PE 6 - 3000 – 006/19 (04.02.2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Der Fachbereich ist beauftragt worden, zu untersuchen, unter welchen unionsrechtlichen Voraussetzungen eine Abschaffung der bestehenden deutschen Stromsteuer möglich ist. Es stellt sich folglich die Frage, ob dem Unionsrecht Vorgaben hinsichtlich der Besteuerung von elektrischem Strom zu entnehmen sind. Unionsrechtliche Vorgaben zur Besteuerung von elektrischem Strom finden sich in der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Stromsteuerrichtlinnie ).1 Gemäß Art. 288 UA 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, jedoch ist den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel überlassen. Richtlinien bedürfen daher grundsätzlich der Umsetzung in nationales Recht. Die Umsetzung der Stromsteuerrichtlichtlinie erfolgte im deutschen Energiesteuergesetz sowie im Stromsteuergesetz.2 Aufgrund von Art. 1 Stromsteuerrichtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, nach Maßgabe der Richtlinie Steuern auf Energieerzeugnisse und elektrischem Strom zu erheben. Gemäß Art. 6 Stromsteuerrichtlinie steht es den Mitgliedstaaten frei, die in der Stromsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen zu gewähren. Zusätzlich kann der Rat 1 Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, (ABl. L 283 vom 31.10.2003, S. 51), konsolidierte Fassung vom 15.09.2018 (zuletzt abgerufen am 13.03.2019). 2 Energiesteuergesetz vom 15. Juli 2006 (BGBl. I S. 1534; 2008 I S. 660, 1007), zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 26. Juni 2018 geändert (BGBl. I S. 888); Stromsteuergesetz vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 378; 2000 I S. 147), zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 27. August 2017 geändert (BGBl. I S. 3299; 2018 I 126) (zuletzt abgerufen jeweils am 13.03.2019). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Unionsrechtliche Grundlagen zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom Kurzinformation Unionsrechtliche Grundlagen zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom Fachbereich Europa (PE 6) Seite 2 einstimmig auf Vorschlag der Kommission einen Mitgliedstaat ermächtigen, auf Grund besonderer politischer Erwägungen weitere Befreiungen oder Ermäßigungen einzuführen, Art. 19 Stromsteuerrichtlinie . Eine Abschaffung der deutschen Stromsteuer würde die entsprechenden legislativen Maßnahmen nach deutschem Recht voraussetzen (insb. Aufhebung bzw. Anpassung des Stromsteuergesetzes). Aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Art. 288 UA 3 AEUV (siehe oben) sowie der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien nach Ablauf der Umsetzungsfrist3 müsste jedoch zunächst die Stromsteuerrichtlinie aufgehoben bzw. entsprechend angepasst werden. Die Stromsteuerrichtlinie wurde auf der Grundlage von ex-Art. 93 Vertrag zu Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG, jetzt Art. 113 AEUV)4 erlassen.5 Erforderlich ist daher der Erlass einer entsprechenden Richtlinie auf der Grundlage von Art. 113 AEUV, die die Stromsteuerrichtlinie aufhebt oder anpasst . Bei Art. 113 AEUV handelt es sich um eine geteilte Zuständigkeit i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Satz 3 AEUV6, so dass die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit insbesondere wahrnehmen können, soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht mehr wahrnimmt. Gemäß Art. 113 AEUV erlässt der Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschaftsund Sozialausschusses einstimmig die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig ist. Erforderlich wäre daher zunächst ein entsprechender Kommissionsvorschlag. - Fachbereich Europa - 3 Vgl. hierzu die Darstellung von Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 288 AEUV, Rn. 47 ff. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH. 4 Nach ex-Art. 93 EG konnte der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts innerhalb der in Art. 14 EG gesetzten Frist notwendig ist, erlassen. 5 Siehe Präambel der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, Abl. EU 283/51 vom 31.10.2003 (zuletzt abgerufen am 13.03.2019). 6 Gröpl, in: Dauses/Ludwig, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 45. EL Juli 2018, J. 1 b) gg) bbb) Rn. 34; Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 65. EL August 2018, Art. 113 AEUV, Rn. 4.