PE 6 - 3000 – 010/19 (14. Februar 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. In Anknüpfung an die Kurzinformation des Fachbereichs Europa zur Einfuhr von Oliven und Olivenöl aus von der Türkei besetzten nordsyrischen Gebieten in die Europäische Union1 (EU) wird der Fachbereich um die Beantwortung weiterer Fragen ersucht. Es soll untersucht werden, welche Schritte auf Seiten Deutschlands sowie der EU ggf. eingeleitet werden können bzw. einzuleiten sind, um einer eventuellen unzulässigen präferenziellen Einfuhr der genannten Produkte entgegenzuwirken. Wie in der einleitend erwähnten Kurzinformation festgestellt, können Oliven und Olivenöl aus von der Türkei besetzten nordsyrischen Gebieten nicht als Ursprungserzeugnisse im Sinne der zwischen der EU und der Türkei vereinbarten Handelspräferenzen2 angesehen werden. Entsprechende Ursprungsnachweise dürfen hierfür nach den einschlägigen Vereinbarungen nicht erteilt werden. Soweit in tatsächlicher Hinsicht gleichwohl Anhaltspunkte für die Erteilung entsprechender Ursprungsnachweise bestehen sollten, sieht das einschlägige Protokoll über Ursprungsregeln3 (im Folgenden: Protokoll) ein Verfahren zu deren nachträglichen Überprüfung vor. Dieses bildet den rechtlichen Rahmen für die hier gestellten Fragen und soll im Folgenden kurz dargestellt werden. Die nachträgliche Prüfung der Ursprungsnachweise richtet sich nach Art. 29 des Protokolls. Nach dessen Absatz 1 erfolgt eine solche Prüfung stichprobenartig oder bei Vorliegen von begründeten 1 Kurzinformation des Fachbereichs Europa, PE 6 - 3000 - 008/19 vom 25.1.2019, „Oliven und Olivenöl aus von der Türkei besetzten nordsyrischen Gebieten und deren Einfuhr in die Europäische Union“. 2 Siehe Beschluss Nr. 1/98 des Assoziationsrats EG-Türkei vom 25. Februar 1998 über die Handelsregelung für Agrarerzeugnisse, ABl. L 86 vom 20.3.1998, S. 1, konsolidierte Fassung. Bestandteil des Beschlusses sind drei Protokolle und dazu bestehende Anhänge. 3 Protokoll 3 über Ursprungsregeln zum Beschluss Nr. 1/98 (Fn. 2). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Überprüfung von Ursprungsnachweisen im Rahmen der Präferenzvereinbarung für den Agrarhandel zwischen der EU und der Türkei Überprüfung von Ursprungsnachweisen im Rahmen der Präferenzvereinbarung für den Agrarhandel zwischen der EU und der Türkei Fachbereich Europa (PE 6) Seite 2 Zweifeln der Zollbehörden des Einfuhrlandes an der Echtheit des Nachweises, der Ursprungseigenschaft der Erzeugnisse oder der Einhaltung der übrigen Bestimmungen des Protokolls. In diesen Fällen werden die entsprechenden Unterlagen an die Zollbehörden des Ausfuhrlandes gesendet , welche die Nachprüfung durchführen, vgl. Art. 29 Abs. 2 und 3 des Protokolls. Das eindeutige Ergebnis dieser Prüfung ist den ersuchenden Zollbehörden des Einfuhrlandes schnellstmöglich mitzuteilen, Art. 29 Abs. 5 des Protokolls. Ist nach Ablauf von zehn Monaten nach dem Ersuchen kein oder nur ein unzureichendes Ergebnis der Nachprüfung übermittelt worden, lehnen die betroffenen Zollbehörden bei dem Vorliegen begründeter Zweifel gemäß Art. 29 Abs. 6 des Protokolls die Gewährung der Präferenzbehandlung ab, es sei denn, außergewöhnliche Umstände sind gegeben. Das Protokoll sieht für Streitigkeiten in Verbindung mit dem Prüfverfahren nach Art. 29 des Protokolls einen Mechanismus zur Streitbeilegung vor. Nach Art. 30 des Protokolls sind etwaige Streitigkeiten zwischen den Zollbehörden in diesem Zusammenhang dem Assoziationsausschuss vorzulegen. Dieses Gremium ist mit Vertretern der Mitgliedstaaten, des Rates und der Kommission einerseits und der Türkei andererseits besetzt und wurde auf Grundlage des Assoziationsabkommens zwischen der EU und der Türkei durch den Assoziationsrat eingerichtet.4 Aus diesen rechtlichen Vorgaben folgt für die hier gestellten Fragen, dass es zunächst an den mitgliedstaatlichen Zollbehörden liegt, entsprechende Schritte gegen eine eventuelle unzulässige präferenzielle Einfuhr der genannten Produkte einzuleiten. Ob und inwieweit die Zollbehörden zur Überprüfung von Ursprungnachweisen verpflichtet sind, lässt sich mangels unionsgerichtlicher Rechtsprechung zu der betreffenden Vorschrift nicht abschließend beurteilen. Der Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 des Protokolls weist auf eine entsprechende Pflicht hin, sofern „begründete Zweifel“ u. a. an der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse bestehen. Unter welchen Voraussetzungen eventuelle Zweifel als begründete qualifiziert werden können, ist in dem Protokoll nicht weiter geregelt. Hier dürfte den Zollbehörden in der Praxis ein Beurteilungsspielraum zukommen. Erst wenn bestehende Zweifel zwischen den mitgliedstaatlichen und türkischen Zollbehörden auf diesem Wege nicht ausgeräumt werden können, ist es an der EU, etwaige Streitigkeiten nach Art. 30 des Protokolls im Rahmen des Assoziationsausschusses bilateral mit der türkischen Seite zu klären. Hiervon unabhängig dürfte es im politischen Ermessen der EU stehen, die damit verbundenen Fragen auch außerhalb eines solchen Verfahrens im Assoziationsrat zu adressieren. Dieser ist, ebenso wie der durch ihn eingerichtete Assoziationsausschuss, mit Vertretern der Mitgliedstaaten , des Rates und der Kommission einerseits und der Türkei andererseits besetzt.5 4 Vgl. zur Rechtsstellung des Assoziationsrates die Art. 6 und Art. 23 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei, ABl. 1964 Nr. P217/3687, letzte konsolidierte Fassung. Rechtsgrundlage für die Einrichtung des Assoziationsausschusses ist der Beschluss Nr. 3/64 des Assoziationsrates vom Dezember 1964. Soweit ersichtlich ist dieser nicht in der EU-Datenbank EUR-Lex veröffentlicht . Eine französische Fassung findet sich in einer türkischen Sammlung der Assoziationsratsbeschlüsse, S. 21 des Gesamtdokuments. 5 Vgl. die oben in Fn. 4 angegebenen Nachweise zur Rechtsstellung des Assoziationsrates. Überprüfung von Ursprungsnachweisen im Rahmen der Präferenzvereinbarung für den Agrarhandel zwischen der EU und der Türkei Fachbereich Europa (PE 6) Seite 3 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die mitgliedstaatlichen Zollbehörden des betreffenden Einfuhrlandes neben der Vorlage des Ursprungsnachweises gemäß Art. 22 des Protokolls auch dessen Übersetzung sowie eine Ergänzung der Einfuhrzollanmeldung durch eine Erklärung des Einführers, dass die Erzeugnisse die Anforderungen für die Anwendung der Präferenzvereinbarung erfüllen, verlangen können. Nach Art. 31 des Protokolls werden Sanktionen gegen jeden angewendet , der ein Schriftstück mit sachlich falschen Angaben anfertigt oder anfertigen lässt, um für eine Ware eine Präferenzbehandlung zu erhalten. – Fachbereich Europa –