© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 013/20 Einzelfragen zur Auslegung der Richtlinie 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 2 Einzelfragen zur Auslegung der Richtlinie 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 013/20 Abschluss der Arbeit: 2. März 2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Beantwortung der Fragen 4 2.1. Zur Möglichkeit der Einführung einer Sonderkategorie für „Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak“ 4 2.1.1. Differenzierungsverbot gemäß Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL 4 2.1.2. Auslegung des Begriffs „Rauchtabak“ gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c Tabaksteuer-RL 7 2.1.3. Zwischenergebnis 11 2.2. Zur Möglichkeit der Besteuerung von „tabakfreien Rauch- und Dampfprodukte (z.B. Liquids für E-Zigaretten)“ 11 3. Ergebnis 12 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 4 1. Einleitung Der Fachbereich wurde um eine Einschätzung gebeten, ob die Richtlinie 2011/64/EU1 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (Tabaksteuer-RL) einer angedachten Änderungen des Tabaksteuergesetzes2 (TabStG) entgegenstehen würde. Zum einen geht es um Überlegungen, eine neue Kategorie für „Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak“ im TabStG zu schaffen, so dass diese nicht mehr wie Pfeifentabak besteuert würden (hierzu unter 2.1.). Zum anderen geht es um Überlegungen, „tabakfreie Rauch- und Dampfprodukte (z.B. Liquids für E-Zigaretten)“ in Deutschland mit der Tabaksteuer zu besteuern, ohne dass die Tabaksteuer-RL geändert wird (hierzu unter 2.2.). 2. Beantwortung der Fragen 2.1. Zur Möglichkeit der Einführung einer Sonderkategorie für „Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak“ Es ist die Frage zu klären, ob es mit der Tabaksteuer-RL vereinbar wäre, eine neue Kategorie für Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak im TabStG zu schaffen, so dass diese nicht mehr wie Pfeifentabak besteuert würden. Eine solche Differenzierung könnte möglicherweise gegen Art. 14 der Tabaksteuer-RL verstoßen. Die Bestimmung regelt die Anforderungen für bestimmte andere Gruppen von Tabakwaren als Zigaretten (u.a. für „anderen Rauchtabak“) hinsichtlich der in jedem Mitgliedstaat zu erhebenden Mindestverbrauchsteuer. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob die spezielle Vorschrift in Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL für derartige innerstaatliche Differenzierungen überhaupt einschlägig ist (2.1.1.). Da dies, wie zu zeigen sein wird, der Fall ist, wird in einem zweiten Schritt untersucht, ob Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak unter eine der von Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL erfassten Gruppen von Tabakwaren fallen. Hierfür ist der Begriff anderer „Rauchtabak“ gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 5 Abs. 1 Tabaksteuer-RL auszulegen (2.1.2.). 2.1.1. Differenzierungsverbot gemäß Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL Art. 2 Abs. 1 Tabaksteuer-RL unterscheidet drei Gruppen von Tabakwaren: „Artikel 2 1 Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren. 2 Tabaksteuergesetz vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1870), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 27. August 2017 (BGBl. I S. 3299) geändert worden ist. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 5 (1) Für die Zwecke dieser Richtlinie umfasst der Begriff „Tabakwaren“: a) Zigaretten; b) Zigarren und Zigarillos; c) Rauchtabak: i) Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten, ii) anderen Rauchtabak.“ § 1 Abs. 2 der geltenden Fassung des TabStG übernimmt diese Kategorisierung: „§ 1 Steuergebiet, Steuergegenstand (1) […] (2) Tabakwaren sind 1. Zigarren oder Zigarillos: […] 2. Zigaretten: […] 3. Rauchtabak (Feinschnitt und Pfeifentabak): […].“ Die Einführung einer neuen Kategorie für „Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak “ würde somit bedeuten, dass eine von „Rauchtabak“ zu unterscheidende, vierte Kategorie hinzuträte. Eine solche Differenzierung könnte möglicherweise gegen Art. 14 Abs. 3 der Tabaksteuer -RL verstoßen. Die Bestimmung lautet: „Artikel 14 […] (3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Sätze bzw. Beträge gelten für sämtliche Erzeugnisse der betreffenden Gruppe von Tabakwaren ohne Unterscheidung innerhalb dieser Gruppe nach Qualität, Aufmachung, Herkunft der Erzeugnisse, verwendetem Material, Charakteristiken der beteiligten Unternehmen oder anderen Kriterien.“ Die Bedeutung dieser Bestimmung erschließt sich mit Blick auf Art. 13 und 14 Abs. 1 und 2 Tabaksteuer -RL, welche Vorgaben für die in den Mitgliedstaaten auf die dort genannten Gruppen von Tabakwaren zu erhebende Mindestverbrauchsteuer festlegen. Nach Art. 14 Abs. 1 können die Mitgliedstaaten grundsätzlich zwischen drei Modellen wählen: einer Ad-Valorem-Verbrauchsteuer (Buchst. a), einer spezifischen Verbrauchsteuer (Buchst. b) und einer Kombinationen aus Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 6 diesen beiden Modellen (Buchst. c). Art. 14 Abs. 2 legt darüber hinaus bestimmte Mindestprozentsätze und Mindestbeträge für die verschiedenen Gruppen von Tabakwaren fest. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die ergänzende Vorgabe in Art. 14 Abs. 3 darauf abzielt, zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung innerhalb der jeweiligen Gruppe von Tabakwaren weitere Differenzierungen vornehmen, die darauf hinauslaufen, dass nicht für sämtliche Erzeugnisse der betreffenden Gruppe von Tabakwaren die gleichen Sätze und Beträge Anwendung finden. Die nicht abschließende Aufzählung von unzulässigen Differenzierungskriterien („[…] oder anderen Kriterien“) verdeutlicht, dass offenbar keinerlei Differenzierung innerhalb der jeweiligen Gruppe erlaubt sein soll. Insoweit belässt Art. 14 Tabaksteuer-RL den Mitgliedstaaten zwar einen Spielraum hinsichtlich der Wahl eines der genannten Steuermodelle (Abs. 1) sowie hinsichtlich der Festlegung der Höhe der Sätze und Beträge unter Beachtung der Mindestsätze und -beträge (Abs. 2). Die jedoch in Ausübung dieses Spielraums von den Mitgliedstaaten für die jeweiligen Gruppen innerstaatlich getroffene konkrete Festlegung ist dann für „sämtliche Erzeugnisse der betreffenden Gruppe von Tabakwaren“ einzuhalten (Abs. 3). Für dieses Verständnis der Bestimmung Art. 14 Abs. 3 spricht auch das Ziel der Richtlinie, das – wie sich insbesondere aus dem 9. Erwägungsgrund ergibt – darin besteht sicherzustellen „[…] dass der Wettbewerb zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren durch die Folgen der Besteuerung nicht verfälscht wird […]“. Auf die Bedeutung dieser Zielsetzung der Tabaksteuer-RL hat der EuGH etwa in seinem Urteil der Rechtssache Smits Koolhoven hingewiesen und damit auch das Erfordernis einer autonomen Auslegung der maßgeblichen Begriffe der Richtlinie begründet.3 Dieses Ziel hat in weiteren Bestimmungen der Richtlinie Ausdruck gefunden. Neben den Bestimmungen über „gleichgestellte Erzeugnisse“ (Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 3) ist insbesondere auf die Parallelbestimmung für Zigaretten in Art. 7 Abs. 2 hinzuweisen , die noch deutlicher formuliert: „Artikel 7 (1) […] (2) Der Satz der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer müssen für alle Zigaretten gleich sein.“ Besonders vor diesem Hintergrund ist auch keine alternative Lesart der Bestimmungen in Art. 14 Abs. 3 ersichtlich, die den Mitgliedstaaten einen Spielraum für entsprechende Differenzierungen innerhalb einer Gruppe von Tabakwaren einräumen würde, ohne ihren Regelungsgehalt auf eine überflüssige Bekräftigung der Vorgaben in Art. 14 Abs. 1 und 2 zu reduzieren und die praktische Wirksamkeit der von der Richtlinie bezweckte Verhinderung von Wettbewerbsverfälschungen zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren zu vermindern. Eine solche alternative Lesart wäre überdies bereits deshalb fragwürdig, weil es mit Art. 7 Abs. 2 dann lediglich für Zigaretten eine solche Bestimmung gäbe, nicht aber für die anderen Kategorien von Tabakwaren. Es ist nicht ersichtlich, womit eine solche Inkohärenz zu rechtfertigen wäre. 3 EuGH, Rs. C-495/04, Smits Koolhoven, Rn. 17. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 7 Allenfalls ließe sich die Frage aufwerfen, ob eine Regelung wie Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL, die den Mitgliedstaaten jegliche Differenzierung innerhalb der erkennbar als Auffangtatbestand konzipierte Kategorie „Rauchtabak“ untersagt, möglichweise mit dem Gleichheitsgrundsatz in Art. 20 Charta der Grundrechte in Konflikt geriete. Hierfür wäre darzulegen, weshalb sich die betreffenden Tabakwaren, für die ein Mitgliedstaaten eine Sonderkategorie einzuführen beabsichtigt (z.B. Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak), von sonstigen Rauchtabakerzeugnissen (z.B. Pfeifentabak) in einer Weise unterscheiden, die den pauschalen Ausschluss einer Differenzierungsmöglichkeit im Rahmen der Umsetzung als gleichheitswidrig erscheinen lassen könnte. Dem Fachbereich liegen nicht ausreichend Informationen vor, um dies an dieser Stelle näher zu beurteilen, zumal bei der Anwendung des Gleichheitssatzes auf derartige Konstellationen grundlegende Unsicherheiten bestehen.4 Somit ist im Ergebnis davon auszugehen, dass Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Vorgaben zur Mindestverbrauchsteuer nach Art. 14 Abs. 1 und 2 Tabaksteuer -RL grundsätzlich jede Differenzierung innerhalb der jeweiligen Gruppe von Tabakwaren untersagt. 2.1.2. Auslegung des Begriffs „Rauchtabak“ gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c Tabaksteuer-RL Die Anwendung von Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL auf Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak setzt allerdings voraus, dass diese Erzeugnisse unter eine der von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und c (bzw. Art. 13 Abs. 1 Buchst. a-c) Tabaksteuer-RL erfassten Kategorien von Tabakwaren fällt. Denn sollte dies nicht der Fall sein, wäre die Tabaksteuer-RL insgesamt nicht anwendbar . Vorliegend kommt insbesondere eine Anwendung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c Tabaksteuer-RL über „Rauchtabak“ in Betracht, der neben „Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten“ auch „anderen Rauchtabak“ einschließt. Eine nähere Begriffsbestimmung enthält Art. 5 Abs. 1 Tabaksteuer -RL: „Artikel 5 (1) Für die Zwecke dieser Richtlinie umfasst der Begriff „Rauchtabak“: a) geschnittenen oder anders zerkleinerten, gesponnenen oder in Platten gepressten Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet; b) zum Einzelverkauf aufgemachte und zum Rauchen geeignete Tabakabfälle, die nicht unter Artikel 3 und Artikel 4 Absatz 1 fallen. Für die Zwecke dieses Artikels gelten als Tabakabfälle Überreste von Tabakblättern und bei der Verarbeitung von Tabak oder bei der Herstellung von Tabakwaren anfallende Nebenerzeugnisse.“ Die Erfassung von Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak als anderer „Rauchtabak “ im Sinne von Buchst. a dieser Begriffsbestimmung könnte vorliegend allenfalls insoweit 4 Näher zum Ganzen siehe Fuchs, Das Gleichbehandlungsverbot im Unionsrecht, 2015. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 8 fraglich sein, als es sich dabei um Erzeugnisse handelt, bei denen der vom Konsumenten inhalierte Rauch nicht durch Verbrennung sondern durch Erhitzung entsteht.5 Diese Erzeugnisse werden auch als „Heated Tobacco Products“ (HTP) oder „Heat-not-Burn“-Erzeugnisse (HNB) bezeichnet .6 Soweit ersichtlich, wurde diese konkrete Frage vom EuGH noch nicht entschieden. Ein noch anhängiges Vorabentscheidungsersuchen eines litauischen Gerichts könnte diesbezüglich demnächst Klarheit bringen.7 Die Vorlage bezieht sich zwar unmittelbar auf andere Fragen, die jedoch ihrerseits die Einordnung von Wasserpfeifentabak als „Rauchtabak“ voraussetzen. Letztlich dürfte es jedoch für den Begriff „Rauchtabak“ nicht darauf ankommen, ob der Tabak durch Erhitzung oder mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert wird, wie die nachfolgenden Auslegungsgesichtspunkte verdeutlichen: Der Wortlaut der zitierten Begriffsbestimmung enthält keinen expliziten Hinweis darauf, dass der Begriff „Rauchtabak“ auf Tabakerzeugnisse beschränkt wäre, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden können. Die Vorschrift bestimmt lediglich, dass es sich um Tabak handeln muss, „der sich […] zum Rauchen eignet“. Dieses Erfordernis ist allen von der Tabaksteuer- RL erfassten Tabakwaren gemein, wie sich aus den Begriffsbestimmung für Zigaretten (Art. 3 Abs. 1) und der für Zigarren und Zigarillos (Art. 4 Abs. 1) ergibt. Wenngleich der Tabak bei diesen anderen Tabakwaren wohl üblicherweise verbrannt wird, zwingt dies in begrifflicher Hinsicht nicht zu dem Schluss, dass auch bei „Rauchtabak“ ein Verbrennungsprozess als implizite Voraussetzung mitzulesen wäre. Hierfür spricht auch der allgemeine Sprachgebrauch, nach dem etwa eine Wasserpfeife „geraucht“ wird.8 Auch der der Richtlinie vorangegangene Rechtssetzungsprozess liefert keine näheren Hinweis auf eine möglicherweise vom Richtliniengeber beabsichtigte Beschränkung des Begriffs „Rauchtabak “ dahingehend, dass Tabakerzeugnisse, bei denen die vom Konsumenten zu inhalierenden 5 Der unklare Status von Tabakerhitzern wird auch erwähnt in: Europäische Kommission, Studie zur Richtlinie 2011/64/EU des Rates über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren, veröffentlicht am 11.2.2020, S. 11, abrufbar unter: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/562cbd46-4d4b-11eaaece -01aa75ed71a1/language-de. 6 Europäische Kommission, Study on Council Directive 2011/64/EU on the structure and rates of excise duty applied to manufactured tobacco, Final report. Volume 1, siehe u. a. S. 114 f., 121, 236, abrufbar unter (nur auf Englisch): https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/8c9dd329-4d4f-11ea-aece- 01aa75ed71a1/language-en. Vgl. auch Bericht der Kommission an den Rat über die Richtlinie 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren vom 12.1.2018, COM(2018), 17 final, S. 4. 7 Vorabentscheidungsersuchung, Rs. C-674/19, Skonis ir kvapas. 8 So auch die Einschätzung im Hinblick auf die Auslegung der Umsetzungsbestimmungen in § 1 Abs. 2 Nr. 3 Tab- StG in Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 5.3.2014, Az. 20 ZB 13.2439, Rn. 6; siehe auch BGH, Beschluss vom 27.7.2016, Az. 1 StR 19/16, Rn. 5. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 9 Stoffe (lediglich) durch Erhitzung aus dem Tabak gelöst werden, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden sollten.9 In systematischer Hinsicht ist festzustellen, dass die Richtlinie 2014/40/EU10 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sehr viel differenzierte Begriffsbestimmungen über die von der Richtlinien erfassten Erzeugnisse enthält. Die Begriffsbestimmungen gemäß Art. 2 Nr. 2, 10, 11, 15 Richtlinie 2014/40/EU für Pfeifentabak, Zigaretten , Zigarren und pflanzliche Raucherzeugnisse stellen explizit darauf ab, dass das Erzeugnis „mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden kann“, und sich insoweit von „rauchlosen Tabakerzeugnissen“ (Art. 2 Nr. 5) unterscheidet. Im Einklang mit dieser grundlegenden Unterscheidung wird die Einordnung von „Wasserpfeifentabak“ als Rauchtabakerzeugnis nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 13 der Richtlinie 2014/40/EU lediglich fingiert („gilt […] als“). Das Begriffssystem der Richtlinie 2014/40/EU erlaubt jedoch nicht etwa einen Rückschluss dahingehend , dass auch der Tabaksteuer-RL ein Vorverständnis zugrunde gelegen haben muss, wonach ein „zum Rauchen“ geeignetes Tabakprodukt lediglich solche Erzeugnisse erfasst, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden können. Dies zeigt sich zum einen bereits an den ergänzenden Verweisen in Art. 2 Nr. 10 und 11 Richtlinie 2014/40/EU auf die Begriffsbestimmungen Richtlinie 2011/64/EU, derer es nicht bedurft hätte, wenn bereits diese Begriffen auf Erzeugnisse beschränkt wären, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden können . Zum anderen wird man die Begriffsbestimmungen der Richtlinie 2014/40/EU auch im Verhältnis zu ihrer Vorgängerrichtlinie (Richtlinie 2001/37/EG11) als grundlegende Neuerung ansehen müssen, welche lediglich zwischen „Tabakerzeugnissen“ („Erzeugnisse, die zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt sind, sofern sie ganz oder teilweise aus Tabak bestehen , […]“) und „Tabak zum oralen Gebrauch“ unterschied. Diesbezüglich enthalten weder die Begründungserwägungen der Richtlinie 2014/40/EU (siehe 3. Begründungserwägung), noch der Kommissionvorschlag12 nähere Hinweise. Dass es für den Begriff „Rauchtabak“ gemäß Art. 5 Abs. 1 Tabaksteuer-RL („[…] Tabak, der sich […] zum Rauchen eignet“) nicht darauf ankommt, ob das Erzeugnis mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert wird, bestätigt sich auch ganz maßgeblich mit Blick auf die Zielsetzung der 9 Bei der Tabaksteuer-RL handelt es sich um eine Kodifizierung mehrerer bis dahin geltender Richtlinien, die jedoch ihrerseits keine näheren Anhaltspunkte für eine Auslegung des Begriffs „Rauchtabak“ liefern, vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (kodifizierte Fassung), KOM(2007) 587 endg., S. 2 f., dort mit weiteren Nachweisen. 10 Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG. 11 Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen. 12 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, COM(2012) 788 final. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 10 Tabaksteuer-RL. Diese fasst der EuGH in seinem Urteil der Rechtssache Eko-Tabak zusammen und schließt daraus allgemein, dass der Begriff „Rauchtabak“ nicht eng ausgelegt werden dürfe: „17 Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie 2011/64 nach ihrem Art. 1 zum Gegenstand hat, allgemeine Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern zu bestimmen, denen die Tabakwaren in den Mitgliedstaaten unterliegen . Die Richtlinie gehört somit zu den Steuervorschriften der Union für Tabakwaren, die nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und gleichzeitig ein hohes Gesundheitsschutzniveau gewährleisten sollen. 18 Ferner soll die Richtlinie 2011/64 nach ihrem dritten Erwägungsgrund gewährleisten , dass die in den Mitgliedstaaten auf die Erzeugnisse des Tabakwarensektors erhobenen Verbrauchsteuern die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälschen und den freien Verkehr dieser Erzeugnisse in der Union nicht behindern. Insbesondere sollten laut dem achten Erwägungsgrund Waren, die in vielerlei Hinsicht den unter die Richtlinie fallenden Waren ähneln, wie diese behandelt werden, und nach dem neunten Erwägungsgrund muss die Harmonisierung der Strukturen der Verbrauchsteuern dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren durch die Folgen der Besteuerung nicht verfälscht wird und dass es zur Öffnung der nationalen Märkte der Mitgliedstaaten kommt. […] 24 Angesichts der in den Rn. 17 und 18 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Ziele der Richtlinie darf der Begriff „Rauchtabak“ nicht eng ausgelegt werden.“ (Unterstreichung hinzugefügt) Dieses Ergebnis deckt sich im Übrigen auch mit der Einschätzung der Europäischen Kommission, die in einem Bericht13 an den Rat mit Blick auf „Heat-not-Burn“-Erzeugnisse formuliert: „Die Kommission vertritt die Ansicht, dass es angesichts der Neuartigkeit und der ständigen Entwicklung des Marktes derzeit äußerst schwierig wäre, eine harmonisierte explizite Definition zu formulieren, die die Erzeugnisse sowohl in ihrer aktuellen Form als auch in noch zu entwickelnden Formen erfassen würde. Einige dieser Erzeugnisse werden – wenn auch indirekt – bereits von der Richtlinie erfasst, da sie Tabak enthalten. Der Kommission zufolge könnten sie beispielsweise zu demselben Satz besteuert werden, der in der Richtlinie für Rauchtabak festgesetzt wird. Auch diesen Punkt wird die Kommission im Rahmen der nächsten REFIT-Evaluierung und des gemäß Artikel 19 der Richtlinie 2011/64/EU fälligen Berichts zur Tabakbesteuerung erneut prüfen.“ Es ist festzuhalten, dass Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak unter den Begriff „anderer Rauchtabak“ gemäß Art. 5 Abs. 1 Tabaksteuer-RL zu fassen sind und das Differenzierungsverbot in Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL somit vorliegend Anwendung findet. 13 Bericht der Kommission an den Rat über die Richtlinie 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren vom 12.1.2018, COM(2018) 17 final, S. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 11 2.1.3. Zwischenergebnis Die Einführung einer neuen Kategorie für Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak im TabStG, so dass diese nicht mehr wie Pfeifentabak besteuert würden, wäre grundsätzlich nicht mit Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL vereinbar. 2.2. Zur Möglichkeit der Besteuerung von „tabakfreien Rauch- und Dampfprodukte (z.B. Liquids für E-Zigaretten)“ Es ist die Frage zu klären, ob es mit der Tabaksteuer-RL vereinbar wäre, tabakfreie Rauch- und Dampfprodukte (z.B. Liquids für E-Zigaretten) in Deutschland mit der Tabaksteuer zu besteuern. Die Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 Tabaksteuer-RL erfasst verschiedene Gruppen von Tabakwaren . Erfasst werden hiervon ausschließlich Erzeugnisse, die aus Tabak bestehen (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Tabaksteuer-RL). Allerdings enthält die Tabaksteuer-RL in Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 3 auch Vorschriften über gleichgestellte Erzeugnisse: „Artikel 2 (1) […] (2) Zigaretten und Rauchtabak gleichgestellt sind Erzeugnisse, die ausschließlich oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen Kriterien des Artikels 3 oder des Artikels 5 Absatz 1 entsprechen. Abweichend von Unterabsatz 1 gelten Erzeugnisse, die keinen Tabak enthalten, nicht als Tabakwaren, falls sie ausschließlich medizinischen Zwecken dienen.“ „Artikel 4 […] (3) Zigarren und Zigarillos gleichgestellt sind Erzeugnisse, die teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen Kriterien des Absatz 1 entsprechen.“ (Unterstreichung hinzugefügt) Wenngleich diese Vorschriften die von ihnen erfassten „anderen Stoffe als Tabak“ nicht näher spezifizieren, so dürfte sich jedoch bereits aus den in Bezug genommenen „übrigen Kriterien“ eine Eingrenzung auf in erster Linie aus Pflanzenbestandteilen wie Blättern bestehende Produkte ergeben (Art. 4 „aus natürlichem Tabak“ „entripptem Mischtabak“, Art. 5 „geschnittenen oder anders zerkleinerten, gesponnenen oder in Platten gepressten Tabak“), die jedenfalls bei Liquids für E-Zigaretten nicht erfüllt wäre. Dieses Ergebnis deckt sich im Übrigen mit der Einschätzung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 013/20 Seite 12 der Europäischen Kommission, die ebenfalls davon ausgeht, dass „E-Zigaretten […] derzeit nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie über Verbrauchsteuern auf Tabak“14 fallen. Auf pflanzliche „tabakfreie Rauch- und Dampfprodukte“ wie etwa Kräuterzigaretten15 wären die Vorschriften der Tabaksteuer-RL über gleichgestellte Erzeugnisse dagegen grundsätzlich anwendbar . 3. Ergebnis Die Einführung einer neuen Kategorie für Tabaksticks für Tabakerhitzer und Wasserpfeifentabak im TabStG, so dass diese nicht mehr wie Pfeifentabak besteuert würden, wäre grundsätzlich nicht mit Art. 14 Abs. 3 Tabaksteuer-RL vereinbar. Die Besteuerung von Liquids für E-Zigaretten in Deutschland wäre mit der Tabaksteuer-RL vereinbar , da diese hierauf keine Anwendung findet. Auf pflanzliche „tabakfreie Rauch- und Dampfprodukte “ wie etwa Kräuterzigaretten sind die Vorschriften der Tabaksteuer-RL über gleichgestellte Erzeugnisse dagegen grundsätzlich anwendbar. - Fachbereich Europa - 14 Bericht der Kommission an den Rat über die Richtlinie 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren vom 12.1.2018, COM(2018) 17 final, S. 3. 15 Siehe hierzu EuGH, Rs. C-495/04, Smits Koolhoven.