© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 – 3000 – 05/14 Vergaberecht und die Teilnahme der Sanitätsdienste der Bundeswehr am zivilen Notfall- und Rettungsdienst Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 2 EU-Vergaberecht und die Teilnahme der Sanitätsdienste der Bundeswehr am zivilen Notfall- und Rettungsdienst Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 05/14 Abschluss der Arbeit: 13.03.2014 Fachbereich: PE 6: Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Organisation des Rettungsdienstwesens nach deutschem Recht 5 3. Geltende Rechtslage 7 3.1. Vorgaben des geltenden EU-Vergaberechts 8 3.1.1. Überblick über das geltende EU-Vergaberecht und seine Umsetzung in Deutschland 8 3.1.2. EU-Vergaberecht und deutscher Rettungsdienst 9 3.1.2.1. EuGH-Urteil „Kommission gegen Deutschland“ (2010) 10 3.1.2.2. EuGH-Urteil „Rettungsdienst Stadler“ (2011) 12 3.1.2.3. Zusammenfassung 13 3.1.3. Vergaberichtlinie 2004/18/EG 13 3.1.4. Primärrechtliches Vergaberecht 14 3.2. Zulässigkeit einer Direktvergabe nach geltender Rechtslage 15 3.2.1. Auf Grundlage der Vergaberichtlinie 2004? 16 3.2.2. Auf Grundlage von Art. 106 Abs. 2 AEUV? 16 3.2.3. Im Bereich des primärrechtlichen Vergaberechts 16 3.2.3.1. Fehlende Binnenmarktrelevanz 17 3.2.3.2. Rechtfertigung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit 17 4. Rechtslage im Lichte der neuen Vergabe- und der Konzessionsrichtlinie 19 4.1. Vorgaben der neuen Vergabe- und der Konzessionsrichtlinie 19 4.1.1. Zur Ausnahme für den Notfall- und Rettungsdienst 20 4.1.1.1. Inhalt der Ausnahmeregelung 20 4.1.1.2. Zur Reichweite des persönlichen Anwendungsbereichs der Ausnahmeregelung 21 4.1.2. Vorgaben der Vergaberichtlinie 2014 23 4.1.3. Vorgaben der Konzessionsrichtlinie 25 4.2. Zulässigkeit einer Direktvergabe nach zukünftiger Rechtslage 26 4.2.1. Direkte Anwendung der Ausnahmeregelung auf bundeswehreigene Sanitätsdienste? 26 4.2.2. Analoge Anwendung der Ausnahmeregelung auf bundeswehreigene Sanitätsdienste? 28 4.2.3. Direktvergabeoption im Rahmen der Rechtssetzungsauftrags nach Art. 76 Abs. 1 Vergaberichtlinie 2014 29 4.2.4. Direktvergabe auf Grundlage der Konzessionsrichtlinie 29 4.2.5. Im Rahmen des primärrechtlichen Vergaberechts 30 5. Ergebnis 30 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 4 1. Einleitung Im Januar bzw. Februar 2014 nahmen das Europäische Parlament bzw. der Rat drei Richtlinien an1, mit denen das bestehende sekundärrechtliche EU-Vergaberecht modernisiert werden soll.2 Diese Rechtsakte werden voraussichtlich (erst) im April 2014 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und können erst dann in Kraft treten. Im Folgenden werden daher die Textversionen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Beschlussfassung des Europäischen Parlaments gewesen sind. Neben der Revision zweier bestehender Rechtsakte, der Richtlinie 2004/18/EG über die öffentliche Auftragsvergabe (im Folgenden: Vergaberichtlinie 2004)3 und der Sektorenrichtlinie 2004/17/EG4 umfasst das Modernisierungspaket eine neue Richtlinie über die bisher sekundärrechtlich nicht geregelte Konzessionsvergabe (im Folgenden: Konzessionsrichtlinie).5 Sowohl die revidierte allgemeine Richtlinie über die öffentliche 1 Vgl. die Pressemitteilungen des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2014, online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/news/de/newsroom /content/20140110IPR32386/html/%C3%96ffentliche-Auftragsvergabe-Bessere-Qualit%C3%A4tund -mehr-Leistung-f%C3%BCr-den-Preis (letztmaliger Abruf am 15.02.16) und des Rates vom 11. Februar 2014, online abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/intm/140975.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 2 Siehe zu den Anliegen der Reform die Angaben auf den Seiten der EU-Kommission, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/modernising_rules/reform_proposals/index_de. htm (letztmaliger Abruf am 15.02.16), sowie auf den Seiten des EU-Parlaments http://www.europarl.europa.eu/pdfs/news/expert/infopress/20140110IPR32386/20140110IPR32386_de. pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 3 Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ABl.EU 2004 Nr. L 134/114, konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2004L0018:20130701:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Im Schrifttum auch als Vergabekoordinierungsrichtlinie bezeichnet, vgl. etwa Frenz, Handbuch Europarecht - Band 3 Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1919. 4 Bisher Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ABl.EU 2004 Nr. L 134/1, konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2004L0017:20130701:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16). In Zukunft: Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, online abrufbar auf den Seiten des Europäischen Parlaments (P7_TA-PROV(2014)0026) unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+20140115+SIT- 03+DOC+PDF+V0//DE&language=DE (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 5 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe, online abrufbar auf den Seiten des Europäischen Parlaments (P7_TA-PROV(2014)0024) unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+20140115+SIT- 01+DOC+PDF+V0//DE&language=DE, S. 32 ff. (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 5 Auftragsvergabe (im Folgenden: Vergaberichtlinie 2014)6 als auch die Konzessionsrichtlinie enthalten erstmals Ausnahmeregelungen für den Bereich der Notfall- und Rettungsdienste.7 In diesem Zusammenhang wird der Fachbereich um die Beantwortung der Frage gebeten, ob die Beteiligung des bundeswehreigenen Sanitätsdienstes am zivilen Notfall- und Rettungsdienst der Länder (weiterhin) dem EU-Vergaberecht unterliegen wird. Insbesondere wird danach gefragt, ob die zuständigen Hoheitsträger künftig verpflichtet sein werden, eine Ausschreibung vorzunehmen. Zu prüfen ist damit letztlich, ob eine Direktvergabe von Rettungsdienstleistungen an die Sanitätsdienste der Bundeswehr möglich sein wird, ohne insoweit ein Vergabeverfahren durchführen zu müssen. Diese Fragen stellen sich vor dem Hintergrund, dass die Ausbildung der Sanitätssoldatinnen und -soldaten für den einsatzrelevanten Notfall- und Rettungsdienst nach Angaben des Auftraggebers nur dann sichergestellt ist, wenn die bundeswehreigenen Sanitätsdienste in die Notfallversorgung der Zivilbevölkerung eingebunden sind. Denn allein auf diese Weise sei gewährleistet, dass die Ausbildung vor allem in quantitativer aber auch qualitativer Hinsicht einen ausreichenden Praxisbezug habe. Zur Beantwortung der Fragen wird im Folgenden zunächst eine kurze Darstellung der rechtlichen Organisation des Rettungsdienstwesens nach deutschem Recht vorangestellt (siehe unter 2.). Mit Blick auf den Umstand, dass die kürzlich angenommenen Richtlinien erst nach Ablauf einer zweijährigen Frist und damit erst 2016 ins nationale Recht umgesetzt sein müssen8, wird zuerst die geltende Rechtslage beleuchtet (siehe unter 3.) und erst im Anschluss hieran die zukünftigen Anforderungen des EU-Vergaberechts untersucht (dazu unter 4.). Dabei werden zunächst die allgemeinen Vorgaben für den Rettungsdienst dargestellt und jeweils im Anschluss erörtert, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Direktvergabe an bundeswehreigene Sanitätsdienste möglich ist. 2. Organisation des Rettungsdienstwesens nach deutschem Recht Das deutsche Rettungsdienstwesen ist seit 1992 ausschließlich landesrechtlich geregelt.9 6 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe, auf den Seiten des Europäischen Parlaments (P7_TA-PROV(2014)0025), online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+20140115+SIT- 02+DOC+PDF+V0//DE&language=DE (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 7 Vgl. Art. 10 Buchst. h) Vergaberichtlinie 2014 bzw. Art. 10 Abs. 8 Buchst. g) Konzessionsrichtlinie. 8 Siehe jeweils Art. 90 Vergaberichtlinie 2014 (Fn.6) sowie Art. 51 Konzessionsrichtlinie (Fn. 5). Die Umsetzungsfrist läuft ab dem Datum des Inkrafttretens, für welches zunächst eine Veröffentlichung im Amtsblatt der EU notwendig ist. 9 Zur geschichtlichen Entwicklung dieses Rechtsgebietes, vgl. Esch, Rechtsfragen der Erbringung und Vergütung rettungsdienstlicher Leistungen, 2005, S. 48 ff.; Wiedenfeld, Das deutsche Rettungswesen im Spannungsfeld zwischen hoheitlicher Aufgabe und Marktleistung, 2013, S. 17 ff., 25 ff. Zur Gesetzgebungskompetenzverteilung in diesem (Querschnitts-)Bereich allgemein, siehe Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 69 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 6 Aus den einschlägigen Landesrettungsgesetzen10 ergeben sich zunächst die hiervon erfassten Rettungsdienstleistungen.11 Hierbei werden im Wesentlichen zwei Formen unterschieden: Notfallrettung und (qualifizierter) Krankentransport. Unter der erstgenannten werden lebensrettende Sofortmaßnahmen oder Maßnahmen zur Verhinderung schwerer gesundheitlicher Schäden verstanden.12 Der (qualifizierte) Krankentransport beinhaltet dagegen die Beförderung von Erkrankten, Verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, welche keine Notfallpatienten sind.13 Für beide Leistungen ist kennzeichnend, dass es qualifizierten Personals und einer bestimmten Technikausrüstung bedarf.14 Der (qualifizierte) Krankentransport ist schließlich abzugrenzen von den nicht vom Rettungsdienst erfassten sog. Krankenfahrten, bei denen während der Beförderung eine medizinisch-fachliche Betreuung nicht erforderlich ist.15 Die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Notfall- und Krankentransportleistungen ist nach den einschlägigen Landesrettungsgesetzen eine hoheitliche Aufgabe.16 Darüber hinaus unterscheiden sich die landesrechtlichen Regelungen darin, ob und inwieweit neben dem öffentlichen Rettungsdienst auch private Anbieter aufgrund von (gewerberechtlichen) Genehmigungen entsprechende Leistungen anbieten können.17 Für die hier behandelten Fragen kommt es jedoch allein auf den sog. öffentlichen Rettungsdienst an. Die Wahrnehmung des öffentlichen Rettungsdienstes obliegt jeweils den landesgesetzlich näher bestimmten hoheitlichen Aufgabenträgern, in Flächenländern oftmals Kreisen und kreisfreien Städten.18 Diese können den Rettungsdienst selbst durch eigene Personal- und 10 Die Bezugnahmen auf einschlägiges Landesrecht beschränken sich im Folgenden auf die fünf Bundesländer, in denen Bundeswehrkrankenhäuser bestehen: Baden-Württemberg (Gesetz über den Rettungsdienst in Baden-Württemberg – RettDG BW), Berlin (Gesetz über den Rettungsdienst für das Land Berlin – RDG Berlin), Hamburg (Hamburgisches Rettungsdienstgesetz - HmbRDG), Niedersachsen (Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz – NRettDG) und Rheinland-Pfalz (Landesgesetz über den Rettungsdienst sowie den Notfall- und Krankentransport – RettDG RP). 11 Vgl. Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 34. 12 Siehe etwa §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 HmbRDG, § 1 Abs. 2 RDG BW. 13 Vgl. bspw. § 3 Abs. 2 HmbRDG, § 1 Abs. 3 RDG BW. 14 Vgl. Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 22. 15 Vgl. etwa § 1 Abs. 3 Satz 2 RDG BW. 16 Siehe bspw. § 1 Abs. 1 RDG Baden-Württemberg, § 2 Abs. 1 NRettDG, § 2 Abs. 1 S. 1 RDG Berlin, § 2 Abs. 1 RettDG Rheinland-Pfalz, § 6 Abs. 2 HmbRDG. 17 Siehe im Einzelnen hierzu Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 52 ff., der insoweit die Begriffe „Trennungsund Eingliederungsmodell“ verwendet, um diese Möglichkeit bzw. ihr Fehlen zu illustrieren. Vgl. dazu auch EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 20 ff. In der dort wiedergegebenen Beschreibung der Situation in Deutschland wird der Anteil des öffentlichen Rettungsdienstes an allen Rettungsdienstleitungen mit ca. 70 % angegeben (gegenüber dem 30%igen Anteil privater Anbieter). Siehe hierzu etwa § 4 HmbRDG, § 19 NRettDG, § 3 RDG Berlin, § 14 RettDG Rheinland-Pfalz, § 15 RDG Baden-Württemberg. 18 Vgl. bspw. § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 NRettDG, § 3 RettDG RheinlandPfalz. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 7 Sachmittel ausführen oder sich (ggf. zusätzlich) Dritter bedienen. Im Fall der Einbeziehung Dritter geben die einschlägigen Landesrettungsgesetze zudem oftmals vor, dass auf anerkannte Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, den Arbeiter-Samariter Bund u. a. zurückzugreifen ist.19 Ungeachtet einer solchen Privilegierung zugunsten der Hilfsorganisationen erfolgt wohl auch die Einbeziehung der bundeswehreigenen Sanitätsdienste auf diese Weise. Die rechtliche Qualifizierung der Beteiligung Dritter am öffentlichen Rettungsdienst variiert dabei je nach Landesgesetz: Möglich sind sowohl privat- als auch öffentlich-rechtliche Verträge.20 Werden Dritte in den öffentlichen Rettungsdienst einbezogen, so bedarf es der Klärung, auf welche Art und Weise die Vergütung der erbrachten Notfall- und Krankentransportleistungen gewährleistet wird. Hier werden zwei verschiedene Ansätze unterschieden, die je nach landesrechtlicher Ausgestaltung (auch alternativ) zur Anwendung kommen können: das Submissions- und das Konzessionsmodell.21 Das Submissionsmodell ist dadurch gekennzeichnet, dass der Aufgabenträger die einbezogenen Dritten für ihre Leistungen direkt vergütet und selbst mit Patienten oder deren Krankenversicherungen aufgrund festgelegter Gebühren/Entgelte abrechnet.22 Bei dem Konzessionsmodell erhält der Dritte regelmäßig keine Vergütung vom Aufgabenträger, sondern darf selbst gegenüber den beförderten Patienten bzw. deren Versicherungen Entgelte erheben.23 Vergaberechtliche Anforderungen an die Einbeziehung Privater in den öffentlichen Rettungsdienst enthalten die Landesrettungsgesetze regelmäßig nicht.24 3. Geltende Rechtslage Im Folgenden werden zunächst die Vorgaben des geltenden EU-Vergaberechts dargestellt (siehe unter 3.1.). Im Anschluss daran wird untersucht, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Direktvergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste möglich ist (siehe unter 3.2.). 19 Zu den verschiedenen Privilegierungsregelung in den Landesrettungsdienstgesetzen siehe Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 123 ff. Vgl. etwa § 7 S. 2 HmbRDG, § 5 Abs. 1 RDG Berlin. 20 Vgl. im Einzelnen Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 106 ff. Siehe auch Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 33 f. Vgl. dazu § 7 HmbRDG, § 5 Abs. 2 S. 1 RDG Berlin. 21 Siehe zur Verteilung auf die Bundesländer sowie zu allgemein zu diesen beiden Modellen, Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 40 ff.; Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 137 ff. Siehe etwa § 10a Abs. 2 HmbRDG, § 15a NRettDG. 22 Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 41 f. Siehe auch § 10 a Abs. 2 HmbRDG, § 21 RDG Berlin, §§ 11, 12 RettDG Rheinland-Pfalz, § 28 RDG BW, § 15a NRettDG. 23 Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 138 f.; Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 41 ff. Vgl. § 10a HmgRDG, § 21 RDG Berlin, § 12 RettDG Rheinland-Pfalz, § 28 RDG Baden-Württemberg, § 15a NRettDG. 24 Kritisch hierzu vor dem Hintergrund der Konkurrenz gewerblicher Rettungsunternehmen und der anerkannten Hilfsorganisationen, Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 169 f. Vgl. § 8 S. 1 HmbRDG, § 5 Abs. 1 S. 2 RDG Berlin, § 5 RettDG Rheinland-Pfalz, § 2 RDG BW. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 8 3.1. Vorgaben des geltenden EU-Vergaberechts Nach einem Überblick über die Rechtsgrundlagen des geltenden EU-Vergaberechts sowie seine Umsetzung in Deutschland (siehe unter 3.1.1), wird zunächst das deutsche Notfallund Rettungswesen in diesen Kontext eingeordnet (siehe unter 3.1.2.). Sodann werden die in diesem Zusammenhang relevanten Vorgaben der Vergaberichtlinie 2004 (siehe unter 3.1.3.) sowie des primärrechtlichen Vergaberechts aufgezeigt (siehe unter 3.1.4.). 3.1.1. Überblick über das geltende EU-Vergaberecht und seine Umsetzung in Deutschland Das EU-Vergaberecht untergliedert sich in einen primärrechtlichen und einen sekundärrechtlichen Teil. Das primärrechtliche Vergaberecht findet seine Rechtsgrundlage im Wesentlichen in den Grundfreiheiten, insbesondere in der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 f. AEUV.25 Es beruht daher vor allem auf der Rechtsprechung des EuGH. Die sich daraus ergebenden Vorgaben hat die Kommission 2006 in einer Mitteilung zusammengefasst (im Folgenden: KOM-Vergabemitteilung).26 Im Vergleich mit den ausdifferenzierten und für die Praxis bedeutsameren Vergaberichtlinien enthält das primärrechtliche Vergaberecht nur rudimentäre Vorgaben zur Auftragsvergabe.27 Sie sind immer dann zu beachten, wenn die Vergaberichtlinien nicht oder nur teilweise anwendbar sind. 28 Ersteres ist vor allem dann der Fall, wenn die zu vergebenden öffentlichen Aufträge die in den Richtlinien vorgesehenen Schwellenwerte für die wertmäßigen Auftragsvolumen unterschreiten. Eine teilweise Anwendung gilt hingegen für bestimmte Dienstleistungen, die per se eine nur geringe Relevanz für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsaustausch aufweisen. Keine Anwendung finden die Vergaberichtlinien ferner, wenn es sich bei dem Beschaffungsakt um eine Dienstleistungskonzession handelt (vgl. Art. 17 Vergaberichtlinie 2004).29 Liegt hingegen ein entsprechender öffentlicher Auftrag im Sinne der Richtlinien vor und werden insbesondere die Schwellenwerte erreicht, so kommen die geltenden Richtlinien und die in ihnen enthalten Vorgaben zur Vergabe öffentlicher Aufträge gegenüber den Grundfreiheiten vorrangig zur Anwendung. Von Bedeutung für die hier relevanten Fragen ist allerdings nur die Vergaberichtlinie 2004, nicht hingegen die sog. Sektorenrichtlinie. Denn diese erfasst lediglich Dienstleistungen im Bereich Wasser-, Energie- und 25 Frenz, Beihilfe- und Vergaberecht (Fn. 3), Rn. 1699 ff., 1721 ff., 1909 ff. 26 Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, ABl.EU 2006 Nr. C 179/2, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2006:179:0002:0007:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 27 Einzelheiten siehe unten unter 3.1.4, S. 14 f. 28 Vgl. dazu auch die KOM-Mitteilung, Einleitung (siehe Fn. 26). 29 Siehe bspw. EuGH, Rs. C-274/09 (Rettungsdienst Stadler), Slg. 2011, I-1335, Rn. 49. Zur Unterscheidung von Dienstleistungsaufträgen und -konzessionen, siehe unten unter 3.1.2.2., S. 12 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 9 Verkehrsversorgung sowie Postdienste, so dass sie im Folgenden außer Betracht gelassen wird. In Deutschland wurde die Vergaberichtlinie 2004 entsprechend der Systematik des nationalen Vergaberechts auf drei Ebenen umgesetzt: während grundlegende Regelungen in §§ 97 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufgenommen wurden, fungiert die auf Grundlage des GWB erlassene Vergabeverordnung (VgV) als Bindeglied zu den Verdingungsordnungen, in den denen die Detailregelungen enthalten sind.30 Für den Bereich der hier relevanten Dienstleistungen ist die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) einschlägig. In der (nationalen) vergaberechtlichen Praxis finden grundsätzlich die nationalen Umsetzungsvorschriften Anwendung. Diese sind allerdings im Lichte der Richtlinie auszulegen und anzuwenden (sog. richtlinienkonforme Auslegung).31 Ist eine richtlinienkonforme Auslegung im Einzelfall nicht möglich, so kann die Vergaberichtlinie 2004 unter bestimmten Voraussetzungen auch unmittelbar auf den nationalen Sachverhalt bzw. Rechtstreit angewendet werden.32 Für die Beurteilung eines vergaberechtlichen Sachverhalts entscheidend sind somit letztlich die Richtlinienvorgaben – ein Vorliegen der sachlichen und persönlichen Anwendungsvoraussetzungen der Vergaberichtlinie 2004 vorausgesetzt.33 Fehlen diese Anwendungsvoraussetzungen, so kommt in der vergaberechtlichen Praxis eine unmittelbare Anwendung des primärrechtlichen Vergaberechts in Betracht, soweit dessen Anwendungsvoraussetzungen im Einzelfall gegeben sind (Einzelheiten unten unter 3.1.4.34). 3.1.2. EU-Vergaberecht und deutscher Rettungsdienst In den Fokus des EU-Vergaberechts gelangte das deutsche Notfall- und Rettungswesen insbesondere durch zwei Entscheidungen des EuGH aus den Jahren 2010 bzw. 2011.35 30 Sog. Kaskadenprinzip, siehe hierzu allgemein und zur Umsetzung der geltenden Vergaberichtlinien, Niestedt/Eichler, in: Montag/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) - Band 3 Beihilfen- und Vergaberecht 2011, vor §§ 97 ff. GWB, Rn. 147 ff. 31 Vgl. Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 122. Allgemein zum Gebot der richtlinienkonformen Auslegung Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 8. Aufl. 2012, Rn. 397 ff. 32 Allgemein zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien, vgl. etwa Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2012, Rn. 486 ff. 33 Zu diesen siehe unten unter 3.1.3., S. 13 f. 34 Siehe S. 14 f. 35 Rettungsdienste anderer Mitgliedstaaten gerieten bereits früher ins Visier des Unionsrechts, vgl. etwa EuGH, Rs. C-76/97 (Tögel/Niederösterreichische Gebietskrankenkasse), Slg. 1998, I-5357, Rn. 29 ff.; EuGH, Rs. C-532/03 (Kommission/Irland), Slg. 2007, I-11353, Rn. 28 ff. Zur Befassung deutscher Gerichte mit vergaberechtlichen Aspekten des Rettungsdienstes bis zu den beiden einschlägigen EuGH-Urteilen, siehe Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 110 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 10 Beide Urteile illustrieren die EU-vergaberechtliche Einordnung dieses Bereichs und die damit verbundenen Rechtsfragen. 3.1.2.1. EuGH-Urteil „Kommission gegen Deutschland“ (2010) Gegenstand der ersten Entscheidung war ein von der Kommission gegen Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV. Darin warf die Kommission Deutschland vor, unter Verstoß gegen u. a. die Vergaberichtlinie 2004 sowie die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 bzw. Art. 56 AEUV Aufträge im Bereich öffentlicher Krankentransportleistungen nicht öffentlich ausgeschrieben bzw. nicht transparent vergeben und keine Bekanntmachungen über vergebene Aufträge veröffentlicht zu haben.36 Anlass für dieses Verfahren war die Praxis in mehreren Bundesländern, in denen im Hinblick auf die Vergütung der Dienstleister das Submissionsmodell zugrunde lag.37 Im Rahmen des Verfahrens hatte der Gerichtshof zunächst die Frage zu beantworten, ob die öffentlichen Krankentransportdienstleistungen durch beauftragte Dienstleister nicht unter die Bereichsausnahme der Art. 51 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 62 AEUV fallen. Danach finden die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit – und in deren Folge auch die Vergaberichtlinie 2004 – keine Anwendung auf mitgliedstaatliche Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind.38 Dies wurde von Seiten Deutschlands u. a. mit Hinweis auf Mittel wie Blaulicht und Einsatzhorn sowie auf Vorfahrtsrechte nach der StVO vorgetragen.39 Der EuGH verneinte jedoch das Vorliegen der Bereichsausnahme. Aus diesen sowie weiteren Umständen ergebe sich nicht, dass die beauftragten Dienstleister mit vom allgemeinen Recht abweichenden Vorrechten oder Zwangsbefugnissen ausgestattet sind, um die Einhaltung bspw. der Vorfahrtsrechte zu gewährleisten. Es liege somit keine unmittelbare und spezifische Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt vor, die für Art. 51 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 62 AEUV erforderlich sei.40 Hieraus ist zu schließen, dass öffentliche Krankentransportdienstleistungen generell und unabhängig von der Vergütung nach Submissions- oder Konzessionsmodell nicht der Bereichsausnahme aus Art. 51 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 62 AEUV unterliegen.41 36 EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 1. Geltend gemacht und geprüft wurden aus Gründen der vom Vertragsverletzungsverfahren erfassten Zeiträume ferner Verstöße gegen den Vorgängerrechtsakt der Vergaberichtlinie 2004, die Richtlinie 92/50. Da es sich insoweit um weitgehend gleichlautende Bestimmungen handelt, wird im Folgenden nur auf die Vergaberichtlinie 2004 abgestellt. 37 Es handelte sich hierbei um die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen, vgl. EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 23, 26. 38 Siehe EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 72 ff. 39 Siehe EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 81. 40 EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 82, 86. 41 Vgl. auch Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 36; bereits vor dem Urteil schon ablehnend, Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 134 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 11 Im Hinblick auf den geltend gemachten Vertragsverstoß hatte der EuGH zu klären, in welchem Umfang öffentliche Krankentransportdienstleistungen den Vorgaben u. a. der Vergaberichtlinie 2004 unterliegen.42 Diese unterscheidet in ihren Art. 20 und 21 zwei Gruppen von Dienstleistungen, die jeweils in Anhang II Teil A bzw. B des Rechtsaktes abschließend aufgeführt sind.43 Dienstleistungen nach Art. 20 Vergaberichtlinie 2004 und Anhang II Teil A (sog. vorrangige Dienstleistungen) werden den strengen Richtlinienanforderungen der Art. 23 bis 55 umfassend unterworfen44. Dienstleistungen nach Art. 21 Vergaberichtlinie 2004 und Anhang II Teil B (sog. nachrangige Dienstleistungen) unterliegen hingegen lediglich den Anforderungen des Art. 23 Vergaberichtlinie 2004 über technische Spezifikationen in den Auftragsunterlagen und des Art. 35 Abs. 4 Vergaberichtlinie 2004, wonach die Vergabe eines Auftrags nachträglich gegenüber der Kommission bekannt gemacht werden muss. Hierbei kann der Auftraggeber auch bestimmen, ob er mit der Veröffentlichung der Bekanntmachung einverstanden ist. Notfalltransportleistungen sind mit den darin enthaltenen Verkehrsleistungen vorrangige Dienstleistungen nach Art. 20 Vergaberichtlinie 2004. Mit Blick auf den Anteil der medizinischen Leistungen sind sie hingegen nachrangige Dienstleistungen nach Art. 21 Vergaberichtlinie 2004.45 Für gemischte Aufträge sieht Art. 22 Vergaberichtlinie 2004 vor, dass es auf den wertmäßigen Anteil ankommt. Überwiegt der Wert der Leistungen nach Art. 20 Vergaberichtlinie 2004, so kommen die Art. 23 bis 55 Vergaberichtlinie 2004 zur Anwendung, anderenfalls nur Art. 23 und Art. 35 Abs. 4 Vergaberichtlinie 2004. Da die Kommission die Wertverhältnisse der beanstandeten Fälle nicht genau nachweisen konnte, entschied der EuGH allein auf einen Verstoß gegen die nachträgliche Bekanntmachungspflicht aus Art. 35 Abs. 4 Vergaberichtlinie 2004. Denn diese Vorschrift wäre in jedem Fall zu beachten gewesen.46 Die anderen geltend gemachten Verstöße gegen die Vergaberichtlinie 2004 einerseits sowie gegen die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit andererseits ließ der EuGH entsprechend ungeprüft.47 Gegenstand des Urteils war schließlich noch die von deutscher Seite vorgetragene Rechtfertigung des Verstoßes nach Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV. Danach gelten die Vertragsvorschriften, insbesondere die Wettbewerbsregeln, für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, nur insoweit, 42 EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 113 ff. Für das österreichische Recht siehe bereits EuGH, Rs. C-76/97 (Tögel/Niederösterreichische Gebietskrankenkasse), Slg. 1998, I- 5357, Rn. 40. 43 Siehe zu dieser Differenzierung allgemein Tugendreich, in: Montag/Säcker, MüKo Wettbewerbsrecht (Fn. 30), § 99 GWB, Rn. 215 f.; Frenz, Beihilfe- und Vergaberecht (Fn. 3), Rn. 2216 f. 44 Dazu zählen die Vorschriften über die Verdingungs- und die Auftragsunterlagen (Art. 23 bis 27), die Verfahrensvorschriften (Art. 28 bis 34), die Vorschriften über die Veröffentlichung und die Transparenz (Art. 35 bis 43) sowie die Vorschriften über den Ablauf des Verfahrens (Art. 44 bis 55). 45 Vgl. Anhang II Teil A Kategorie 2: Landverkehr, Anhang II Teil B Kategorie 25: Gesundheitswesen. Siehe hierzu auch Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 146 ff.; Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 38 ff. 46 Vgl. EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 122. 47 Vgl. EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 122 u. 123. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 12 als die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. In einem älteren Urteil hatte der EuGH bereits geurteilt, dass Notfalltransportleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse anzusehen sind.48 Das auf diesen Umstand gestützte Rechtfertigungsanliegen wurde jedoch im Ergebnis zurückgewiesen. Zwar könne diese Bestimmung spezielle Maßnahmen der betroffenen Auftraggeber rechtfertigen, etwa in Gestalt einer den Besonderheiten des zu versorgenden Gebiets angepassten Erhebung von Entgelten.49 Im vorliegenden Fall sei aber nicht ersichtlich, warum die nachträgliche Bekanntmachungspflicht nach Art. 35 Abs. 4 Vergaberichtlinie 2004 geeignet sein solle, die Erfüllung der Notfalltransportleistung als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu verhindern.50 3.1.2.2. EuGH-Urteil „Rettungsdienst Stadler“ (2011) Das 2011 ergangene, zweite Urteil beruhte auf einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV. Gegenstand der Rechtssache Rettungsdienst Stadler war die Frage, ob die Vergabe von Rettungsdienstleistungen nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz als öffentlicher Dienstleistungsvertrag im Sinne der Vergaberichtlinie 2004 oder als Dienstleistungskonzession anzusehen ist, die von diesem Rechtsakt nicht umfasst wird.51 Der EuGH betonte, dass es sich bei der Einordnung eines vergaberechtlichen Vorgangs in diese beiden Kategorien ausschließlich um eine am Maßstab des Unionsrechts zu beantwortende Frage handelt.52 Der maßgebliche Unterschied zwischen einem öffentlichen Dienstleistungsvertrag und einer Dienstleistungskonzession liege in der Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung. Während im ersten Fall die Gegenleistung unmittelbar vom öffentlichen Auftraggeber an den Dienstleistungserbringer gezahlt werde, bestehe die Gegenleistung bei der Dienstleistungskonzession in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung, sei es ohne oder zuzüglich der Zahlung eines Preises (vgl. Art. 1 Abs. 4 Vergaberichtlinie 2004).53 Ferner sei für eine Dienstleistungskonzession erforderlich, dass der Konzessionär das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistung übernehme; anderenfalls liege lediglich ein Dienstleistungsauftrag vor.54 Für den vorliegenden Fall entschied der EuGH auf eine Dienstleistungskonzession und stellte insoweit fest, dass diese zwar der Vergaberichtlinie 2004 nicht unterliege. In diesen 48 Vgl. EuGH, Rs. C-475/99 (Ambulanz Glöckner), Slg. 2001, I-8089, Rn. 55 u. 60: vgl. auch EuGH, Rs. C- 160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 125. 49 Vgl. EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 128. 50 EuGH, Rs. C-160/08 (Kommission/Deutschland), Slg. 2010, I-3713, Rn. 129 f. 51 EuGH, Rs. C-274/09 (Rettungsdienst Stadler), Slg. 2011, I-1335, Rn. 2, 20 ff. 52 EuGH, Rs. C-274/09 (Rettungsdienst Stadler), Slg. 2011, I-1335, Rn. 23. 53 EuGH, Rs. C-274/09 (Rettungsdienst Stadler), Slg. 2011, I-1335, Rn. 24. 54 EuGH, Rs. C-274/09 (Rettungsdienst Stadler), Slg. 2011, I-1335, Rn. 26. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 13 Fällen sei aber das primärrechtliche Vergaberecht zu beachten, soweit an dem betreffenden Vertrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse bestehe.55 3.1.2.3. Zusammenfassung Fasst man die Ergebnisse beider Urteile zusammen, so lassen sich folgende Aussagen für die geltende EU-vergaberechtliche Einordnung des deutschen öffentlichen Rettungsdienstes treffen: Er unterliegt erstens der uneingeschränkten Anwendung des EU- Vergaberechts. Die Bereichsausnahme nach Art. 51 Abs. 1 i.V.m. Art. 62 AEUV für Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, findet keine Anwendung. Für den einschlägigen EU-vergaberechtlichen Maßstab kommt es zweitens darauf an, ob der Vergabe der jeweiligen Rettungsdienstleistungen ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag oder eine Dienstleistungskonzession zugrunde liegt. Im ersten Fall ist grundsätzlich auf die Vergaberichtlinie 2004 abzustellen, im zweiten Fall kommt derzeit noch allein das primärrechtliche Vergaberecht zur Anwendung. Handelt es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne der Vergaberichtlinie 2004 so sind drittens die Anwendungsvoraussetzungen dieses Rechtsakts zu prüfen. Bei Überschreitung der Schwellenwerte ist insbesondere zu klären, ob eine vollständige oder nur teilweise Anwendung der Vergaberichtlinie 2004 in Betracht kommt. Das primärrechtliche Vergaberecht ist bei teilweiser Anwendung der Vergaberichtlinie 2004 ergänzend und bei Unterschreitung der Schwellenwerte ausschließlich heranzuziehen. 3.1.3. Vergaberichtlinie 2004/18/EG Die Vergaberichtlinie 2004 setzt in dem hier relevanten Kontext hinsichtlich ihrer Anwendung zunächst voraus, dass es sich bei der Einbeziehung Dritter in den öffentlichen Rettungsdienst um einen Dienstleistungsvertrag handelt. Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Buchst. d) Vergaberichtlinie 2004 handelt es sich hierbei um einen zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen. Erfolgt die Einbeziehung Dritter auf Grundlage des sog. Submissionsmodels, ist von dem Vorliegen eines Dienstleistungsauftrags regelmäßig auszugehen.56 Zudem müssen die Dienstleistungsverträge wertmäßig die Schwellenwerte gemäß Art. 7 Buchst. b) Vergaberichtlinie 2004 erreichen. Diese liegen seit dem 1. Januar 2014 bei 207.000 €.57 55 EuGH, Rs. C-274/09 (Rettungsdienst Stadler), Slg. 2011, I-1335, Rn. 48 f. 56 Vgl. etwa Esch, Ausschreibung rettungsdienstlicher Leistungen, VergabeR 2007, 286 (288 ff.); Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 33 f. 57 Vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b) Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 der Kommission vom 13. Dezember 2013 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren, ABl.EU 2013 Nr. L 335/17, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2013:335:0017:0018:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 14 Die sich auf Grundlage der Vergaberichtlinie 2004 ergebenden Vorgaben hängen – wie oben bereits aufgezeigt wurde58 – davon ab, wie die vergebenen Rettungsdienstleistungen in den Kontext der Art. 20 bis 22 Vergaberichtlinie 2004 einzuordnen sind, und ob es sich im Ergebnis um vor- oder nachrangige Dienstleistungen handelt. Überwiegt wertmäßig der Anteil der Verkehrsleistungen als vorrangige Dienstleistungen,59 so gelten nach Art. 22 Vergaberichtlinie 2004 die allgemeinen Anforderungen der Vergaberichtlinie 2004, und es ist im Ergebnis ein streng formalisiertes Vergabeverfahren durchzuführen. Überwiegen hingegen wertmäßig die Gesundheitsleistungen als nachrangige Dienstleistungen, so sind nach Art. 22 Vergaberichtlinie 2004 nur Art. 23 Vergaberichtlinie 2004 zu den technischen Spezifikationen und Art. 35 Abs. 4 Vergaberichtlinie über die nachträgliche Bekanntmachung des vergebenden Auftrags zu beachten. Eine Pflicht zur vorherigen Bekanntmachung über die Absicht der Vergabe etc. (vgl. Art. 35 Abs. 1 bis 3 Vergaberichtlinie 2004), besteht danach somit nicht. Allerdings ist das primärrechtliche Vergaberecht zu beachten (dazu sogleich unter 3.1.4.). 3.1.4. Primärrechtliches Vergaberecht Die wesentlichen Anforderungen des primärrechtlichen Vergaberechts werden im Folgenden unter Bezugnahme auf die hierzu ergangenen KOM-Vergabemitteilung60 vorgestellt: Ausgangspunkt ist die aus den Grundfreiheiten und vor allem aus dem Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit abgeleitete Transparenzpflicht, wonach „der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen muss, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden.“ (vgl. KOM-Vergabemitteilung,1.2.). Erfüllt das nationale Recht diese Anforderungen im Einzelfall nicht, so ist dies regelmäßig gleichbedeutend mit einem Verstoß gegen die unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten. Die sich hieraus im Einzelnen ergebenden Anforderungen sind sowohl bei Dienstleistungsaufträgen im Zusammenhang mit Rettungsdienstleistungen unterhalb der Schwellenwerte als auch bei wertmäßigem Überwiegen der (nachrangigen) 58 Siehe 3.1.2.1, S. 10 f. 59 Zu den praktischen Problemen der Wertberechnung siehe Esch, Rechtsfragen (Fn. 9), S. 146 ff.; Wiedenfeld, Rettungswesen (Fn. 9), S. 39 f. 60 Siehe Fn. 26. Allgemein zum primärrechtlichen Vergaberecht siehe, Kühling/Huerkamp, in: Montag/Säcker, MüKo Wettbewerbsrecht (Fn. 30), vor §§ 97 ff. GWB, Rn. 19 ff., zum Verhältnis von primär- und sekundärrechtlichem Vergaberecht, Rn. 34 ff.; Frenz, Beihilfe- und Vergaberecht (Fn. 3), Rn. 1721 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 15 Gesundheitsleistungen sowie bei Dienstleistungskonzessionen im Bereich des öffentlichen Rettungsdienstes zu beachten.61 Erforderlich ist in allen Fällen allerdings, dass die betreffenden Dienstleistungsaufträge eine sog. Binnenmarktrelevanz aufweisen, also in einem hinreichenden Zusammenhang mit dem Funktionieren des Binnenmarktes stehen (vgl. KOM-Vergabemitteilung, 1.3., Abs. 1). Weist ein Auftrag eine nur geringfügige wirtschaftliche Bedeutung auf und ist er deshalb für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten nicht von Interesse, so greifen die Grundfreiheiten nicht (vgl. KOM-Mitteilung, 1.3., Abs. 1). Ob eine Binnenmarktrelevanz gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die von dem jeweiligen Auftraggeber zu prüfen sind. Hierbei sind Umstände wie der Auftragsgegenstand, der geschätzte Auftragswert, die Besonderheiten des betreffenden Sektors (Größe und Struktur des Marktes, wirtschaftliche Gepflogenheiten usw.) sowie die geographische Lage des Orts der Leistungserbringung zu berücksichtigen (vgl. KOM-Mitteilung, 1.3., Abs. 2). Ist eine Binnenmarktrelevanz gegeben, so bestehen sowohl Verpflichtungen zur Sicherstellung einer angemessenen Bekanntmachung (vgl. KOM-Mitteilung, 2.1.) als auch zur Gewährleistung eines fairen und unparteiischen Verfahrens (vgl. KOM-Mitteilung, 2.2.). Im Hinblick auf die Bekanntmachung hat der EuGH festgestellt, dass das Transparenzgebot zwar nicht notwendigerweise eine Verpflichtung zur Vornahme einer Ausschreibung umfasse, aber im EU-Ausland niedergelassenen Unternehmen vor der Vergabe Zugang zu angemessenen Informationen über den Auftrag ermöglicht werden müssen, so dass diese Unternehmen gegebenenfalls ihr Interesse am Erhalt des Auftrags bekunden können.62 Bezüglich weiterer Einzelheiten zu Bekanntmachungspflichten und zum Verfahren wird auf die KOM-Vergabemitteilung verwiesen. Festzuhalten ist lediglich, dass die Einhaltung dieser Anforderungen gerichtlich überprüfbar ist. Auch hierbei handelt es sich um eine Vorgabe des primärrechtlichen Vergaberechts (vgl. KOM-Vergabemitteilung, 2.3.). 3.2. Zulässigkeit einer Direktvergabe nach geltender Rechtslage Fasst man die obigen Ausführungen unter 3.1. zusammen, so unterliegt die Einbeziehung jeglicher Dritter in den öffentlichen Rettungsdienst den Anforderungen des sekundärrechtlichen und/oder des primärrechtlichen Vergaberechts. Zu untersuchen ist, ob im Fall der bundeswehreigenen Sanitätsdienste nicht hiervon abgewichen werden kann und eine Direktvergabe ausnahmsweise möglich ist. 61 In der KOM-Vergabemitteilung (Fn. 26) werden Dienstleistungskonzessionen zwar außen vor gelassen, vgl. Einleitung, dort Fn. 3. Die auf der Rechtsprechung beruhende Zusammenfassung des primärrechtlichen Vergaberechts betrifft jedoch auch Dienstleistungskonzessionen, vgl. nur Frenz, Beihilfe- und Vergaberecht (Fn. 3), Rn. 2259. 62 Vgl. EuGH, Rs. C-231/03 (Coname), Slg. 2005, I-7287, Rn. 21 sowie KOM-Vergabemitteilung, 2.1.1., Abs. 2. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 16 3.2.1. Auf Grundlage der Vergaberichtlinie 2004? Im Fall einer umfassenden Anwendung der Vergaberichtlinie 2004 – also bei Erreichen der Schwellenwerte und bei wertmäßigem Überwiegen des Anteils der in Rettungsdienstleistungen enthaltenden Transportleistungen63 – ist ein formalisiertes Vergabeverfahren nach den strengen Richtlinienvorgaben durchzuführen. Eine Freistellung hiervon kommt allein auf Grundlage der ausdrücklichen Ausnahmeregelungen der Vergaberichtlinie 2004 in Betracht (vgl. Art. 12 bis 18 Vergaberichtlinie 2004). Diese Ausnahmen erfassen jedoch weder den Bereich der Rettungsdienste, noch nehmen sie Bezug auf die Bundeswehr als Auftragnehmer. Auch ist nicht ersichtlich, dass im Hinblick auf die Beteiligung der bundeswehreigenen Sanitätsdienste eine der Fallgruppen des Art. 31 Vergaberichtlinie 2004 einschlägig sein könnte, wonach ausnahmsweise Direktvergaben erfolgen können.64 Bei umfassender Anwendung der Vergaberichtlinie 2004 ist folglich eine Direktvergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste nicht möglich. 3.2.2. Auf Grundlage von Art. 106 Abs. 2 AEUV? Fraglich ist, ob Art. 106 Abs. 2 AEUV im vorliegenden Kontext als Rechtfertigungsgrund Anwendung finden könnte. Denkbar wäre dies dem Grunde nach, weil der zivile Notfallund Rettungsdienst – ungeachtet der Beteiligung der bundeswehreigenen Sanitätsdienste hieran – als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist.65 Gegen eine auf Art. 106 Abs. 2 AEUV gestützte Rechtfertigung einer Direktvergabe spricht aber bereits der Umstand, dass nicht die Gewährleistung des zivilen Notfall- und Rettungsdienstes für die Bundeswehr im Vordergrund steht, sondern die dabei – quasi bei Gelegenheit – mögliche praxisnahe Ausbildung des Personals für den eigenen Einsatzrettungsdienst. Lediglich das Ausbildungsanliegen der Bundeswehr würde nach Angaben des Auftraggebers durch die Anwendung des EU-Vergaberechts behindert werden können, nicht aber die Erbringung von öffentlichen Rettungsdienstleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Die Ausbildungsleistung selbst ist hingegen keine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. 3.2.3. Im Bereich des primärrechtlichen Vergaberechts Ist das primärrechtliche Vergaberecht (ausschließlich oder ergänzend) anwendbar, so kommen für die Zulässigkeit einer Direktvergabe zwei Ansätze in Betracht: Zum einen könnten die primärrechtlichen Vorgaben mangels der sog. Binnenmarktrelevanz bereits nicht anwendbar sein (siehe unter 3.2.3.1.). Zum anderen wäre denkbar, die Direktvergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste als grundfreiheitlichen Eingriff aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu rechtfertigen (siehe unter 3.2.3.2.). 63 Vgl. dazu oben unter 3.1.2.1., S. 10 f.; 3.1.3. S. 13 f. 64 Das ist etwa dann der Fall, wenn etwa im Verfahren keine oder keine geeigneten Angebote abgegeben wurden (vgl. Art. 31 Abs. 1 Buchst. a Vergaberichtlinie 2004), oder eine besondere Dringlichkeit vorliegt (vgl. Art. 31 Abs. 1 Buchst. c Vergaberichtlinie 2004). 65 Vgl. oben Fn. 48. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 17 3.2.3.1. Fehlende Binnenmarktrelevanz Wie oben bereits ausgeführt, hängt die Anwendbarkeit des primärrechtlichen Vergaberechts von dem Vorliegen der sog. Binnenmarktrelevanz ab.66 Fehlt diese, so wären nach Rechtsprechung des EuGH die „Auswirkungen auf die betreffenden Grundfreiheiten zu zufällig und mittelbar“67, als dass die Anwendung des primärrechtlichen Vergaberechts gerechtfertigt wäre.68 Insbesondere bei Sachverhalten mit einer wirtschaftlich sehr geringen Bedeutung kann es an einem Interesse EU-ausländischer Unternehmer fehlen und eine Binnenmarktrelevanz verneint werden (vgl. KOM- Vergabemitteilung, 1.3., Abs. 1). Je nach Umfang der Beteiligung der bundeswehreigenen Sanitätsdienste am öffentlichen Rettungsdienst im Einzelfall könnte erwogen werden, die Binnenmarktrelevanz zu verneinen. Dieser Lösungsweg wirft jedoch zwei Probleme auf. Zum einen handelt es sich bei der Prüfung der Binnenmarktrelevanz um eine Frage des Einzelfalls, die dem jeweiligen öffentlichen Auftraggeber obliegt (vgl. KOM-Vergabemitteilung, 1.3., Abs. 2). Eine generelle Freistellung der Bundeswehr von den EU-vergaberechtlichen Anforderungen des Primärrechts kann auf dieser Grundlage nicht erreicht werden. Zum anderen birgt dieses Kriterium aufgrund der vielen zu berücksichtigenden Umstände eine gewisse Rechtsunsicherheit. Endgültige Klarheit, ob die Binnenmarktrelevanz zu Recht bejaht oder verneint wurde, kann erst im Rahmen einer nachgelagerten gerichtlichen Kontrolle erreicht werden. Wurde die Binnenmarktrelevanz zu Unrecht verneint, so droht eine Rückabwicklung der betreffenden Vergabe. Beide Aspekte sprechen somit gegen diesen Ansatz zur Ermöglichung einer Direktvergabe an bundeswehreigene Rettungsdienste. 3.2.3.2. Rechtfertigung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Eine andere Möglichkeit könnte darin liegen, das Ausbildungsanliegen der bundeswehreigenen Sanitätsdienste als Rechtfertigungsgrund für ein Abweichen von den Vorgaben des primärrechtlichen Vergaberechts anzusehen. Wie oben bereits erläutert, beruht das primärrechtliche Vergaberecht vor allem auf den Grundfreiheiten und dort insbesondere auf dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.69 Eine Direktvergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen oder Dienstleistungskonzessionen ohne Einhaltung grundlegender Verfahrensanforderungen stellt entsprechend einen Eingriff vor allem in die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 bzw. 56 f. AEUV dar. Die Grundfreiheiten verbieten Eingriffe jedoch nicht absolut, sondern nur dann, wenn diese nicht gerechtfertigt sind. 66 Vgl. oben unter 3.1.4., S. 14 f. 67 EuGH, Rs. C-231/03 (Coname), Slg. 2005, I-7287, Rn. 20. 68 Sie KOM-Vergabemitteilung (Fn. 26), 1.3., Abs. 1. 69 Vgl. oben unter 3.1.4., S. 14 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 18 Insbesondere für Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit sieht Art. 52 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 54 und Art. 62 AEUV die Möglichkeit vor, Eingriffe aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu rechtfertigen. Zwar bezieht sich der Wortlaut der insoweit maßgeblichen Regelung in Art. 52 Abs. 1 AEUV auf „Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen“, und ist damit speziell auf ausländerrechtliche Regelungen für natürliche Personen zugeschnitten.70 Aus den Verweisungsvorschriften in Art. 54 und Art. 62 AEUV folgt jedoch, dass dieser Rechtfertigungsgrund auch auf Gesellschaften und juristische Personen sowie auf Dienstleistungen anzuwenden ist.71 Allerdings ist die Auslegung dieser Vorschrift in diesem Bereich weder in der Rechtsprechung einheitlich, noch im Schrifttum unumstritten.72 Klarheit besteht nur insoweit, als Art. 52 Abs. 1 AEUV als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist.73 Hiervon ausgehend ist sodann zu fragen, ob erstens Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit bestehen, die für eine Direktvergabe von öffentlichen Rettungsdienstleistungen an die Bundeswehr sprechen, und zweitens, ob insoweit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genüge getan wird. Was zunächst die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit angeht, so lässt sich der Rechtsprechung eine trennscharfe Zuordnung nicht entnehmen.74 Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten frei, diese Begriffe selbst auszufüllen, unterliegen dabei aber der Nachprüfung durch das Unionsrecht.75 Erforderlich ist danach, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.76 Mit Blick auf das Ausbildungsanliegen, welches der Beteiligung der bundeswehreigenen Sanitätsdienste am öffentlichen Rettungsdienst zugrunde liegt, ließe sich an dieser Stelle die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte anführen, bezogen auf den Bereich der Sanitätsdienste. Geht man unter Zugrundelegung der Angaben des Auftraggebers davon aus, dass eine adäquate Ausbildung von Sanitätssoldatinnen und - soldaten für den Einsatz nur durch Beteiligung am öffentlichen Rettungsdienst gewährleistet werden kann, dann könnte argumentiert werden, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. 70 Vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 51. EL, 2013, Art. 52 AEUV, Rn. 2 ff., zum originären Anwendungsbereich dieses Rechtfertigungsgrundes. 71 Vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (Fn. 70), Art. 52 AEUV, Rn. 17, 18; Art. 62 AEUV, Rn. 3 ff. 72 So Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (Fn. 70), Art. 52 AEUV, Rn. 6. 73 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-348/96 (Calfa), Slg. 1999, I-11, Rn. 23; EuGH, Rs. C-36/02 (Omega), Slg. 2004, I- 9606, Rn. 30. 74 Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (Fn. 70), Art. 52 AEUV, Rn. 25. 75 Vgl. EuGH, Rs. C-36/02 (Omega), Slg. 2004, I-9606, Rn. 30, 31. 76 EuGH, Rs. C-36/02 (Omega), Slg. 2004, I-9606, Rn. 30, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 19 Von Bedeutung wäre auch, dass der Beteiligung keine wirtschaftlichen Motive zugrunde liegen, die als Rechtfertigungsgrund grundsätzlich ausscheiden.77 Zu klären wäre anschließend, ob die hieraus gezogene Konsequenz, nämlich die Direktvergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste, verhältnismäßig wäre.78 Auf unionsrechtlicher Ebene kommt es dabei vor allem auf die Erforderlichkeit der Maßnahme an, d.h., dass keine weniger einschneidenden, aber gleich wirksamen Mittel vorliegen.79. Hier wäre etwa darzulegen, dass eine adäquate Ausbildung von Sanitätssoldatinnen und -soldaten für den Einsatz eben nur durch Beteiligung am öffentlichen Rettungsdienst möglich ist und, dass ein Rückgriff auf Personal, welches bei zivilen Rettungsdienstanbietern ausgebildet wurde, ausscheidet. Nicht auszuschließen ist ferner, dass für die Gesamtbewertung auch der Anteil der Beteiligung der bundeswehreigenen Sanitätsdienste im Vergleich zum Gesamtumfang der erbrachten Rettungsdienstleistungen eine Rolle spielen könnte sowie der Umstand, dass eine Beteiligung nur insoweit erfolgt, als es für das Ausbildungsanliegen erforderlich ist. Ob das Ausbildungsanliegen im Ergebnis eine Direktvergabe von öffentlichen Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigen kann, lässt sich an dieser Stelle nicht abschließend beantworten. Während das Abstellen auf die genannten Rechtfertigungsgründe unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte zulässig sein dürfte, käme es wohl entscheidend auf die Einhaltung der Erforderlichkeit an. Diese würde maßgeblich von den vorgetragenen tatsächlichen Umständen abhängen. 4. Rechtslage im Lichte der neuen Vergabe- und der Konzessionsrichtlinie Auch im Hinblick auf die zukünftige Rechtslage im Lichte der neuen Vergabe- und der Konzessionsrichtlinie werden zunächst die relevanten Vorgaben der beiden Rechtsakte für Rettungsdienste dargestellt (siehe unter 4.1.). Im Anschluss wird untersucht, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen in Zukunft eine Direktvergabe an bundeswehreigene Sanitätsdienste möglich ist (siehe unter 4.2.). 4.1. Vorgaben der neuen Vergabe- und der Konzessionsrichtlinie Wie einleitend erwähnt, beinhalten die Vergabe- und die Konzessionsrichtlinie eine Ausnahmeregelung für den Bereich der Rettungsdienstleistungen (dazu sogleich unter 4.1.1.). Sind deren Voraussetzungen erfüllt, kommt eine Anwendung beider Richtlinien nicht in Betracht. Zu beachten bleibt dann aber das primärrechtliche Vergaberecht. Für den Fall, dass die Ausnahmereglung keine Anwendung finden kann, werden im Folgenden die ansonsten geltenden Vorgaben der Vergabe- und der Konzessionsrichtlinie kurz dargestellt (siehe unter 4.2.3. bzw. 4.2.4.). 77 Vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (Fn. 70), Art. 52 AEUV, Rn. 35. 78 Siehe zum Prüfungsprogramm allgemein Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht (Fn. 31), Rn. 803 ff. 79 Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7, Rn. 110. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 20 4.1.1. Zur Ausnahme für den Notfall- und Rettungsdienst 4.1.1.1. Inhalt der Ausnahmeregelung Die Vergaberichtlinie 2014 und die Konzessionsrichtlinie enthalten beide eine gleichlautende Ausnahme in Art. 10 Buchst. h) Vergaberichtlinie 2014 bzw. Art. 10 Abs. 8 Buchst. g) Konzessionsrichtlinie. Nach diesen Bestimmungen sind „Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die folgenden CPV-Nummern80 fallen: 75250000-3 [Dienstleistungen der Feuerwehr und der Rettungsdienste81], […] 75252000-7 [Rettungsdienste82], […] mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung“83 vom Anwendungsbereich beider Rechtsakte ausgeschlossen. In den Erwägungsgründen beider Rechtsakte (Nr. 28 Vergaberichtlinie 2014 bzw. Nr. 36 Konzessionsrichtlinie) wird auf diese Ausnahmeregelung ausdrücklich Bezug genommen. Danach sollten beide Richtlinien „[…] nicht für bestimmte von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbrachte Notfalldienste gelten, da der spezielle Charakter dieser Organisationen nur schwer gewahrt werden könnte, wenn die Dienstleistungserbringer nach den in dieser Richtlinie festgelegten Verfahren ausgewählt werden müssten. Diese Ausnahme sollte allerdings nicht über das notwendigste Maß hinaus ausgeweitet werden. Es sollte daher ausdrücklich festgelegt werden, dass der Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung nicht ausgenommen sein sollte.[…]“ 80 CPV ist die Abkürzung für das sog. Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge. Die derzeit geltende Fassung ist der Verordnung (EG) Nr. 213/2008 der Kommission vom 28. November 2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) und der Vergaberichtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2004/17/EG und 2004/18/EG im Hinblick auf die Überarbeitung des Vokabulars als Anhang beigefügt. Online abrufbar ist die Verordnung unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:074:0001:0375:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 81 So die Zuordnung nach dem CPV (vgl. Fn. 80). 82 So die Zuordnung nach dem CPV (vgl. Fn. 80). 83 Hervorhebungen durch den Verfasser. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 21 Mit dieser Ausnahme soll (zumindest auch) der in Deutschland geltenden besonderen rechtlichen Situation des Systems der Notfallrettung und seiner zum Teil ehrenamtlichen Strukturen aufgrund ihrer mangelnden Binnenmarktrelevanz Rechnung getragen werden.84 Während die Ausnahme in sachlicher Hinsicht den öffentlichen Rettungsdienst unzweifelhaft erfasst, ist die Reichweite des persönlichen Anwendungsbereichs unklar. Während in der deutschen Sprachfassung auf „gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ Bezug genommen wird, enthalten andere amtliche Sprachfassungen abweichende Begriffe. So findet sich anstelle des Begriffs der Gemeinnützigkeit die Formulierungen „non-profit“ im Englischen, „non lucratif“ im Französischen und „o charakterze niekomercyjnym“ im Polnischen. Mit diesen Begriffen wird weniger ein besonderer Zweck der Tätigkeit betont, als vielmehr die fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Den anderen Sprachfassungen liegt somit begrifflich ein weiter reichender persönlicher Anwendungsbereich zugrunde. 4.1.1.2. Zur Reichweite des persönlichen Anwendungsbereichs der Ausnahmeregelung Die Bestimmung der Reichweite des persönlichen Anwendungsbereichs der Ausnahmeregelung zu öffentlichen Rettungsdiensten bedarf vor diesem Hintergrund einer Auslegung. Diese kann rechtsverbindlich nur durch den EuGH erfolgen. Im Folgenden kann daher lediglich aufgezeigt werden, welche Auslegungsergebnisse möglich sind: In methodischer Hinsicht kommt es insoweit zunächst darauf an festzustellen, ob der betreffende Begriff unionsrechtsautonom oder im Lichte nationalen Rechts auszulegen ist.85 Ersteres ist jedenfalls dann unzweifelhaft, wenn der Begriff etwa im Rechtsakt selbst definiert wird.86 Eine Auslegung nach nationalen Maßstäben ist hingegen dann zwingend geboten, wenn im Rechtsakt ausdrücklich auf nationales Recht verwiesen wird.87 Vorliegend beinhalten beide Richtlinien weder eine eigenständige Definition noch einen ausdrücklichen Verweis auf nationales Recht. In diesen Fällen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus Gründen der Einheitlichkeit des Unionsrechts und der Gleichbehandlung grundsätzlich von einer unionsautonomen Auslegung auszugehen.88 In Ausnahmefällen kann aber auch ohne ausdrücklichen Verweis das nationale Begriffsverständnis maßgeblich sein.89 Besondere Anhaltspunkte, die einen Verweis auf das 84 So etwa Schwab, Zivil- und Katastrophenschutz sind Aufgaben der Daseinsvorsorge, Der Landkreis 2013, 118; siehe ferner Seiters, Die Zukunft des Rettungsdienstes in Deutschland, online abrufbar unter http://crisis-prevention.de/nichtpolizeiliche-gefahrenabwehr/zukunft-rettungsdienstes-in-deutschland (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 85 Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010, § 11, Rn. 4 ff. 86 EuGH, Rs. 139/84 (van Dijk’s Boekhuis), Slg. 1985, 1405, Rn. 16. 87 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (Fn. 85), § 11, Rn. 4. 88 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-188/03 (Junk), Slg. 2005, I-885, Rn. 27 ff. 89 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (Fn. 85), § 11, Rn. 8, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 22 nationale Recht rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Soweit bekannt, wurde die Ausnahme erst im Zuge der informellen Trilogverhandlungen zwischen dem EP, dem Rat und der Kommission eingeführt.90 Der Umstand, dass die Ausnahmeregelung wohl auf deutsches und österreichisches Betreiben eingeführt wurde91, kann nach Ansicht des Verfassers ein Abweichen von dem Grundsatz der unionsautonomen Auslegung allein nicht stützen, soweit dies nicht im Rechtsakt selbst zum Ausdruck kommt. Ausgangspunkt für die unionskonforme Auslegung ist – wie auch nach nationalem Methodenverständnis – der Wortlaut. Hierbei gilt, dass alle amtlichen Sprachfassungen gleichberechtigt sind und keine Vorrang vor der anderen beanspruchen kann.92 Wie oben bereits gezeigt, liegt zwischen der deutschen Sprachfassung einerseits („gemeinnützige“ Organisationen) und der englischen, französischen und polnischen Fassung andererseits (nichtkommerziell im Sinne fehlender Gewinnerzielungsabsicht) eine für die hier behandelten Fragen maßgebliche Divergenz vor. Derartige Divergenzen sind und können nur mit Hilfe anderer Auslegungsmittel behoben werden.93 Keine Anhaltspunkte ergeben sich dabei aus einer systematischen Auslegung. Bei der gleichlautenden Vorschriften in Art. 10 Buchst. h) Vergaberichtlinie 2014 bzw. Art. 10 Abs. 8 Buchst. g) Konzessionsrichtlinie handelt es sich jeweils um in sich abgeschlossene Ausnahmeregelungen, ohne einen darüber hinausgehenden Zusammenhang zu anderen Ausnahmetatbeständen oder Vorschriften. Bemüht man die Entstehungsgeschichte dieser Ausnahmeregelung, so ist ein Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers vor allem aus einschlägigen Erwägungsgründen möglich.94 In den ebenfalls gleichlautenden Erwägungsgründen zu der Ausnahmeregelung (Nr. 28 Vergaberichtlinie 2014 bzw. Nr. 36 Konzessionsrichtlinie), findet sich lediglich der Hinweis auf den „speziellen Charakter dieser Organisationen“, der bei Anwendung der Richtlinien „nur schwer gewahrt werden könnte“. Welcher Natur der spezielle Charakter ist, wird an dieser Stelle nicht ausgeführt. Ein Argument für eine weite Auslegung lässt sich mit Blick auf die Erwägungsgründe der teleologischen, d.h. nach dem Sinn und Zweck fragenden Auslegung entnehmen. Die Gefährdung des speziellen Charakters der erfassten Organisationen durch Anwendung der 90 So findet sich diese Ausnahme nicht in dem Bericht des federführenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vom 11. Januar 2013 (online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A7-2013- 0007+0+DOC+XML+V0//DE – letztmaliger Abruf am 15.02.16), sondern erst in der Textfassung, über welche das EP erst ein Jahr später, am 15. Januar 2014 abgestimmt hat (vgl. zum Gesetzgebungsverfahren http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2011/0438%28COD%29&l=e n – letztmaliger Abruf am 15.02.16). 91 Vgl. Schwab, Zivil- und Katastrophenschutz sind Aufgaben der Daseinsvorsorge, Der Landkreis 2013, 118. 92 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (Fn. 85), § 11, Rn. 15 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 93 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-72/95 (Aannemersbedrijf Kraaijeveld), Slg. 1996, I-5403, Rn. 28. 94 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (Fn. 85), § 11, Rn. 31 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 23 Richtlinienbestimmungen könnte in dem organisatorischen und vor allem finanziellen Aufwand begründet sein, der mit einem formalen Vergabeverfahren verbunden ist. Auch der durch ein Ausschreibungswettbewerb mit gewinnorientierten Privatunternehmen entstehende Kostendruck könnte dem speziellen Charakter derartiger Organisationen entgegenstehen. Beide Aspekte betreffen aber bereits solche Organisationen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig werden, zugleich aber nicht zwingend gemeinnützige Ziele verfolgen. Danach wäre nicht von einem engen, auf gemeinnützige Organisationen beschränkten persönlichen Anwendungsbereich auszugehen, sondern es käme entscheidend auf die nicht-kommerzielle Tätigkeit an. Gegen eine solche teleologische Auslegung spricht allerdings, dass es sich hier um eine Ausnahmeregelung handelt, die zu einer vollständigen Freistellung von den Anforderungen der Vergaberichtlinie 2014 und der Konzessionsrichtlinie führt. Nach Rechtsprechung des EuGH sind Ausnahmeregelungen im Unionsrecht grundsätzlich eng auszulegen.95 Vor diesem Hintergrund spricht mehr für ein enges, in Richtung Gemeinnützigkeit weisendes Verständnis des persönlichen Anwendungsbereiches dieser Ausnahmeregelung. 4.1.2. Vorgaben der Vergaberichtlinie 2014 Für den Fall, dass die Ausnahmeregelung nicht zur Anwendung gelangt, ist im Hinblick auf die Vergaberichtlinie 2014 – wie auch im Rahmen der geltenden Rechtslage – zunächst danach zu fragen, ob ein Dienstleistungsauftrag96 vorliegt, und, ob dieser die hierfür einschlägigen Schwellenwerte erreicht. Bereits bezüglich der Schwellenwerte kommt eine Neuerung im Vergleich zur Vergaberichtlinie 2004 zum Tragen. Die Vergaberichtlinie 2014 unterscheidet nicht mehr zwischen vor- und nachrangigen Dienstleistungen.97 Sonderregelungen im Sinne einer begrenzten Anwendung dieses Rechtsaktes bestehen nach Art. 74 ff. Vergaberichtlinie 2014 nur (noch) für soziale und andere besondere Dienstleistungen.98 Welche Dienstleistungen hierunter fallen, ergibt sich aus der Beschreibung in Anhang XIV der Vergaberichtlinie 95 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-481/99 (Heiniger), Slg. 2001, I-9945, Rn. 31, mit weiteren Nachweisen. Vgl. zur Auslegung von Ausnahmeregelungen auch Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (Fn. 85), § 11, Rn. 61 ff. 96 Zum gleichlautenden Begriff des öffentlichen Dienstleistungsauftrags nach Art. 2 Abs. 5, 9 Vergaberichtlinie 2014 und nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und Buchst. d Vergaberichtlinie 2004, siehe oben unter 3.1.3., S. 13. 97 Siehe hierzu die Erläuterungen der Kommission zum ursprünglichen Vorschlag der Vergaberichtlinie 2014, KOM(2011) 896 endg., S. 9, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0896:FIN:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 98 Vgl. zu dieser Änderung die Erläuterungen im Kommissionsvorschlag zur Vergaberichtlinie 2014, KOM(2011) 896 endg., S. 11 f. (Fn. 97). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 24 2014. Danach sind auch Rettungsdienste erfasst, sofern sie nicht nach der soeben erörterten Ausnahme von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind.99 Für diesen Bereich gelten nach Art. 4 Buchst. d) Vergaberichtlinie 2014 zunächst höhere Schwellenwerte (750.000 €) als für gewöhnliche Dienstleistungsaufträge (207.000 € nach Art. 4 Buchst. c) Vergaberichtlinie 2014). Sind diese Schwellenwerte erreicht, so finden Art. 75 und Art. 76 Vergaberichtlinie 2014 Anwendung. Die erstgenannte Vorschrift enthält Verpflichtungen zur Bekanntmachung der Vergabeabsicht und zum Vergabeergebnis.100 Art. 76 Vergaberichtlinie 2014 beinhaltet die Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen in diesem Bereich. Konkrete Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung des Vergabeverfahrens sind dort allerdings nicht vorgesehen, sondern lediglich ein Rechtssetzungsauftrag (vgl. Art. 76 Abs. 1 Vergaberichtlinie 2014). Danach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, einzelstaatliche Vergaberegeln für diese Art von Aufträgen einzuführen. Diese Regeln sollen sicherstellen, dass die öffentlichen Auftraggeber die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer einhalten. Dabei ist es den Mitgliedstaaten überlassen, die anwendbaren Verfahrensregeln festzulegen, sofern derartige Regeln es den öffentlichen Auftraggebern ermöglichen, den Besonderheiten der jeweiligen Dienstleistungen Rechnung zu tragen. Ungeachtet der zukünftigen Ausgestaltung der nach Art. 76 Abs. 1 Vergaberichtlinie 2014 von den Mitgliedstaaten zu erlassenden Regelungen würde die Pflicht zur Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer auch in diesem Fall einer Direktvergabe von Rettungsdienstleistungen an Dritte dem Grunde nach entgegenstehen. Keine Option für eine gezielte Berücksichtigung Dritter am Rettungsdienst kann schließlich Art. 77 Vergaberichtlinie 2014 entnommen werden. Diese Vorschrift ermöglicht den Mitgliedstaaten zwar vorzusehen, dass öffentliche Auftraggeber eine abschließende Liste von Dienstleistungen – darunter auch solche im Zusammenhang mit dem Einsatz von Krankenwagen und Dienstleistungen von medizinischem Personal101 – bestimmten Organisationen vorbehalten können. Der Vorbehalt bezieht sich allerdings nur auf das Recht zur Teilnahme an Verfahren zur Vergabe der betreffenden Aufträge. Im Übrigen ist diese Option, die im Ermessen des nationalen Umsetzungsgesetzgebers liegt, in zeitlicher Hinsicht auf die Vergabe von Verträgen mit einer maximalen Laufzeit von drei Jahren begrenzt (vgl. Art. 77 Abs. 3 Vergaberichtlinie 2014). 99 Konkret handelt es sich um die gleichen CPV-Nummern (vgl. Fn. 80) wie in der Ausnahmeregelung: 75252000-7 (Rettungsdienste) und u.a. 7525000-3 (Feuerwehr und Rettungsdienste). 100 Die bei der Vergabeabsicht mitzuteilenden Angaben ergeben sich aus Anhang V Teil H oder I Vergaberichtlinie 2014 101 Siehe die in Art. 77 in Bezug genommenen CPV-Nummern (vgl. Fn. 80) 85143000-3 (Einsatz von Krankenwagen) und 85141000-9 (Einsatz von medizinischem Personal). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 25 4.1.3. Vorgaben der Konzessionsrichtlinie Die Anwendung der Konzessionsrichtlinie hängt zunächst davon ab, dass die Einbeziehung Dritter in den öffentlichen Rettungsdienst auf Grundlage einer Konzession im Sinne der Konzessionsrichtlinie erfolgt, vgl. Art. 1 Abs. 1 Konzessionsrichtlinie. Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b) Konzessionsrichtlinie handelt es sich bei einer Dienstleistungskonzession um einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen […], wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht. Dies wird nach nationalem Rettungsdienstrecht regelmäßig dann der Fall sein, wenn die Einbeziehung Dritter in den öffentlichen Rettungsdienst nach dem sog. Konzessionsmodell erfolgt. Sodann muss die zu vergebende Konzession einen bestimmten Schwellenwert erreichen. Nach Art. 8 Abs. 1 Konzessionsrichtlinie beträgt dieser 5.186.000 €.102 Weiter sieht auch die Konzessionsrichtlinie für soziale und andere besondere Dienstleistungen nur eine eingeschränkte Anwendung vor, vgl. Art. 19 Konzessionsrichtlinie. Zu diesen, in Anhang IV der Konzessionsrichtlinie abschließend festgelegten Dienstleistungen zählen – wie auch bei der Vergaberichtlinie 2014 – Rettungsdienste, sofern sie nicht nach der oben beschriebenen Ausnahme von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind.103 Nach Art. 19 Konzessionsrichtlinie unterliegen Konzessionen über diese Art von Dienstleistungen ausschließlich den Art. 31 Abs. 3 und aus Art. 32, 46 und 47 erwachsenden Verpflichtungen. Während Art. 31 Abs. 3 Konzessionsrichtlinie dazu verpflichtet, die Vergabeabsicht in einer Vorinformation bekannt zu machen104, sieht Art. 32 Konzessionsrichtlinie das Erfordernis einer Zuschlagsbekanntmachung mit den Ergebnissen des Konzessionsverfahrens vor. Für soziale und besondere Dienstleistungen genügt dabei nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 Konzessionsrichtlinie eine vierteljährliche Zusammenfassung der einzelnen Zuschlagsbekanntmachungen.105 Welchen rechtlichen Gehalt der Verweis auf Art. 46 und 47 Konzessionsrichtlinie aufweisen soll, ist fraglich. Beide in Bezug genommenen Vorschriften enthalten Änderungen der sog. Rechtsmittelrichtlinien, die Vorgaben zum Rechtsschutz bei 102 Zur Berechnung der Schwellenwerts bei Konzessionen, vgl. Art. 8 Abs. 2 bis 6 Konzessionsrichtlinie. 103 Konkret handelt es sich um die gleichen CPV-Nummern (vgl. Fn. 80) wie in der Ausnahmeregelung: 75252000-7 (Rettungsdienste) und u.a. 7525000-3 (Feuerwehr und Rettungsdienste). 104 Die hierbei einzuhaltenden Angaben sind in Anhang VI der Konzessionsrichtlinie aufgeführt. 105 Die hierbei mitzuteilenden Angaben sind in Anhang VIII der Konzessionsrichtlinie aufgeführt. Zum Verfahren der Zuschlagsbekanntmachung und den Veröffentlichungsanforderungen, siehe Art. 33 Konzessionsrichtlinie. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 26 Vergabeverfahren enthalten.106 Aus beiden Änderungsvorschriften selbst erwachsen daher keine Verpflichtungen für die Art. 19 Konzessionsrichtlinie unterliegenden Konzessionen. Diese folgen ggf. direkt aus den geänderten Rechtsmittelrichtlinien. Soweit der Verweis dies zum Ausdruck bringen soll, ist er rein deklaratorisch. Nicht ausgeschlossen ist daher, dass es sich hierbei um ein Redaktionsversehen handelt und eigentlich auf andere Vorschriften hätte verwiesen werden sollen. Vorgaben zum Vergabeverfahren für diese Art der Dienstleistungen enthält die Konzessionsrichtlinie nicht. Insoweit kommt das primärrechtliche Vergaberecht zur Anwendung.107 4.2. Zulässigkeit einer Direktvergabe nach zukünftiger Rechtslage Auch nach zukünftiger Rechtslage wird die Vergabe von öffentlichen Rettungsdienstleistungen an Dritte dem EU-Vergaberecht unterliegen. Greift die Ausnahmeregelung für Rettungsdienste und scheidet eine Anwendung der Vergaberichtlinie 2014 oder der Konzessionsrichtlinie aus, so wird weiterhin das primärrechtliche Vergaberecht zu beachten sein. Kommt die Ausnahmeregelung hingegen nicht zur Anwendung, werden die Vorgaben der beiden Richtlinien einzuhalten sein. Welche Möglichkeiten sich hierbei für eine Direktvergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste ergeben, soll im Folgenden erörtert werden. Dabei ist zunächst zu klären, ob die Ausnahmeregelung auf die Bundeswehr Anwendung findet (siehe unter 4.2.1.). Anschließend sind die Optionen auf Grundlage der beiden Richtlinien zu untersuchen (siehe unter 4.2.2. bzw. 4.2.3.). 4.2.1. Direkte Anwendung der Ausnahmeregelung auf bundeswehreigene Sanitätsdienste? Eine Anwendung der Ausnahmeregelung auf die Bundeswehr hängt zunächst davon ab, wie weit man den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift auslegt. Wie oben gezeigt108, ist bei enger Auslegung davon auszugehen, dass es sich um eine gemeinnützige Vereinigung oder Organisation handeln muss. Bei weiter Auslegung genügt hingegen, wenn bei der Tätigkeit lediglich keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt wird. Für ein enges Verständnis spricht, dass Ausnahmeregelungen nach ständiger Rechtsprechung des 106 Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl.EG 1989 Nr. L 395/33 (konsolidierte Version der jetzt geltenden Fassung abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1989L0665:20080109:DE:PDF – letztmaliger Abruf am 15.02.16) und Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl.EG 1992 Nr. L 76/14 (konsolidierte Version der jetzt geltenden Fassung abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1992L0013:20080109:DE:PDF – letztmaliger Abruf am 15.02.16) 107 Sie oben unter 3.1.4., S. 14 f. 108 Siehe oben unter 4.1.1.2., S. 21 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 27 EuGH eng auszulegen sind; für die weite Auslegung streitet hingegen das teleologische Verständnis.109 Legt man die enge Auslegung zugrunde, so wäre zu fragen, ob die Bundeswehr eine gemeinnützige Organisation oder Vereinigung ist. Dabei wäre allerdings nicht das nationale Begriffsverständnis maßgeblich, sondern ein unionsautonomes.110 Als problematisch erweist sich an dieser Stelle, dass der Begriff der Gemeinnützigkeit auf Unionsebene bis jetzt – soweit ersichtlich – keine verbindliche Definition erfahren hat.111 Bisher spielt dieser Terminus auf unionsrechtlicher Ebene im Wesentlichen nur in seiner mitgliedsstaatlichen Ausprägung als steuerrechtlicher Begünstigungstatbestand eine Rolle (für Deutschland siehe §§ 51, 52 Abgabenordnung - AO). So ist seine nationale Anwendung in grenzüberschreitenden Sachverhalten Gegenstand grundfreiheitlicher Rechtsprechung, vor allem der Kapitalverkehrsfreiheit.112 Dieser Befund findet seine Ursache vor allem darin, dass die Mitgliedstaaten weiterhin maßgeblich für den Bereich der direkten Steuern, in dem die Gemeinnützigkeit eine Rolle spielt, zuständig sind und nicht die EU.113 Dass dabei gleichwohl zu beachtende Unionsrecht beschränkt sich dabei vor allem auf die Grundfreiheiten114, nicht oder nur in geringem Umfang aber auf inhaltlich ausgestaltendes Sekundärrecht. Bei einer engen Auslegung wären somit die Voraussetzungen für das Vorliegen einer (unionsrechtlich bestimmten) Gemeinnützigkeit unklar und damit auch die Qualifizierung der Bundeswehr in dieser Hinsicht. Blickt man jedoch in diesem Zusammenhang auf die Qualifizierung nach nationalem Recht, so ist festzuhalten, dass die Bundeswehr nach § 52 AO nicht als gemeinnützig anerkannt werden kann. Nach § 52 Abs. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichen Gebiet selbstlos zu fördern. Eine grundsätzlich abgeschlossene 109 Siehe oben unter 4.1.1.2., S. 21 f. 110 Vgl. dazu oben unter 4.1.1.2., S. 21 f. 111 Die bisherigen Rechtssetzungsvorhaben der Kommission, in denen der Begriff eine Rolle spielt und einer Definition zugeführt wurde, sind bisher nicht zum Abschluss gekommen. Es handelt sich hierbei zum einen um den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), KOM(2011) 121 endg., siehe dort Art. 16 „Gemeinnützige Einrichtungen“, online abrufbar unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/company_tax/common_tax_base/co m_2011_121_de.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Zum anderen befindet sich auch Vorschlag über eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung, KOM(2012) 35 endg. , siehe dort Art. 5 „Gemeinnützigkeit“, online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0035:FIN:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16), noch im Rechtssetzungsverfahren. 112 Vgl. EuGH, Rs- C-386/04 (Stauffer), Slg. 2006, I-8203, Rn. 14 ff.; EuGH, Rs. C-318/07 (Persche), Slg. 2009, I-359, Rn. 31 ff. 113 Siehe etwa EuGH, Rs. C-386/04 (Stauffer), Slg. 2006, I-8203, Rn. 15, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 114 Vgl. bspw. EuGH, Rs. C-386/04 (Stauffer), Slg. 2006, I-8203, Rn. 15 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 28 Aufzählung einzelner gemeinnütziger Zwecke enthält § 52 Abs. 2 AO.115 Die der Bundeswehr nach Art. 87 a GG obliegenden Aufgaben, vor allem die Landesverteidigung, sind hiervon nicht erfasst. Fehlt es damit bereits nach nationalem Recht an einer Gemeinnützigkeit, ist es höchst zweifelhaft, ob dieser Status allein auf Grundlage des Unionsrechts angenommen werden könnte. Wie etwa an der Entwicklung der Unionsgrundrechte erkennbar, speisen sich Rechtsentwicklungen im Unionsrecht in der Regel aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten (vgl. ausdrücklich Art. 6 Abs. 3 EUV) und damit letztlich aus dem gemeinsamen Bestand mitgliedsstaatlicher Rechtsordnungen.116 Dies verdeutlicht auch die im Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) in Art. 16 enthaltene Definition gemeinnütziger Organisationen. Danach gilt eine Einrichtung als gemeinnützig, wenn sie u.a. Rechtspersönlichkeit hat und nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie ansässig ist, als gemeinnützig anerkannt ist. Ferner muss ihr einziger oder hauptsächlicher Zweck und ihre einzige oder hauptsächliche Tätigkeit dem Gemeinnutz dienen. Ein Ziel bzw. eine Tätigkeit in den Bereichen Bildung, Soziales, Medizin, Kultur, Wissenschaft, Wohltätigkeit, Religion, Umwelt oder Sport gilt als gemeinnützig, wenn ein allgemeines Interesse daran besteht. Die Bundeswehr genügt dieser – bisher nicht verbindlichen – Definition weder im Hinblick auf die nationale Anerkennung, noch im Hinblick auf die Zwecke, die sie verfolgt. Wäre danach (auch) auf unionsautonomer Ebene eine Gemeinnützigkeit der Bundeswehr abzulehnen, käme es zu einer Anwendung der Vergaberichtlinie 2014 oder der Konzessionsrichtlinie. Würde man hingegen der weiten Auslegung den Vorzug geben, wäre danach zu fragen, ob die Bundeswehr bei der Beteiligung ihrer Sanitätsdienste am öffentlichen Rettungsdienst mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird. Soweit das nicht der Fall ist, wäre die Direktvergabe zwar nicht an den Richtlinien zu messen. Einzuhalten wäre dann aber das primärrechtliche Vergaberecht . 4.2.2. Analoge Anwendung der Ausnahmeregelung auf bundeswehreigene Sanitätsdienste? Im Ergebnis würde somit in jedem Fall das sekundäre oder zumindest das primären EU- Vergaberecht zur Anwendung kommen. Gleichwohl soll der Vollständigkeit halber erörtert werden, ob (wenigstens) eine analogen Anwendung der Ausnahmeregelung in Betracht kommt. Dieses methodische Vorgehen, bei welchem eine Rechtsnorm mit anderen Tatbestandsvoraussetzungen auf einen ähnlichen, ungeregelten Tatbestand angewendet wird117, ist zwar auch auf unionsrechtlicher Ebene anerkannt.118 Hier würde dies im 115 Vgl. Gersch, in: Klein (Hrsg.), Abgabenordnung, 11. Aufl. 2012, § 52 AO, Rn. 1. 116 Ein weiteres ausdrückliches Beispiel ist Art. 340 Abs. 2 AEUV für den Bereich der unionsrechtlichen Amtshaftung. 117 Vgl. zur Definition der Analogie etwa Creifelds, Rechtswörterbuch, 20. Aufl. 2011. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 29 Ergebnis dazu führen, dass die Bundeswehr – obwohl nicht gemeinnützig – gleichwohl unter die Ausnahmeregelung fallen würde. Ungeachtet der mit einer Analogie verbundenen Wertungen im Hinblick auf das Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen (Vorliegen einer Regelunglücke einerseits und ihre Ausfüllung am Maßstab des Gleichheitssatzes oder des Primärrechts andererseits) ist jedoch zu bedenken, dass sich die Analogie hier auf eine Ausnahmeregelung beziehen würde. Im Ergebnis würde dieses methodische Vorgehen daher dazu führen, dass eine weitere – ungeschriebene – Ausnahmeregelung entstünde. Mit Blick auf den bereits oben erwähnten Grundsatz, wonach Ausnahmen von der Anwendung des Unionsrecht eng ausgelegt werden119, erscheint dieser Lösungsweg, der erst recht einer gerichtlichen Bestätigung bedürfte, als kaum praktikabel. 4.2.3. Direktvergabeoption im Rahmen der Rechtssetzungsauftrags nach Art. 76 Abs. 1 Vergaberichtlinie 2014 Für den Fall, dass die Ausnahmeregelung nicht zur Anwendung gelangt und der Anwendungsbereich der Vergaberichtlinie 2014 eröffnet ist, enthält diese konkrete Vorgaben zu Bekanntmachungspflichten. Im Hinblick auf das Vergabeverfahren besteht dagegen ein von den Mitgliedstaaten im Einzelnen auszufüllender Rechtssetzungsauftrag. Dabei ist neben dem Grundsatz der Transparenz auch der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer zu beachten. Hierbei handelt es sich zwar nicht um ein aus den Grundfreiheiten abgeleitetes Gebot, sondern um eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes.120 Aber auch dieses gilt nicht absolut, sondern der Rechtfertigung zugänglich.121 Es ließe sich somit auch hier argumentieren, dass ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer durch eine Direktvergabe von Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste vor dem Hintergrund des Ausbildungsanliegens als Angelegenheit der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte gerechtfertigt werden könnte. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen entsprechend verwiesen.122 4.2.4. Direktvergabe auf Grundlage der Konzessionsrichtlinie Im Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie bestehen konkrete Vorgaben in Bezug auf Rettungsdienste zunächst nur für Bekanntmachungsverpflichtungen. Hinsichtlich des Vergabeverfahrens – vorbehaltlich eines ggf. noch aufzulösenden Redaktionsversehens – 118 Siehe zu diesem methodischen Vorgehen auf Unionsebene allgemein Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (Fn. 95), § 13, Rn. 26 ff. 119 Vgl. unten 4.1.1.2., S. 21 f. 120 Siehe zu diesem Gebot im Vergaberecht allgemein, Kühling/Huerkamp, in: Montag/Säcker, MüKo Wettbewerbsrecht (Fn. 30), vor §§ 97 ff. GWB, Rn. 22 ff. 121 Kühling/Huerkamp, in: Montag/Säcker, MüKo Wettbewerbsrecht (Fn. 30), vor §§ 97 ff. GWB, Rn. 28. Siehe für den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 20 Grundrechte-Charta, Jarass, in: Jarass (Hrsg.), Charta der EU-Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 20 GRC, Rn. 12 ff. 122 Siehe oben unter 3.2.3.2., S. 17. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 30 ist mangels ausdrücklicher Vorgaben in diesem Rechtsakt das primärrechtliche Vergaberecht zu beachten. Insoweit kommt auch hier die oben erörterte Möglichkeit in Betracht, aufgrund des Ausbildungsanliegens der Bundeswehr eine Direktvergabe aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu rechtfertigen.123 4.2.5. Im Rahmen des primärrechtlichen Vergaberechts Außerhalb des Anwendungsbereichs beider Richtlinien – also auch bei Anwendung der Ausnahmeregelung auf bundeswehreigene Sanitätsdienste – ist allein das primärrechtliche Vergaberecht zu beachten. Insoweit kann auch an dieser Stelle auf die oben gemachten Ausführungen zur Rechtfertigung einer Direktvergabe aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verwiesen werden.124 5. Ergebnis Fasst man die vorstehenden Ausführungen zum Verhältnis von EU-Vergaberecht und der Beteiligung Dritter am öffentlichen Rettungsdienst in Deutschland zusammen, so ist zunächst festzuhalten, dass die Vergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen an Dritte sowohl nach jetziger als auch nach zukünftiger Rechtslage dem EU-Vergaberecht unterliegt bzw. unterliegen wird. Während das aktuell geltende sekundäre Vergaberecht weder für den Rettungsdienst noch für die Bundeswehr Ausnahmen enthält, sehen die Vergaberichtlinie 2014 und die Konzessionsrichtlinie zwar eine Regelung vor, die den Bereich der Rettungsdienste von der Beachtung dieser Rechtsakte freistellt. Es spricht jedoch viel dafür, dass diese Ausnahmeregelung auf bundeswehreigene Sanitätsdienste keine Anwendung findet. Doch selbst wenn, blieben die Anforderungen des primärrechtlichen Vergaberechts unberührt. Innerhalb dieser sowie der Vorgaben des ansonsten zu beachtenden Sekundärrechts ist eine Direktvergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste nur möglich, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens müssten Abweichungen insbesondere von den Vergabeverfahrensanforderungen überhaupt einer Rechtfertigung dem Grunde nach zugänglich sein. Das ist zum einen der Fall, wenn das primärrechtliche Vergaberecht Anwendung findet. Hier besteht nach Art. 52 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 54 und Art. 62 AEUV die generelle Möglichkeit, Abweichung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu rechtfertigen. Das primärrechtliche Vergaberecht ist nach geltender als auch nach zukünftiger Rechtslage immer dann zu beachten, wenn die Vergaberichtlinie 2004 jetzt bzw. die Vergaberichtlinie 2014 und die Konzessionsrichtlinie zukünftig nicht oder nur teilweise Anwendung finden. Zum anderen besteht die Möglichkeit der Rechtfertigung für die Zukunft dann, wenn im Anwendungsbereich der Vergaberichtlinie 2014 bei der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens für den Bereich der Rettungsdienstleistungen der Grundsatz der Gleichheit der Wirtschaftsteilnehmer beachtet werden muss. Auch dieses Gleichheitsgebot lässt Abweichungen zu, soweit sie gerechtfertigt werden können. 123 Siehe oben unter 3.2.3.2., S. 17 f. 124 Siehe oben unter 3.2.3.2., S. 17 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 05/14 Seite 31 Liegt eine der genannten Konstellationen vor, setzt eine Rechtfertigung der Direktvergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen an bundeswehreigene Sanitätsdienste zweitens voraus, dass zum einen die Rechtfertigungsgründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Art. 52 Abs. 1 AEUV bzw. die Rechtfertigungserwägungen im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes der Wirtschaftsteilnehmer durch das Ausbildungsanliegen der Bundeswehr, welches der Beteiligung ihrer Sanitätsdienste am zivilen Notfall- und Rettungsdienst zugrunde liegt, ausgefüllt werden. Zum anderen muss eine darauf gründende Direktvergabe öffentlicher Rettungsdienstleistungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, insbesondere erforderlich sein. Eine rechtsverbindliche Feststellung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann allerdings nur durch gerichtliche Entscheidung des EuGH erfolgen. - Fachbereich Europa -