© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 14/15 Hafenkooperation in Norddeutschland im Lichte des EU-Kartellrechts Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 2 Hafenkooperation in Norddeutschland im Lichte des EU-Kartellrechts Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 14/15 Abschluss der Arbeit: 14. April 2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund und Fragestellung 4 2. Inhalt und Ziel der Kooperation sowie Hafenorganisation 5 2.1. Kooperation nach der WWF-Studie 5 2.2. Hafenorganisation 8 3. Grundzüge des EU-Kartellrechts 10 3.1. Die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV 11 3.2. Art. 101 Abs. 3 AEUV 13 3.3. Durchsetzung und verfahrensrechtliche Aspekte 13 4. Norddeutsche Hafenkooperation im Lichte des EU- Kartellrechts 15 4.1. Einführende Hinweise 15 4.2. (Politische) Kooperation der betroffenen Bundesländer und des Bundes 16 4.3. Kooperation der Hafenbetreiber 17 4.3.1. Unternehmen i.S.v Art. 101 AEUV 17 4.3.2. Marktanalyse: geographischer und sachlicher Markt 20 4.3.3. Vereinbarung über horizontale Zusammenarbeit 21 4.3.4. Wettbewerbsbeschränkung 21 4.3.5. Zwischenstaatlichkeit: Beeinträchtigung des innerunionalen Handels 24 4.3.6. De minimis und Spürbarkeit 24 4.3.7. Rechtfertigung 24 4.3.8. Zwischenergebnis 26 4.4. Kooperation auf Ebene der Terminalbetreiber 27 4.4.1. Unternehmen iSv Art. 101 AEUV 27 4.4.2. Marktanalyse: geographischer und sachlicher Markt 27 4.4.3. Vereinbarung über horizontale Zusammenarbeit 28 4.4.4. Wettbewerbsbeschränkung 28 4.4.5. Zwischenstaatlichkeit: Beeinträchtigung des innerunionalen Handels 29 4.4.6. De minimis und Spürbarkeit 29 4.4.7. Rechtfertigungsgründe 29 4.4.8. Zwischenergebnis 30 4.5. Weitere wettbewerbsrechtliche Aspekte 30 5. Zusammenfassung 30 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 4 1. Hintergrund und Fragestellung Ein Großteil des europäischen Im- und Exports erfolgt über die kontinentaleuropäischen Häfen der Nordsee. Zu den hierbei wichtigsten Standorten zählen auch zwei deutsche Häfen: Hamburg sowie Bremerhaven/Bremen.1 In kurzer Distanz zu beiden Häfen liegt der einzige deutsche Tiefseehafen Wilhelmshaven (Jade-Weser-Port, im Folgenden: JWP), der 2012 eröffnet wurde und dessen Kapazitäten bisher zu großen Teilen nicht genutzt werden.2 Diese drei Häfen stehen nicht nur untereinander in Konkurrenz um große Containerschiffe, sondern auch im Verhältnis zu den übrigen Standorten, insbesondere zu dem größten nordeuropäischen Containerhafen in Rotterdam /Niederlande sowie zum größten belgischen Hafen in Antwerpen.3 Der Bau und Einsatz immer größerer Containerschiffe lässt die Anforderungen an die Infrastruktur der Containerseehäfen stetig steigen.4 Eines der wichtigen Kriterien für ihre Wettbewerbsfähigkeit ist der Tiefgang der jeweiligen Wasserzufahrtsstraßen.5 Für nicht unmittelbar in der Nordsee , sondern an Flüssen gelegene Häfen wie Hamburg und zum Teil auch Bremerhaven/Bremen führt diese Entwicklung immer wieder zu der Notwendigkeit, die Elbe bzw. Weser vertiefen zu lassen, um die Zufahrt auch der größeren Containerschiffe weiterhin zu gewährleisten. Die hierbei entstehenden Kosten werden in der Regel aus Steuermitteln erbracht. In einer von dem World Wide Fund For Nature (WWF) 2013 in Auftrag gegebenen Studie (im Folgenden: WWF-Studie) werden die norddeutschen Containerhäfen vor diesem Hintergrund zu einer Zusammenarbeit aufgefordert.6 Auf kostenintensive und ökologisch problematische Flussvertiefungen könne verzichtet werden, wenn man den Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven zu einem gemeinsamen Tiefseewasserhafen ausbauen würde. Nach einer dortigen Teilentladung könnten größere Containerschiffe dann mit weniger Tiefgang Elbe und Weser befahren. Container würden so ihre Empfänger schneller erreichen als über die Benelux-Häfen, ohne dass Hamburg und Bremerhaven ihren Status als international bedeutende Seehäfen verlieren würden. Die hier- 1 Vgl. hierzu die Angaben aus der WWF-Studie „Szenario für eine Seehafenkooperation im Bereich des Containerverkehrs – Eine Alternative zur Vertiefung der Flussmündungen von Elbe und Weser“, von Mai 2013, Tabelle 1 auf S. 22. Die Studie ist online abrufbar unter http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen- PDF/WWF-Studie_Szenario_fuer_eine_Seehafenkooperation_im_Bereich_des_Containerverkehrs.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 2 Vgl. WWF-Studie (Fn. 1), S. 13. 3 Siehe WWF-Studie (Fn. 1), Tabelle 1 auf S. 22. 4 Vgl. Thesenpapier des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und seines Wissenschaftlichen Beirats zum Thema „Effekte der Mega-Container-Carrier – Bedeutung für Seehäfen und Hinterland“ (im Folgenden: ISL-Thesen), zur Verfügung gestellt durch Auftraggeber, S. 2. 5 Siehe ISL-Thesen (Fn. 4), S. 2. 6 WWF-Studie (Fn. 1), S. 5 ff., 60 f. Siehe auch den Artikel aus ZEITonline von Alexandra Endres vom 14.05.2013, WWF prognostiziert kooperierenden Häfen mehr Gewinn, online abrufbar unter http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-05/hafen-kooperation-wwf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 5 durch frei werdenden Steuermittel könnten in andere Hafeninfrastrukturprojekte investiert werden (etwa Ausbau der Hinterlandanbindung).7 Von Seiten der Hafenwirtschaft werden diese Vorschläge u. a. mit einem Hinweis darauf zurückgewiesen, dass eine solche Zusammenarbeit dem europäischen Kartellrecht widersprechen würde.8 Der Fachbereich wird in diesem Zusammenhang um die Beantwortung der Frage ersucht, ob eine solche Kooperation der norddeutschen Containerhäfen mit EU-Kartellrecht vereinbar wäre.9 Hierzu werden zunächst in Anknüpfung an die WWF-Studie Ziel und Inhalt der Zusammenarbeit beschrieben und die Organisation der Häfen in rechtlicher Hinsicht dargestellt (siehe unter 2.). Anschließend wird das EU-Kartellrecht in seinen Grundzügen kurz dargestellt (siehe unter 3.). Auf dieser Grundlage erfolgt sodann die kartellrechtliche Erörterung der durch die WWF-Studie vorgeschlagenen norddeutschen Hafenkooperation (siehe unter 4.). Die Ausarbeitung schließt mit einer Zusammenfassung (siehe unter 5.). 2. Inhalt und Ziel der Kooperation sowie Hafenorganisation 2.1. Kooperation nach der WWF-Studie Ausgehend von der WWF-Studie ist Ziel der Kooperation, die Hafenanlaufreihenfolge auf der Relation Nordeuropa-Asien zugunsten der deutschen Häfen zu verändern, wodurch diese an Attraktivität im Wettbewerb zu Rotterdam und Antwerpen gewinnen.10 Bisher werden vor allem diese beiden Häfen als Erstanlaufhäfen genutzt, die Häfen in Hamburg und Bremerhaven stehen dagegen oftmals an zweiter, dritter oder vierter Stelle.11 Um dies zu ändern, soll der JWP als gemeinsamer sog. Transshipment-Hafen12 profiliert werden: „Hier wird davon ausgegangen, dass die Häfen Hamburg und Bremerhaven jeweils mit dem JWP in der Weise kooperieren, dass unter der Voraussetzung der zwischen diesen Häfen zuvor vereinbarten Rahmenbedingungen, der JWP als erster Löschhafen auf der Relation Nordeuropa-Asien speziell für alle Transshipmentcontainer eingesetzt wird, die ansonsten in Bremerhaven oder Hamburg umgeschlagen worden wären. Ziel ist es auch, einen Teil des Transshipments für die baltische Region und Großbritannien zu übernehmen, das derzeit in Rotterdam umgeschlagen wird. Je nachdem, ob es sich beim Reeder, der einen Service auf der Relation Nordeuropa-Asien 7 WWF-Studie (Fn. 1), S. 6, 70 f. 8 Vgl. den Bericht auf den Seiten des Hamburger Hafens, online abrufbar unter http://www.hafen-hamburg .de/en/node/32431 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 9 Auf Fragen und Aspekte des deutschen Kartellrechts wird jedoch nicht eingegangen. 10 WWF-Studie (Fn. 1), S. 5. 11 WWF-Studie (Fn. 1), S. 10. 12 Unter Transshipment versteht man laut Wikipedia den Umschlag von Seeverkehrsgütern von großen Deepsea- Schiffen auf kleinere Shortsea-Schiffe. Die Güter erreichen und verlassen den Transshipment-Hafen (Hub) somit über den Seeweg (siehe unter http://de.wikipedia.org/wiki/Transshipment – letztmaliger Abruf am 15.02.16). Vgl. auch die Definition in der WWF-Studie, Begriffserklärungen. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 6 betreibt, um einen Kunden des Hafens Bremerhaven oder Hamburg handelt, fährt das Schiff nach dem Löschen und Laden der Transshipmentcontainer im JWP entweder nach Bremerhaven oder nach Hamburg weiter, wo wie bisher alle übrigen Container umgeschlagen werden. Die Westhäfen Rotterdam und Antwerpen würden in diesem Szenario als Dritthafen angefahren werden . Die Mündungen von Elbe und Weser müssten nicht vertieft werden, weil der Transshipmentteil der Gesamtladung bereits im JWP gelöscht wird und die großen Containerschiffe mit weniger Ladung und deshalb mit weniger Tiefgang die Häfen in Hamburg und Bremerhaven anfahren können. Dieses Szenario würde die Stärkung der Position aller deutschen Seehäfen zur Folge haben , weil die Empfänger von Importcontainern in den sich überschneidenden Wettbewerbsregionen schneller über die deutschen Häfen, als über Rotterdam oder Antwerpen bedient werden können.“13 Die Profilierung des JWP als Transshipment-Hafen soll über eine entsprechende Gestaltung der Rahmenbedingungen erreicht werden, so dass es für große Reedereien attraktiv wird, zuerst diesen Hafen anzufahren und im Anschluss die Häfen in Hamburg und/oder Bremerhaven.14 Ziel dieser Kooperation ist somit eine Ladungslenkung zugunsten der drei genannten norddeutschen Häfen. In diesem Zusammenhang unterscheidet die WWF-Studie zwei Kooperationsebenen, eine politische und eine unternehmerische.15 Im Rahmen der hafenpolitischen Kooperation stellt die WWF-Studie auf eine Zusammenarbeit der betroffenen Länder Niedersachsen, Bremen und Hamburg ab.16 Verwiesen wird dabei auf folgende Kooperationsfelder, die von den drei Ländern im Hafenkonzept „Deutsche Bucht“ von 2010 benannt wurden: Verkehrsinfrastruktur und Hafenhinterlandanbindungen, Hafenfinanzierung , engere Zusammenarbeit der Port Authorities und der Ministerien, Umwelt und Häfen sowie gemeinsames Hafenmarketing.17 Zu der Ausgestaltung der Kooperation im Einzelnen finden sich in der WWF-Studie keine konkreten Angaben, sondern nur der Hinweis auf bestehende, regelmäßige Gespräche zwischen den Ländern, an denen die zuständigen Exekutiven sowie die Chefs der Hafenverwaltungen teilnehmen und die dem Austausch dienen.18 Diese Vorgehensweise wird gutgeheißen und eine Weiterführung begrüßt.19 Zugleich wird betont, dass die hafenpolitische Kooperation den Wettbewerb zwischen den Häfen nicht aufheben soll.20 13 WWF-Studie (Fn. 1), S. 7. 14 WWF-Studie (Fn. 1), S. 7. 15 WWF-Studie (Fn. 1), S. 38 ff. 16 WWF-Studie (Fn. 1), S. 38. 17 WWF-Studie (Fn. 1), S. 38. 18 WWF-Studie (Fn. 1), S. 38. 19 WWF-Studie (Fn. 1), S. 38 f. 20 WWF-Studie (Fn. 1), S. 38. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 7 Bei der unternehmerischen Zusammenarbeit verweist die WWF-Studie auf die Erforderlichkeit einer „engere[n] Kooperation zwischen den großen Terminalbetreibern in den Häfen Hamburg, Bremerhaven und JWP“.21 Konkrete Aussagen zu den hierfür notwendigen Maßnahmen enthält die Studie nicht. Verwiesen wird lediglich auf die grundsätzliche Ausrichtung, nämlich „unternehmensübergreifend Betriebsabläufe zwischen den Terminalbetreibern so abzustimmen, dass ohne große Zeitverluste der vorgeschlagene Anlauf des JWP und des Hafens Hamburg oder des JWP und des Hafens Bremerhaven so gestaltet wird, dass den Reedern nur geringe Zeitverluste trotz des Anlaufes von zwei Häfen entstehen. […] Hier würde sich das ansonsten in einem Hafen umzuschlagende Ladungsaufkommen in einen Transshipmentanteil für den JWP (speziell der nasse Feederanteil) und die übrige für die Häfen Hamburg bzw. Bremerhaven bestimmte Ladung aufteilen. Es wird darauf ankommen, dass die Betriebsabläufe des JWP jeweils so mit denen der anderen beiden Häfen aufeinander abgestimmt werden, dass durch den Anlauf beider Häfen keine große Verzögerung entsteht.“22 Auch durch eine derartige horizontale Kooperation muss der Studie nach der Wettbewerb zwischen den Terminalbetreibern nicht aufgegeben werden. „Es soll vielmehr darum gehen, in begrenztem Umfang auf einigen Handlungsfeldern gemeinsam tätig zu werden, um die Stärken des einen Hafens mit den Schwächen des anderen Hafens so auszugleichen , dass auf beiden Seiten zumindest mittel- bis langfristig Vorteile entstehen.“23 Die beschriebene Kooperation und ihre Ebenen werden ausweislich der Studie auch vor dem Hintergrund „staatlicher Subventionen“ betrachtet, „die mit den Vertiefungen der Elbe und der Außenweser letztendlich zu dem Zweck gefordert werden, dass eine bestmögliche Wettbewerbssituation für jeden einzelnen Standort bzw. Betreiber eingerichtet wird. Zwar sollen die deutschen Häfen zu Recht gegen die ausländische Konkurrenz im Wettbewerb bestmöglich bestehen. Bisher besteht dieser aber eben auch gegenüber den nationalen Wettbewerbern, die ihrerseits mit Hilfe von Subventionen gegen ihre nationalen Konkurrenten unterstützt werden.“24 Weiter enthält die WWF-Studie die Empfehlung, wonach sich der größte Terminalbetreiber im Hamburger Hafen, die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), auch im JWP engagieren solle.25 Dort ist als Terminalbetreiber bisher nur die Firma Eurogate tätig, die darüber hinaus auch in Bremerhaven/Bremen und Hamburg vertreten ist. Würde die HHLA als Terminalbetreiberin zusätzlich im JWP tätig, würde „sie als Unternehmen nicht einmal Einbußen im Bereich ihrer Transshipmentcontainer hinnehmen müssen.“26 21 WWF-Studie (Fn. 1), S. 39. 22 WWF-Studie (Fn. 1), S. 39. 23 WWF-Studie (Fn. 1), S. 42. 24 WWF-Studie (Fn. 1), S. 42. 25 WWF-Studie (Fn. 1), S. 42. 26 WWF-Studie (Fn. 1), S. 42. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 8 Von Bedeutung für die kartellrechtliche Beurteilung der geforderten Kooperation sind schließlich die Entscheidungskriterien der Verlader27 und Reedereien für die Hafenwahl. Nach der WWF- Studie ist die Entscheidung insbesondere der Reedereien das Ergebnis einer komplexen Fragestellung , bei der einer Vielzahl von Kriterien zu berücksichtigen ist.28 Während für Verlader im Wesentlichen Transportkosten und Transportzeiten entscheidend sind, stellt sich die Situation für Reedereien wie folgt dar: Neben verschiedenen Kostenpositionen und der Zeit sind Ladungsaufkommen und betroffene Hinterlandregionen, Zu- und Ablaufverkehre, die Art der Logistikdienstleistung , mit der die Reeder betraut werden, sowie qualitative Aspekte der jeweiligen Häfen und der dort tätigen Unternehmen (Abfertigungsqualität und -geschwindigkeit, Preis-Leistungsverhältnis , Hinterlandanbindung und Angebot logistischer Dienstleitungen) von Bedeutung. Hinsichtlich der Einzelheiten zu diesen Kriterien wird auf die WWF-Studie verwiesen.29 Im Folgenden werden nur diejenigen Merkmale kurz näher betrachtet, die im Rahmen der oben beschriebenen Kooperation beeinflussbar sind. Dazu zählen bestimmte Kostenpositionen der Reeder , eine zeitliche Komponente sowie einige qualitative Aspekte der Häfen. Hinsichtlich der Reeder-Kosten wird zwischen schiffsbezogenen und containerbezogenen Kosten unterschieden.30 Zu den erst genannten gehören u. a. die Hafenanlaufkosten, auf die neben den Kosten für Lotsen, Schlepper und Festmacher auch Liegeplatzgebühren (Hafengelder) entfallen, die an die Hafenbetreiber abgeführt werden. Die containerbezogenen Kosten entstehen durch den Umschlag, das Handling der Container im Hafen, Leercontainerdepots etc. Diese Leistungen werden von den Terminalbetreiber erbracht. Die Terminalbetreiber sind schließlich auch für eine zeitliche Komponente verantwortlich, nämlich die Dauer der Abfertigung, die zudem in enger Verbindung mit der Abfertigungsqualität sowie dem Preis-Leistungsverhältnis für ihre Dienstleistungen steht. 2.2. Hafenorganisation Häfen lassen sich nicht als einheitliche (Wirtschafts-)Unternehmen ansehen. Hinsichtlich der (wirtschaftlichen und rechtlichen) Hafenorganisation gilt es im Hinblick auf die betroffenen deutschen Häfen vielmehr grundsätzlich – vorbehaltlich rechtlicher Unterschiede im Einzelnen – drei Ebenen zu unterscheiden: erstens, die Länder, in denen die Häfen gelegen sind, und der Bund; zweitens, die für den Betrieb der Häfen zuständigen Einheiten, die in der WWF-Studie nicht als gesonderte Kooperationsebene erwähnt werden, sowie, drittens, die in den Häfen tätigen Unternehmen, insbesondere die Terminalbetreiber: 27 Nach Duden-Universalwörterbuch ist Verlader jemand, der einem Transportunternehmen Güter zur Beförderung übergibt. 28 WWF-Studie (Fn. 1), S. 44. 29 WWF-Studie (Fn. 1), S. 42 ff. 30 WWF-Studie (Fn. 1), S. 44 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 9 Die Länder sind in erster Linie für die rechtlichen Rahmenbedingungen verantwortlich, die die Errichtung und den Betrieb der Häfen – in der Regel durch andere Rechtsträger – überhaupt ermöglichen .31 Ihnen obliegen auch nicht-normative Entscheidungen strategisch-politischer Art in Sachen Hafenentwicklung. In der Regel finanzieren die Länder – zumindest teilweise – auch die Hafeninfrastruktur.32 Ministerien und/oder nachgeordnete Landesbehörden (Hafenbehörden) üben schließlich Verwaltungstätigkeiten im Hinblick auf die Häfen aus, soweit diese nicht auf die Hafenbetreiber übertragen wurden, vor allem im Bereich der Gefahrenabwehr (Hafenpolizei, Sicherheit des Schiffsverkehrs usw.).33 Die Bedeutung des Bundes ergibt sich im vorliegenden Zusammenhang insbesondere aus seiner Zuständigkeit für die Bundeswasserstraßen nach dem Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG). Zu den Bundeswasserstraßen zählen auch Seewasserstraßen wie die hier relevanten Abschnitte der Elbe und Weser. Der Bund ist u. a. für deren Unterhaltung sowie Ausbau, etwa durch Vertiefung, zuständig, soweit keine Delegation an Dritte erfolgt.34 Damit trägt der Bund somit zur Finanzierung der für die Hafennutzung erforderlichen (natürlichen) Rahmenbedingungen bei. Die zweite Ebene bilden die in der WWF-Studie nicht gesondert hervorgehobenen, kartellrechtlich aber durchaus relevanten Einrichtungen, die den Hafen bzw. die Hafeninfrastruktur betreiben und jeweils rechtlich unterschiedlich organisiert sind. Während für den Betrieb des Hamburger Hafens die durch Gesetz als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründete „Hamburg Port Authority “ zuständig ist35, haben Niedersachsen mit „Niedersachsen Ports“ und Bremen mit „bremenports “ jeweils eine GmbH & Co.KG gegründet, bei welcher die jeweiligen Länder als Kommanditisten und landeseigene Beteiligungsgesellschaften als Komplementäre fungieren.36 Der 31 Vgl. etwa § 2 Abs. 2 Bremisches Hafenbetriebsgesetz; Niedersächsisches Hafensicherheitsgesetz sowie Hafenordnung ; § 1 Hafenentwicklungsgesetz Hamburg. 32 Vgl. etwa für den Jade-Weser-Port die Entscheidung der Kommission, Staatliche Beihilfe N 110/2008 – Deutschland („Hafeninfrastruktur – öffentliche Finanzierung des Projekts JadeWeserPort“) vom 10.12.2008, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/224653/224653_961367_42_2.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16); siehe auch Erdmann, Staatliche Förderung von Infrastrukturen im Wandel – Überlegungen insbesondere am Beispiel der Multifunktionsarenen und Seehäfen, DVBl 2014, 1349 (1352 f.). 33 Vgl. etwa §§ 5, 6 Bremisches Hafenbetriebsgesetz; § 25 Hafensicherheitsgesetz. Auf dem Gebiet des Hamburger Hafens erfolgt die Ausübung hoheitlicher (Verwaltungs-)Aufgaben hingegen durch die als Anstalt des öffentlichen Rechts organisierte Hamburg Port Authority, vgl. Gesetz über die Hamburg Port Authority (HPAG), dort insbesondere § 3 Abs. 1 Nr. 3-12. 34 Vgl. §§ 7 Abs. 1 und 2 sowie §§ 12 ff. WaStrG. Staatsvertraglich geregelte Besonderheiten gelten bezüglich des Teils der Elbe, der den Hamburger Hafen erfasst, die sog. Delegationsstrecke, für die die Freie und Hansestadt Hamburg zuständig ist. Diese kann eigenverantwortlich die Tiefe und den Verlauf der Elbe auf diesem Gebiet festlegen. Zugleich erhält sie hierfür Zahlungen des Bundes, vgl. hierzu die Angaben auf der Internetseite „Hamburg für die Elbe“, online abrufbar unter http://www.hamburg-fuer-die-elbe.de/?page_id=586 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Vgl. dazu auch § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) HPAG. 35 Vgl. § 1 Gesetz über die Hamburg Port Authority. 36 Siehe jeweils die Angaben auf folgenden Internetseiten: für Niedersachsen unter http://www.nports.de/de/unternehmen /organisation/ (letztmaliger Abruf am 15.02.16); für Bremen http://www.bremenports.de/unternehmen /ueber-uns/hafen-managementgesellschaft (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 10 Aufgabenumfang der durch die Länder kontrollierten Hafenbetreiber variiert im Einzelnen. Zu den allen Betreibern obliegenden Aufgaben gehören jedoch die Hafenentwicklung, der Hafenausbau und die -instandhaltung, die den Hafen betreffende Immobilien- und Grundstücksbewirtschaftung sowie die Festsetzung und Erhebung von Entgelten bzw. Gebühren für die Benutzung der Häfen37.38 Die Terminalbetreiber bilden schließlich die dritte Ebene der Hafenorganisation – neben weiteren und andere Dienstleistungen erbringenden Unternehmen, die vorliegend nicht von Bedeutung sind. Terminalbetreiber erbringen gegenüber Reedern entgeltliche Dienstleistungen im Bereich der Organisation und des Umschlags der Schiffsladung zwischen den befördernden Wasserfahrzeugen und dem Land zum Zweck der Einfuhr, Ausfuhr oder des Transits der Ladung.39 Sie sind in den Formen des Privatrechts organisiert und werden in den Häfen in der Regel auf Grundlage von Konzessionen tätig. Im Hinblick auf die hier betroffenen drei norddeutschen Häfen sind dabei zwei, bereits oben erwähnte Terminalbetreiber von Bedeutung: die Hamburger Hafen und Lagerhaus AG (HHLA) und die Eurogate Gruppe. Die erstgenannte betreibt einen Großteil der Terminalanlagen im Hamburger Hafen und steht zu 68,4 % im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Eurogate-Gruppe ist als Terminalbetreiber in allen drei deutschen Häfen vertreten und steht – über eine Beteiligungsgesellschaft – zum Teil im Eigentum der Stadt Bremen . 3. Grundzüge des EU-Kartellrechts Das Kartellrecht ist – neben dem Marktmissbrauchs- und dem Fusionskontrollrecht – Teil der unternehmensgerichteten Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts und ist geprägt durch das Verbot abgestimmter Verhaltensweisen (sog. Kartelle) zwischen Unternehmen.40 Die kartellrechtlichen Wettbewerbsregeln dienen sowohl dem Schutz der Struktur des Marktes und dem 37 Vgl. für JWP Teil II der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Benutzungsbedingungen der Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG, § 6 sowie den dazugehörigen Hafentarif – Preis- und Konditionsverzeichnis, online abrufbar unter http://www.nports.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Allgemein /AGB_01.12.08_NPorts2012.pdf bzw. http://www.nports.de/fileadmin/user_upload/Haefen/Wilhelmshaven /2015_01_Hafentarif_Wilhelmshaven.pdf (für Wilhelmshaven JWP) - letztmaliger Abruf am 15.02.16; §§ 3 Abs. 3, 12 HPAG; § 4 Hafengebührenordnung Bremen. 38 Siehe zu den Aufgaben im Einzelnen die Angaben auf den Internetseiten von Niedersachsen Ports sowie bremen ports unter http://www.niedersachsenports.de/de/ imd und http://www.bremenports.de/). Für die Hamburg Port Authority ergeben sie sich aus der Aufzählung in § 3 HPAG. 39 Umschreibung in Anlehnung an die Definition in Art. 2 Nr. 2 im Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für den Zugang zum Markt für Hafendienste und für die finanzielle Transparenz der Häfen, KOM(2013) 296/2 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52013PC0296R(01)&qid=1424879214470&from=DE (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 40 Neben den sog. unternehmensgerichteten Wettbewerbsvorschriften in Art. 101 und 102 AEUV wird auch das an die Mitgliedstaaten gerichtete Beihilfenrecht (vgl. Art. 107 ff. AEUV) und das Vergaberecht dem Wettbewerbsrecht zugeordnet. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1103. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 11 Wettbewerb als solchen, als auch den Interessen einzelner Verbraucher oder Wettbewerber.41 Außerdem werden auch immer stärker nicht-wirtschaftliche Ziele (z.B. Umweltschutz, sozialer Fortschritt ) im EU-Wettbewerbsrecht berücksichtigt (vgl. Art. 3 Abs. 3 EUV)42. Das Kartellverbot selbst ist in Art. 101 Abs. 1 AEUV verankert. Soweit danach ein Kartell vorliegt kann es aber noch nach Art. 101 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden. Anderenfalls tritt die Rechtsfolge der Nichtigkeit des Kartells gem. Art. 101 Abs. 2 AEUV ein. 3.1. Die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV Verpflichtet aus dem Kartellverbot sind zuvörderst Unternehmen in ihrer Funktion als Marktteilnehmer . Ein Unternehmen ist nach der Rechtsprechung des EuGH „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“.43 Von der Definition umfasst sind auch öffentliche Unternehmen.44 Der EuGH hat allerdings entschieden, dass das Kartellverbot auch Bindung gegenüber den Mitgliedstaaten selbst entfaltet.45 Auf der Basis dieser Rechtsprechung ist es grundsätzlich möglich, hoheitliche Handlungen der Mitgliedstaaten an den EU-Wettbewerbsvorschriften zu messen. Zugleich ist damit die Pflicht der Mitgliedstaaten zu kartellrechtskonformen staatlichen Handeln begründet worden.46 Kartellrechtswidrig wäre danach beispielsweise der Erlass einer nationalen Vorschrift, die Unternehmen ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten vorschreibt.47 Das Wesen eines Kartells besteht darin, dass mehrere Unternehmen durch eine Vereinbarung ihr Verhalten auf dem relevanten Markt koordinieren, um dadurch den Wettbewerb untereinander und dessen Risiken für sie auszuschließen.48 Grundsätzlich sind Kartelle als Wettbewerbsbeschränkung daher verboten. Erfasst sind sowohl explizite Vereinbarungen und Beschlüsse zwi- 41 EuGH, Urt. v. 04.09.2009, Rs. C-8/08 (T Mobile Netherlands BV), Rn. 38; Säcker, in: Münchener Kommentar Kartellrecht, 2. Aufl. 2015. Einl. Rn. 7; Chalmers/Davies/Monti, European Union Law. 3. Aufl. 2014, S. 943. 42 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1102; Chalmers/Davies/Monti, European Union Law. 3. Aufl. 2014, S. 944 43 St. Rspr. seit EuGH, Rs. C-41/90 (Höfner und Elser) Slg. 1991, I-1979 Rn. 21. 44 Grabitz/Hilf/Nettesheim. Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV (53. Ergänzungslieferung 2014). Art. 101 AEUV, Rn. 67. Dass die Wettbewerbsregeln auf öffentliche Unternehmen anwendbar sind, ergibt sich auch aus Art. 106 Abs. 1 AEUV. 45 Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 19.2.2002, Rs. C-35/99 (Arduino), Rn. 34; EuG, Urteil vom 27.9.2006, Rs. T-168/01 (GlaxoSmithKline/Kommission), Rn. 66. 46 Lange, Die Anwendung des europäischen Kartellverbots auf staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen, EuR 2008, Heft 1, S. 3. 47 Lange, Die Anwendung des europäischen Kartellverbots auf staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen, EuR 2008, Heft 1, S. 3. 48 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1110. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 12 schen Unternehmen als auch die praktische Zusammenarbeit durch abgestimmte Verhaltensweisen (Auffangtatbestand).49 Ein bloß faktisches Parallelverhalten der Marktteilnehmer (z.B. Nachziehen bei Preiserhöhungen) ist allerdings nicht verboten.50 Kartelle können auf horizontaler Ebene auf demselben sachlichen Markt (z.B. zwischen zwei Produzenten eines ähnlichen Produkts ) und auf vertikaler Ebene auf verschiedenen Märkten (z.B. zwischen Produzent und Vertriebshändler ) geschlossen werden. Weitere Voraussetzung ist, dass das von den Unternehmen abgestimmte Verhalten bzw. Kartell geeignet ist, den zwischenstaatlichen Wettbewerb spürbar zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen. Dies setzt zunächst voraus, dass das Kartell eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder tatsächlich bewirkt. Art. 101 Abs. 1 lit. a bis e enthält eine nicht abschließende Liste von Verhaltensweisen, die im Regelfall als wettbewerbsverfälschend anzusehen sind.51 Dazu gehört insbesondere die Festsetzung von Verkaufspreisen (lit. a) und die Aufteilung von Märkten (lit. c). Aber auch ein Informationsaustausch oder der gemeinsame Vertrieb können Wettbewerbsbeschränkungen darstellen.52 Um eine Einschätzung über die Wettbewerbsverfälschung vorzunehmen , ist eine umfassende Marktanalyse notwendig, in der zunächst der relevante sachliche und geographische Markt definiert wird. Im Rahmen der Marktdefinition kommt es vor allem auf die Substituierbarkeit der Produkte an.53 Auch die Stellung und Bedeutung der einzelnen Marktteilnehmer sowie die Marktzugangsvoraussetzungen müssen berücksichtigt werden.54 Nicht jede Vereinbarung, die geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, ist von Art. 101 AEUV verboten; vielmehr muss die Beeinträchtigung spürbar sein.55 Nach der Deminimis -Regel nimmt die Kommission an, dass es bei Marktanteilen der am Kartell beteiligten Unternehmen von bis zu 5% sowie einem Jahresumsatz von maximal 40 Mio. € regelmäßig an der Spürbarkeit fehlt und die sog. Bagatellgrenze nicht überschritten wurde.56 49 Siehe z.B. dazu EuGH, Urt. v. 16.12.1975, verb. Rs. 40 bis 48/73 u.a. (Suiker), Slg. 1975, 1663 ff., Rn. 26. 50 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1127. 51 Wollmann/Herzog in: Münchener Kommentar Kartellrecht. 2. Aufl. 2015. Art. 101 AEUV, Rn. 177. 52 Wollmann/Herzog in: Münchener Kommentar Kartellrecht. 2. Aufl. 2015. Art. 101 AEUV, Rn. 193 und 236. 53 Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (im Folgenden: KOM, Horizontalleitlinien), ABl.EU 2011 Nr. C 11/1, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2011:011:0001:0072:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 18.02.15), Ziff. 5.2. „Relevante Märkte“. 54 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1128. 55 Vgl. dazu z.B. EuGH, Urt. v. 09.07.1969, Rs. 5/69, (Völk), Rn. 7. 56 Kommission, Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags. Abl. C 101, 27.4.2004, S. 81–96, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/ALL/?uri=CELEX:52004XC0427(06) (letztmaliger Abruf am 18.02.15). Ziff. 52. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 13 3.2. Art. 101 Abs. 3 AEUV Art. 101 Abs. 3 AEUV lässt Ausnahmen von dem grundsätzlichen Kartellverbot zu, da eine Abstimmung unternehmerischen Verhaltens auch positive Effekte erzielen kann.57 Der Ausnahmetatbestand verlangt, dass das koordinierte Verhalten unter „angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts“ beiträgt (Art. 101 Abs. 3 AEUV). Außerdem muss das Verhalten der Unternehmen für die Erreichung dieser Ziele unerlässlich sein und der Wettbewerb darf nicht für einen wesentlichen Teil der Waren ausgeschaltet werden. Im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV können sodann auch außerökonomische Ziele berücksichtigt werden (z.B. positive ökologische Effekte)58, zumindest sofern es sich bei diesen um Unionsziele im Sinne des Art. 3 EUV handelt.59 3.3. Durchsetzung und verfahrensrechtliche Aspekte Die Anwendung der Wettbewerbsregeln ist infolge der weiten Normenfassungen in hohem Maße einzelfallabhängig. Art. 101 Abs. 3 AEUV wird aber durch die von der Kommission erlassenen Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) konkretisiert. Mit diesen Verordnungen60 der Kommission werden bestimmte Typen von Vereinbarungen (z.B. Lizenzverträge) vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt, ohne dass es einer konkreten Entscheidung der Kommission bedarf (sog. System der Legalausnahme).61 Die Vorschriften der Gruppenfreistellungsverordnungen sind aber stets eng auszulegen.62 57 Haratsch/Koenig/Pechstein. Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1111. 58 Vgl. dazu eine Entscheidung der Kommission in der wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen vom Verbot des. Art. 101 AEUV freigestellt wurden, da dadurch der Ausstoß von Kohlendioxid verringert wurde: Kommission , Entscheidung 2000/475/EG (CECED), ABl.EU2000 Nr. L 187, S. 47, Rn. 55ff. 59 Meessen in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff. Kommentar zum Kartellrecht, Bd. 1, Europäisches Recht, 2. Aufl. 2009, Art. 81 Abs. 3 EG, Rn. 20; Haratsch/Koenig/Pechstein. Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1135. 60 Dazu gehören u.a. folgende EU-Verordnungen: Verordnung Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010 (Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen); Verordnung Nr. 461/2010 vom 27. Mai 2010 (Kraftfahrzeug -Branche); Verordnung Nr. 316/2014 vom 21. März 2014 (Technologietransfer); Verordnung Nr. 330/2010 vom 20. April 2010 (vertikale Vereinbarungen). Für eine umfassende Darstellung aller Gruppenfreistellungsverordnungen , vgl. die Zusammenstellung der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/competition /antitrust/legislation/handbook_vol_2_en.pdf (letzmaliger Abruf am 02.04.2015) 61 Bardong in: Münchener Kommentar Kartellrecht. 2. Aufl. 2015, Art. 1 VO 1/2003 Rn. 1f. 62 EuG, Urt. v. 28.02.2002, Rs. T-86/95 (Compagnie générale maritime), Rn. 99; Haratsch/Koenig/Pechstein. Europarecht . 9. Aufl. 2014, Rn. 1137. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 14 Eine weitere Konkretisierung erfährt Art. 101 AEUV durch die von der Kommission herausgegeben Leitlinien.63 Diese entfalten zwar keine rechtliche Bindungswirkung für die europäischen und nationalen Gerichte; sie stellen aber Verwaltungsgrundsätze dar, die zu einer gewissen Selbstbindung der Kommission bei der Ausübung ihres Aufgreifermessens und der Verhängung von Geldbußen führen können.64 Auch der EuGH zieht regelmäßig die Leitlinien der Kommission in seinen Urteilen heran und bezeichnet diese zumindest als „nützliche Bezugspunkte“.65 Art. 101 AEUV ist unmittelbar anwendbar; für die Nichtigkeit eines Kartells nach Art. 101 Abs. 2 AEUV ist daher eine Entscheidung der Kommission nicht notwendig. Auch für die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV ist keine Kommissionsentscheidung (mehr) erforderlich .66 Somit liegt damit das Beurteilungsrisiko, ob ein Verhalten die allgemein gehaltenen Kriterien von Art. 101 Abs. 1 oder 3 erfüllt, bei den Unternehmen. Diese können sich zwar an den Leitlinien (beispielsweise zur Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV67) orientieren. Einen Anspruch auf eine Positiventscheidung der Kommission gibt es allerdings nicht.68 Sollte die Kommission selbst tätig werden, so richtet sich das Verfahren zur Anwendung von Art. 101 AEUV nach der Kartellverfahrensverordnung69. Das behördliche Verfahren kann auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet werden und sowohl Ermittlungen als auch Erlass der Entscheidung erfolgen durch die Kommission.70 Im Rahmen des Verfahrens trägt die Kommission die Beweislast für die Verletzung von Wettbewerbsvorschriften und muss darüber hinaus prüfen, ob Rechtfertigungsgründe vorliegen.71 Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens und des sich 63 Hierzu gehören beispielsweise auch die Horizontalleitlinien der Kommission (o. Fn. 53) und die Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen vom 10.5.2010. SEK(2010)411 endg. Online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52010SC0411&from=DE (letztmaliger Abruf am 13.04.15). 64 Fuchs in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht. 5. Auflage 2014, § 2 GWB, Rn. 38. 65 EuGH, Urt. v. 17.05.2001, Rs. C-310/99 (Italien/Kommission), Rn. 52. 66 Vgl. Art. 1 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln. ABl.EU L 1, 4.1.2003, S. 1–25. Online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX:32003R0001 (letztmaliger Abruf am 13.04.15). 67 Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag. ABl.EU C 101, 27.4.2004, S. 97– 118. Online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:52004XC0427(07) (letztmaliger Abruf am 13.04.15). 68 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn 1134. 69 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln. ABl.EU L 1, 4.1.2003, S. 1–25. Online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX:32003R0001 (letztmaliger Abruf am 13.04.15). 70 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1138. 71 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht. 9. Aufl. 2014, Rn. 1138. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 15 daran anschließenden förmlichen Verfahrens kann die Kommission die Unternehmen dazu auffordern , die Wettbewerbsbeschränkung zu beenden (Art. 7 VO 1/2003). Außerdem kann sie Sanktionen in Form von Geldbußen von bis zu 10% des Umsatzes des Unternehmen verhängen (vgl. Art. 23 VO 1/2003). 4. Norddeutsche Hafenkooperation im Lichte des EU-Kartellrechts 4.1. Einführende Hinweise Unabhängig von den hier im Raum stehenden Kooperationsvorschlägen hat sich die EU-Kommission bereits in der Vergangenheit mit wettbewerbsrechtlichen Aspekten im Bereich der Hafenpolitik beschäftigt. In gesetzgeberischer Hinsicht betraf dies etwa den hier nicht weiter relevanten Marktzugang zu Hafendienstleistungen.72 In verfahrensrechtlicher Hinsicht kam es dagegen bisher nur in seltenen Fällen zu einer Überprüfung wettbewerbsrechtlich relevanter Hafentätigkeit.73 In den wenigen Verfahren sah die Kommission allerdings die Marktabgrenzung aufgrund der Komplexität der Hafenorganisation (s.o. unter 2.2.) als problematisch an, da die Tätigkeiten im Bereich der Hafendienstleistungen sowohl wirtschaftlicher als auch hoheitlicher Natur sein können .74 Die bisherigen Fälle, in denen sich die Kommission mit diesem Bereich befasst hat, betrafen Fusionskontrollen und den Missbrauch dominanter Positionen (z.B. bei Konzessionsvergabe an Terminalbetreiber oder der Festsetzung erhöhter Preise)75, nicht dagegen Kartellrechtsverfahren nach Art. 101 AEUV. Im Zusammenhang mit der nachfolgenden Kartellrechtsprüfung ist außerdem darauf hinzuweisen , dass die Kommission eine Zusammenarbeit von Häfen grundsätzlich befürwortet, insbesondere wenn dies der Effizienz der Häfen und einer verbesserten Klimabilanz dient: Im Bereich der Hafenpolitik hat die Kommission eine Mitteilung verfasst, in der sie sich für ein leistungsfähige- 72 So hat die Kommission bereits in den Jahren 2003 und 2006 Vorhaben zur Regelung des Marktzugangs bei Hafendienstleistungen vorgeschlagen; beide wurden allerdings vom Europäischen Parlament abgelehnt, vgl. Kommission , Stellungnahme für OECD Policy Roundtables: Competition in Ports and Port Services 2011. Dok. Nr.: DAF/COMP(2011)14 (im Folgenden: KOM, OECD-Stellungnahme). Online abrufbar unter: http://www.oecd.org/regreform/sectors/48837794.pdf S. 232 (letztmaliger Abruf am 13.04.15), S. 231. Einen neuen Vorschlag hat die Kommission im Jahr 2012 eingebracht, vgl. Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für den Zugang zum Markt für Hafendienste und für die finanzielle Transparenz der Häfen, KOM(2013) 296/2 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52013PC0296R(01)&qid=1424879214470&from=DE (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 73 KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 232. 74 Kommission, Entscheidung vom 5. Juni 2008, Dok. Nr.: COMP/M.5066 EUROGATE/APMM, Rn. 53. 75 KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 232. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 16 res und effizienteres Hafensystem in der EU unter Berücksichtigung von Umweltaspekten (Reduzierung von Treibhausgasen, Verbesserung der Luftqualität) einsetzt.76 Die Mitteilung befasst sich zwar nicht schwerpunktmäßig mit wettbewerbsrechtlichen Problemen, bezieht aber gleichwohl wettbewerbsrechtliche Aspekte in die Analyse mit ein.77 Unter Berücksichtigung dieser Punkte ist im Folgenden eine Kooperation auf den verschiedenen Ebenen innerhalb der norddeutschen Hafenorganisation kartellrechtlich zu überprüfen. Dabei werden in Erweiterung der WWF-Studie neben der Zusammenarbeit der Bundesländer und des Bundes einerseits (siehe unter 4.2.) sowie der Terminalbetreiber andererseits (siehe unter 4.4.) auch die Hafenbetreiber als eigenständige, dazwischenliegende Kooperationsebene untersucht (siehe unter 4.3.). Des Weiteren sind schließlich noch weitere wettbewerbsrechtliche Aspekte einer norddeutschen Hafenkooperation zu erörtern (siehe unter 4.5.). Soweit ersichtlich haben bisher weder Kommission noch EuGH einen vergleichbaren Fall entschieden . Aus diesem Grund sowie mit Blick auf den Umstand, dass die Art und Weise der untersuchten Hafenkooperation in der WWF-Studie nur rudimentär beschrieben wird, ist eine abschließende und rechtlich verbindliche Bewertung dieser Kooperation im Folgenden nicht möglich . Es werden vielmehr mögliche kartellrechtliche Probleme, die eine Zusammenarbeit mit dem Ziel der Ladungslenkung aufwirft, identifiziert und ggf. erörtert. Maßstab hierfür sind zum einen die Rechtsprechung der Unionsgerichte zu Art. 101 AEUV sowie zum anderen seine Auslegung durch die Kommission in den sog. Horizontalleitlinien78 und ggf. auch die GVO (siehe dazu allgemein oben unter 3.3.). 4.2. (Politische) Kooperation der betroffenen Bundesländer und des Bundes Die in der WWF-Studie vorgeschlagene Kooperation betrifft auf der ersten Ebene eine Zusammenarbeit der Länder unter Einbeziehung des Bundes. Fraglich ist, ob und inwieweit diese kartellrechtliche Relevanz aufweist. Grundsätzlich richtet sich das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV an Unternehmen (s.o. unter 3.1.). Da die Länder in erster Linie für die rechtlichen Rahmenbedingungen verantwortlich sind, und – zum Teil unter Beteiligung des Bundes – die Hafeninfrastruktur finanzieren sowie Entscheidungen in Sachen Hafenentwicklung treffen (s.o. unter 2.2.) handeln sie nicht als Unternehmen im Sinne des EU-Kartellrechts und sind daher insoweit nicht an das Kartellverbot gebunden.79 76 Vgl. Kommission, Mitteilung vom 18.10.2007 über eine europäische Hafenpolitik. KOM(2007)616 endg. (im Folgenden : KOM, Hafenmitteilung). Online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=COM:2007:0616:FIN:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 13.04.15), S. 3 und 9. 77 KOM, Hafenmitteilung (o. Fn. 76), z.B. S. 3, 5, 9, 11. 78 Vgl. KOM, Horizontalleitlinien (o. Fn. 53). 79 Allerdings entfaltet sich eine Bindungswirkung zumindest dann, wenn die Länder nicht nur hoheitliche, sondern auch wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben (s.o. unter 3.1.). In diesem Fall gelten die Ausführungen unter 4.3. und 4.4. entsprechend auch für die Länder. Im Folgenden wird aber unterstellt, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten nur von den Hafenbetreibern und Terminalbetreibern ausgeübt werden. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 17 Der EuGH hat allerdings entschieden, dass das Kartellverbot auch Bindung gegenüber den Mitgliedstaaten selbst entfaltet (s.o. unter 3.1.).80 Auf der Basis dieser Rechtsprechung ist es grundsätzlich möglich, hoheitliche Handlungen der Mitgliedstaaten an den EU-Wettbewerbsvorschriften zu messen. Kartellrechtswidrig wäre also der Erlass einer nationalen Vorschrift, die Unternehmen im Hafenbetrieb ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten vorschreibt.81 Allenfalls insoweit könnte eine Kooperation der Länder kartellrechtsrelevant sein. Den Erlass rechtsverbindlicher Vorgaben für eine Ladungslenkung sieht die WWF-Studie nicht vor. Dessen ungeachtet könnte auch ein nicht rechtsförmliches Einwirken auf Hafenbetreiber und ggf. Terminalbetreiber über die jeweiligen Beteiligungsstrukturen (s.o. unter 2.2.) nur dann als mit Art. 101 AEUV unvereinbar angesehen werden, wenn es der Sache nach gegen das darin geregelte Kartellverbot verstoßen würde. Dies gilt es im Folgenden aus Sicht dieser beiden Ebenen zu untersuchen. 4.3. Kooperation der Hafenbetreiber Auf der zweiten in der WWF-Studie angedeuteten Ebene ist zu prüfen, ob eine Absprache zwischen den Hafenbetreibern der drei fraglichen Häfen (Hamburg Port Authority, bremenports und Niedersachsen Ports) kartellrechtliche Probleme aufwerfen könnte. Dazu müssten die unter 3.1. erläuterten Voraussetzungen von Art. 101 AEUV vorliegen. 4.3.1. Unternehmen i.S.v Art. 101 AEUV Die Hafenbetreiber sind als Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV zu klassifizieren, soweit sie wirtschaftliche Tätigkeiten erbringen (s.o. unter 3.1.). Auch wenn der Staat als Träger hinter den Hafenbetreibern steht, können diese als öffentliche Unternehmen dem Kartellverbot unterliegen – es kommt dabei allein auf die Einordnung der Tätigkeit als wirtschaftlich an (funktionaler Unternehmensbegriff).82 Die Rechtsform (z.B. die „Hamburg Port Authority“ als Anstalt des öffentlichen Rechts) ist dabei irrelevant. Abzugrenzen von den wirtschaftlichen sind die sog. hoheitliche Tätigkeiten im Hafenbereich – beispielsweise die Wahrnehmung polizeilicher Kontrollen –, welche grundsätzlich nicht dem Kartellverbot unterliegen.83 Die Abgrenzung von wirtschaftlichen und hoheitlichen Tätigkeiten ist aber gerade im Bereich der Hafenorganisation problematisch und hat die Kommission bereits häufig beschäftigt: 80 Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 19.2.2002, Rs. C-35/99 (Arduino), Rn. 34; EuG, Urteil vom 27.9.2006, Rs. T-168/01 (GlaxoSmithKline/Kommission), Rn. 66. 81 Lange, Die Anwendung des europäischen Kartellverbots auf staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen, EuR 2008, Heft 1, S. 3. 82 Grabitz/Hilf/Nettesheim. Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV (53. Ergänzungslieferung 2014. Art. 101 AEUV. Rn. 51 83 Chalmers/Davies/Monti, European Union Law. Chapter 25: State Regulation and EU Competition Law. S. 14; EuGH, Urteil vom 11.7.1985, Rs. C-107/84 (Kommission/Deutschland), Rn. 14 – 15; EuGH, Urteil vom 19.01.1994, Rs. C-364/92 (SAT Fluggesellschaft), Rn. 30. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 18 „The pattern of activity within ports is very complex. Certain activities pertain to typical public authority tasks (e.g. traffic control). Other activities are economic in nature for example the provision of access to port infrastructure and services (essentially cargo handling and technical-nautical services, such as pilotage, towage and mooring) […]”84. Die Kommission hat auch in der beihilferechtlichen Entscheidung zum JWP festgestellt, dass die Einordnung in wirtschaftliche und hoheitliche Tätigkeiten im Hafenbetrieb sehr komplex sei und daher unterschiedliche Interpretationen möglich sind.85 Allerdings lässt sich zumindest sagen, dass nach Ansicht des EuGH und der Kommission jedenfalls solche Aufgaben in den Bereich hoheitlicher Tätigkeit fallen, die sicherheits- und ordnungsrechtliche Aspekte beinhalten, da es hierfür keinen Markt gibt, auf dem diese Leistungen angeboten werden.86 Oft nehmen Hafenbetreiber aber auch Aufgaben wahr, die nach Ansicht der Kommission unstreitig als wirtschaftliche Tätigkeiten einzustufen sind – beispielsweise die Verpachtung von Hafenflächen.87 Bei den meisten anderen Aufgaben im Hafenbereich herrscht allerdings Uneinigkeit über die Einordnung der Tätigkeiten in solche wirtschaftlicher und solche hoheitlicher Art.88 So wird teilweise davon ausgegangen, dass die Einziehung von Gebühren (z.B. in Form von Raumgebühr, Liegegeld und Nutzungsgebühr89) als hoheitliche Tätigkeit einzustufen ist, während die Erhebung von Entgelten als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist.90 Eine solche formale Abgrenzung erscheint aber aufgrund des funktionalen unionsrechtlichen Unternehmensbegriffs für das EU- Recht eher ungeeignet. EuGH und Kommission stellen vielmehr auf die Art oder den Inhalt der Tätigkeit ab.91 Für die Gebühren- bzw. Entgelterhebung könnte daher auch der Zweck bzw. Grund der Erhebung eher für die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeit relevant sein als die formale Einordnung als Gebühr oder Entgelt. Denn: „unter dem Blickwinkel des Wettbewerbsrechts“ seien solche Unterscheidungen zwischen verschiedenen Abgaben , Entgelten und Nutzungsgebühren „ohne Bedeutung und rein semantischer Art“.92 Aber 84 KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. S. 231. 85 Mellwig, Infrastrukturfinanzierung in Häfen und europäisches Beihilferecht. Veröffentlichungen des Instituts für Seerecht und Seehandelsrecht der Universität Hamburg, Band 22, Berlin 2011 (im Folgenden: Mellwig, Infrastrukturfinanzierung ), S. 68; Kommission, Entscheidung vom 5. Juni 2008, Dok. Nr.: COMP/M.5066 EU- ROGATE/APMM Rn. 53. 86 Mellwig, Infrastrukturfinanzierung (o. Fn. 85), S. 69 mwN; EuGH, Urteil vom 24.10.2002, Rs. C-82/01 (Aéroports de Paris) Rn. 75ff. 87 Mellwig, Infrastrukturfinanzierung (o. Fn. 85), S. 70. 88 Vgl. zu dieser Diskussion Mellwig, Infrastrukturfinanzierung (o. Fn. 85), S. 70ff. 89 Vgl. z.B. §§ 6 – 8 der Hafengebührenordnung für die stadtbremischen Häfen in Bremen und Bremerhaven. 90 Mellwig, Infrastrukturfinanzierung (o. Fn. 85), S. 20. 91 EuGH, Urteil vom 24.10.2002, Rs. C-82/01 (Aéroports de Paris) Rn. 78; EuG, Urteil vom 12.12.2000, Rs. T- 128/98 (Aéroports de Paris) Rn. 110, 112 ff; KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 231. 92 EuG, Urteil vom 12.12.2000, Rs. T-128/98 (Aéroports de Paris) Rn. 115. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 19 auch unter Einbeziehung eines funktionalen Ansatzes stellt sich weiterhin die Frage, ob bei Geldern , deren Erhebung dem Zwecke der Instandhaltung von Hafeninfrastruktur dient, dieser dahinterstehende Zweck selbst als wirtschaftliche Tätigkeit oder vielmehr als hoheitliche Aufgabe zu verstehen ist.93 Darüber hinaus könnte auch relevant sein, ob es auch darauf ankommt, wer die Gelder nicht nur einzieht, sondern sie auch festsetzt und wem sie letztlich zugutekommen.94 In der Rechtsprechung des EuGH wurden lange Zeit Bau, Instandhaltung und Betrieb von Infrastrukturmaßnahmen als nichtwirtschaftliche Tätigkeit eingestuft.95 Mittlerweile können nach der neueren Rechtsprechung des EuGH Infrastrukturmaßnahmen unter bestimmten Bedingungen als wirtschaftliche Tätigkeiten klassifiziert werden.96 In der Rechtssache Aéroports de Paris hat der EuGH für den Luftfahrtbereich entschieden, dass „das Zurverfügungstellen von Flughafenanlagen an Luftfahrtgesellschaften und verschiedene Dienstleister gegen Zahlung einer Abgabe, deren Satz ADP frei festsetzt, […] als eine Tätigkeit wirtschaftlicher Art anzusehen“ ist.97 Übertragen auf die Hafeninfrastruktur könnte dies bedeuten, dass zumindest die Andockungsinfrastruktur (Kaimauern, Anlegestege), die Reedern gegen Zahlung einer Abgabe zugänglich gemacht wird, als wirtschaftliche Tätigkeit einzuordnen ist. Eine solche Differenzierung nach Art der Infrastruktur übernimmt auch die Kommission: ihrer Ansicht nach seien nur Schutz- und Zugangsinfrastrukturmaßnahmen (z.B. allgemein zugängliche Straßen innerhalb eines Hafens, Wellenbrecher) nichtwirtschaftlicher Natur, während die Andockungsinfrastruktur eine Dienstleistung gegenüber spezifischen Nutzern und als wirtschaftliche Aufgabe anzusehen ist.98 Hiervon soll im Folgenden ausgegangen und die drei norddeutschen Hafenbetreiber neben der hier nicht weiter relevanten Vermietung und Verpachtung von Hafenflächen auch mit Blick auf die entgeltliche Zurverfügungstellung von Andockungsinfrastruktur als Unternehmen im Sinne 93 Vgl. ausführlich dazu Erdmann, Staatliche Förderung von Infrastrukturen im Wandel – Überlegungen insbesondere am Beispiel der Multifunktionsarenen und Seehäfen, in: DVBl 2014, S. 1349ff. 94 Für Bremen beispielsweise erlässt die Hafengebührenordnung der Senator für Wirtschaft und Häfen. Dies ist in § 20 Bremer Hafenbetriebsgesetz geregelt. Der Senator für Wirtschaft und Häfen hat wiederum bremenports beauftragt , die Hafenabgaben zu erheben und einzuziehen. Unklar ist aber, wofür die eingezogenen Gebühren konkret eingesetzt werden. 95 So Erdmann, Staatliche Förderung von Infrastrukturen im Wandel – Überlegungen insbesondere am Beispiel der Multifunktionsarenen und Seehäfen, in: DVBl 2014, S. 1349. 96 EuG, Urteil vom 12.12.2000, Rs. T-128/98 (Aéroports de Paris) Rn. 115, bestätigt durch EuGH, Urteil vom 24.10.2002, Rs. C-82/01 (Aéroports de Paris), Rn. 78. 97 EuG, Urteil vom 12.12.2000, Rs. T-128/98 (Aéroports de Paris) Rn. 115, bestätigt durch EuGH, Urteil vom 24.10.2002, Rs. C-82/01 (Aéroports de Paris), Rn. 78. 98 Vgl. Kommission, Vademecum zu den Vorschriften des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen und die Finanzierung von Seehafen-Infrastrukturen vom 15.01.2002, Rn. 29; zitiert nach Erdmann, Staatliche Förderung von Infrastrukturen im Wandel – Überlegungen insbesondere am Beispiel der Multifunktionsarenen und Seehäfen, in: DVBl 2014, S. 1352, 1354. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 20 des EU-Wettbewerbsrechts angesehen werden. Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls insoweit, als die Hafenbetreiber selbst die Entgelte oder Gebühren für die Andockinfrastruktur festlegen, erheben und für sich einnehmen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass eine abschließende rechtliche wie tatsächliche kartellrechtliche Qualifizierung der Tätigkeit der Hafenbetreiber nicht zuletzt mangels einschlägiger Rechtsprechung zu einer derartigen Konstellation an dieser Stelle nicht möglich ist. 4.3.2. Marktanalyse: geographischer und sachlicher Markt Eine Marktanalyse dient dazu festzustellen, ob die fraglichen Unternehmen aktuelle bzw. potentielle Wettbewerber sind (d.h. auf demselben geographischen und sachlichen Markt agieren) und ob somit eine Wettbewerbsbeschränkung überhaupt eintreten kann. Auf Ebene der Hafenbetreiber geht es nur um den Wettbewerb zwischen einzelnen Häfen, nicht um denjenigen innerhalb eines Hafens.99 Die Hafenbetreiber bieten grundsätzlich in allen Häfen vergleichbare Leistungen (Hafenentwicklung, Hafenausbau und -instandhaltung, die den Hafen betreffende Immobilien- und Grundstücksbewirtschaftung, s.o.) an und wären damit auf demselben sachlichen Markt tätig; sämtliche „hoheitliche“ Leistungen (s.o.) sind von der Marktanalyse nicht umfasst. Laut Kommission konkurrieren die drei norddeutschen Häfen mit der Kette der Häfen Le-Havre bis Hamburg (Le Havre – Dieppe –Dunquerque – Zeebrugge – Antwerpen – Vlissingen – Rotterdam – Bremerhaven – Hamburg100). Unter Umständen ist der Markt auch für eine Vielzahl von Frachtschiffen weiter einzugrenzen (Antwerpen bis Hamburg)101; in jedem Fall findet aber ein Wettbewerb über mitgliedstaatliche Grenzen hinweg statt. Die drei norddeutschen Hafenbetreiber hätten aufgrund ihrer Marktanteile eine deutliche Marktmacht auf diesem geographischen Markt.102 Die Häfen konkurrieren allerdings nur um solche Schiffe, die überhaupt mehrere Häfen anlaufen können (und nicht beispielsweise durch ihre Größe auf einen bestimmten (Tiefsee-)Hafen festgelegt sind). Das Kriterium der Substituierbarkeit der Leistungen der Hafenbetreiber wäre in diesem Fall erfüllt, da die Schiffe eine Auswahl an Häfen mit vergleichbaren Leistungen hätten. Allerdings wird das Ergebnis dieser Auswahl durch die Reeder neben der geographischen Lage der 99 Diese Unterscheidung ist auch für die Kommission wichtig, vgl. KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 234. Da nur ein Hafenbetreiber pro Hafen existiert kann auch das Missbrauchsverbot aus Art. 102 AEUV anwendbar sein, sofern der Hafenbetreiber seine Monopolstellung ausnutzt. 100 Stellungnahme Deutschlands für OECD Policy Roundtables: Competition in Ports and Port Services 2011. Dok. Nr.: DAF/COMP(2011)14. Online abrufbar unter: http://www.oecd.org/regreform/sectors/48837794.pdf S. 232 (letztmaliger Abruf am 13.04.15), S. 144, KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 234. Der Jade Weser Port wurde erst 2012 in Betrieb genommen, gehört aber jetzt wohl auch zum geographischen Markt der „Le Havre – Hamburg“-Kette. 101 KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 234. 102 WWF-Studie (Fn. 1), S. 22. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 21 Häfen von einer Vielzahl weiterer komplexer Kriterien bestimmt (Kosten, Umschlagdauer, Hinterlandanbindung ), die die Hafenbetreiber nur eingeschränkt beeinflussen können. Dies wiederum lässt an der Substituierbarkeit der Häfen zweifeln.103 Angenommen, dass die Häfen in der Kette von Le Havre bis Hamburg für einzelne Schiffe jedoch tatsächlich austauschbar sind, so stehen die Hafenbetreiber auf dem relevanten sachlichen und geographischen Markt in Konkurrenz zueinander und sind somit Wettbewerber. 4.3.3. Vereinbarung über horizontale Zusammenarbeit Die Wettbewerber Hamburg Port Authority, bremenports und Niedersachsen Ports müssten eine Absprache oder eine Vereinbarung treffen, um den Tatbestand des Art. 101 AEUV zu erfüllen. Diese Vereinbarung kann in der Form eines Vertrags geschlossen werden; aber auch die sog. informellen gentlemen‘s agreements oder abgestimmte Verhaltensweisen unterfallen dem Kartellverbot (s.o. unter 3.1.). Wie genau eine Absprache zwischen den Hafenbetreiber ausgestaltet werden soll, wird in der WWF-Studie nicht näher bestimmt. Es wird aber im Folgenden angenommen , dass eine Vereinbarung getroffen würde oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen den Hafenbetreibern stattfinden würden. Dies kann z.B. durch eine Absprache über die Festsetzung von bestimmten Gebühren oder Entgelten (soweit die Betreiber dazu ermächtigt sind) oder durch einen Informationsaustausch von für die wirtschaftlichen Aufgaben der Hafenbetreiber relevanten Daten erfolgen. 4.3.4. Wettbewerbsbeschränkung Durch die von den Wettbewerbern, hier den Hafenbetreibern getroffene Vereinbarung müsste sodann eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt werden (s.o. unter 3.1.). Dabei kommt es auf den konkreten Inhalt der Vereinbarung an. Grundsätzlich wären nur solche Vereinbarungen problematisch, die sich auf Absprachen über nicht-hoheitliche bzw. wirtschaftlichen Aufgaben beziehen würden. Laut WWF-Studie wird durch die Zusammenarbeit bezweckt, „dass es für die großen Reedereien attraktiv wird, zuerst einen deutschen Hafen anzufahren. Abweichend von den heute überwiegend praktizierten Anlaufrotationen der Reedereien würde das aus Asien kommende Schiff nicht zuerst Antwerpen oder Rotterdam anlaufen, sondern den Jade Weser Port (JWP).“104 Eine solche Zielsetzung spielt also auf eine Absprache zum Nachteil der ausländischen Konkurrenzhäfen an. Fraglich ist aber, ob eine darauf bezogene Absprache auch tatsächlich geeignet wäre, den Wettbewerb grundsätzlich zu beschränken. 103 Kommission, Entscheidung vom 5. Juni 2008, Dok. Nr.: COMP/M.5066 EUROGATE/APMM S. 5. 104 WWF-Studie (Fn. 1), S. 7. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 22 Grundsätzlich wettbewerbswidrig sind nach dem EU-Kartellrecht unter anderem die Festsetzung von Preisen oder sonstiger Geschäftsbedingungen; die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung , des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen; und die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen (vgl. Art. 101 Abs. 1 lit. a – c AEUV). Im Falle von Hafenbetreibern betont die Kommission insbesondere die Gefahr von Preisabsprachen und der Festlegung von zu hohen Entgelten für wirtschaftliche Tätigkeiten bzw. Dienstleistungen gegenüber den Reedern.105 Soweit bereits die entgeltliche Zurverfügungstellung von Andockinfrastruktur als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist, wäre etwa eine in diesem Zusammenhang vorgenommene Preisabsprache der Hafenbetreiber kartellrechtlich bedenklich. Eine darauf bezogene Kooperation wird allerdings in der WWF-Studie nicht erwähnt. Angesprochen wird darin jedoch der Verzicht auf eine Hafenvertiefung. Dieser könnte kartellrechtlich problematisch sein, wenn der Verzicht einer sog. non-compete-Klausel106 gleichkommt. In dieser Konstellation würde auf eine Hafenvertiefung verzichtet werden, wenn im Gegenzug z.B. alle Schiffe mit weniger Tiefgang nach Hamburg gelenkt würden oder eine Zweitentladung grundsätzlich dort stattfinden soll. Für die betroffenen Schiffe und Reeder käme dies einer Angebotsbegrenzung und einer Marktaufteilung gleich. Zweifelhaft ist allerdings, ob ein solcher Verzicht auf der hier betroffenen Ebene der Hafenbetreiber kartellrechtlich überhaupt relevant werden kann. Denn er könnte von der Hamburg Port Authority nicht durchgesetzt werden kann, da die Entscheidung über die Elbvertiefung und seine Finanzierung letztlich bei den Ländern bzw. dem Bund und damit auf einer anderen (Kooperations-)Ebene liegt. Kartellrechtlich nicht unbedenklich ist ferner auch ein horizontaler Informationsaustausch. Die Kommission sieht einen solchen jedenfalls dann als problematisch an, wenn es sich dabei um „strategische Daten“ handelt, also um „Daten, die die strategische Ungewissheit auf dem Markt verringern“107. Ein Informationsaustausch der Hafenbetreiber der also beispielsweise eine gezielte Ladungslenkung bezweckt, die das Angebot für die Frachtschiffe faktisch verringern würde, könnte daher ebenfalls kartellrechtliche Fragen aufwerfen. Eine durch die Ladungslenkung resultierende Marktaufteilung wäre mit dem Kartellverbot allerdings nur dann unvereinbar, soweit dadurch beispielsweise die Häfen Amsterdam und Rotterdam benachteiligt würden und der Endverbraucher letztlich aus weniger Angeboten wählen könnte. Im Ergebnis kommt es aber auch hier wieder auf die konkrete Ausgestaltung der Kooperation an, so z.B. auch auf die Häufigkeit des Informationsaustausches.108 105 KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 232. Dies ist jedoch auch insbesondere ein Problem des Art. 102 AEUV, der sich mit dem Missbrauch dominanter Positionen im Wettbewerbsrecht befasst. 106 Vgl. dazu: Emberger/Peter, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, VO 139/2004/EG, Rn. 58ff. 107 KOM, Horizontalleitlinien (o. Fn. 53), Rn 86 108 So sieht dies zumindest die Kommission hinsichtlich des Austausches von Informationen im Bereich von Seeverkehrsdienstleistungen , vgl. Kommission, Leitlinien für die Anwendung von Artikel 81 des EG-Vertrags auf Seeverkehrsdienstleistungen, ABl.EU 2008/C 245/02, Ziff. 55. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 23 Aussagen der Kommission lassen einerseits die Annahme zu, dass selbst eine engere Zusammenarbeit , die beispielsweise auf die Ladungslenkung nach Schiffstypen und Verladekriterien abzielt , wettbewerbsrechtlich unbedenklich oder zumindest gerechtfertigt sein könnte (siehe dazu auch unter 4.3.7.): „Die Zusammenarbeit zwischen den Häfen, vor allem zwischen Häfen in enger geographischer Nachbarschaft, ist sehr begrüßenswert, da sie unter anderem zu einer Spezialisierung in Bezug auf Ladung oder Schiffstypen und zur Organisation und Poolbildung der Einrichtungen für die Anbindung an das Hinterland führen können. Dies würde sicherlich in vielen Fällen zu einem erhöhten Durchsatz führen.“109 Solche Aussagen enthalten zwar keinen Anspruch auf Positiventscheidung der Kommission, können jedoch einen wichtigen Anhaltspunkt für die Kartellrechtsprüfung darstellen. Betrachtet man die Hafenkooperation hingegen als gemeinsame Vermarktung der drei Häfen, so finden sich andererseits in den Horizontalleitlinien der Kommission auch kritische Aussagen. Denn in solchen Fällen liegt eine Zusammenarbeit „näher am Verbraucher und umfasst in der Regel die gemeinsame Festsetzung von Preisen und Verkaufszahlen, also die Praktiken mit den höchsten Risiken für den Wettbewerb.“110 Insoweit berge die gemeinsame Vermarktung eine Vielzahl an kartellrechtlichen Gefahren111; insbesondere gilt dies jedoch wenn die Vermarktung eine Preisfestsetzung zur Folge hat.112 Fraglich ist allerdings, ob und wie diese Kommissionsaussagen, die vor allem mit Blick auf „Waren“ und „Produkte“ getroffen wurden, auf eine Hafen- und damit Dienstleistungskooperation zu übertragen sind. Darüber hinaus käme es auch hier auf den Inhalt der Vereinbarung an. Ob eine Wettbewerbsbeschränkung vorliegen würde, hängt also maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Zusammenarbeit ab, die sich der WWF-Studie nicht entnehmen lässt. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass die Kommission in ihrer Mitteilung zur Hafenpolitik zumindest einen „Dialog“ zwischen den Interessensgruppen explizit befürwortet.113 Soweit also die Zusammenarbeit auf solche Dialoge oder auf Kooperationen bezüglich hoheitlicher Tätigkeiten beschränkt ist und nicht auf eine gemeinsame Vermarktung im Sinne der Horizontalleitlinien hinausläuft , liegen wettbewerbsrechtliche Probleme fern. Für den Fall, dass die Absprachen aber auch kartellrechtlich bedenkliche Aspekte berühren würden, wird im Folgenden auf die weiteren Kriterien der Kartellrechtsprüfung eingegangen. 109 KOM, Hafenmitteilung (o. Fn. 76), Ziff. 3.3. „Steigerung der Leistungsfähigkeit“. 110 KOM, Horizontalleitlinien (o. Fn. 53), Rn. 167 111 Vgl. KOM, Horizontalleitlinien (o. Fn. 53), Rn 230 – 236. 112 KOM, Horizontalleitlinien (o. Fn. 53), Rn 234. 113 KOM, Hafenmitteilung (o. Fn. 76),S. 15: Ziel des Dialogs sollte aber insbesondere die Effizienzsteigerung zur Schaffung von Arbeitsplätzen und die besseren Zusammenarbeit von Hafen und Städten im Bereich Umweltverschmutzung und Gefahrenabwehr sein. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 24 4.3.5. Zwischenstaatlichkeit: Beeinträchtigung des innerunionalen Handels Angenommen eine Wettbewerbsbeschränkung läge vor, so müsste diese auch den zwischenstaatlichen Handel spürbar beeinträchtigen; damit sollen Beeinträchtigungen des rein innerstaatlichen Wettbewerbs vom Anwendungsbereich des europäischen Kartellrechts ausgenommen werden . Da die norddeutschen Häfen in Konkurrenzen mit niederländischen, belgischen und ggf. auch französischen Häfen stehen (s.o. 4.3.2.), wäre jede wettbewerbswidrige Absprache geeignet, die Konkurrenten der anderen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit wäre daher gegeben. 4.3.6. De minimis und Spürbarkeit Um Bagatellfälle auszuschließen, muss die Wettbewerbsverfälschung auch spürbar sein (s.o. unter 3.1.). Bei der Frage nach der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung wird vor allem auf die Marktanteile der am Kartell beteiligten Unternehmen abgestellt.114 Da die drei norddeutschen Häfen einen Marktanteil von mehr als 5% auf dem relevanten Markt haben115, wäre von der Spürbarkeit der Beeinträchtigung grundsätzlich auszugehen. Zwar wird im Schrifttum teilweise argumentiert , dass auf der Transportkette der Ware vom Ursprungs- zum Bestimmungsort „die im Hafen anfallenden Kosten nur ein so geringer Teil der Gesamtkosten“ seien, dass eine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs auszuschließen sei.116 Angesichts der Substituierbarkeit der Häfen (s.o. unter 4.3.2.) ist davon allerdings nicht zwingend auszugehen. Außerdem reicht es nach Aussage der Kommission in den Horizontalleitlinien aus, wenn eine „wahrscheinliche“ negative Auswirkung auf „mindestens einen Wettbewerbsparameter des Marktes (z.B. Preis, Produktqualität , Produktvielfalt)“ angenommen werden kann.117 Die Spürbarkeitsvermutung der Kommission ab einem Marktanteil von mehr als 5% ist daher schwer zu widerlegen.118 Daher wäre im Folgenden von einer Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung auszugehen. 4.3.7. Rechtfertigung Das Kartellverbot kommt nicht zu Anwendung, wenn eine Absprache oder eine abgestimmte Verhaltensweise die Kriterien des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt. Das Beurteilungsrisiko liegt bei den 114 Vgl. dazu Kommission, Leitlinien vom 27.04.2004 über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags (im Folgenden: KOM, Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung ), ABl.EU C 101/81, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52004XC0427(06)&from=DE (letztmaliger Abruf am 13.04.15); Haratsch/Koenig /Pechstein, Europarecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 1132f. 115 Vgl. für genauere Zahlen: WWF-Studie (Fn. 1), S. 22. 116 So zumindest im Rahmen der Beihilfenproblematik Mellwig, Infrastrukturfinanzierung (o. Fn. 85), S. 146. Im Kartellrecht wird ähnlich argumentiert, da es oft eine Vielzahl an Parametern gibt, die den relevanten Markt ausmachen – ausschlaggebend ist jedoch in den meisten Fällen die Marktmacht bzw. die Marktanteile (vgl. KOM, Horizontalleitlinien (o. Fn. 53), Rn 44; KOM, Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung (o. Fn 114), Rn. 31) 117 KOM, Horizontalleitlinien (o. Fn. 53), Rn. 27. 118 Vgl. KOM, Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung (o. Fn 114) Rn. 50ff. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 25 Unternehmen – hier also den Hafenbetreibern –, aber die Leitlinien und Mitteilungen der Kommission bieten einen ersten Anhaltspunkt. Mangels konkreter Angaben zum Ausmaß und Inhalt der Absprachen zwischen den norddeutschen Hafenbehörden kann auf die Tatbestandsmerkmale (s.o. unter 3.1.) im Einzelnen nicht eingegangen werden. Grundsätzlich zielt Art. 101 Abs. 3 AEUV aber darauf ab, Koordinierungen zwischen Unternehmen trotz Wettbewerbsverfälschungen zuzulassen, wenn damit wichtige (auch außerökonomische ) Ziele verfolgt werden.119 Die Kommission hat beispielsweise bei einer Entscheidung über die Absprache von Waschmaschinenherstellern zur Einstellung des Verkaufs von energieineffizienten Waschmaschinen Aspekte des Umweltschutzes im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV berücksichtigt und bei positiven ökologischen Effekten eine Ausnahme vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV angenommen.120 Die Kommission führt unter dem Gesichtspunkt der Rechtfertigung des an sich wettbewerbswidrigen Verhaltens in ihrer Entscheidung aus: „b) Umweltnutzen für die Gesellschaft Nach Artikel 174 EG-Vertrag [heute Art. 191 AEUV] sollen Umweltschäden an der Quelle bekämpft werden. Die Gemeinschaft verfolgt das Ziel einer rationellen Nutzung der Naturschätze unter Berücksichtigung der potentiellen Kosten und des möglichen Nutzens diesbezüglicher Maßnahmen. […] Vernünftigen Annahmen zufolge scheint der aus der CECED-Vereinbarung resultierende Nutzen für die Gesellschaft die höheren Anschaffungskosten für energieeffizientere Waschmaschinen um mehr als das Siebenfache zu übersteigen. Derartige gesamtgesellschaftliche Ergebnisse für die Umwelt lassen den Verbrauchern eine angemessene Beteiligung am Gewinn zuteil werden, selbst sofern keine Vorteile für die einzelnen Käufer bestehen sollten. Der aufgrund der Vereinbarung erwartete Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz […], das Kosten-Nutzen-Verhältnis der neuen Norm und der Gewinn für die Benutzer führen zu der abschließenden Feststellung, dass die Vereinbarung geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt zu leisten, während die Verbraucher in angemessener Weise an dem entstehenden Gewinn beteiligt werden.“121 Schon daraus lässt sich schließen, dass die Kommission den Umweltnutzen eines Vorhabens sehr stark gewichtet und aus den positiven ökologischen Effekten einen „wesentlichen Beitrag zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt“ (Voraussetzung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV) herleitet. Auch konkret im Bereich der Hafenpolitik legt die Kommission einen Schwerpunkt auf Umweltaspekte: In ihrer Mitteilung zur europäischen Hafenpolitik erklärt sie die Verringe- 119 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 1135. 120 Kommission, Entscheidung 2000/475/EG (CECED), ABl.EU 2000 Nr. L 187, S. 47, Rn. 55ff. 121 Kommission, Entscheidung 2000/475/EG (CECED), ABl.EU 2000 Nr. L 187, S. 47, Rn. 55ff. (Hervorhebung d. Verf.) Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 26 rung der Schadstoffemissionen und Reduzierung der Treibhausgasen zu einer der wichtigsten Herausforderungen für europäische Häfen.122 Ziel der europäischen Hafenpolitik sei es, auf einen „umweltfreundlicheren Betrieb der Häfen“ hinzuwirken und dabei insbesondere die Vorgaben der europarechtlichen Rechtsvorschriften für den Umweltschutz (z.B. Habitatund Vogelrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie, Abfallrichtlinie) zu berücksichtigen.123 Auch in einer neueren Mitteilung von 2013 geht die Kommission auf den Bedarf an umweltfreundlicher Modernisierung der Häfen ein und legt den Häfen eine „Umweltmanagementstrategie “ und einer „Schärfung des Umweltprofils“ nahe.124 Soweit im vorliegenden Fall durch die Absprachen beispielsweise eine Elbvertiefung vermieden würde und dies nachweisbar positive ökologische Folgen hätte, würde dieser Aspekt also zumindest erleichternd in die kartellrechtliche Bewertung der Kommission miteinfließen . Ein etwaiger Verstoß gegen das Kartellrechtsverbot könnte dann im Rahmen einer Einzelfallprüfung des Art. 101 Abs. 3 AEUV unter Umständen gerechtfertigt werden. Eine Rechtfertigung durch die Legalausnahmen des Art. 101 Abs. 3 über die sog. Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO, s.o. unter 3.3.) ist demgegenüber vorliegend nicht ersichtlich .125 Die GVO sind nur für bestimmte Fallgruppen und Konstellationen vorgesehen, unter die eine Hafenkooperation bisher nicht fällt. Für eine weitergehende Analyse der Rechtfertigungsmöglichkeiten sind weitere Informationen über die konkretere Ausgestaltung der Kooperation nötig. 4.3.8. Zwischenergebnis Absprachen zwischen Wettbewerbern (d.h. Unternehmen, die auf demselben geographischen und sachlichen Markt tätig sind) sind zwar grundsätzlich kartellrechtlich bedenklich. Mehrere Gründe lassen aber Zweifel an der Kartellrechtswidrigkeit einer Kooperation der Hafenbetreiber zu. Zunächst ist fraglich, ob der Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV überhaupt erfüllt ist. Hinsichtlich des Kriteriums der Unternehmenseigenschaft ist problematisch, dass es sich bei den Aufgaben und den daraus folgenden Tätigkeiten der Hafenbetreiber nur eingeschränkt um wirtschaftliche , sondern überwiegend um hoheitliche Tätigkeiten (so z.B. bei sicherheits- und ordnungsrechtliche Aufgaben) handelt. Die genaue Abgrenzung zwischen hoheitlichen und wirt- 122 KOM, Hafenmitteilung (o. Fn. 76), S. 3. 123 KOM, Hafenmitteilung (o. Fn. 76), S. 3 und 5. 124 Kommission, Mitteilung vom 23.05.2013 Häfen als Wachstumsmotor. KOM(2013)295 endg. Online abrufbar unter : http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52013DC0295&qid=1426007317250&from=DE (letztmaliger Abruf am 13.04.15), Ziff. 2 und 3.5. 125 Nach Angabe von ESPO (European Sea Ports Organisation) erwägt die Kommission aber zumindest für das Beihilferecht , Investitionen in die Hafeninfrastruktur bis Dezember 2015 in die Gruppenfreistellungsverordnungen aufzunehmen („the Commission announced that DG Competition will explore the possibility to include certain types of port infrastructure investments in the General Block Exemption Regulation by December 2015“, ESPO Annual Report 2013/2014, S. 9, online abrufbar unter: http://www.espo.be/images/stories/Publications/annual _reports/espo_annual%20report%202014.pdf (letztmaliger Abruf am 13.04.15)) Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 27 schaftlichen Tätigkeiten ist im Bereich des Hafenbetriebs aber unklar. Es sind daher auch Konstellationen und Auslegungen denkbar, in denen Hafenbetreiber wirtschaftlich tätig werden, so z.B. bei der entgeltlichen Zurverfügungstellung von Andockungsinfrastruktur. Die Hafenbetreiber wären dann als Unternehmen im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu qualifizieren. Eventuelle Absprachen zwischen den Hafenbetreibern, die diese wirtschaftlichen Tätigkeiten betreffen, könnten dann einen Kartellverstoß darstellen, soweit sie geeignet sind, den zwischenstaatlichen Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen. Hinsichtlich der Wettbewerbsbeschränkung ist aber festzustellen , dass die Hafenbetreiber grundsätzlich nur wenige der für Frachtschiffe ausschlagegebenden Kriterien (Lage, Hinterlandanbindung, Zeitaufwand, Kosten, Kapazitätseinschränkungen) durch Absprachen beeinflussen können. Auch deswegen könnte eine Wettbewerbsbeschränkung eher fernliegend sein. Sofern es bei den Absprachen allerdings um die oben genannten Regelbeispiele (Preisfestsetzung etc.) geht, ist eine Wettbewerbsbeschränkung im Regelfall anzunehmen. Eine abschließende Bewertung ist mit dem derzeitigen Kenntnisstand jedoch nicht möglich. Soweit der Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV als erfüllt angesehen wird, könnte das kartellrechtswidrige Verhalten aber unter Umständen durch die Berücksichtigung von Umweltaspekten gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, dass die Kommission ausdrücklich Kooperationen und Dialog zwischen den Häfen begrüßt, wenn dadurch die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Häfen gesteigert wird. Soweit die Kooperation der Hafenbetreiber als kartellrechtlich unproblematisch oder gerechtfertigt angesehen würde, wäre zudem auch ein Hinwirken auf eine solche Zusammenarbeit (z.B. durch rechtsverbindliche oder rechtspolitische Vorgaben) im Rahmen einer politischen Kooperation der Länder (s.o. unter 4.2.) unproblematisch. 4.4. Kooperation auf Ebene der Terminalbetreiber Auf der dritten Ebene ist schließlich die Kooperation der größeren Terminalbetreiber (Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und die Firma Eurogate) kartellrechtlich zu beleuchten. 4.4.1. Unternehmen iSv Art. 101 AEUV Wohl unproblematischer als bei den Hafenbetreibern ist die Klassifizierung der Terminalbetreiber als Unternehmen im Sinne des Art. 101 AEUV. Sowohl HHLA als auch Eurogate erbringen gegenüber Reedern v. a. entgeltliche Dienstleistungen im Bereich der Organisation und des Umschlags der Schiffsladung. Dies sind unstreitig wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne des Art. 101 AEUV.126 4.4.2. Marktanalyse: geographischer und sachlicher Markt HHLA und Eurogate konkurrieren sowohl innerhalb eines Hafens (Hamburg) als auch hafenübergreifend , indem sie vergleichbare sachliche Leistungen (z.B. Verladen, Lotsen, Lagern von Waren , Umschlag der Schiffladung) für die Reeder anbieten. Sie stehen auch in Konkurrenz mit ausländischen Terminalbetreibern der Häfen in der Kette Le Havre (bzw. Antwerpen) bis Hamburg, sofern die Schiffe nicht auf einen bestimmten Hafen festgelegt sind (s.o. unter 4.3.2.). Im Hinblick 126 KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 231. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 28 auf die Wettbewerbssituation zwischen deutschen und ausländischen Terminalbetreibern wird die Substituierbarkeit der Leistungen zwar teilweise verneint, da die Kosten der Terminalbetreiber in Deutschland im Vergleich zum Ausland besonders hoch sind: „The German ports have generally the highest terminal handling charges, significantly higher than Rotterdam and Antwerp. The market investigation has indicated that shipping lines consider the level of stevedoring handling charges as one of the most important factors when selecting a port of call. “127 Die Kosten der Leistungen sind allerdings nicht das einzige bzw. ausschlaggebende Kriterium bei der Wahl des angelaufenen Hafens – für eine Vielzahl anderer Kriterien (z.B. Qualität und Organisation des Umschlags, Einlagern von Waren) sind die Leistungen der Terminalbetreiber durchaus vergleichbar. 128 Es ist daher für die nachstehende Analyse davon auszugehen, dass HHLA und Eurogate Wettbewerber sind. 4.4.3. Vereinbarung über horizontale Zusammenarbeit Es wird für die folgenden Ausführungen unterstellt, dass auch die Terminalbetreiber eine Absprache im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV treffen würden. Allerdings ist auch hier die konkrete Ausgestaltung dieser Absprachen in der WWF-Studie nicht vorgegeben. 4.4.4. Wettbewerbsbeschränkung Fraglich ist, ob die vorgesehene Kooperation der Terminalbetreiber eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken würde. Der Inhalt und die Ausgestaltung der Absprache ist bisher noch nicht bekannt. Die WWF-Studie sieht vor, dass Betriebsabläufe der Terminalbetreiber aufeinander abgestimmt werden sollen.129 Konkret könnte dies bedeuten, dass sich die Terminalbetreiber jeweils über zu Verfügung stehende Kapazitäten und Verladezeiten informieren würden . Zeitverluste zwischen der Erstentladung (im Tiefseehafen JWP) und der Zweitentladung (in Hamburg oder Bremerhaven) sollen dadurch vermieden werden. Durch solche Absprachen und Ladungslenkungen könnte der JWP als Transshipment Hafen gegenüber Rotterdam und Amsterdam an Bedeutung gewinnen, da für die Reeder ein reibungsloser(er) Ablauf hinsichtlich der Zweitentladung gewährleistet wird. Auch die Häfen Hamburg und Bremerhaven könnten profitieren , da die Zweitentladung bei diesen nahegelegenen Häfen dann attraktiver ist als eine weitere Entladung in einem ausländischen Hafen. Durch eine Absprache der Terminalbetreiber ist also eine Beschränkung des Wettbewerbs hinsichtlich der ausländischen Häfen denkbar. Auch wenn dies kein klassischer Fall einer Marktaufteilung nach Art. 101 Abs. 1 lit c AEUV wäre, da die ausländischen Häfen grundsätzlich weiterhin angelaufen werden könnten, kämen die Effekte durch die faktische Ausgrenzung der ausländischen Häfen möglicherweise einer kartellrechtlich problematischen Marktaufteilung gleich. 127 KOM, OECD-Stellungnahme (Fn. 72), S. 234; Kommission, Entscheidung vom 5. Juni 2008, Dok. Nr.: COMP/M.5066 EUROGATE/APMM, S. 5 128 Kommission, Entscheidung vom 5. Juni 2008, Dok. Nr.: COMP/M.5066 EUROGATE/APMM, S. 5. 129 WWF-Studie (Fn. 1), S. 39. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 29 Kartellrechtlich problematisch wäre es außerdem, wenn die Terminalbetreiber sich neben der Abstimmung der Betriebsabläufe auch über die zu erhebenden Entgelte absprechen. Dies würde einer Preisfestsetzung nach Art. 101 Abs. 1 lit. a AEUV entsprechen. Ob durch eine derartige Absprache der Wettbewerb tatsächlich spürbar beeinträchtigt würde, kann nicht abschließend beurteilt werden. Zwar ist ein Verstoß gegen die Regelbeispiele grundsätzlich problematisch. Gegen eine Kartellrechtswidrigkeit spricht aber, dass die Wahl des Hafens von einer Vielzahl von Kriterien abhängt, die von den Terminalbetreibern nicht umfassend beeinflusst werden können. Außerdem wird das Angebot für Verbraucher durch die Absprachen möglicherweise verbessert und regt zu weiteren Kooperationen an. Kooperationen und Dialog werden von der Kommission ausdrücklich begrüßt, auch auf Ebene der Terminalbetreiber. Es ist also bei der kartellrechtlichen Einschätzung spätestens auf Ebene der Rechtfertigung zu berücksichtigen , dass die Kommission eine engere Zusammenarbeit, die auf eine Ladungslenkung abzielt , grundsätzlich befürwortet (s.o. unter 4.3.4.). 4.4.5. Zwischenstaatlichkeit: Beeinträchtigung des innerunionalen Handels Angenommen eine Wettbewerbsbeschränkung liegt vor, so müsste diese auch den zwischenstaatlichen Handel spürbar beeinträchtigen. Da die Eurogate und HHLA in Konkurrenzen mit den Terminalbetreibern der niederländischen, belgischen und ggf. auch französischen Häfen stehen (s.o. 4.4.2.), ist jede wettbewerbswidrige Absprache geeignet, die Konkurrenten der anderen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit ist daher wohl gegeben. 4.4.6. De minimis und Spürbarkeit Bei der Frage nach der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung wird vor allem auf die Marktanteile abgestellt.130 Hinsichtlich der hafenübergreifenden Konkurrenzsituation müsste geklärt werden, wie viele andere Terminalbetreiber mit welchen Marktanteilen in den konkurrierenden Häfen tätig sind. Dies ist angesichts der Komplexität der Hafenorganisation mit den vorhandenen Informationen nicht eindeutig zu bestimmen (s.o. unter 4.1.).Wenn HHLA und Eurogate aber durch ihre Absprachen die drei norddeutschen Häfen auf Ebene der Terminalbetreiber quasi „beherrschen“ und diese wiederum einen wesentlichen Marktanteil ausmachen, wäre von einer Spürbarkeit der Beeinträchtigung für die anderen europäischen Terminalbetreiber auf demselben geographischen Markt wohl auszugehen. 4.4.7. Rechtfertigungsgründe Sofern von einem Verstoß gegen das Kartellverbot ausgegangen würde, könnte dieser dennoch gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden. Zur Möglichkeit einer Rechtfertigung insbesondere unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte wird auf die Ausführungen unter 4.3.7. verwiesen. 130 Vgl. dazu Kommission, Leitlinien vom 27.04.2004 über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags, ABl.EU C 101/81, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52004XC0427(06)&from=DE (letztmaliger Abruf am 13.04.15); Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 1132f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 30 4.4.8. Zwischenergebnis Einen Kartellverstoß aufgrund einer Vereinbarung der Terminalbetreiber anzunehmen, liegt insoweit näher als bei den Hafenbetreibern, da erstere unstreitig wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben und damit Unternehmen im Sinne des Art. 101 AEUV sind. Allerdings ist bereits fraglich, ob die Terminalbetreiber innerhalb eines Hafens oder hafenübergreifend kooperieren sollen und wie eine solche Kooperation konkret ausgestaltet wäre. Ein Verstoß gegen die Regelbeispiele des Art. 101 AEUV wäre jedenfalls kartellrechtlich problematisch. Dazu gehört z.B. die Preisfestsetzung von Entgelten, die für Leistungen gegenüber den Reedern (z.B. Entladung von Schiffen) erhoben werden. Die Kommission steht aber auch auf Ebene der Terminalbetreiber einer Zusammenarbeit grundsätzlich positiv gegenüber. Außerdem könnte eine Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV unter Umständen gerechtfertigt werden. Soweit die Kooperation der Terminalbetreiber als kartellrechtlich unproblematisch oder gerechtfertigt angesehen würde, wäre zudem auch ein Hinwirken auf eine solche Zusammenarbeit (z.B. durch rechtsverbindliche Vorgaben) im Rahmen einer politischen Kooperation der Länder (s.o. unter 4.2.) unproblematisch. 4.5. Weitere wettbewerbsrechtliche Aspekte Anschließend an eine horizontale Kooperation innerhalb der einzelnen oben dargestellten Ebenen ist auch eine vertikale Kooperation zwischen den Akteuren im Hafenbereich denkbar. Eine erfolgreiche Ladungslenkung wäre beispielsweise wohl nur ausführbar, wenn sowohl Länder als auch Hafenbetreiber und Terminalbetreiber miteinander kooperieren. Für eine solche vertikale Kooperation gelten aber die oben getroffenen kartellrechtlichen Ausführungen entsprechend; letztlich käme es auch hier wieder auf den konkreten Inhalt bzw. die Ausgestaltung der Kooperation an. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die in der WWF-Studie beschriebene Hafenkooperation vergaberechtliche Probleme aufwerfen könnte. Soweit vorgeschlagen wird, dass sich die HHLA als weiterer Terminalbetreiber im JWP engagiert und es sich hierbei um eine Konzessionsvergabe handelt, wäre das insoweit einschlägige EU-Vergaberecht zu beachten. 131 Es wäre daher nicht ohne weiteres möglich, die HHLA dort einzusetzen. 5. Zusammenfassung Die Kooperation von Hafenakteuren auf Ebene der Länder, Hafenbetreiber und Terminalbetreiber ist kartellrechtlich durchaus relevant, wobei sich die konkrete Subsumtion unter den Tatbestand des Kartellrechtverbots aus Art. 101 AEUV angesichts der Komplexität des Hafenbetriebs einerseits sowie der nur rudimentären Vorgaben in der WWF-Studie zum Inhalt der Kooperation andererseits als schwierig erweist. 131 Vgl. für eine umfassende Darstellung dazu Wankmüller/Müller/Braun, Das neue Vergaberecht – Eine systematische Darstellung der neuen EU-Vergaberichtlinien 2014, 1. Aufl. 2014. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 14/15 Seite 31 Da sich das Kartellverbot vorrangig an Unternehmen wendet, ist zunächst die Unternehmereigenschaft ein maßgebliches Kriterium der Kartellrechtsprüfung. Während die Terminalbetreiber unstreitig wirtschaftliche Tätigkeiten erbringen und somit als Unternehmen zu klassifizieren sind, ist die Einordnung der Hafenbetreiber schwieriger. Die Kooperation der Länder wäre nur dann bedenklich, wenn diese beispielsweise nationale Vorschriften erlassen, die die Unternehmen im Hafenbetrieb zu einem kartellrechtwidrigen Verhalten zwingen würden. Soweit die Kooperation der ggf. wirtschaftlich tätig werdenden Hafenbetreiber und Terminalbetreiber aber als kartellrechtlich unproblematisch oder gerechtfertigt angesehen würde, wäre auch ein Hinwirken auf eine solche Zusammenarbeit durch die Länder unproblematisch. Kartellrechtswidrig sind darüber hinaus nur solche Verhaltensweisen oder Absprachen, die geeignet sind, den innerunionalen Wettbewerb zu beeinträchtigen. Zwar stehen die norddeutschen Häfen in Konkurrenz zu belgischen, niederländischen und französisch Häfen; es bleibt aber fraglich , ob eine Kooperation der betroffenen norddeutschen Häfen tatsächlich Einfluss auf die Wettbewerbssituation haben könnte, insbesondere da die Hafenwahl der Reeder von einer Vielzahl von Kriterien abhängt, die von den Hafen- sowie Terminalbetreibern nur zu einem geringen Teil beeinflusst werden können. Soweit eine Wettbewerbsbeeinträchtigung aber angenommen würde, könnte ein Verstoß gegen das Kartellverbot gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte u. U. gerechtfertigt werden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die Kommission eine Kooperation von Häfen sogar ausdrücklich begrüßt, soweit dies der Effizienzsteigerung und verbesserten Klimabilanz dient. Eine Zusammenarbeit im Hafenbereich stellt somit jedenfalls nicht per se einen Verstoß gegen europäisches Kartellrecht dar – ob ein solcher vorliegt ist vielmehr eine Frage der konkreten Ausgestaltung der vorgeschlagenen Kooperation. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist daher auf Grundlage der aktuellen Informations- und Rechtslage nicht möglich. - Fachbereich Europa -