© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 – 12/14 Fragen zu den Ratifikationserfordernissen des Comprehensive Economic and Trade Agreements (CETA) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 2 Fragen zu den Ratifikationserfordernissen des Comprehensive Economic and Trade Agreements (CETA) Aktenzeichen: PE 6 - 3000 – 12/14 Abschluss der Arbeit: 07. Februar 2014 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 5. Folgerungen für die Beteiligung des Deutschen Bundestages 10 5.1. Bestehen einer Ratifikationslage 10 5.2. Parlamentsbeteiligung bei Abschluss eines EU-Abkommens 10 5.3. Parlamentsbeteiligung bei Abschluss eines gemischten Abkommens 11 6. Ergebnis 12 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 4 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 5 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 6 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 7 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 8 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 9 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 10 5. Folgerungen für die Beteiligung des Deutschen Bundestages Sollte es sich bei dem geplanten CETA um ein gemischtes Abkommen handeln, ist eine Ratifikation des Abkommens sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene erforderlich. 5.1. Bestehen einer Ratifikationslage Zur Ratifikation kann es erst kommen, wenn im Rahmen der Verhandlungen eine Einigung auf ein konkretes Abkommen erzielt wurde. Der Begriff Ratifizierung bezeichnet einerseits den Abschluss des internen bzw. innerstaatlichen Genehmigungsverfahrens (innerstaatliche Ratifikation ) für einen völkerrechtlichen Vertrag. Die innerstaatliche Ratifikation besteht in der Regel aus der Zustimmung des Gesetzgebers (Parlament), ggf. ergänzt um bzw. ersetzt durch eine Volksabstimmung , sowie der Unterschrift des Staatsoberhaupts (eigentliche Ratifikation).28 Andererseits bezeichnet der Begriff der Ratifikation im Völkerrecht die Notifizierung und Hinterlegung des unterzeichneten völkerrechtlichen Vertrages, der ihm zur Wirksamkeit verhilft (völkerrechtliche Ratifikation).29 Die innerstaatliche Ratifikation geht der völkerrechtlichen Ratifikation voraus. Im Falle eines gemischten Abkommens tritt zu der innerstaatlichen30 auch die unionsinterne Ratifikation des Abkommens durch die EU nach Art. 207 i.V.m. Art. 218 AEUV durch einstimmigen Beschluss des Rates.31 Anschließend müssen sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EU den Vertrag entsprechend den völkervertragsrechtlichen Bestimmungen ratifizieren. 5.2. Parlamentsbeteiligung bei Abschluss eines EU-Abkommens Sofern das CETA entgegen der hier vertretenen Annahme als EU-Abkommen abgeschlossen würde , fällt es in die ausschließliche Kompetenz der Union, so dass es keine mitgliedstaatliche Beteiligung bei Aushandlung des Vertragstextes und der völkerrechtlichen Ratifikation gibt. Da die Mitgliedstaaten in diesem Fall zwar durch den Vertrag gebunden, nicht aber selbst Vertragspartner des Abkommens werden, kommt es auch auf die völkerrechtliche Vertretungsmacht und die Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 59 GG nicht an. Die Bundesrepublik Deutsch- 28 Vgl. BVerfG, Urteil 2 BvE 4/11 vom 19.6.2012, Rn. 91 ff. 29 Vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 59 GG, Rn. 173 ff. 30 Siehe hierzu sogleich 5.3. 31 Vgl. Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EV, 4. Auflage 2011, Art. 218 EGV, Rn. 29; Vedder, Die Außenbeziehungen der EU und die Mitgliedstaaten: Kompetenzen, gemischte Abkommen, völkerrechtliche Verantwortlichkeit und Wirkungen des Völkerrechts, EuR 2007, Beiheft 3, 57 (77). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 11 land hat der EU das Recht zum Abschluss von reinen Handelsabkommen mit der Zustimmung zu den Unionsverträgen bereits übertragen. Ein Erfordernis eines weiteren Zustimmungsgesetzes des Bundes zu dem Abkommen wäre insofern systemwidrig. Das CETA wäre auch als EU-Abkommen ein Vorhaben der Europäischen Union im Sinne von Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG. Dementsprechend besitzt der Bundestag bereits vor Abschluss des Abkommens die in §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 EUZBBG konkretisierten Informations- und Unterrichtungsrechte . Danach ist der Bundestag schon in einer frühen Phase über die Verhandlungen zu dem Freihandelsabkommen zu unterrichten, und er kann zu dem Vorhaben Stellung nehmen.32 Die Grundsätze und Einzelheiten der Unterrichtung und des Rechts zur Stellungnahme des Bundestages ergeben sich aus §§ 4 ff. EUZBBG. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages ist bei EU-Abkommen damit im Wesentlichen auf das Recht zur Stellungnahme und Informationsrechte beschränkt. Umfassende Beteiligungsrechte bei der Verhandlung und dem Abschluss von EU-Abkommen besitzt hingegen das Europäische Parlament (EP). Die Art der Beteiligung des EP ergibt sich aus Art. 207 Abs. 3 i.V.m. Art. 218 Abs. 6 AEUV. Danach bedarf es der Zustimmung des EP in den Fällen von Assoziierungsabkommen, des Beitritts der EU zur EMRK, von Übereinkünften, die durch die Einführung von Zusammenarbeitsverfahren einen besonderen institutionellen Rahmen schaffen, Übereinkünfte mit erheblichen finanziellen Folgen für die Union und für Übereinkünfte in Bereichen, für die entweder das ordentliche Gesetzgebungsverfahren oder, wenn die Zustimmung des EP erforderlich ist, das besondere Gesetzgebungsverfahren gilt (Art. 218 Abs. 6 lit. a) AEUV). In den übrigen Fällen bedarf es der Anhörung des EP (Art. 218 Abs. 6 lit. b) AEUV). Gemäß Art. 207 Abs. 2 AEUV gilt im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik das ordentliche Gesetzgebungsverfahren. Daraus folgt, dass der Abschluss des CETA als EU-Abkommen gemäß Art. 207 Abs. 3 i.V.m. 218 Abs. 6 lit. a) Abs. v) AEUV nur nach Zustimmung des EP erfolgen kann. Zudem muss die Kommission in der Verhandlungsphase dem EP sowie dem vom Rat bestellten Sonderausschuss regelmäßig Bericht über den Stand der Verhandlungen erstatten (Art. 207 Abs. 3 UAbs. 3 S. 2 AEUV). Das EP hat also nicht nur das Recht auf Zustimmung zu dem ausgehandelten Abkommen, sondern auch ein Informationsrecht während der Verhandlungen . Dieses Unterrichtungsrecht ergibt sich auch aus Art. 218 Abs. 10 AEUV, der gemäß Art. 207 Abs. 3 AEUV auch im Zusammenhang mit dem Abschluss von Handelsabkommen anwendbar ist. 5.3. Parlamentsbeteiligung bei Abschluss eines gemischten Abkommens Da die Bundesrepublik Deutschland bei einem Abschluss als gemischtes Abkommen selbst auch Vertragspartner des CETA würde, käme es auf die Regelungen für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge durch den Bund an. Maßgeblich ist diesbezüglich Art. 59 Abs. 2 GG. Danach bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegen- 32 Vgl. BVerfG, Urteil 2 BvE 4/11 vom 19.6.2012, Rn. 106 ff. sowie Art. 12 lit. a) EUV i.V.m. dem Protokoll Nr. 1 zum Vertrag von Lissabon über die Rolle der nationalen Parlamente, ABl. EU Nr. C 326/203, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:326:FULL:DE:PDF. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 12 stände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge ist dementsprechend in zwei Fällen an ein parlamentarisches Zustimmungsgesetz gebunden: Zum einen bei Verträgen, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln (Art. 59 Abs. 2 S. 1 1. Alt. GG) und zum anderen bei den sogenannten „gesetzesinhaltlichen Verträgen“ (Art. 39 Abs. 2 S. 1 2. Alt. GG). Politische Verträge sind dabei nur solche, die von besonderer Bedeutung für die Stellung der Bundesrepublik innerhalb der Staatengemeinschaft sind.33 Das sind solche Verträge, die unmittelbar den Bestand des Staates, seine Unabhängigkeit oder sonst sein „maßgebliches Gewicht in der Völkergemeinschaft berühren (z.B. Abrüstungsverträge etc.).34 Das geplante Freihandelsabkommen dürfte dieser Vertragskategorie nicht unterfallen. Ob es sich um einen „gesetzinhaltlichen“ Vertrag handelt, hängt nicht von den Gesetzgebungszuständigkeiten der Bundesgesetzgebung ab, sondern davon, „ob im konkreten Fall ein Vollzugsakt unter Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften erforderlich ist.“35 Gegenstand der Gesetzgebung in diesem Sinne ist der Vertragsinhalt dann, wenn durch den Vertrag Verpflichtungen begründet werden, die nur mit einem Gesetzgebungsakt erfüllt werden können. Angesichts der geplanten wesentlichen Inhalte des CETA und vor dem Hintergrund der sich aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG für den Bund ergebenden ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für Handelsverträge und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland, ist davon auszugehen, dass es eines parlamentarischen Zustimmungsgesetzes des Bundes für den Abschluss des CETA bedürfte. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das CETA auch als gemischtes Abkommen ein Vorhaben der Europäischen Union im Sinne von Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG ist. Dementsprechend besitzt der Bundestag auch in diesem Fall die unter 5.2. beschriebenen Beteiligungs- und Informationsrechte . 6. Ergebnis Wenn das CETA als gemischtes Abkommen geschlossen wird, so bedarf es eines parlamentarischen Zustimmungsgesetzes des Bundestages nach Art. 59 Abs. 2 GG. Sowohl bei der Verhandlung eines gemischten Abkommens als auch bei der Aushandlung eines 33 BVerfGE 1, 372 (380f./Rn. 44ff.). 34 Herdegen, Völkerrecht, 11. Auflage, 2012, § 22, Rn. 17ff. 35 BVerfGE 1, 372 (388). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 – 12/14 Seite 13 EU-Abkommens ist der Bundestag schon in der Verhandlungsphase über den jeweiligen Verhandlungsstand frühzeitig und umfassend zu unterrichten.