PE 6 - 3000 - 009/19 (30. Januar 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Der Fachbereich Europa ist beauftragt worden, zu untersuchen, ob eine Organisation der Deutschen Bahn AG in öffentlich-rechtlicher Rechtsform mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Es stellt sich folglich die Frage, ob dem Unionsrecht Vorgaben hinsichtlich der Rechtsform von Eisenbahninfrastrukturbetrieben und Eisenbahnverkehrsleistungsunternehmen zu entnehmen sind. Soweit ersichtlich, finden sich im europäischen Primär- wie Sekundärrecht keine Vorschriften, die dem Betrieb von Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsleistungsunternehmen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform ausdrücklich entgegenstehen. Vielmehr lässt der Wortlaut der Richtlinie 2012/34/EU1 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums darauf schließen, dass das Unionsrecht (auch) eine Organisation von Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsleistungsunternehmen in öffentlich-rechtlicher Form zulässt: Danach gelten als Eisenbahnunternehmen im Sinne dieser Richtlinie „jedes nach dieser Richtlinie zugelassene öffentlich-rechtliche oder private Unternehmen […]“ (Art. 3 Nr. 1) und als Betreiber von Serviceeinrichtungen im Sinne dieser Richtlinie zählen bestimmte „öffentliche oder private“ Stellen (Art. 3 Nr. 12). Die darin zum Ausdruck kommende generelle Neutralität des Unionsrechts zur Wahl der Organisationsform für Eisenbahnunternehmen wird in grundsätzlicher Hinsicht auch durch Art. 345 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in seiner derzeitigen Auslegung durch den EuGH bestätigt. Gemäß Art. 345 AEUV lassen die Verträge die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt. Aus dieser Vorschrift folgt zumindest, dass das Unionsrecht der Zuordnung von Eigentum zur öffentlichen oder privaten Hand neutral gegenübersteht.2 1 Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung) (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 343 vom 14.12.2012, S. 32, konsolidierte Fassung vom 4.12.2017. 2 EuGH, verb. Rs. C-105/12 bis C-107/12 (Essent u. a.), Rn. 29; vgl. 2010/605/EU: Beschluss der Kommission vom 26. Januar 2010 über die staatliche Beihilfe C 56/07 (ex E 15/05) Frankreichs zugunsten von La Poste (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 133), ABl. L 274 vom 19.10.2010, S. 1, 41, Rn. 317; vgl. Mitteilung der Kommission – Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. C 17 vom 19.1.2001, S. 4, 8, Nr. 21; Kingreen, in: Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Organisation der Deutschen Bahn AG in öffentlich-rechtlicher Rechtsform und Unionsrecht Organisation der Deutschen Bahn AG in öffentlich-rechtlicher Rechtsform und Unionsrecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 2 Demzufolge obliegt die Wahl der Rechtsform gemäß Art. 345 AEUV grundsätzlich den Mitgliedstaaten .3 Allerdings entbindet Art. 345 AEUV diese nicht von ihrer Pflicht, das Unionsrecht – insbesondere die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften – zu beachten.4 Unionsrechtliche Bestimmungen, welche für eine etwaige Organisation der Deutschen Bahn AG in öffentlich-rechtlicher Rechtsform in dieser Hinsicht von Relevanz sein könnten, finden sich insbesondere in den durch das sog. Vierte Eisenbahnpaket neugefassten bzw. geänderten Rechtsakten (Verordnung (EU) 2016/2337, 2016/796, Nr. 1370/2007, Richtlinie 2012/34/EU, Richtlinie (EU) 2016/797 sowie 2016/798). Zu verweisen ist an dieser Stelle im Besonderen auf die oben bereits erwähnte Richtlinie 2012/34/EU, die in ihrem 2. Abschnitt Regelungen zum Gebot der Trennung zwischen Infrastrukturbetrieb und Verkehrsdiensten beinhaltet. Betrachtet man die Rechtsprechung des EuGH zu sonstigen unionsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlich organisierten Eisenbahnunternehmen, so sind bei der Überführung eines solchen Unternehmens in eine öffentlich-rechtliche Rechtsform ggf. auch beihilferechtliche Vorschriften (Art. 107 ff. AEUV) zu beachten. Dies gilt beispielweise dann, wenn die gewählte Rechtsform des öffentlichen Rechts etwa mit unbeschränkten staatlichen Garantien einhergeht , die dieses Unternehmen im Wettbewerb mit privaten Eisenbahnunternehmen begünstigen könnten. 5 – Fachbereich Europa – Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 345 AEUV, Rn. 10; Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 48. EL August 2012, Art. 345 AEUV, Rn. 4. 3 EuGH, verb. Rs. C-105/12 bis C-107/12 (Essent u. a.), Rn. 30-31; Bär-Bouyssière, in: von der Groeben /Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 345 AEUV, Rn. 12. 4 Vgl. EuGH, Rs. C-302/97 (Konle/Österreich), Rn. 38; vgl. EuGH, Rs. C-235/89 (Kommission/Italien), Rn. 14; vgl. 2010/605/EU: Beschluss der Kommission vom 26. Januar 2010 über die staatliche Beihilfe C 56/07 (ex E 15/05) Frankreichs zugunsten von La Poste (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 133), ABl. L 274 vom 19.10.2010, S. 1, 41, Rn. 317; Bär-Bouyssière, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 345 AEUV, Rn. 12. 5 Vgl. EuGH, Rs. C-438/16 (Kommission/Frankreich).