsch. Eine letzte Möglichkeit bestünde darin, die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung von der Rechtmäßigkeit der EG-Typgenehmigung abhängig zu machen. In diesem Fall wäre zu überlegen , ob die Typgenehmigung rechtswidrig ist, weil die zuständige Behörde mittels einer Abschalteinrichtung getäuscht worden ist und das geprüfte Kfz die Unionsvorgaben nicht erfüllt, die Typgenehmigung also nicht hätte erteilt werden dürfen. Der Sachverständige Führ vertritt in seinem Rechtsgutachten die Ansicht, dass eine solche Typgenehmigung rechtswidrig ist.30 Da die Übereinstimmungsbescheinigung nur auf der Grundlage der Typgenehmigung erteilt wird, könnte sie – sofern diese rechtswidrig ist – als ungültig angesehen werden. Fraglich ist aber, ob die Übereinstimmungsbescheinigung von der Rechtmäßigkeit der Typgenehmigung abhängt oder nicht allein durch deren Existenz bedingt ist. Allein ersteres würde bedeuten, dass eine gültige Übereinstimmungsbescheinigung nur ausgestellt werden kann, wenn eine rechtmäßige Typgenehmigung existiert und andernfalls die Übereinstimmungsbescheinigung ungültig wäre. 3.1.1.2. Stützen dieser Ansätze im Unionsrecht Die Bedeutung des Begriffs der gültigen Übereinstimmungsbescheinigung ist in den einschlägigen Normen des Unionsrechts nicht abschließend geklärt. Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Richtlinie 2007/46/EG und die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Vorschriften enthalten, die einen der oben dargestellten Auslegungsansätze stützen. Gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. b und c der Richtlinie 2007/46/EG verliert eine EG-Typgenehmigung ihre Gültigkeit, wenn die Produktion des genehmigten Fahrzeugs freiwillig endgültig eingestellt wird oder die Gültigkeitsdauer der Genehmigung aufgrund einer besonderen Beschränkung befristet ist. Aus diesen Regelungen lässt sich der Schluss ziehen, dass die Gültigkeit der Typgenehmigung von faktischen Umständen bzw. hoheitlichen Entscheidungen abhängt. Entsprechendes könnte für die Übereinstimmungsbescheinigung gelten, sodass diese Regelungen das Modell 1 stützen, wonach der Begriff der Gültigkeit allein die Rechtsgeltung umschreibt. 29 s. dazu Führ, Rechtsgutachten, S. 22 f. und Klinger, Dieselgate öffentlich-rechtlich – EG-Typgenehmigung, Übereinstimmungsbescheinigung und Konsequenzen für deutsche Pkw-Halter, ZUR 2017, S. 131 (133) 30 Diese Ansicht vertritt Führ, Rechtsgutachten, S. 23 ff (26). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 13 Allerdings bestimmt Art. 17 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2007/46/EG, dass eine EG-Typgenehmigung ihre Gültigkeit verliert, wenn neue Anforderungen eines für das genehmigte Fahrzeug geltenden Rechtsakts für die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme neuer Fahrzeuge verbindlich werden und eine entsprechende Aktualisierung der Genehmigung nicht möglich ist. In dieser Norm wird die Gültigkeit der Typgenehmigung an die Übereinstimmung des Fahrzeugtyps mit den gesetzlichen Vorgaben geknüpft. Wenn der Fahrzeugtyp nicht (mehr) mit dem geltenden Recht übereinstimmt, verliert die Typgenehmigung ihre Gültigkeit. Dies könnte den dritten Auslegungsansatz des zweiten Modells stützen, wonach eine EG-Typgenehmigung für einen Fahrzeugtyp , der nicht den Vorgaben des Unionsrechts entspricht, rechtswidrig ist. Allerdings normiert diese Vorgabe keine Konsequenzen für die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung und stellt auf den speziellen Fall einer sich ändernden Rechtslage ab. Ebenfalls für das zweite Modell spricht die Rn. 1.2. des Anhangs XVII der Richtlinie 2007/46/EG, wonach der Hersteller der nachfolgenden Stufe keine Verantwortung für in einer früheren Stufe bereits genehmigte Genehmigungsgegenstände trägt, außer wenn maßgebliche Teile durch ihn so verändert werden, dass die zuvor erteilte Genehmigung ungültig wird. Diese Formulierung deutet ebenfalls an, dass eine EG-Typgenehmigung ungültig werden kann, wenn ihr Gegenstand nicht (mehr) mit der Rechtslage übereinstimmt. Art. 10 Abs. 3 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 halten in nahezu identischer Formulierung fest: „Mit Wirkung vom […] sehen die nationalen Behörden für neue Fahrzeuge ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigungen für die Zwecke des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie 70/156/EWG als nicht mehr gültig an, wenn diese Fahrzeuge dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen , […], nicht entsprechen […].“ Mit dieser Regelung verknüpft die Verordnung die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung mit der Anforderung der Einhaltung der Verordnungsvorgaben. Das könnte den ersten Auslegungsansatz des zweiten Modells stützen, wonach eine Übereinstimmungsbescheinigung nur gültig ist, wenn das Kfz mit den einschlägigen Rechtsvorgaben konform ist. Allerdings enthalten die Art. 10 Abs. 3 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine Sonderregelung für den Fall der Änderung der Rechtslage, sie zielen nicht auf den Fall ab, dass ein Kfz unter Verwendung einer Abschalteinrichtung von Anfang an entgegen den Rechtsvorgaben genehmigt wird. In verschiedenen Normen der Richtlinie 2007/46/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 finden sich Vorgaben, welche eines der Modelle oder einen der drei Ansätze zum zweiten Modell stützen können. Ausdrücklich wird jedoch keines der Modelle und der Ansätze durch das Unionsrecht vorgegeben. 3.1.1.3. Auslegung am Maßstab des deutschen Rechts Nachfolgend wird anhand einer Analyse der Systematik, der Gesetzesbegründung und dem Sinn und Zweck der Norm untersucht, ob die geforderte „Gültigkeit“ der Übereinstimmungsbescheinigung in § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV auf deren Rechtsgeltung oder inhaltliche Richtigkeit bzw. die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Typgenehmigung abhebt bzw. ob diese Faktoren Einfluss auf die Gültigkeit der Bescheinigung haben. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 14 3.1.1.3.1. Begriff der Gültigkeit in anderen Normen Der Begriff der „Gültigkeit“ existiert in verschiedenen Rechtsgebieten, im Zivilrecht und im öffentlichen Recht; es existiert jedoch – soweit ersichtlich – keine Legaldefinition. Von Interesse für das Verständnis des Begriffs „gültig“ im Zivilrecht sind § 122 und § 141 BGB. In § 122 Abs. 1 BGB steht, dass der Erklärende, wenn die Willenserklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem den Schaden zu ersetzen hat, den der andere durch sein Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung erleidet, wenn die Erklärung nichtig oder auf Grund der §§ 119, 120 angefochten ist. In dieser Norm findet der Begriff der „Gültigkeit“ als Gegenstück zur Nichtigkeit Verwendung . Dasselbe Muster findet sich § 141 Abs. 2 BGB. Dort steht: „Wird ein nichtiger Vertrag von den Parteien bestätigt, so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre.“ Demzufolge bezeichnet die Gültigkeit im Zivilrecht grundsätzlich die rechtliche Wirksamkeit einer Willenserklärung oder eines Rechtsgeschäfts. Häufig wird im BGB die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts von seiner formellen Rechtmäßigkeit abhängig gemacht. Nach § 311b Abs. 1 BGB erfordert die Gültigkeit von Grundstückskaufverträgen eine notarielle Beurkundung oder die Auflassung und Eintragung in das Grundbuch. Gemäß § 518 BGB ist für die Gültigkeit eines Schenkungsversprechens die notarielle Beurkundung desselben erforderlich. Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist gemäß § 766 BGB die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Die Gültigkeit ist durch die Wahrung der gesetzlichen Formvorgaben für das Rechtsgeschäft bedingt. Auch im öffentlichen Recht wird die Gültigkeit mit Rechtswirksamkeit gleichgesetzt, wie § 52 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zeigt. Gemäß § 52 VwVfG kann die Behörde, wenn die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts nicht oder nicht mehr gegeben ist, die auf Grund dieses Verwaltungsakts erteilten Urkunden zurückfordern. Der Inhaber oder der Besitzer der Urkunde kann jedoch verlangen, dass ihm diese wieder ausgehändigt wird, nachdem sie von der Behörde als ungültig gekennzeichnet ist. Auch in dieser Norm wird Ungültigkeit mit Nichtigkeit gleichgesetzt und Gültigkeit folglich mit Rechtskraft. Die Ungültigkeit folgt im öffentlichen Recht nicht aus der materiellen Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts. Wie aus § 48 VwVfG hervorgeht, kann ein (materiell) rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden, daraus folgt im Umkehrschluss , dass er nicht bereits aufgrund seiner Rechtswidrigkeit nichtig bzw. ungültig ist. Für das Verständnis von § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV ist entscheidend, mit welcher Bedeutung der Begriff der Gültigkeit in anderen Normen der EG-FGV Verwendung gefunden hat. Aufschlussreich ist diesbezüglich § 39 EG-FGV. Ausweislich der Übergangsvorschriften aus § 39 EG-FGV bezeichnet die „Gültigkeit“ die Rechtskraft einer Typgenehmigung oder Betriebserlaubnis. Diese sind gültig, bis sie erlöschen. § 39 EG-FGV enthält allerdings keine Vorgaben zur Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung. Klinger argumentiert in seinem Aufsatz in der ZUR 2017 gegen eine Gleichsetzung der Gültigkeit von öffentlich-rechtlichen Rechtsakten wie der Typgenehmigung und privatwirtschaftlichen Garantieerklärungen wie der Übereinstimmungsbescheinigung. Die Gültigkeit öffentlich-rechtlicher Rechtsakte, könne durch Behördenentscheidungen oder Rechtsakte aufgehoben werden. Dies sei bei privatschriftlichen Erklärungen nicht möglich, sodass in Bezug auf diese die Gültigkeit stets Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 15 die Rechtmäßigkeit bezeichne.31 Wie die obigen Ausführungen zur Verwendung des Begriffs der Gültigkeit im BGB deutlich machen, erfordert die Gültigkeit von Rechtsakten im Bereich des Privatrechts oftmals die Einhaltung formeller Vorgaben mithin eine Art formeller Rechtmäßigkeit. Der Begriff der Gültigkeit steht jedoch auch im Zivilrecht in der Regel für rechtskräftige Erklärungen , nicht für materiell rechtmäßige. 3.1.1.3.2. Systematik Im Rahmen einer systematischen Auslegung ist zudem zu bedenken, dass § 37 Abs. 1 EG-FGV den Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV sanktioniert, nicht einen Verstoß gegen § 6 EG- FGV, welcher die Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung regelt. Tatbestand der Ordnungswidrigkeit ist die Veräußerung eines Kfz ohne Übereinstimmungsbescheinigung, nicht die Erstellung einer inhaltlich unrichtigen Bescheinigung. Das spricht für ein Verständnis der Gültigkeit in § 27 EG-FGV als bloßes Rechtsgeltungserfordernis, nicht als Anforderung an die inhaltliche Richtigkeit der Bescheinigung bzw. die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Typgenehmigung . 3.1.1.3.3. Ziel und Zweck der Norm Hilfreich für die Auslegung der Norm ist ein Blick auf die Gesetzesbegründung. In der Begründung des Entwurfs der EG-FGV steht zu § 27: „Absatz 1 regelt das Verkaufsverbot für neue Fahrzeuge ohne die nach den Richtlinien 2007/46/EG, 2002/24/EG oder 2003/37/EG vorgeschriebene Übereinstimmungsbescheinigung […].“32 Diese Formulierung spricht für ein Verständnis der Gültigkeit im Sinne von Rechtsgeltung. Entscheidend ist für den Gesetzgeber, ob eine Übereinstimmungsbescheinigung (rechtskräftig) existiert, nicht ob sie inhaltlich richtig oder ihre Grundlage rechtmäßig ist. Auch die Begründung des § 37 EG-FGV deutet darauf, dass der Gesetzgeber den Einbau von Abschalteinrichtungen auf andere Weise als mithilfe von §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV sanktionieren wollte. Zu § 37 EG-FGV steht in der Entwurfsbegründung: „Da jedoch bestimmte Verstöße im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wie die Vorlage gefälschter Prüfergebnisse oder technischer Spezifikationen oder sonstige unrichtige oder unvollständige Erklärungen in der Regel vorsätzlich begangen und mithin den besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (Betrug , Urkundenfälschung) unterliegen, sind in § 37 nur solche Bußgeldtatbestände geschaffen worden, die sich auf das Feilbieten, die Veräußerung oder das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, selbständigen technischen Einheiten oder Bauteilen nach den §§ 27 und 28 beziehen.“33 Der Ein- 31 Klinger, Dieselgate öffentlich-rechtlich – EG-Typgenehmigung, Übereinstimmungsbescheinigung und Konsequenzen für deutsche Pkw-Halter, ZUR 2017, S. 131 (132 f.). 32 Entwurf der Verordnung zur Neuordnung des Rechts der Erteilung von EG-Genehmigungen für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge, 20.2.2009, BR-Drucksache 190/09, S. 53 (Hervorhebung durch die Verfasserin). 33 Entwurf der Verordnung zur Neuordnung des Rechts der Erteilung von EG-Genehmigungen für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge, 20.2.2009, BR-Drucksache 190/09, S. 57. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 16 bau von Abschalteinrichtungen ist gemäß der Begründung des Verordnungsentwurfs durch Strafrechtsvorschriften und nicht mithilfe der §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV zu sanktionieren . Ziel und Zweck der EG-FGV lassen jedoch keine eindeutige Schlussfolgerung zu. So dient § 37 EG-FGV ausweislich der Entwurfsbegründung der Umsetzung von Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG. Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wird nicht erwähnt. Jedoch verweist Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG auf die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und fordert von den Mitgliedstaaten die Sanktionierung von Verstößen gegen diese und weitere im Anhang der Richtlinie aufgeführte Rechtsakte. Der Fokus des Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG liegt zwar auf Verstößen gegen Art. 31 der Richtlinie, Verstöße gegen andere Vorgaben von im Anhang der Richtlinie 2007/46/EG aufgelisteten Rechtsakten sollen nach Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG jedoch ebenfalls von den Mitgliedstaaten sanktioniert werden. 3.1.1.3.4. Zwischenergebnis Es sprechen im Ergebnis überzeugende Gründe dafür, dass der Begriff der Gültigkeit in § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV, allein nach dem Maßstab des deutschen Rechts, auf die Rechtsgeltung der Übereinstimmungsbescheinigung abhebt, diese darf demnach nicht aufgehoben worden oder erloschen sein. 3.1.1.4. Unionsrechtskonforme Auslegung Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 288 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet sind, ihre nationalen Normen, die zur Umsetzung von Unionsrecht dienen, so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck des Unionsrechts auszurichten.34 Das EG-FGV dient der Umsetzung von Unionsrecht.35 Dementsprechend sind Wortlaut und Zweck des Unionsrechts bei der Interpretation der §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV maßgeblich zu berücksichtigen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Anforderung einer „gültigen“ Übereinstimmungsbescheinigung in § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV im Lichte des Unionsrechts als Erfordernis einer inhaltlich richtigen Übereinstimmungsbescheinigung auf der Grundlage einer rechtmäßigen Typgenehmigung zu verstehen ist bzw. ob gemäß dem Maßstab des Unionsrechts eine Bescheinigung andernfalls ungültig ist. 3.1.1.4.1. Wortlaut und Systematik des Unionsrechts Wie oben unter 3.1.1.2. bereits dargestellt, findet die Erwägung, dass eine Übereinstimmungsbescheinigung für ein Kfz, welches eine verbotene Abschalteinrichtung besitzt, ungültig ist, im Unionsrecht keine eindeutige Stütze. Die Systematik von EG-Typgenehmigung und Übereinstimmungsbescheinigung scheint nach den unionsrechtlichen Vorgaben wie folgt zu sein: Mit dem Instrument der Typgenehmigung kontrollieren die Mitgliedstaaten, ob ein Kfz-Typ den Unionsvorgaben entspricht. Wenn dies der Fall ist, darf der Hersteller Kfz des genehmigten Typs produzieren. Wenn er diese in den Verkehr bringt, 34 EuGH, Urt. v. 22.9.1998, Rs. C-185/97, ECLI:EU:C:1998:424 – Coote/Granada Hospitality, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 16.6.2005, Rs. C-105/03, ECLI:EU:C:2005:386 – Pupino, Rn. 42 f. 35 Dazu im Einzelnen: Zunner, Genehmigung von Fahrzeugen nach Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG in nationales Recht, SVR 2009, S. 441. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 17 muss er die Rechtskonformität des einzelnen Kfz (welche im Rahmen der Erteilung der Typgenehmigung kontrolliert worden ist) mit der Übereinstimmungsbescheinigung bescheinigen. Wenn der Hersteller mit seinen Kfz gegen Unionsvorgaben verstößt, sieht das Unionsrecht grundsätzlich als schärfste Reaktion den Entzug der Typgenehmigung vor (beispielsweise in Art. 12 Abs. 3, Art. 30 Abs. 1, Art. 32 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 2007/46/EG). Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass der europäische Gesetzgeber in der Typgenehmigung den entscheidenden Hebel zur Reaktion auf Rechtsverstöße der Hersteller sieht. Der Entzug der Typgenehmigung hat zur Konsequenz, dass der Hersteller keine gültigen Übereinstimmungsbescheinigungen mehr ausstellen und mithin keine Kfz des fraglichen Typs mehr in den Verkehr bringen kann. Voraussetzung einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung ist gemäß diesem systematischen Verständnis der Unionsvorgaben eine rechtswirksame Typgenehmigung. Ihre Rechtmäßigkeit wie auch die inhaltliche Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung ist hingegen ohne Bedeutung. Gegen die Annahme, dass eine verbotene Abschalteinrichtung eine ungültige Übereinstimmungsbescheinigung zur Konsequenz hat, spricht auch der Wortlaut der Art. 46 und 26 der Richtlinie 2007/46/EG und der §§ 37, 27 EG-FGV einerseits und des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 andererseits. Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG gibt vor, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen gegen Rechtsverstöße, insbesondere gegen die in Art. 31 der Richtlinie 2007/46/EG vorgesehenen oder sich daraus ergebenden Verbote und die in Anhang IV Teil I aufgeführten Rechtsakte, festzulegen haben. § 37 EG-FGV soll diese Sanktionsvorgabe umsetzen und verweist auf § 27 EG-FGV als Verbotstatbestand. Art. 31 der Richtlinie, auf den Art. 46 dieser Richtlinie ausdrücklich Bezug nimmt, ist in § 27 Abs. 5 EG-FGV umgesetzt worden. Die Formulierung des § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV stimmt größtenteils mit dem Wortlaut von Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG überein. Nach § 27 Abs. 1 Satz EG-FGV dürfen neue Fahrzeuge, selbstständige technische Einheiten oder Bauteile, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung vorgeschrieben ist, im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Gemäß Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG gestatten die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen nur dann, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. §§ 37 Abs. 1, 27 EG-FGV sollen dem Wortlaut nach Verstöße gegen Vorgaben der Richtlinie 2007/46/EG sanktionieren. Vorgaben, wie sie sich in § 27 EG-FGV finden, stehen fast wortgleich in der Richtlinie. Da Art. 26 der Richtlinie nahezu den identischen Wortlaut wie § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV hat, spricht dies dafür, dass §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV dazu dienen, einen Verstoß gegen Art. 26 der Richtlinie 2007/46/EG zu sanktionieren, nicht aber einen Verstoß gegen Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, welcher die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit gänzlich anderen Formulierungen verbietet. Das Verbot von Abschalteinrichtungen ist im Unionsrecht eine eigenständige Rechtsnorm neben der Vorgabe des Art. 26 der Richtlinie 2007/46/EG. Die beiden Normen, Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG, haben einen unterschiedlichen Inhalt. Es erscheint daher mit dem Wortlaut des Unionsrechts schwer vereinbar, sie im nationalen Recht beide mit dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz EG-FGV, der im Wesentlichen Art. 26 der Richtlinie 2007/46/EG entspricht, zu erfassen. Auch ordnet Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausdrücklich eine Sanktionierung der Verwendung von Abschalteinrichtungen an. Das spricht dafür, dass dieser Tatbestand nicht von Art. 46, 26 der Richtlinie 2007/46/EG erfasst ist. Es ist folglich schwer zu begründen, wieso er von §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV erfasst sein soll, die dem Wortlaut von Art. 46, 26 der Richtlinie 2007/46/EG so nahe kommen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 18 Nach Wortlaut und Systematik des deutschen Rechts und des Unionsrechts sind die §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV mithin nicht dergestalt auszulegen, dass eine Übereinstimmungsbescheinigung , die im inhaltlichen Widerspruch zur Typgenehmigung bzw. den Rechtsvorgaben steht, ungültig ist, um auf diesem Wege die Verwendung einer Abschalteinrichtung sanktionieren zu können. 3.1.1.4.2. Zweck des Unionsrechts Gemäß Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für Verstöße von Herstellern gegen die Vorschriften dieser Verordnung Sanktionen festzulegen und die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verbietet die Verwendung von Abschalteinrichtungen, Art. 13 Abs. 2 lit. d der (EG) Nr. 715/2007 ordnet die Sanktionierung der Verwendung von Abschalteinrichtungen durch die Mitgliedstaaten an. Eine unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG- FGV könnte die Übereinstimmungsbescheinigung nach einem der drei dargestellten Ansätze aufgrund der Verwendung einer Abschalteinrichtung für ungültig erklären. Damit könnte die Verwendung einer Abschalteinrichtung im deutschen Recht ggf. als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden. Dem Zweck des Unionsrechts entspricht mithin eine Auslegung, wonach nur eine inhaltlich richtige bzw. auf eine rechtmäßige Typgenehmigung gestützte Übereinstimmungsbescheinigung gültig ist. Es ist jedoch zu überlegen, ob die Verwendung von Abschalteinrichtungen durch die Vorgaben des Strafrechts sanktioniert werden kann, sodass keine derartige Interpretation der EG-FGV bzw. des Ordnungswidrigkeitenrechts erforderlich ist, um eine Sanktionsmöglichkeit im deutschen Recht zu schaffen. Der deutsche Gesetzgeber ging von einer solchen Möglichkeit aus, da er in der Entwurfsbegründung des EG-FGV festhält: „Da jedoch bestimmte Verstöße im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wie die Vorlage gefälschter Prüfergebnisse oder technischer Spezifikationen oder sonstige unrichtige oder unvollständige Erklärungen in der Regel vorsätzlich begangen und mithin den besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (Betrug, Urkundenfälschung) unterliegen, sind in § 37 nur solche Bußgeldtatbestände geschaffen worden, die sich auf das Feilbieten , die Veräußerung oder das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, selbständigen technischen Einheiten oder Bauteilen nach den §§ 27 und 28 beziehen.“36 Das erfasst relativ gut die in Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufgezählten Tatbestände, die durch die Mitgliedstaaten zu sanktionieren sind, namentlich die Abgabe falscher Erklärungen während der Genehmigungsverfahren , die Verfälschung von Prüfergebnissen für die Typgenehmigung, die Vorenthaltung von Daten oder technischen Spezifikationen, die Verwendung von Abschalteinrichtungen und die Verweigerung des Zugangs zu Informationen. Die Möglichkeit einer strafrechtlichen Sanktionierung des Einsatzes von Abschalteinrichtung sehen die Sachverständigen Klinger37 und Neumann im Betrugsstraftatbestand des § 263 StGB, da 36 Entwurf der Verordnung zur Neuordnung des Rechts der Erteilung von EG-Genehmigungen für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge, 20.2.2009, BR-Drucksache 190/09, S. 57. 37 Klinger, Rechtsgutachten, S. 12 f. Er erachtet diese Sanktionsmöglichkeit allerdings nicht für wirksam. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 19 „nach dem Straftatbestand in § 263 Abs. 1 StGB […] die Verantwortlichen beim Verkauf eines Fahrzeugs mit manipulierten Abgaswerten wegen Betruges gegenüber und zulasten der Autokäufer strafbar sein [dürften].“38 Isfen kommt in seinem Aufsatz ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Verwendung von Abschalteinrichtungen zu einer Strafbarkeit nach § 263 StGB führen kann.39 Riehm sieht diese Möglichkeit hingegen kritisch und weist in einem Aufsatz auf mehrere Probleme bei der Annahme eines Betrugstatbestands aufgrund der Verwendung von Abschalteinrichtungen hin.40 Der Sachverständige Brenner erwähnt in seinem Gutachten die Straftatbestände des Betrugs nach § 263 StGB und der Urkundenfälschung nach § 267 StGB als Sanktionsmöglichkeiten zur Umsetzung der Unionsvorgaben des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, allerdings nicht im Hinblick auf die Verwendung von Abschalteinrichtungen.41 Fraglich ist, ob diese Möglichkeiten einer Sanktionierung mittels Straftatbeständen des StGB der Vorgabe des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Genüge tun. Zum einen ist dies fraglich, da – wie oben bereits erwähnt – im deutschen Recht nur natürliche Personen als Straftäter sanktioniert werden können. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße von Herstellern gegen die Vorschriften der Verordnung festlegen. Es wird in Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht ausdrücklich festgelegt , dass die Hersteller die Adressaten dieser Sanktionen sein müssen. Es spricht allerdings viel dafür, dass die Union, die auch in anderen Rechtsgebieten, wie beispielsweise dem Kartellrecht, primär auf eine Sanktionierung von Unternehmen abstellt, die Hersteller, welche in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 als Urheber der Verstöße angesehen werden, auch als Sanktionsadressaten anvisiert hat. Allerdings können die Hersteller als juristische Personen bzw. Personenvereinigungen nach § 30 OWiG für Straftaten ihrer Leitungspersonen ebenso sanktioniert werden wie für deren Ordnungswidrigkeiten, sofern ein Betriebsbezug besteht.42 Zum anderen ist fraglich, ob die Verwendung von Abschalteinrichtungen tatsächlich einen Straftatbestand wie Betrug oder Urkundenfälschung verwirklicht.43 Wenn das der Fall wäre, ist eine Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV in der Weise, dass die Verwendung einer Abschalteinrichtung eine ungültige Übereinstimmungsbescheinigung zur Konsequenz hat und §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV zur Anwendung kommen können, nach hiesiger Ansicht zur Umsetzung des Unionsrechts nicht erforderlich. 38 Neumann, Rechtsgutachten, S. 42. 39 Isfen, Mehr Schein als Sein – die VW-Abgasaffäre aus strafrechtlicher Sicht, JA 2016, S. 1 (5). 40 Riehm, „Dieselgate“ und das Deliktsrecht, DAR 2016, S. 12 (13). 41 Brenner, Rechtsgutachten, S. 17, 18, 20 und 21. 42 Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG Kommentar, 4. Aufl. 2016, § 30, Rn. 7; s. dazu ausführlich unter 3.3. 43 S. dazu die Ausführungen von Isfen, Mehr Schein als Sein – die VW-Abgasaffäre aus strafrechtlicher Sicht, JA 2016, S. 1 ff.; Riehm, „Dieselgate“ und das Deliktsrecht, DAR 2016, S. 12 (13) und LG Hildesheim, Urt. v. 17.1.2017, Rs. 3 O 139/16, VuR 2017, S. 111 (115 f.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 20 3.1.1.4.3. Grenzen des Wortlauts der nationalen Norm Die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung ist allein durch den Wortlaut der nationalen Norm begrenzt.44 Andere Auslegungsgrundsätze wie Historie, Systematik, Sinn und Zweck der nationalen Norm müssen hingegen hinter dem Unionsrecht zurücktreten. Und auch der Wortlaut stellt keine unüberwindliche Auslegungsgrenze dar. Zwar kann nach Ansicht des EuGH nationales Recht grundsätzlich nicht contra legem, also entgegen seinem Wortlaut, ausgelegt werden, möglich ist nach Ansicht des EuGH jedoch eine Rechtsfortbildung, die über den Wortlaut hinausgeht , sofern dies nach dem jeweiligen nationalen Recht zulässig ist.45 Der Begriff der „Gültigkeit“ dient im deutschen Recht in der Regel als Gegenbegriff zur „Nichtigkeit “. Ein gültiger Rechtsakt ist nach diesem Verständnis ein Rechtsakt, der Rechtswirkung entfaltet . Es ist jedoch ebenfalls mit dem Wortlaut vereinbar, den Begriff der „Gültigkeit“ als Umschreibung für die inhaltliche Richtigkeit des Rechtsakts zu sehen. Im BGB ist beispielsweise in mehreren Normen angeordnet, dass ein Rechtsakt dann gültig ist, wenn er gemäß den jeweiligen Formvorschriften ergangen ist. Die Gültigkeit hängt in diesen Fällen von der formellen Rechtmäßigkeit ab. Es ist auch denkbar, die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung von ihrer inhaltlichen Richtigkeit bzw. der Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Typgenehmigung abhängig zu machen. Damit wäre eine Übereinstimmungsbescheinigung für ein Kfz mit Abschalteinrichtung ggf. ungültig. Allerdings hat im Sanktionsrecht der Wortlaut eine besonders hohe Bedeutung. Gemäß dem Grundsatz nulla poena sine lege aus Art. 103 Abs. 2 GG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. § 3 OWiG bestimmt ausdrücklich für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten: „Eine Handlung kann als Ordnungswidrigkeit nur geahndet werden, wenn die Möglichkeit der Ahndung gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.“ Diese Vorgabe soll sicherstellen, dass jedermann sein Verhalten eigenverantwortlich auf die rechtliche Verbotslage ausrichten kann und keine unvorhersehbaren staatlichen Reaktionen fürchten muss.46 Es ist insofern fraglich, ob für Unternehmen eine Interpretation des Begriffs „gültig“ in § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV als inzidente Voraussetzung der inhaltlichen Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bzw. der Rechtmäßigkeit der Typgenehmigung ersichtlich war. Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 und 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 könnte jedoch argumentiert werden, dass der Verbotstatbestand der Verwendung von Abschalteinrichtungen ausdrücklich im Unionsrecht formuliert war und damit der Rechtssicherheit Genüge getan ist. 44 EuGH, Urt. v. 5.7.2006, Rs. C‑212/04, ECLI:EU:C:2006:443 – Adeneler, Rn. 110; EuGH, Urt. v. 15.4.2008, Rs. C‑268/06, ECLI:EU:C:2008:223 – Impact/Minister, Rn. 100. 45 EuGH, Urt. v. 5.7.2006, Rs. C‑212/04, ECLI:EU:C:2006:443 – Adeneler, Rn. 110; EuGH, Urt. v. 16.6.2005, Rs. C-105/03, ECLI:EU:C:2005:386 – Pupino, Rn. 47. 46 Gerhold, in: Graf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar OWiG, Stand der Kommentierung: 14. Edition (Januar 2017), § 3, Rn. 24. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 21 3.1.1.5. Abwägung Es ist festzuhalten, dass der deutsche Gesetzgeber mit §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV die Sanktionierung von Herstellern, wie sie Art. 46 der Richtlinie 46/2007/EG vorsieht, umsetzen wollte. Die speziellen Vorgaben des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erachtete der Gesetzgeber augenscheinlich als durch die Straftatbestände des StGB abgedeckt und wollte sie nicht durch § 37 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV erfassen. Auch das Unionsrecht lässt nach dem Wortlaut und der Systematik der Richtlinie 2007/46/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht den Schluss zu, dass eine Übereinstimmungsbescheinigung für ein Kfz mit Abschalteinrichtung ungültig ist. Das Erfordernis einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung beim Verkauf eines Kfz ist in Art. 26 der Richtlinie 2007/46/EG normiert . Es existiert diesbezüglich kein Verweis oder eine Bezugnahme auf Art. 5 Abs. 2 oder 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Die Normen der Richtlinie und der Verordnung geben nicht vor, dass eine Übereinstimmungsbescheinigung nur dann gültig ist, wenn das Kfz, für das sie ausgestellt worden ist, mit den einschlägigen Rechtsvorgaben oder der Typgenehmigung übereinstimmt bzw. die Typgenehmigung als Grundlage der Bescheinigung rechtmäßig ist. Die Tatsache, dass § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV dem Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG entspricht und dieser autonom neben Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 existiert, spricht aus Perspektive des Unionsrechts gegen eine Interpretation der §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV als Möglichkeit , einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu sanktionieren. Eine solche Interpretation ließe sich nur durch das Ziel des Unionsrechts, namentlich des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, rechtfertigen, Hersteller für die Verwendung von Abschalteinrichtungen zu sanktionieren. Das kann allerdings nur als Argument greifen, wenn keine Möglichkeit besteht, natürliche Personen dafür gemäß den Vorgaben des StGB und den Kfz-Hersteller ggf. nach § 30 OWiG mit einem Bußgeld zu sanktionieren. Es existiert, soweit ersichtlich, keine EuGH-Rechtsprechung zu der Frage, inwiefern allein der Zweck des Unionsrechts eine Auslegung rechtfertigen kann, die mit dem Wortlaut und der Systematik des Unionsrechts nur schwer in Einklang zu bringen ist. Mithin bestehen zu viele unbekannte Faktoren, als dass sich eindeutig schließen ließe, dass das Unionsrecht eine Auslegung der §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV vorgibt, wonach eine Übereinstimmungsbescheinigung eines Kfz aufgrund der Verwendung einer Abschalteinrichtung ungültig ist. 3.1.2. Verkauf, veräußern, in den Verkehr bringen Nach § 37 Abs. 1 EG-FGV genügt für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nicht allein das Einbauen einer Abschalteinrichtung. Erforderlich ist zudem der Verkauf bzw. das Veräußern oder in Verkehr bringen des betroffenen Kfz. Die Ordnungswidrigkeit wäre mithin erst dann verwirklicht , wenn das Kfz in den Verkehr gelangt und nicht bereits durch den Einbau einer Abschalteinrichtung . 3.2. Subjektiver Tatbestand § 37 Abs. 1 EG-FGV setzt voraus, dass der Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Das wirft vorliegend die Frage auf, wer als Täter einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV in Betracht kommt. Abzustellen ist zunächst auf natürliche Personen, da nur diese Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 22 schuldhaft handeln können. In Betracht kommen die Ingenieure, welche den Einbau der Abschalteinrichtungen zu verantworten haben oder die für den Verkauf der Kfz zuständigen Personen . Problematisch ist, dass diese Personen jeweils nur einen Teil des objektiven Tatbestands verwirklicht haben.47 Allerdings ordnet § 14 Abs. 1 OWiG an, dass in Fällen, in denen sich mehrere an einer Ordnungswidrigkeit beteiligen, jeder von ihnen ordnungswidrig handelt. Vorsatz wird als das Wissen und Wollen der objektiven Tatbestandsverwirklichung beschrieben .48 Der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit setzt objektive Umstände voraus, welche der Täter bewusst erfüllen will. Im Fall der §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV müsste der Täter in dem Bewusstsein und mit dem Willen gehandelt haben, ein Kfz ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung zu veräußern bzw. in den Verkehr zu bringen.49 Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Täter unbewusst oder ungewollt, aber pflichtwidrig den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklicht.50 Das wäre vorliegend der Fall, wenn der Täter ein Kfz ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung in den Verkehr bringt, wobei ihm nicht bewusst ist, dass die Übereinstimmungsbescheinigung ungültig ist, er dies aber bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Hinsichtlich der Ingenieure, welche den Einbau von verbotenen Abschalteinrichtungen zu verantworten haben, ist eine vorsätzliche Tatbegehung denkbar. Möglicherweise liegt jedoch ein Verbotsirrtum gemäß § 11 Abs. 2 OWiG vor, wenn ihnen bei der Vornahme der Tat die Einsicht fehlte, rechtswidrig zu handeln.51 Ob die für den Verkauf der Kfz verantwortlichen Personen von den Abschalteinrichtungen wussten bzw. bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt davon hätten Kenntnis haben können, kann im Rahmen dieses Gutachtens nicht geklärt werden.52 Abschließende Feststellungen zum subjektiven Tatbestand sind im Rahmen dieses Gutachtens nicht möglich, sondern bedürfen einer Prüfung im Einzelfall. 3.3. Unternehmen als Täter Der Fachbereich ist gefragt worden, ob ein Kfz-Hersteller, mithin ein Unternehmen, für den Einbau von Abschalteinrichtungen sanktioniert werden kann. Es soll daher im Folgenden geklärt werden, ob nicht nur einzelne Mitarbeiter als natürliche Personen, sondern der Automobilhersteller selbst mit einer Geldbuße belegt werden kann. Grundsätzlich richtet sich das Ordnungswidrigkeitenrecht an natürliche Personen, denn nur diese können vorsätzlich oder fahrlässig handeln und gegen Rechtsnormen verstoßen. Es ist nach 47 Isfen, Mehr Schein als Sein – die VW-Abgasaffäre aus strafrechtlicher Sicht, JA 2016, S. 1 (6). 48 Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG Kommentar, 4. Aufl. 2016, § 10, Rn. 2. 49 Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG Kommentar, 4. Aufl. 2016, § 10, Rn. 16. 50 Schwacke, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 4. Aufl. 2006, S. 35. 51 S. zum Verbotsirrtum: Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG Kommentar, 4. Aufl. 2016, § 11, Rn. 21 ff. 52 Dies verneint im Hinblick auf die Verkaufshändler beispielsweise: Isfen, Mehr Schein als Sein – die VW-Abgasaffäre aus strafrechtlicher Sicht, JA 2016, S. 1 (5). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 23 den Vorgaben des OWiG jedoch auch möglich, juristische Personen oder Personenvereinigungen für die Ordnungswidrigkeiten ihrer Organe und Vertreter zu sanktionieren.53 3.3.1. Haftung nach § 37 EG-FGV i.V.m. § 30 OWiG Gemäß § 30 Abs. 1 OWiG kann gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn jemand als vertretungsberechtigtes Organ oder als Mitglied eines solchen Organs, als vertretungsberechtigter Gesellschafter, als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter oder als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens verantwortlich handelt, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte. § 30 OWiG setzt mithin voraus, dass eine bestimmte Ordnungswidrigkeit begangen wurde, eine juristische Person oder Personenvereinigung nach § 30 Abs. 1 OWiG gegeben ist, dass durch die Tat Pflichten, welche den Personenverband treffen, verletzt worden sind und der Täter der Ordnungswidrigkeit in einem Organ- oder Vertretungsverhältnis zu diesem Personenverband stand.54 Die Begehung der Ordnungswidrigkeit würde vorliegend, bei einem entsprechenden Verständnis der Norm, in dem Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV durch den Einbau von Abschalteinrichtungen in Kfz und deren Veräußerung liegen. Der Kfz-Hersteller ist je nach gesellschaftsrechtlicher Ausgestaltung eine juristische Person oder eine Personenvereinigung. Die Pflicht, welche verletzt worden ist, namentlich die Vorgabe des § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV, Kfz nur mit gültiger Übereinstimmungsbescheinigung zu veräußern, obliegt dem Kfz-Hersteller. Fraglich ist in der hier vorliegenden Konstellation, inwiefern die Personen, welche für den Einbau der Abschalteinrichtung bzw. den Verkauf des Kfz verantwortlich sind, in einem Organ- oder Vertretungsverhältnis zum Unternehmen stehen. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG muss die handelnde Person für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens verantwortlich sein. § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG enthält insoweit den Oberbegriff,55 die § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 OWiG enthalten nur gesetzliche Leitbeispiele, von denen vorliegend wohl keines einschlägig ist. Weder die Ingenieure , welche die Konzeption und den Einbau der Abschalteinrichtung zu verantworten haben, noch die Mitarbeiter der Vertriebsabteilung, sofern sie überhaupt fahrlässig oder vorsätzlich in Bezug auf die Abschalteinrichtungen agiert haben, dürften für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens verantwortlich sein. Mithin zählen die Täter der Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV voraussichtlich nicht zu dem Personenkreis, dessen Taten dem Unternehmen nach § 30 Abs. 1 OWiG zugerechnet werden können.56 53 Ausführlich dazu: Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 4. Aufl. 2014, § 30, Rn. 1 ff. 54 Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG Kommentar, 4. Aufl. 2016, § 30, Rn. 6. 55 Gürtler, in: Göhler, OWiG Kommentar, 16. Aufl. 2012, § 30, Rn. 9. 56 S. dazu auch: Rönnau/Becker, Vorsatzvermeidung durch Unternehmensleiter bei betriebsbezogenen Straftaten, NStZ 2016, S. 569. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 24 3.3.2. Haftung nach §§ 30, 130 OWiG In diesen Fällen, in denen eine Sanktionierung des Unternehmens allein nach § 30 OWiG ausscheidet , weil die fragliche Ordnungswidrigkeit unterhalb der gesetzlichen Vertretungsebene, die § 30 Abs. 1 OWiG bestimmt, begangen worden ist, ist § 130 OWiG von Bedeutung.57 Gemäß § 130 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. § 130 OWiG erhebt mithin die Aufsichtspflichtverletzung, eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat im Betrieb nicht verhindert zu haben, zur Ordnungswidrigkeit. Und diese kann wiederum nach § 30 Abs. 1 OWiG dem Unternehmen zugerechnet werden, sodass dieses nach § 30 O- WiG mit einer Geldbuße belegt werden kann.58 Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 130 OWiG sind eine Zuwiderhandlung gegen betriebsbezogene Pflichten durch einen Mitarbeiter des Betriebs bzw. Unternehmens und die Verletzung einer diesbezüglichen Aufsichtspflicht durch den Inhaber des Betriebs oder Unternehmens .59 Die Zuwiderhandlung eines Mitarbeiters würde in der oben bereits geprüften Ordnungswidrigkeit des Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV durch den Einbau von Abschalteinrichtungen in Kfz und deren anschließende Veräußerung liegen. Inhaber des Unternehmens, der Autohersteller, ist je nach der Gesellschaftsform des Unternehmens die juristische Person oder die Personenvereinigung. Es kann jedoch nicht der Inhaber direkt wegen der Verletzung einer Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG sanktioniert werden, wenn er als juristische Person weder handlungs- noch schuldfähig ist.60 § 9 OWiG bestimmt, dass, wenn jemand als vertretungsberechtigtes Organ oder als Mitglied eines solchen Organs, als vertretungsberechtigter Gesellschafter, als gesetzlicher Vertreter oder als Betriebsleiter bzw. sonstiger Beauftragter agiert, ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden ist, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen. Gemäß § 130 i.V.m. § 9 OWiG können daher auch die Repräsentanten des Inhabers, namentlich Vorstände oder Betriebsleiter, wegen einer Aufsichtspflichtverletzung des Inhabers sanktioniert werden.61 Ihre Aufsichtspflichtverletzung kann dann wiederum über § 30 Abs. 1 OWiG dem Unternehmen zugerechnet werden. Die Aufsichtspflichten sind in § 130 OWiG nicht näher konkretisiert. Es ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob eine Aufsichtspflicht der Vorstände, Betriebsleiter etc. besteht, die von ihnen 57 Gürtler, in: Göhler, OWiG Kommentar, 16. Aufl. 2012, § 29a, Rn. 11a. 58 Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 4. Aufl. 2014, § 130, Rn. 6. 59 Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG Kommentar, 4. Aufl. 2016, § 130, Rn. 16. 60 Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 4. Aufl. 2014, § 130, Rn. 25. 61 Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 4. Aufl. 2014, § 130, Rn. 25. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 25 verletzt worden ist, indem sie eine Zuwiderhandlung in Form des Einbaus von Abschalteinrichtungen in Kfz und deren anschließende Veräußerung nicht verhindert haben, obwohl sie dies mit erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen hätten tun können. Vorausgesetzt wird zudem Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit des Aufsichtspflichtigen. Er muss die Gefahr einer betriebstypischen Zuwiderhandlung in einem bestimmten Pflichtenkreis erkannt haben oder hätte diese erkennen können müssen.62 Abschließende Feststellungen hierzu sind im Rahmen dieses Gutachtens nicht möglich, sie bedürfen einer Prüfung im Einzelfall. 3.3.3. Haftungsumfang Wenn eine schuldhafte Aufsichtspflichtverletzung des Leitungspersonals des Kfz-Herstellers festgestellt werden kann, in dessen Betrieb Abschalteinrichtungen in Kfz eingebaut und diese Kfz verkauft worden sind, könnte der Kfz-Hersteller als Unternehmen nach §§ 130, 30 Abs. 1 OWiG haften. Wenn die zugrunde liegende Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bedroht ist, so bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 Abs. 3 Satz 3 OWiG nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße. § 30 Abs. 2 Satz 2 OWiG ordnet an, das sich das Höchstmaß der Geldbuße für das Unternehmen im Falle einer Ordnungswidrigkeit nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße bestimmt. Somit ist hinsichtlich der Bußgeldhöhe grundsätzlich auf die Vorgaben der § 23 Abs. 3 und § 24 Abs. 2 StVG abzustellen. In der Literatur wird bezüglich einer möglichen Bußgeldhöhe für Kfz-Hersteller wegen des Einbaus von Abschalteinrichtungen auf § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgestellt, wonach die Geldbuße im Falle einer vorsätzlichen Straftat bis zu zehn Millionen Euro beträgt.63 § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG bestimmt jedoch nur die Höhe der Geldbuße bei vorsätzlichen Straftaten. Hinsichtlich des Verkaufs von Kfz mit ungültiger Übereinstimmungsbescheinigung und einer diesbezüglichen Aufsichtspflichtverletzung ist vorliegend nur der Tatbestand von Ordnungswidrigkeiten geprüft worden (nicht das Vorliegen eines Straftatbestands wie Betrug oder Urkundenfälschung). Falls (auch) ein Straftatbestand erfüllt ist, kann gemäß § 30 Abs. 2 Satz 4 OWiG allerdings auf die Regelung abgestellt werden, welche zu einer höheren Geldbuße führt, mithin auf § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG.64 Die Sachverständigen Neumann und Klinger ziehen in ihren Rechtsgutachten § 17 Abs. 4 OWiG heran, auf den § 30 Abs. 3 OWiG verweist. Nach § 17 Abs. 4 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, kann es überschritten werden. Daraus folgt, dass der wirtschaftliche Vorteil, der dem Unternehmen aus der Tat zugeflossen ist, die unterste Grenze 62 Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 4. Aufl. 2014, § 130, Rn. 119; s. dazu auch Rönnau/Becker, Vorsatzvermeidung durch Unternehmensleiter bei betriebsbezogenen Straftaten, NStZ 2016, S. 569 (574). 63 Isfen, Mehr Schein als Sein – die VW-Abgasaffäre aus strafrechtlicher Sicht, JA 2016, S. 1 (6), Rn. 75. 64 Gürtler, in: Göhler, OWiG Kommentar, 16. Aufl. 2012, § 30, Rn. 36. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/17 Seite 26 der Geldbuße darstellt.65 Die Bußgeldhöhe kann somit die von § 23 Abs. 3 bzw. § 24 Abs. 2 StVG normierte Höhe übersteigen. 4. Fazit Strafrechtliche Sanktionen sind gegen Kfz-Hersteller, die Abschalteinrichtungen in ihre Kfz einbauen , nicht möglich, da diese nur gegen natürliche Personen ergehen können. Eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung auf der Grundlage der §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG- FGV hängt entscheidend von der Auslegung des Begriffs der gültigen Übereinstimmungsbescheinigung in § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV ab. Diesbezüglich ist die Rechtslage nicht eindeutig. Auch wenn der Begriff der gültigen Übereinstimmungsbescheinigung so verstanden wird, dass ein Kfz mit Abschalteinrichtung eine ungültige Übereinstimmungsbescheinigung besitzt, scheitert eine Sanktionierung des Kfz-Herstellers aller Voraussicht nach an den Zurechnungsvoraussetzungen des § 30 Abs. 1 OWiG. Auf einem entsprechenden Verständnis der §§ 37 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV als zugrunde liegender Ordnungswidrigkeit aufbauend, wäre jedoch im nächsten Schritt ggf. eine Sanktionierung des Unternehmens nach §§ 130, 30 OWiG denkbar. – Fachbereich Europa – 65 Neumann, Rechtsgutachten, S. 40 f. und Klinger, Rechtsgutachten, S. 14.