© 2020 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 009/20 Nationale Finanztransaktionssteuer und Kapitalverkehrsfreiheit Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 2 Nationale Finanztransaktionssteuer und Kapitalverkehrsfreiheit Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 009/20 Abschluss der Arbeit: 27.02.2020 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Beschränkun der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 ff. AEUV 4 2.1. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 Abs. 1 AEUV 4 2.2. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 Abs. 1 AEUV 6 2.3. Rechtfertigung 9 2.3.1. Ausnahmetatbestände der Art. 64 ff. AEUV 9 2.3.2. Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe – Zwingende Gründe des Allgemeinwohls 10 2.3.3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 12 3. Ergebnis 12 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa ist beauftragt worden, zu prüfen, ob eine „allein gegenüber deutschen Unternehmen“ geltende nationale Finanztransaktionssteuer (FTT) mit den primärrechtlichen Regelungen zum Binnenmarkt vereinbar wäre.1 Nach dem Verständnis des Fachbereichs sollen in der vom Auftraggeber vorgegebenen Konstellation durch die Einführung der nationalen FTT Transaktionen von Anteilen in Deutschland ansässiger Unternehmen an deutschen Handelsplätzen besteuert werden, wobei die Steuer vom Anteilserwerber zu tragen wäre. Eine konkrete Ausgestaltung der FTT liegt dem Prüfungsauftrag nicht zugrunde, so dass sich die Ausarbeitung auf die relevanten Prüfungsmaßstäbe im Hinblick auf mögliche Eingriffe von Grundfreiheiten beschränkt. In Betracht kommt, die angedachte FTT am Maßstab der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit zu messen, Art. 63 – 65 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).2 Hierzu werden im Folgenden die relevanten Prüfungsmaßstäbe dargestellt (Ziff. 2.). 2. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 ff. AEUV Zunächst sind der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 Abs. 1 AEUV (Ziff. 2.1.) zu bestimmen sowie mögliche Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit im Rahmen des Unionsrechts (Ziff. 2.2.) darzustellen. 2.1. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 Abs. 1 AEUV Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ergibt sich aus Art. 63 AEUV. Gemäß Art. 63 Abs. 1 AEUV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie den Mitgliedstaaten und dritten Ländern im Rahmen der Art. 63 – 66 AEUV verboten. Der Begriff der Kapitalverkehrsfreiheit ist in den Unionsverträgen (Vertrag über die Europäische Union (EUV) und AEUV) nicht ausdrücklich definiert und wurde auch vom EuGH bisher nicht umfassend bestimmt.3 1 Zur Frage der Vereinbarkeit einer nationalen FTT mit sekundärrechtlichen Unionsvorgaben, vgl. die Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 15/13 „Möglichkeiten zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Falle des Scheiterns der Verhandlungen bei der Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit“, Seite 15 ff. 2 Vgl. ebenso Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 15 ff. 3 Bröhmer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 63 AEUV, Rn. 10; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 63 AEUV, Rn. 18; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 126. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 5 Anhaltspunkte für den Umfang der Kapitalverkehrsfreiheit finden sich im Sekundärrecht, bspw. im Anhang der Richtlinie 88/361/EWG.4 Dort heißt es in Bezug zum Kapitalverkehr, dass dieser „den Zugang des Marktteilnehmers zu allen Finanzverfahren [umfasst], die auf dem für die Durchführung des Geschäfts in Anspruch genommenen Markt zur Verfügung stehen. Beispielsweise umfaßt der Begriff des Erwerbs von Wertpapieren und anderen Finanzinstrumenten nicht nur die Kassageschäfte, sondern alle zur Verfügung stehenden Geschäftsformen, wie Termingeschäfte, Optionsgeschäfte oder Geschäfte mit Optionsscheinen, Tauschgeschäfte gegen andere Vermögenswerte usw. Ebenso umfaßt der Begriff Kontokorrent- und Termingeschäfte bei Finanzinstitutionen nicht nur die Errichtung und Unterhaltung von Kontokorrentund Terminkonten, sondern auch die Termingeschäfte in Fremdwährungen, gleich ob sie für die Deckung eines Wechselkursrisikos oder das Eingehen einer offenen Devisenposition bestimmt sind“.5 Zusammengefasst kann somit unter dem Begriff des Kapitalverkehrs jede über die Grenzen eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft hinweg stattfindende Übertragung von Geld- und Sachkapital, die zuvorderst zu Anlagezwecken erfolgt, verstanden werden.6 In Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten (wie z. B. der Dienstleistungsfreiheit) fordert der EuGH ferner, dass es sich im Hinblick auf den Zweck der Kapitalbewegung um Geschäfte handeln müsse, „bei denen es in erster Linie um die Anlage und die Investition des betreffenden Kapitals geht und nicht um die Vergütung einer Dienstleistung“.7 Die beabsichtigte Besteuerung des Transfers von Wertpapieren durch die FTT unterfällt den vorangestellten Maßstäben nach dem Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, da der Erwerb von Unternehmensanteilen in Deutschland ansässiger Unternehmen an deutschen Handelsplätzen besteuert würde. Die Erhebung einer Finanztransaktionssteuer wäre somit inhaltlich an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen. Die Anwendung von Grundfreiheiten erfordert zudem einen grenzüberschreitenden Sachverhalt, der dann vorläge, wenn die Parteien einer Transaktion in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig wären oder das gehandelte Finanzinstrument in einem anderen Mitgliedstaat ausgegeben wurde als die Parteien der Transaktion ansässig sind. Ein grenzüberschreitender Sachverhalt wäre bspw. 4 RICHTLINIE DES RATES vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (88/361/EWG), ABl. EG 1988, L 178/5. 5 Vgl. hierzu auch Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 21. 6 Bröhmer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 63 AEUV, Rn. 10; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 63 AEUV, Rn. 18; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 131. 7 EuGH, Urteil vom 31.1.1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone / Ministero dello Tesoro), Slg. 1984, I-379, Rn. 21, vgl. zur Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten Glaesner, in: Schwarze, EU-Kommentar , 4. Auflage 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 14 ff.; ferner Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 286 ff.. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 6 in dem Fall gegeben, in dem Anteile an deutschen Unternehmen durch Erwerber aus dem (EU-) Ausland erworben werden. 2.2. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 Abs. 1 AEUV Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit. Eine Definition des Begriffs der Beschränkung findet sich im AEUV nicht.8 Auch vom EuGH wurde der Begriff bisher nicht umfassend bestimmt.9 Nach der Rechtsprechung des EuGH gehören zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten.10 Unter Berücksichtigung der insoweit vorliegenden Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit werden unter einer Beschränkung in der Literatur gemäß Art. 63 Abs. 1 AEUV alle unmittelbaren oder mittelbaren, aktuellen oder potentiellen Behinderungen , Begrenzungen oder Untersagungen für den Zufluss, Abfluss oder Durchfluss von Kapital verstanden, die die Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit im Ergebnis weniger attraktiv machen.11 In einem vor dem EuGH derzeit anhängigen Verfahren (Rs. C-565/18) über eine Klage auf Erstattung von Finanztransaktionssteuer, die eine italienische Zweigniederlassung einer französischen Bank auf Finanztransaktionen mit derivativen Finanzinstrumenten nach italienischem Recht entrichtet hatte, hat Generalanwalt Hogan12 die Rechtsprechung des EuGH zur Frage des Vorliegens einer Beschränkung ausgelegt. Seiner Ansicht nach wird der Begriff der „Beschränkung“ durch den EuGH im Hinblick auf die Einführung von Steuern eng verstanden. Dies sei dadurch begründet , dass es in der Natur der Besteuerung liege, dass diese die Ausübung einer der vier mit dem Binnenmarkt verbundenen Freiheiten zwangsläufig weniger attraktiv mache.13 Die Fähigkeit der 8 Vgl. Bröhmer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 63 AEUV, Rn. 48 f.; Glaesner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 20. 9 Glaesner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 20; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 158 ff. 10 Vgl. bspw. EuGH, Urteil vom 13.11.2019, Rs. C-641/17 (College Pension Plan of British Columbia/Finanzamt München Abteilung III), ECLI:EU:C:2019:960, Rn. 48 m. w. N. aus der Rechtsprechung; EuGH, Urteil vom 13.5.2003, Rs. C-463/00 (Kommission/Spanien), Slg. 2003, I-4606, Rn. 61; EuGH, Urteil vom 4.6.2002, Rs. C- 483/99 (Kommission/Frankreich), Slg. 2002, I-4785, Rn. 41. 11 Siehe Glaesner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 20 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung ; Bröhmer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 63 AEUV, Rn. 48 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn 158 ff. m. w. N.; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 63 AEUV, Rn. 9. 12 Siehe Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 36. 13 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 35. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 7 Mitgliedstaaten, Steuern zu erheben, solle nach Auslegung des Generalanwalts nicht unangemessen beeinträchtigt werden.14 Aus diesem Grund sollen für die Zwecke der Anwendung der Grundfreiheiten lediglich diskriminierende steuerliche Maßnahmen eine Beschränkung i. S d. Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellen.15 Vor diesem Hintergrund hat der Generalanwalt zu den Anforderungen an das Vorliegen einer Beschränkung Folgendes ausgeführt:16 „[…] und zwar darf die in Rede stehende nationale Maßnahme zwei Sachverhalte, die in Bezug auf den Inhalt dieser Maßnahme17 oder das verfolgte Ziel,18 wobei dieses Ziel selbst nicht diskriminierend sein darf, oder in Bezug auf die für den betreffenden Bereich geltenden allgemeinen Grundsätze19vergleichbar sind, nicht unterschiedlich behandeln und dadurch grenzüberschreitende Geschäfte benachteiligen.20 Umgekehrt stellen Maßnahmen, die Sachverhalte , die in Wahrheit identisch sind, unterschiedlich behandeln und damit grenzüberschreitende Geschäfte benachteiligen, ebenfalls Beschränkungen dar.21“ 14 Vgl. dazu die Ausführungen in den Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 35, 37 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 6.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container Services BVBA & Co./Finanzamt Bielefeldt-Innenstadt) Slg. 2007, I-10497, Rn. 53 sowie EuGH, Urteil vom 26.5.2016, Rs. C-48/15 (Etat belge, SPF Finances/NN (L) International SA), ECLI:EU:C:2016:356, Rn. 47. 15 Siehe dazu die Ausführungen in den Schlussanträge Generalanwalt G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 35 ff. mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 14.2.1995, Rs. 279/93 (Finanzamt Köln-Altstadt/Roland Schumacker ), Slg. 1995, I-249, Rn. 24 sowie EuGH, Urteil vom 17.7.2014, C- 48/13 (Nordea Bank Danmark A/S /Skatteministeriet , ECLI:EU:C:2014:2087. 16 Siehe Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 36. [Hervorhebung durch den Bearbeiter] 17 Nachweis gemäß Zitat: EuGH, Urteil vom 17.12.2015, Rs. C-388/14 (Timac Agro Deutschland GmbH/Finanzamt Sankt Augustin), ECLI:EU:C:2015:829, Rn. 28. 18 Nachweis gemäß Zitat: EuGH, Urteil vom 1.12.2011, Rs. C-253/09 (Kommission/Ungarn), ECLI:EU:C:2011:795, Rn. 61. 19 Nachweis gemäß Zitat: EuGH, Urteil vom 9.2.2017, Rs. C-283/15 (X/Staatsecretaris van Financiën), ECLI:EU:C:2017:102, Rn. 37. 20 Nachweis gemäß Zitat: EuGH, Urteil vom 14.4.2016, Rs. C-522/14 (Sparkasse Allgäu/Finanzamt Kempten), ECLI:EU:C:2016:253, Rn. 29. 21 Nachweis gemäß Zitat: „Anzumerken ist, dass es sich bei den Beschränkungen, die man in der Rechtsprechung finden kann, ganz überwiegend um indirekte Beschränkungen handelt, da sie eher mit dem Sitz als mit der Staatsangehörigkeit zusammenhängen.“ Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 8 Vor diesem Hintergrund hat Generalanwalt Hogan dem EuGH in der Rs. C-565/18 empfohlen , entsprechend der insoweit gestellten Vorlagefrage22 Art. 63 AEUV als mit der streitgegenständlichen FTT für vereinbar zu erklären.23 Die Rechtsprechung des EuGH wird durch ihn dahin interpretiert, dass die streitgegenständliche Finanztransaktionssteuer nicht zu einer gemäß Art. 63 AEUV verbotenen Diskriminierung führt, da sie unabhängig vom Sitz der an der Transaktion Beteiligten oder etwaiger Vermittler geschuldet wird.24 Auf den Einwand der beteiligten französischen Bank, dass die italienische Regelung u. a. zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit führe, da die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuer ausländische Anleger davon abhalten könne, in derivative Finanzinstrumente auf Basiswerten nach italienischem Recht zu investieren, soweit diese Instrumente besteuert würden, entgegnet der Generalanwalt, dass dieser Umstand keine unmittelbare Diskriminierung darstelle, da die streitgegenständlichen Derivate, deren zugrunde liegende Basiswerte italienischem Recht unterliegen, als nicht mit Derivaten vergleichbar anzusehen seien, deren zugrunde liegende Basiswerte nicht diesem Recht unterliegen.25 Allerdings bleibt insoweit abzuwarten, ob der EuGH diese Einschätzung in seinem Urteil bestätigen wird. Überträgt man die Interpretation der Rechtsprechung des EuGH durch Generalanwalt Hogan auf die hier zu prüfende FTT, käme es – ungeachtet der noch ausstehenden Entscheidung des EuGH – zunächst darauf an, ob grenzüberschreitende Transaktionen durch die FTT gegenüber rein inländischen Transaktionen diskriminiert würden. Soweit die FTT gleichermaßen bei rein inländischen Transaktionen wie bei grenzüberschreitenden Transaktionen erhoben würde, wäre dies nach dieser Auslegung nicht der Fall. Nach dem Verständnis des Verfassers sollen bei der angedachten FTT sowohl (EU-)ausländische Investoren als auch inländische Investoren beim Erwerb von Anteilen deutscher Unternehmen an deutschen Handelsplätzen gleichermaßen erfasst werden, so dass eine 22 Die Vorlagefrage lautet Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 13.: „Stehen die Art. 18, 56 und 63 AEUV einer nationalen Regelung entgegen, die auf Finanztransaktionen unabhängig vom Sitzstaat der Finanzmarktakteure und des Vermittlers eine Abgabe erhebt, die auf den Vertragspartnern der Transaktion lastet und die einem festen Betrag entspricht, der pro Wertspanne der Geschäfte ansteigt und je nach der Art des gehandelten Instruments und des Vertragswerts variiert, und die deshalb geschuldet wird, weil die der Steuer unterliegenden Geschäfte den Handel mit einem Derivat zum Gegenstand haben, das auf einem Wertpapier basiert, das von einer Gesellschaft emittiert wird, die in dem Staat, der die Abgabe einführt , ansässig ist?“. 23 Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 56. 24 Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 49. 25 Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 47, 52. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 9 Benachteiligung ausländischer Investoren und damit grenzüberschreitender Transaktionen per se nicht erkennbar wäre.26 Folgt man ferner dem Gedanken Generalanwalt Hogans, dass die in der Rs. C-565/18 streitgegenständlichen Derivate, deren zugrunde liegende Basiswerte italienischem Recht unterliegen , als nicht mit Derivaten vergleichbar anzusehen sind, deren zugrunde liegende Basiswerte nicht diesem Recht unterliegen, läge es ebenso nahe, Anteile deutscher Unternehmen mit Anteilen nicht in Deutschland ansässiger Unternehmen als nicht unmittelbar vergleichbar anzusehen. In diesem Fall würde eine Diskriminierung ausscheiden. Abschließend ließe sich dies jedoch allein anhand der konkreten Ausgestaltung der FTT beurteilen. 2.3. Rechtfertigung Folgt man der oben dargestellten Interpretation der Rechtsprechung des EuGH durch Generalanwalt Hogan käme es für das Vorliegen einer Beschränkung i. S. v. Art. 63 Abs. 1 AEUV bei der Einführung einer nationalen FTT auf deren diskriminierenden Charakter an. Allein für den Fall, dass die FTT zu einer diskriminierenden Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit führen würde, wäre eine Rechtfertigung dieser Maßnahme im Rahmen des Unionsrechts erforderlich. Vor diesem Hintergrund sollen die Rechtfertigungsmöglichkeiten im Rahmen des Unionsrechts allein dem Grundsatz nach dargestellt werden. Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit können zum einen in die Ausnahmetatbestände der Art. 64 ff. AEUV fallen (Ziff. 2.3.1.), zum anderen im Rahmen ungeschriebener Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt werden (Ziff. 2.3.2.). 2.3.1. Ausnahmetatbestände der Art. 64 ff. AEUV Die Regelungen in den Art. 64 ff. AEUV enthalten Ausnahmetatbestände im Hinblick auf Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs nach Art. 63 Abs. 1 AEUV. Art. 64 AEUV lässt Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit in Bezug zu Drittländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen, der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren unberührt, die am 31.12.199327 aufgrund einzel- 26 Soweit man auf das Merkmal der Diskriminierung für die Annahme einer Beschränkung verzichtet, wäre zu berücksichtigen , dass eine Besteuerung von Finanztransaktionen dazu führen würde, dass sich deren Kosten erhöhen . Es wäre daher vorstellbar, dass sich allein durch die Erhöhung der Kosten die Bereitschaft verringert, der Besteuerung unterliegende grenzüberschreitende Finanztransaktionen durchzuführen und damit die Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit unattraktiver gemacht würde; vgl. hierzu auch Mayer, EuZW 2011, 373, 378. 27 Für Bulgarien, Estland und Ungarn 31.12.1999; für Kroatien 31.12.2002. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 10 staatlicher Rechtsvorschriften oder aufgrund von Rechtsvorschriften der Union für den Kapitalverkehr bestanden. Die Einführung neuer Steuern, wie im Fall der FTT, sind hingegen nicht vom Anwendungsbereich des Art. 64 AEUV erfasst.28 Ferner sieht Art. 65 AEUV verschiedene Ausnahmetatbestände für einzelstaatliche Beschränkungen vor. Gemäß Art. 65 Abs. 1 lit. a) AEUV können Mitgliedsaaten insbesondere die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Steuerliche Ungleichbehandlungen sollen im Rahmen von Art. 65 Abs. 1 lit a) AEUV dann keine Beschränkung bewirken, wenn sich die Steuerpflichtigen wegen ihres unterschiedlichen Wohnortes oder Kapitalanlageortes in keiner vergleichbaren Situation befinden.29 Eine nationale FTT, die Transaktionen von Anteilen in Deutschland ansässiger Unternehmen an deutschen Handelsplätzen besteuert, wobei die Steuer vom Anteilserwerber zu tragen wäre, würde jedoch nicht nach dem Wohnort bzw. dem Kapitalanlageort des Steuerpflichtigen differenzieren. Damit fiele die FTT nicht in den Anwendungsbereich des Art. 65 Abs. 1 lit. a) AEUV.30 Für eine abschließende Bewertung käme es jedoch wiederum auf die konkrete Ausgestaltung der FTT an. Schließlich regelt Art. 66 AEUV zulässige kurzfristige Schutzmaßnahmen, die der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Europäischen Zentralbank gegenüber dritten Ländern mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten treffen kann, wenn diese unbedingt erforderlich sind. Soweit die FTT dauerhaft eingeführt werden soll, käme der Ausnahmetatbestand des Art. 66 AEUV nicht in Betracht.31 2.3.2. Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe – Zwingende Gründe des Allgemeinwohls Neben den geschriebenen Ausnahmetatbeständen der Art. 64 ff. AEUV können Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Veronica auch durch die ungeschriebenen zwingenden Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden.32 Nach Auslegung der EuGH-Rechtsprechung durch Generalanwalt Hogan im Verfahren Rs. C-565/18 28 Vgl. hierzu auch Mayer, EuZW 2011, 373, 378. 29 EuGH, Urteil vom 15.7.2004, Rs. C-315/02 (Lenz/Finanzlandesdirektion für Tirol), Slg. 2004, I-7081, Rn. 29; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 39. 30 Soweit die FTT in den Anwendungsbereich des Art. 65 Abs. 1 lit. a) AEUV fiele, stellte sich die Frage, ob die Vorschrift auch auf einzuführende Steuern Anwendung findet. Dies ist in der Literatur umstritten, vgl. dazu die Darstellungen bei Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 65 AEUV, Rn. 4; Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 38; Glaesner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 65 AEUV, Rn. 3; Bröhmer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 65 AEUV, Rn. 2; Wojik, in: von der Groeben/Scharze/Hatje, Europäisches Unionsrecht , 7. Auflage 2015, Art. 65 AEUV, Rn. 5. 31 Im Ergebnis Mayer, EuZW 2011, 373, 378. 32 EuGH, Urteil vom 3.2.1993, Rs. C-148/91 (Vereniging Veronica Omroep Organisatie/Commissiariaat voor de Media ), Slg. 1993, I - 513, aus der Literatur vgl. die Darstellung bei Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 225 ff. m. w. N. aus der Rechtsprechung . Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 11 soll dies auch für diskriminierende Maßnahmen gelten, solange diese nicht unmittelbar diskriminieren .33 Letztere sollen seiner Ansicht nach allein durch einen der im AEUV aufgeführten Gründe gerechtfertigt werden können.34 Nach anderer Auslegung der Rechtsprechung des EuGH in der Literatur sollen dagegen generell diskriminierende Beschränkungen nicht durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden können.35 Auch insoweit bliebe eine Entscheidung des EuGH in der Rs. C-565/18 abzuwarten. Unabhängig vom Ergebnis des vorab dargestellten Streits hat der EuGH im Bereich des Steuerrechts als ungeschriebene Rechtfertigungsgründe, die eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen können, ausdrücklich die Sicherstellung einer wirksamen Steueraufsicht bzw. wirksamen steuerlichen Kontrolle, die Wirksamkeit der Steuereinziehung, die Bekämpfung der Steuerhinterziehung bzw. von Steuerflucht und -umgehung, die Notwendigkeit, eine doppelte Verlustberücksichtigung zu verhindern, die Verhinderung (sonstiger) missbräuchlicher Praktiken , die Wahrung der (ausgewogenen) Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten sowie die Kohärenz des Steuersystems36 anerkannt. Dagegen soll nach der Rechtsprechung des EuGH die Vermeidung von Steuermindereinnahmen nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses angesehen werden können, der zur Rechtfertigung einer diskriminierenden Maßnahme angeführt werden kann, die grundsätzlich einer Grundfreiheit zuwiderläuft.37 33 Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 38 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 5.5.2017, Rs. C-235/17 (Kommission/Ungarn), ECLI:EU:C:2019:432, Rn. 59; vgl. dazu auch Kingreen, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 34-36 AEUV, Rn. 82. 34 EuGH, Urteil vom 22.10.2014, verb. Rs. C-344/13 und C-367/13 (Blanco u. a./Agenzia delle Entrata), ECLI:EU:C:2014:2311, Rn. 38; Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 38; vgl. dazu auch Glaesner, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 65 AEUV, Rn. 27. 35 Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 227 m. w. N. aus der Rechtsprechung; ferner Gramlich, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 1. Auflage 2017, Art. 63 AEUV, Rn. 33 m. w. N. aus der Rechtsprechung; abwägend Kingreen, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 34-36 AEUV, Rn. 82. 36 Vgl. die Darstellung bei Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 236 m. w. N. aus der Rechtsprechung; ferner zum Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des nationalen Steuersystems ausführlich Kokott/Ost, EuZW 2011, 496, 500 ff. m. w. N. aus der Rechtsprechung. 37 Vgl. EuGH, Urteil vom 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Staatsecretaris van Financien/B.G.M. Verkooijen), Slg. 2000, I-4113, Rn. 59, vgl. dazu Ress/Ukrow in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 234. Der Rechtsprechung des EuGH folgend, muss es sich bei den zwingenden Gründen des Allgemeinwohls insbesondere um Gründe nicht-wirtschaftlicher Natur handeln, bspw. EuGH, Urteil vom 14.12.1995, verb. Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera u. a.). Slg. 1995, I-4830, Rn. 23; vgl. dazu Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL Oktober 2019, Art. 63 AEUV, Rn. 234 m. w. N.. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 12 Nach Ansicht der Literatur wäre im Hinblick auf die Einführung einer FTT eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls im Hinblick auf die Stabilisierung der Finanzmärkte durch Verringerung von spekulativem Handel gut begründbar.38 Eine einschlägige höchstrichterliche Entscheidung ist hierzu nicht ersichtlich. 2.3.3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bei Vorliegen zwingender Gründe des Allgemeinwohls müsste die Beschränkung durch die FTT ferner dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gegenständliche Maßnahme geeignet ist, die Erreichung des rechtmäßig verfolgten Ziels zu gewährleisten, ohne darüber hinauszugehen, was hierzu erforderlich ist.39 Für den Fall der Einführung der FTT würde dies bedeuten, dass diese in ihrer konkreten Ausgestaltung das mildeste Mittel zur Erreichung des rechtmäßig verfolgen Ziels – der Gewährleistung bzw. Erreichung eines der anerkannten zwingenden Gründe des Allgemeinwohls – darstellen würde. Für eine abschließende Prüfung wäre eine konkrete Ausgestaltung der FTT unter Berücksichtigung der insoweit relevanten Ziele erforderlich. Eine FTT wäre zunächst geeignet, wenn sie für das Erreichen der zwingenden Gründe des Allgemeinwohlinteresses tatsächlich förderlich ist. Der EuGH legt hinsichtlich der Geeignetheit einer Maßnahme keine hohen Anforderungen an, sondern gewährt vielmehr den Mitgliedstaaten bei der Einschätzung der Eignung einen Prognosespielraum. Verlangt wird allerdings, dass die nationale Regelung das Ziel in kohärenter und systematischer Weise verfolgt.40 Bejahte man die Geeignetheit der Einführung einer FTT auf nationaler Ebene, wäre die Erforderlichkeit der Steuer zu prüfen. Diese fehlt, wenn der Zweck mit einem genauso wirksamen milderen Mittel erfüllt werden kann. Auch insoweit käme es auf die konkrete Zielsetzung sowie die Ausgestaltung der FTT an. Im Übrigen müsste die FTT angemessen sein. Zu prüfen wäre insoweit die Zweck-Mittel-Relation . Hierzu müsste eine genaue Analyse der Auswirkungen der FTT in ihrer konkreten Form erfolgen , die an dieser Stelle nicht vorgenommen werden kann. 3. Ergebnis Im Ergebnis wäre die Einführung einer nationalen FTT, mit der Transaktionen von Anteilen in Deutschland ansässiger Unternehmen an deutschen Handelsplätzen besteuert würden, wobei die 38 So die Ansicht von Mayer, EuZW 2011, 373, 378; vgl. ferner die Ausführungen in der Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 15/13 „Möglichkeiten zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Falle des Scheiterns der Verhandlungen bei der Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit“, Seite 22 ff. 39 EuGH, Urteil vom 21.5.2019, Rs. C-235/17 (Kommission/Ungarn), ECLI:EU:C:2019:432, Rn. 59; siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 28.11.2019, Rs. C-565/18, Rn. 38 40 EuGH, Urteil vom 6.3.2007, verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04 (Placanica u. a.), Slg. 2007, I-1932, Rn. 53, vgl. zudem Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 47. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 009/20 Seite 13 Steuer vom Anteilserwerber zu tragen wäre, am Maßstab der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit zu messen, Art. 63 – 66 AEUV. Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit. Eine umfassende Definition des Begriffs der Beschränkung findet sich weder im AEUV noch lässt sich diese der EuGH-Rechtsprechung entnehmen. Nach Ansicht Generalanwalt Hogans in der Rs. C-565/18 ist der Begriff der Beschränkung bei der Einführung von Steuern eng auszulegen . So sollen nach seiner Interpretation der Rechtsprechung des EuGH allein diskriminierende steuerliche Maßnahmen eine Beschränkung i. S. v. Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellen.41 Allerdings bleibt abzuwarten, ob der EuGH in dem Verfahren Rs. C-565/18 dieser Interpretation folgt. Folgt man – ungeachtet der noch ausstehenden Entscheidung des EuGH – der Interpretation des Generalanwalts, würden nach dem Verständnis des Verfassers bei der zu prüfenden FTT (EU-)ausländische Investoren und inländische Investoren beim Erwerb von Anteilen deutscher Unternehmen an deutschen Handelsplätzen gleich behandelt werden. In diesem Fall wäre eine Benachteiligung ausländischer Investoren und damit grenzüberschreitender Transaktionen per se nicht erkennbar. Zudem wäre eine Diskriminierung von Anteilen deutscher Unternehmen gegenüber Anteilen nicht in Deutschland ansässiger Unternehmen in ihrer Eigenschaft als Transaktionsgegenstand mangels Vergleichbarkeit nicht unmittelbar feststellbar. Abschließend ließe sich dies jedoch allein anhand der konkreten Ausgestaltung der FTT beurteilen. Für den Fall, dass eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Einführung der FTT vorläge, wäre nach der Auslegung der Rechtsprechung des EuGH durch Generalanwalt Hogan eine Rechtfertigung insbesondere anhand zwingender Gründe des Allgemeinwohls möglich, sofern es sich nicht um eine unmittelbare Diskriminierung handelt.42 Im Rahmen der Rechtfertigung wäre zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der für den Fall der Einführung der FTT hinsichtlich einer damit verbundenen Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit das mildeste Mittel zur Erreichung des rechtmäßig verfolgten Ziels – der Gewährleistung bzw. Erreichung eines der anerkannten zwingenden Gründe des Allgemeinwohls – fordert. Für eine abschließende Bewertung käme es auf die konkrete Ausgestaltung der FTT unter Berücksichtigung ihrer Zielsetzung an. – Fachbereich Europa – 41 Siehe dazu die Ausführungen oben unter Ziff. 2.2. 42 Zur Frage der Anwendbarkeit der Ausnahmetatbestände der Art. 64 – Art. 66 AEUV siehe oben unter Ziff. 2.3.1.