PE 6 - 3000 - 007/20 (31. Januar 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Vor dem Hintergrund der Pläne der Bundesregierung, die EEG-Umlage zu senken und dies mit den Einnahmen aus der künftigen CO2-Bepreisung zu finanzieren,1 wird der Fachbereich Europa um Beantwortung der Frage ersucht, ob dies beihilferechtlich zulässig sei und „ob es zu einem Durchführungsverbot für die geplante EEG-Senkung oder der Gegenfinanzierung dieser kommen könnte“. Verwiesen wird insoweit auf ein Hintergrundpapier der Stiftung Umweltenergierecht, wonach eine solche Gegenfinanzierung der EEG-Umlagesenkung „den Beihilfetatbestand erfüllen würde und daher eine Genehmigung durch die EU-Kommission bedürfte.“2 Ausgangspunkt des Hintergrundpapiers ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom März letzten Jahres zum EEG 2012, in welcher dieser – anders als die EU-Kommission 3 und das Gericht (EuG)4 – die Beihilfequalität des EEG im Ergebnis verneint hat.5 Der Gerichtshof war der Ansicht, dass die dem EEG 2012 zugrunde liegenden und mit der EEG-Umlage erwirtschafteten Vergünstigungen, die Einspeisevergütungen und Prämien für Erzeuger von EEG- Strom einerseits sowie die sog. Besondere Ausgleichsregelung zugunsten stromintensiver Unternehmen andererseits,6 nicht auf staatlichen Mitteln im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV beruhen.7 1 Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050, S. 29, Pkt. 3.3.1. 2 Stiftung Umweltenergierecht, Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht, Hintergrundpapier, „EEG-Umlage und Beihilferecht“ v. 8.1.2020 (im Folgenden: Hintergrundpapier), vgl. etwa S. 13 f. 3 Beschluss (EU) 2015/1585 der Kommission vom 25. November 2014 über die Beihilferegelung SA.33995 (2013/C) (ex 2013/NN) [Deutschlands zur Förderung erneuerbaren Stroms und stromintensiver Unternehmen], ABl.EU 2015 Nr. L 250/122 (im Folgenden: Kommissionsbeschluss). 4 EuG, Urt. v. 10.5.2016, Rs. T-47/15 (Deutschland/Kommission) – im Folgenden: EuG. 5 EuGH, Urt. v. 29.3.2019, Rs. C-405/16 P (Deutschland/Kommission) – im Folgenden: EuGH. 6 Vgl. Kommissionsbeschluss (Fn. 3), Rn. 63 bis 65; EuG (Fn. 4), Rn. 43 ff., 70. 7 EuGH (Fn. 5), Rn. 48 ff., 86 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Senkung der EEG-Umlage und EU-Beihilferecht Kurzinformation Senkung der EEG-Umlage und EU-Beihilferecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 2 Ob und inwieweit diese Entscheidung auf die nachfolgenden Fassungen des EEG sowie auf andere Förderkonstellationen im Energiebereich übertragen werden kann, ist umstritten.8 Geht man von einer Übertragung aus, so bedeutet dies für das EEG 2017, dass dieses nicht am EU-Beihilferecht zu messen ist bzw. die beihilferechtlichen Vorgaben im Bereich der Förderung erneuerbarer Energien nicht weiter zu beachten sind. Dies gilt auch im Fall zukünftiger Änderungen des EEG 2017, soweit diese nicht dazu führen, dass von einem Einsatz staatlicher Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV auszugehen ist. Denn dann dürfte mit Blick auf die weiter bestehenden Vergünstigungen für EEG-Erzeuger und stromintensiven Unternehmen eine (rechtfertigungsbedürftige ) Beihilfe anzunehmen sein. An diesem Punkt setzt das Hintergrundpapier für den Fall an, dass die Senkung der EEG-Umlage mit (staatlichen) Einnahmen aus der CO2-Bepreisung gegenfinanziert werden soll und erörtert verschiedene hierfür in Betracht kommende Ausgestaltungoptionen sowie ihre beihilferechtlichen Konsequenzen.9 Dies erfolgt jedoch ausschließlich mit Blick auf den – für diesen Fall bejahten – Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV und die Frage, ob und in welchem Umfang zukünftige Fassungen des EEG (wieder) dem EU-Beihilferecht unterliegen sollen.10 Aspekte der Rechtfertigung bzw. beihilferechtlichen Zulässigkeit dieser Optionen werden dabei nicht adressiert . Diese Aspekte sind jedoch ebenfalls zu berücksichtigen, wenn es darum geht, ob die angekündigte EEG-Umlage-Senkung beihilferechtlich zulässig bzw. mit Risiken behaftet ist, entsprechende Änderungen des EEG 2017 ggf. dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV unterliegen. Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine Senkung der EEG-Umlage, die alle Umlageverpflichteten in gleicher Weise trifft, selbst keine beihilferelevante Vergünstigung darstellt. Es würde insoweit an dem Merkmal der Selektivität fehlen, da die Absenkung dann eben nicht (nur) „bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen“ zugutekäme, wie nach Art. 107 Abs. 1 AEUV für Beihilfen konstitutiv vorausgesetzt wird. Es bliebe somit bei den auch bisher bestehenden Vergünstigungen für EEG-Erzeuger und stromintensive Unternehmen, die – ungeachtet der rechtlichen Differenzen zur Beihilfequalität des EEG-Umlage- und Fördersystems – von der Kommission im Hinblick auf das EEG 2012 vor allem nach Maßgabe der einschlägigen 8 Vgl. hierzu etwa Stiftung Umweltenergierecht, Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht, Hintergrundpapier „Das EEG 2012 ist keine Beihilfe – was genau bedeutet das EuGH-Urteil? Fragen und Antworten“ v. 4.4.2019; Scholtka, Anmerkungen zu EuGH, Urt. v. 29.3.2019, Rs. C-405/16 P (Deutschland/Kommission), EuZW 2019, S. 426. Siehe hierzu auch das Gutachten des Fachbereichs Europa „Das Urteil des EuGH zum EEG 2012 und seine Übertragung auf andere Förderkonstellationen im Energiebereich“, PE 6 - 3000 - 42/19 vom 5.6.19. 9 Vgl. Hintergrundpapier (Fn. 2), S. 3 f. bzw. S. 4 ff. 10 Vgl. Hintergrundpapier (Fn. 2), S. 2, 4, 13 f. Kurzinformation Senkung der EEG-Umlage und EU-Beihilferecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 3 Vorgaben in den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen11 im Grundsatz als unionsrechtskonform angesehen wurden.12 Es ist nicht erkennbar, dass die Kommission Änderungen des EEG 2017, die mit dem Ziel einer Absenkung der EEG-Umlage vorgenommen werden sollten, im Hinblick auf die Rechtfertigung bzw. Zulässigkeit anders bewerten würde, als sie dies bisher getan hat. Dies gilt zumindest dann, wenn die aus Sicht der Kommission beihilferelevanten Vorgaben zur Förderung der Erzeugung von EEG-Strom sowie zur Entlastung von stromintensiven Unternehmen weiterhin beachtet werden . Ob und inwieweit das der Fall sein wird und auf welche Weise die geplante Senkung der EEG-Umlage einschließlich der hierfür notwendigen Gegenfinanzierung umgesetzt wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht fest, so dass weitere Aussagen sowohl zur Anwendbarkeit des EU-Beihilferechts als auch zur Zulässigkeit des Vorhabens an seinem Maßstab zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden können. In beihilfeverfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu erwarten, dass die Bundesregierung die damit verbundenen Fragen mit der für die Durchsetzung des EU-Beihilferechts zuständigen EU-Kommission im Vorfeld erörtern wird. Hierfür spricht die bisherige Beihilfehistorie der EEG-Gesetzgebung als auch die ständige Praxis der Bundesregierung, in beihilferelevanten Sachverhalten frühzeitig den Kontakt mit der Kommission zu suchen, um eine unionsrechtskonforme Ausgestaltung zu gewährleisten. Dass im Zusammenhang mit dem Vorhaben der Absenkung der EEG-Umlage eine entsprechende Sensibilität für das EU-Beihilferecht besteht, wird auch an der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der AfD zum Thema deutlich. Darin führt die Bundesregierung auf Fragen nach der Beihilferelevanz aus, dass eine „anteilige Finanzierung der EEG-Förderung aus dem Bundeshaushalt […] aus Sicht der Bundesregierung eine Neubewertung des Beihilfecharakters des Erneuerbare-Energien-Gesetzes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erforderlich machen [würde].“13 Soweit danach das Vorliegen aller Beihilfetatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht ausgeschlossen werden kann, dürfte davon auszugehen sein, dass die Bundesregierung das Vorhaben – ggf. aus Gründen der Rechtssicherheit – vor seiner Durchführung gemäß Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV bei der Kommission notifiziert und das sich anschließende Beihilfeverfahren abwartet . Bis zu einer abschließenden Kommissionsentscheidung, mit der auch das Nichtvorliegen einer Beihilfe festgestellt werden kann,14 besteht nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV das (generelle) Verbot, die beabsichtigte Maßnahme durchzuführen (sog. Durchführungsverbot). Eine Ausnahme hiervon besteht nur, soweit die betreffende Maßnahme sekundärrechtlich von der Notifizierungspflicht freigestellt ist. Für eine Vielzahl verschiedener und als standardisiert zu bezeichnender Beihilfevorgänge wurden Verordnungen im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV erlassen, die eine 11 Kommission, Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020, ABl.EU 2014 Nr. C 200/1, Rn. 107 ff. 12 Vgl. Art. 1 und Art. 3 des Kommissionsbeschlusses (Fn. 3). 13 BT-Drs. 19/16624, S. 3 (Antwort auf die Fragen 6 bis 8). 14 Vgl. Art. 4 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV, ABl.EU 2015 Nr. L 248/9. Kurzinformation Senkung der EEG-Umlage und EU-Beihilferecht Fachbereich Europa (PE 6) Seite 4 solche Freistellung bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen vorsehen, die betreffenden Maßnahmen jedoch einer nachgelagerten stichpunktartigen Beihilfekontrolle unterwerfen.15 Auch für den hier relevanten Bereich der Förderung erneuerbarer Energien bestehen solche Freistellungstatbestände .16 Ob und inwieweit diese einschlägig sein werden, lässt sich mit Blick auf die noch ausstehende Umsetzung des Vorhabens zur Senkung der EEG-Umlage nicht absehen. – Fachbereich Europa – 15 Siehe insbesondere die sog. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, die Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2014 Nr. L 187/1, letzte konsolidierte Fassung vom 10.7.2017. 16 Vgl. Art. 41 bis 43 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Fn. 15).