Deutscher Bundestag Die Terrorlisten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union Zur Funktionsweise des Listingverfahrens Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 11– 3000 – 11/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 2 Die Terrorlisten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union Zur Funktionsweise des Listingverfahrens Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 11/11 Abschluss der Arbeit: 2. Februar 2011 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Das Listingverfahren 5 2.1. Al-Kaida/Taliban-Sanktionsregime 5 2.1.1. Formelle Voraussetzungen für ein Listing auf der VN-Terrorliste 6 2.1.2. Materielle Voraussetzungen für ein Listing auf der VN-Terrorliste 6 2.1.3. Umsetzung auf Ebene der Europäischen Union 6 2.2. 1373-Sanktionsregime 7 2.2.1. Umsetzung auf Ebene der Europäischen Union 8 2.2.2. Formelle Voraussetzungen für ein Listing auf der „Europäischen Terrorliste“ 8 2.2.3. Materielle Voraussetzungen für ein Listing auf der „Europäischen Terrorliste“ 9 3. Kein Automatismus zwischen Vereinsverbot und Listing 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 4 1. Einleitung Um die Frage zu beantworten, wer berechtigt ist, einen Antrag auf Aufnahme einer Person bzw. Organisation in eine sog. Terrorliste zu stellen, ist zunächst wichtig klarzustellen, dass gegenwärtig zwei verschiedene Terrorlisten existieren. Diese wiederum beruhen auf unterschiedlichen Typen von Sanktionsregimen der Vereinten Nationen (VN). Das erste Sanktionsregime richtet sich konkret gegen Personen und Einrichtungen, die in Verdacht stehen, die Taliban, Al-Kaida bzw. Osama bin Laden zu unterstützen (im Folgenden: Al- Kaida/Taliban-Sanktionsregime). Es beruht im Wesentlichen auf den Resolutionen des VN-Sicherheitsrats 1267/19991, 1333/20002, 1390/20023 und zuletzt 1904/20094. Jeder, der nach diesem Sanktionsregime auf eine Terrorliste aufgenommen wird, ist weltweit insbesondere einer Kontensperrung und einem Ein- und Durchreiseverbot zu unterwerfen (sog. Smart bzw. Targeted Sanctions ). Verwaltet wird das Regime von einem Sanktionsausschuss (sog. 1267-Ausschuss). Das zweite Sanktionsregime geht auf die Sicherheitsratsresolution 1373/20015 zurück (im Folgenden : 1373-Sanktionsregime). Es unterscheidet sich vom ersten dadurch, dass die VN keine eigene Terrorliste geschaffen haben. Die Resolution ermächtigt die Mitgliedstaaten der VN vielmehr nur, grundsätzlich alle Finanzmittel von Personen und Institutionen zu sperren, die terroristische Straftaten begehen, versuchen, erleichtern oder anderweitig unterstützen. Damit geht die Reichweite des 1373-Sanktionsregime über das Al-Kaida/Taliban-Sanktionsregime hinaus. Die Auswahl der zu sanktionierenden Personen im Rahmen des 1373-Sanktionsregime wird den Mitgliedstaaten überlassen, die eigene Terrorlisten schaffen. Beide Sanktionsregime wurden auf europäischer Ebene nicht von den Mitgliedstaaten selbst, sondern von der Europäischen Union (EU) umgesetzt (hierzu im Einzelnen Ziffer 2). Daneben führen verschiedene Staaten Länderlisten, die Terrorverdächtige benennen – so zum Beispiel die USA und Großbritannien.6 Die Bundesrepublik Deutschland erstellt keine amtliche 1 Resolution 1267 (1999) vom 15. Oktober 1999, online abrufbar unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UN- DOC/GEN/N99/300/44/PDF/N9930044.pdf?OpenElement (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 2 Resolution 1333 (2000) vom 19. Dezember 2000, online abrufbar unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UN- DOC/GEN/N00/806/62/PDF/N0080662.pdf?OpenElement (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 3 Resolution 1390 (2002) vom 28. Januar 2002, online abrufbar unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UN- DOC/GEN/N02/216/02/PDF/N0221602.pdf?OpenElement (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 4 Resolution 1904 (2009) vom 17. Dezember 2009, online abrufbar unter: http://www.un.org/Depts/german /sr/sr_09/sr1904.pdf (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 5 Resolution 1373 (2001) vom 28. September 2001, online abrufbar unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UN- DOC/GEN/N01/557/43/PDF/N0155743.pdf?OpenElement (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 6 Macke, Die Terrorlisten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, S. 61, Fn. 14 m.w.N., online abrufbar unter: http://www.strafverteidigervereinigungen.org/Strafverteidigertage/Ergebnisse/32_Macke_AG1.pdf (letzter Abruf: 31. Januar 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 5 Liste, auf denen Terrorverdächtige oder terroristische Vereinigungen geführt werden.7 In Deutschland gelten lediglich die von der EU erlassenen Verordnungen. In Deutschland können terrorverdächtige Organisationen als Verein nach Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 3 Abs. 1 Vereinsgesetz8 verboten werden. Hierauf gestützt wurde auch das Verbot der Internationalen Humanitären Hilfsorganisation (IHH) des Bundesministerium des Innern vom 11. Juli 2010. Begründet wurde es mit einem Verstoß des Vereins gegen den Gedanken der Völkerverständigung.9 2. Das Listingverfahren 2.1. Al-Kaida/Taliban-Sanktionsregime Über das Listing einer Person bzw. Organisation auf die Terrorliste der VN10 im Rahmen des Al- Kaida/Taliban-Sanktionsregime (und auch das De-Listing) entscheidet ein Unterorgan des Sicherheitsrates , der sog. Sanktionsausschuss oder 1267-Ausschuss. Er besteht aus den Mitgliedern des Sicherheitsrates, d. h. fünf ständigen und zehn rotierenden Staatenvertretern. Für seine Arbeit hat er sich Ausschussrichtlinien gegeben, die normative Ergänzungen der Resolutionen enthalten .11 Die Entscheidung über die Aufnahme in die Terrorliste erfolgt im Konsensusverfahren (Ziffer 4 (a) der Richtlinien), so dass nicht die positive Zustimmung aller Beteiligten erforderlich ist, sondern nur das Fehlen ausdrücklicher Gegenstimmen.12 Die Entscheidung des Sanktionsausschusses kann auch im Wege eines schriftlichen Verfahrens erfolgen: Wenn kein Mitglied des Ausschusses binnen fünf Werktagen Einwände gegen das Listing erhebt, gilt die Entscheidung über die Aufnahme einer Person oder Organisation in Terrorliste als getroffen (Ziffer 4 (b) der Ausschussrichtlinien). Das schriftliche Verfahren stellt in der Praxis offenbar den Regelfall dar.13 7 Telefonische Auskunft des Bundesministerium des Innern vom 1. Februar 2011. 8 Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz), BGBl. 1964 I S. 593, zuletzt geändert durch Art. 6 G zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der RL 2006/24/EG vom 21. 12. 2007, BGBl. I S. 3198. 9 Antwort des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche vom 24. August 2010 auf die Anfrage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE.), BT-Drs. 17/2843, S. 6. 10 Die konsolidierte Terrorliste (Stand: 24. Januar 2011) kann auf der Homepage des Sanktionsausschusses abgerufen werden: http://www.un.org/sc/committees/1267/pdf/consolidatedlist.pdf (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 11 Guidelines of the Committee for the Conduct of its Work, angenommen am 7. November 2002, danach mehrfache Änderungen, zuletzt am 22. Juli 2010, online abrufbar unter: http://www.un.org/sc/committees /1267/pdf/1267_guidelines.pdf (letzter Abruf: 1 Februar 2011). 12 Schulte, Der Schutz individueller Rechte gegen Terrorlisten, 2010, S. 47; Macke, Die Terrorlisten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, S. 43., online abrufbar unter: http://www.strafverteidigervereinigungen .org/Strafverteidigertage/Ergebnisse/32_Macke_AG1.pdf (letzter Abruf: 31. Januar 2011). 13 Schulte, Der Schutz individueller Rechte gegen Terrorlisten, 2010, S. 47. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 6 2.1.1. Formelle Voraussetzungen für ein Listing auf der VN-Terrorliste Ausschließlich Mitgliedstaaten können einen Vorschlag zur Aufnahme einer Person oder einer Organisation in die Terrorliste der VN einbringen (Ziffer 6 (a) der Richtlinien). Die Mitgliedstaaten werden dazu ermutigt, relevante Informationen und unterstützendes Beweismaterial zu liefern (Ziffer 6 der Richtlinien).14 Für ihren Antrag sollen die Mitgliedstaaten außerdem ein spezielles Formular verwenden und Namen, Anschrift, Identifikationsnummern und Aliasnamen ausweisen .15 2.1.2. Materielle Voraussetzungen für ein Listing auf der VN-Terrorliste Entscheidendes materielles Kriterium für das Listing ist, dass es sich um „Usama bin Laden, Mitglieder der Al-Quaida-Organisation und die Taliban, sowie andere mit ihnen verbündete Einzelpersonen , Gruppen, Unternehmen und Institutionen“ handelt.16 Das Kriterium der Verbündetheit ist erfüllt bei Finanzierung, Planung, Vorbereitung und eigene Aufnahme von Al-Quaida-Aktivitäten ; bei Lieferung bzw. Bereitstellen von Rüstungsgütern und Rekrutierung neuer Mitglieder. Mit einer Auffangvorschrift werden zudem sämtlichen weiteren denkbaren Unterstützungshandlungen erfasst. 17 2.1.3. Umsetzung auf Ebene der Europäischen Union Die Resolutionen des VN-Sicherheitsrates wirken nicht unmittelbar zu Lasten der Gelisteten in den Mitgliedstaaten, sondern wurden hierfür auf Ebene der EU in zwei Stufen umgesetzt:18 Der Rat der EU nahm zunächst Gemeinsame Standpunkte über restriktive Maßnahmen gegenüber den Taliban im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) an (heute: Art. 29 des Vertrags über die EU – EUV).19 Hiermit wurde eine Position der EU festgelegt und eine völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten erzeugt, ihre Außen- und Sicherheitspolitik an dem 14 Vgl. zum Verfahren Meyer, Rechtsstaat und Terrorlisten – Kaltstellung ohne Rechtsschutz?, HRRS 2010, S. 74 (75); Feinäugle, The UN Security Council Al-Qaida und Taliban Sanctions Committee: Emerging Principles of International Institutional Law for the Protection of Individuals?, in: von Bogdandy/Wolfrum/von Bernstorff /Dann/Goldmann (Hrsg.), The Exercise of Public Authority by International Instiutions, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 210, 2010, S. 101 (115 f.). 15 Das Formular ist auf der Homepage des Sanktionsausschusses abrufbar: http://www.un.org/sc/committees /1267/listing.shtml (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 16 Vgl. Resolution 1390 (2002) Ziffer 2. 17 Resolution 1617 (2005) vom 29. Juli 2005, Ziffer 2, online abrufbar unter: http://www.un.org/ga/search /view_doc.asp?symbol=S/RES/1617%20%282005%29 (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 18 Vgl. zum Verfahren Arndt/Köngeter/Last, Das Terrorlisten-Urteil des EuGH, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Europa Nr. 25/09 vom 6. November 2008, online abrufbar unter: http://www.bundestag.de/dokumente/analysen /2008/terrorlisten-urteil.pdf (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 19 Z. B. Gemeinsamer Standpunkt 1999/727/GASP des Rates vom 15. November 1999 betreffend restriktive Maßnahmen gegen die Taliban, ABl. L 294/1; Gemeinsamer Standpunkt 2002/402/GASP des Rates vom 27. Mai 2002 betreffend restriktive Maßnahmen gegen die Taliban etc., ABl. L 139/4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 7 Gemeinsamen Standpunkt auszurichten; eine Bindungswirkung unmittelbar gegenüber dem Einzelnen wird jedoch noch nicht erzeugt.20 Diesen Gemeinsamen Standpunkten folgten deswegen Umsetzungsakte der EU in Form von mehreren Verordnungen des Rates. Diese Verordnungen gelten in den Mitgliedstaaten unmittelbar auch für und gegen Einzelne, ohne dass sie durch die Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht umgesetzt werden müssen. Die zentrale, heute noch relevante Verordnung ist dabei die Verordnung (EG) Nr. 881/200221. Sie übernimmt in Anhang I eins zu eins die jeweils aktuelle Terrorliste des VN-Sicherheitsrates, die damit unmittelbar in den Mitgliedstaaten vollzogen werden kann. Dies geschieht jeweils durch Verordnungen der Europäischen Kommission, die gem. Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 ermächtigt ist, die Anhänge der Verordnung zu ändern.22 2.2. 1373-Sanktionsregime Wie in der Einleitung beschrieben erstellen die VN im Rahmen des 1373-Sanktionsregimes keine eigene Terrorliste, sondern überlassen dies den Mitgliedstaaten bzw. auf europäischer Ebene der EU. Ein weiterer Ausschuss als Unterorgan des Sicherheitsrates – das Counter Terrorism Committee – überwacht lediglich die von den Mitgliedstaaten bzw. EU ergriffenen Maßnahmen über eine Auswertung von Länderberichten.23 Auf Ebene der EU ist der Rat der EU zuständig für die Verwaltung der Terrorliste. Als Rechtsfolge des Listings treffen die auf der europäischen Terrorliste erfassten Personen bzw. Organisationen finanzielle und wirtschaftliche Sanktionen in Form des Einfrierens von Vermögenswerten. Eine Reisebeschränkung wird den Gelisteten jedoch im Gegensatz zum Al-Kaida/Taliban-Sanktionsregime nicht auferlegt. 20 Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Auflage 2010, Art. 29 EUV, Rdnr. 4; Fritzsch, Zur Bindungswirkung der EU-Terrorliste im Rahmen ausländerrechtlicher Maßnahmen, ZAR 2010, S. 333 (335). 21 Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Quaida- Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates über das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen nach Afghanistan, über die Ausweitung des Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan, ABl. 2002 L 139/9, konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2002R0881:20101113:DE:PDF (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 22 Zuletzt durch Verordnung (EU) Nr. 36/2011 der Kommission vom 18. Januar 2011 zur 143. Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Quaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, ABl. 2011 L 14/11, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:014:0011:0017:DE:PDF (letzter Abruf: 2. Februar 2011). 23 Hierzu im Einzelnen Schulte, Der Schutz individueller Rechte gegen Terrorlisten, 2010, S. 94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 8 2.2.1. Umsetzung auf Ebene der Europäischen Union Die Resolution 1373/2002 wurde von der EU ebenfalls in zwei Stufen umgesetzt: Auf Ebene der GASP wurden zunächst die Gemeinsamen Standpunkte 2001/930/GASP24 und 2001/931/GASP25 erlassen, die schon zentrale Voraussetzungen für die Verhängung von Sanktionen enthalten. Der Gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP enthält darüber hinaus in seiner jeweiligen aktuellen Fassung eine Auflistung terroristischer Organisationen. Die unmittelbar auf die Rechtsstellung Einzelner durchgreifende Umsetzung der Resolution erfolgte durch die Verordnung (EG) Nr. 2580/200126. Diese Verordnung verweist in vielen Punkten auf die Vorgaben des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP, so dass sich die genauen formellen und materiellen Voraussetzungen für ein Listing auf der „Europäischen Terrorliste“ aus einer Zusammenschau beider Rechtsakte ergeben.27 Wie die VN-Terrorliste kann auch die „Europäische Terrorliste“ im Internet , auf der Homepage des Rates, eingesehen werden.28 2.2.2. Formelle Voraussetzungen für ein Listing auf der „Europäischen Terrorliste“ Die genannten Rechtsakte umschreiben das Verfahren für die Aufnahme von Personen oder Organisationen in die „Europäische Terrorliste“ nur vage. Die Liste der terroristischen Organisationen wird jedenfalls nach geheimer Beratung und einstimmigem Beschluss des Rates erstellt (Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001; Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates 2001/931/GASP). Der Rat erlässt hierfür eine Durchführungsverordnung, die als Anhang die aktuelle Liste der betroffenen Personen, Vereinigungen und Körperschaften enthält.29 Grundlage für dieses Verfahren sind genaue Informationen, aus denen sich ergibt, das ein nationales Ermittlungs - oder Strafverfahren wegen einer terroristischen Handlung – gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien – vorliegt und aktiv betrieben wird oder das eine Verurteilung des Betroffenen wegen derartiger Handlungen erfolgte (Art. 1 Abs. 4 S. 1 des Gemeinsamen 24 Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Bekämpfung des Terrorismus (2001/939/GASP), ABl. 2001 L 344/90. 25 Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/9317/GASP), ABl. 2001 L 344/93. 26 Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344/70, konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONS- LEG:2001R2580:20071222:DE:PDF (letzter Abruf: 1. Februar 2011). 27 Schulte, Der Schutz individueller Rechte gegen Terrorlisten, 2010, S. 122. 28 Homepage des Rates der EU, online abrufbar unter: http://www.consilium.europa .eu/showPage.aspx?id=1878&lang=de (letzter Abruf: 1. Februar 2011); zuletzt aktualisiert im September 2009. 29 Zuletzt Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12. Juli 2010 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009, ABl. 2010 L 178/1, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUri Serv/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:178:0001:0004:DE:PDF (letzter Abruf: 2. Februar 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 9 Standpunktes des Rates 2001/931/GASP).30 Es besteht somit ein vorgeschalteter nationaler Filter .31 Im Jahr 2007 wurde eine Arbeitsgruppe (Working Party on the implementation of Common Position 2001/931/CFSP on the application of specific measures to combat terrorism) eingerichtet, die aus Ministerialbeamten des Rates besetzt ist und seitdem die Vorschläge für Neuaufnahmen auf die Terrorliste (und auch Streichung von der Liste) prüft.32 Sie arbeitet vollkommen geheim.33 Nach den Arbeitsanweisungen dieser Arbeitsgruppe können Vorschläge für die Aufnahme von Personen, Gruppen und Organisationen auf die „Europäische Terrorliste“ von Mitgliedstaaten und Drittstaaten eingereicht werden.34 Die Arbeitsgruppe überprüft die Vorschläge im Hinblick auf die Übereinstimmung mit den im Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP genannten Voraussetzungen . Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Überprüfung spricht die Arbeitsgruppe eine Empfehlung gegenüber dem Rat aus, der dann frei über das Listing entscheidet.35 2.2.3. Materielle Voraussetzungen für ein Listing auf der „Europäischen Terrorliste“ Die zentrale materielle Voraussetzung für ein Listing auf der „Europäischen Terrorliste“ ist die „terroristische Handlung“, die in Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP ausführlich legaldefiniert wird. Terroristische Handlungen liegen demnach vor, wenn sie im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind und durch die Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und darüber hinaus mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören . 3. Kein Automatismus zwischen Vereinsverbot und Listing Die materiellen Voraussetzungen für ein Verbot nach dem deutschen Vereinsgesetz und für eine Listing auf die VN- oder Europäische Terrorliste unterscheiden sich. In Einzelfällen kann es jedoch Schnittmengen geben, wenn das Vereinsverbot entsprechende Bezüge zum von den VN- 30 Vgl. Fritzsch, Zur Bindungswirkung der EU-Terrorliste im Rahmen ausländerrechtlicher Maßnahmen, ZAR 2010, S. 333 (338). 31 Schulte, Der Schutz individueller Rechte gegen Terrorlisten, 2010, S. 125. 32 Ratsdokument 10826/07 zitiert nach Meyer, Rechtsstaat und Terrorlisten – Kaltstellung ohne Rechtsschutz?, HRRS 2010, S. 74 (75). 33 Macke, Die Terrorlisten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, S. 45, online abrufbar unter: http://www.strafverteidigervereinigungen.org/Strafverteidigertage/Ergebnisse/32_Macke_AG1.pdf (letzter Abruf : 31. Januar 2011). 34 Meyer, Rechtsstaat und Terrorlisten – Kaltstellung ohne Rechtsschutz?, HRRS 2010, S. 74 (75). 35 Meyer, Rechtsstaat und Terrorlisten – Kaltstellung ohne Rechtsschutz?, HRRS 2010, S. 74 (75). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11– 3000 – 11/11 Seite 10 Sanktionsregimen erfassten Formen des Terrorismus aufweist. Zusammenfassend gibt es aber jedenfalls keinen Automatismus dergestalt, dass ein Vereinsverbot in Deutschland automatisch zu einem Antrag der Bundesrepublik Deutschland auf Aufnahme der entsprechenden Organisation auf die Terrorliste der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union führt.