Deutscher Bundestag PE 6 – 3000 – 4/13 Zur Vereinbarkeit des Vorschlags der Kommission zur Neufassung der Tabakproduktrichtlinie mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 2 Zur Vereinbarkeit des Vorschlags der Kommission zur Neufassung der Tabakproduktrichtlinie mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Aktenzeichen: PE 6 - 3000 – 4/13 Abschluss der Arbeit: 21. Januar 2013 Fachbereich: PE 6: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip 5 2.1. Der Grundgedanke des Subsidiaritätsprinzips im Recht der Europäischen Union 5 2.2. Verankerung im Primärrecht 6 2.3. Zur Prüfung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips 7 2.4. Prüfung der Regelungsvorschläge 8 2.4.1. Keine ausschließliche Zuständigkeit der Union 9 2.4.2. Keine ausreichende Verwirklichung der Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten 10 2.4.2.1. Ziele Richtlinienentwurfs 10 2.4.2.2. Grenzüberschreitende Aspekte 10 2.4.2.3. Gefährdung der Vertragziele 11 2.4.2.4. Bessere Verwirklichung der Ziele auf der Ebene der Europäischen Union: Begründungskontrolle 11 3. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 14 Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 4 1. Einführung Die Europäische Kommission (Kommission) hat am 19. Dezember 2012 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (Tabakproduktrichtlinie)1 angenommen.2 Der Vorschlag sieht eine Vielzahl von Änderungen der derzeit geltenden Tabakproduktrichtlinie vor: Im Wesentlichen werden Änderungen in folgenden Bereichen vorgeschlagen: Zur Kennzeichnung und Verpackung: Alle Packungen von Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen müssen einen kombinierten textlichen und bildlichen Warnhinweis tragen, der 75 % der Vorder- und der Rückseite der Packung einnimmt, und sie dürfen keine Werbeelemente tragen. Die gegenwärtigen Informationen über Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid, die als irreführend betrachtet wurden, werden durch eine seitlich auf der Packung angebrachte Informationsbotschaft ersetzt, der zu entnehmen ist, dass Tabakrauch über 70 krebserregende Stoffe enthält. Den Mitgliedstaaten steht es frei, in begründeten Fällen neutrale Einheitsverpackungen einzuführen. Zu den Inhaltsstoffen: Es soll ein elektronisches Meldeformat für Inhaltsstoffe und Emissionen eingeführt werden. Der Vorschlag sieht ein Verbot für Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und rauchlosen Tabak mit charakteristischen Aromen und ein Verbot von Produkten mit erhöhter Toxizität und erhöhtem Suchtpotenzial vor. Zum rauchlosem Tabak: Das Verbot von Tabakerzeugnissen zum oralen Gebrauch (Snus) wird aufrechterhalten. Eine Ausnahme gilt für Schweden. Alle rauchlosen Tabakerzeugnisse müssen auf den Hauptflächen der Verpackung gesundheitsbezogene Warnhinweise tragen. Produkte mit charakteristischen Aromen dürfen nicht verkauft werden. Neuartige Tabakerzeugnisse bedürfen der vorherigen Anmeldung. Zur Erweiterung des Geltungsbereichs der Richtlinie: Nikotinhaltige Erzeugnisse (z.B. elektronische Zigaretten), deren Nikotingehalt unter einer bestimmten Schwelle liegt, dürfen zwar auf den Markt kommen, müssen aber gesundheitsbezogene Warnhinweise tragen. Produkte, deren Nikotingehalt oberhalb dieser Schwelle liegt, sind nur zulässig, 1 abrufbar unter: http://ec.europa.eu/health/tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf . 2 Dazu die Pressemitteilung der Kommission vom 19.12.2012; abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/pressrelease _IP-12-1391_de.htm . Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 5 wenn sie als Arzneimittel – wie beispielsweise Nikotinersatztherapeutika – zugelassen sind. Pflanzliche Raucherzeugnisse müssen ebenfalls gesundheitsbezogene Warnhinweise tragen. Zum grenzüberschreitenden Fernabsatz: Es soll eine Meldepflicht für Internet-Einzelhändler und ein Mechanismus zur Altersüberprüfung eingeführt werden, um sicherzustellen, dass Tabakerzeugnisse nicht an Kinder und Jugendliche verkauft werden. Zum illegalen Handel: Ein Rückverfolgungssystem und Sicherheitsmerkmale (z.B. Hologramme) sollen sicherzustellen, dass in der EU nur Produkte verkauft werden, die den Bestimmungen der Richtlinie genügen. 2. Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip 2.1. Der Grundgedanke des Subsidiaritätsprinzips im Recht der Europäischen Union Zusammen mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bildet das Subsidiaritätsprinzip eine „europarechtliche Schrankentrias“ für jede Kompetenzausübung seitens der Europäischen Union (EU).3 Der Begriff „Subsidiarität“ lässt sich dabei dahingehend definieren, dass der kleineren Einheit der Vorrang im Handeln („Zuständigkeitsprägorative“) gegenüber der größeren Einheit nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zukommt.4 Hierin liegt – trotz des hohen Abstraktionsgrades – der materielle Gehalt des Subsidiaritätsprinzips.5 Das Subsidiaritätsprinzip wird in Hinblick auf die EU ganz überwiegend unter dem Gesichtspunkt der Begrenzung unionsrechtlicher Kompetenzen diskutiert. Es geht aber insofern nicht um die Kompetenzverteilung, bei der das Subsidiaritätsprinzip lediglich eine politische Leitlinie sein kann6, sondern um die Frage der Kompetenzausübung im Hinblick auf die durch die Verträge der EU bereits verteilte und damit vorgegebene Kompetenz.7 Dies klarstellend bezeichnet Art. 5 Abs. 1 S. 2 EUV das Subsidiaritätsprinzip als einen der Grundsätze für die „Ausübung der Zuständigkeiten der Union.“ Bei der Diskussion über das Subsidiaritätsprinzip ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es sich dabei um einen Relationsbegriff handelt, dessen Inhalt mit Blick auf die verwandten 3 Merten, Subsidiarität als Verfassungsprinzip, in: Merten. (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, 2. Auflage 1994, S. 77 (78). 4 Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Auflage 1999, S. 25 ff. 5 Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, 2. Auflage 2001, S. 73. 6 Schröder, Vertikale Kompetenzverteilung und Subsidiarität im Konventsentwurf für eine europäische Verfassung, Juristenzeitung (JZ) 2004, S. 8 (8). Schröder spricht insofern von einer „zusätzlichen verfassungspolitischen Aufgabe“ des Subsidiaritätsprinzips. 7 Schröter, Arbeitspapiere – Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung 54/2002, S. 1 (3). Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 6 unbestimmten Rechtsbegriffe („nicht ausreichend“, „besser“) erst in Bezug zu dem Kontext, in den er eingeordnet wird, konkretisiert werden kann.8 Weiterhin ist darauf zu achten, dass sich einerseits die Organe der EU den Pflichten, die ihnen das Subsidiaritätsprinzip auferlegt, nicht formalistisch entledigen und dass andererseits die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Subsidiarität nicht schematisch und sachfremd geltend machen.9 Vor dem Hintergrund der mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zum 1. Dezember 2009 geänderten Rechtslage sollen zunächst die primärrechtlichen Regelungen dargestellt werden, die die materiellen und verfahrensrechtlichen Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips enthalten. Anschließend wird geprüft, ob die vorgeschlagene Neufassung der Tabakproduktrichtlinie mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. 2.2. Verankerung im Primärrecht Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zum 1. Dezember 2009 legt Art. 5 Abs. 1 S. 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) fest, dass für die Ausübung der Zuständigkeiten der EU die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gelten. Art. 5 Abs. 3 EUV regelt, dass nach dem Subsidiaritätsprinzip die EU in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr mittels ihres Umfangs oder ihrer Wirkung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Dabei sollen die Organe der EU das Subsidiaritätsprinzip nach dem Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Protokoll Nr. 2) anwenden.10 Die nationalen Parlamente sollen auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach in diesem Protokoll vorgesehenen Verfahren achten. Eine Konkretisierung erfährt das Subsidiaritätsprinzip durch das Protokoll Nr. 2. Schon der Subsidiaritätsgrundsatz nach Art. 5 Abs. 2 EGV war durch das mit dem Vertrag von Amsterdam eingeführte Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Protokoll Nr. 30)11 näher definiert worden. Wesentliche Neuerungen hinsichtlich der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips ergeben sich bei einem Vergleich dieser Protokolle12: Während das Protokoll Nr. 30 nicht nur die verfahrensrechtlichen Prüfvorgaben definierte, sondern darüber hinaus auch eine Präzisierung der für die Subsidiaritätsprüfung bedeutsamen materiellen Kriterien enthielt, beschränkt sich das neue Protokoll Nr. 2 weitgehend auf die Festlegung rein prozeduraler Anwendungsbedingungen. Diese „Entmaterialisierung der 8 So Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Verfassung der Europäischen Union, 2011, Art. 6, Rdnr. 20. 9 So Streinz, Europarecht, 8. Auflage 2008, Rn. 166. 10 ABl. Nr. C 306 S. 148. Gemäß Art. 51 EUV sind die Protokolle Bestandteil der Verträge. 11 ABl. Nr. C 340, S. 105. 12 Das Protokoll Nr. 30 beruhte inhaltlich weitgehend auf dem auf der Tagung des Europäischen Rates von Edinburgh am 11. und 12. Dezember 1992 vereinbarten Gesamtkonzept für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips [COM.SI (92) 1050] sowie auf der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 25. Oktober 1993 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Verfahren zur Anwendung des Subsidiaritätsprinzips. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 7 Subsidiaritätsprüfung“ stellt eine – mit Blick auf Praktikabilität und Justitiabilität – Verschlechterung dar.13 Zusammen mit dem Protokoll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union (Protokoll Nr. 1)14 wird ein ex-ante-Kontrollverfahren zur Überwachung des Subsidiaritätsprinzips bereitgestellt. 2.3. Zur Prüfung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips Ein allgemein gültiges Schema zur Überprüfung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips existiert nicht. Als Kontrollmaßstab für das Handeln der EU ist das Subsidiaritätsprinzip insgesamt schwer fassbar.15 Der EuGH hat in seinen zu Art. 5 EGV ergangenen Urteilen eine konkrete Subsidiaritätsprüfung zumeist vermieden.16 Er hat sich, sowohl was die Anzahl der Urteile angeht, in denen er das Subsidiaritätsprinzip erwähnt, als auch inhaltlich, was die konkrete Ausgestaltung der Prüfung im Einzelfall betrifft, sehr zurückgehalten.17 Einer richterlichen Überprüfung erschließen sich allenfalls evidente Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip, in denen die Unionsorgane nicht einmal einen plausiblen Begründungsansatz für eine Regelung liefern. Ausgehend vom Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 EUV ergibt sich jedenfalls eine Subsidiaritätsprüfung in drei Schritten: Zunächst ist die Art der Zuständigkeit festzulegen. Danach ist zu prüfen, ob und inwieweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können. Insofern handelt es sich um ein Negativkriterium. Hinzu tritt ein Positivkriterium, wonach die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.18 Diesbezüglich ist Art. 5 Abs. 3 EUV im Vergleich zu Art. 5 EGV sprachlich klarer gefasst worden, da durch die Formulierung „sondern“ deutlich wird, dass die beiden letzten Prüfungspunkte separat voneinander zu berücksichtigen sind. Durch die Wortwahl in Art. 5 EGV „und daher“ wurde suggeriert, es müsse nur ein Element geprüft werden. Von Bedeutung ist dies insbesondere für die Begründungspflichten der Kommission bei Gesetzgebungsvorschlägen gemäß Art. 5 Protokoll Nr. 2, aber auch für die Subsidiaritätsprüfung durch den EuGH.19 13 Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Verfassung der Europäischen Union, 2011, Art. 6, Rn. 26. So auch Mayer, Der Vertrag von Lissabon im Überblick, Juristische Schulung (JuS) 2010, S. 189 (192), der das Protokoll Nr. 2 als „unschärfer“ bezeichnet. 14 ABl. Nr. C 306, S. 146. 15 dazu näher Grosche, Rechtsfortbildung im Unionsrecht, 2011, S. 213 f. 16 So z. B. EuGH, Urteil vom 12. November 1996, Rs. C-84/94, Slg. 1996, I-5755, Rdnr. 46 ff.; Urteil vom 13. Mai 1997, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405, Rdnr. 22 ff. 17 Calliess, in: Europäische Grundrechte-Zeitschrift (EuGRZ) 2003, S. 181 (187). 18 Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Verfassung der Europäischen Union, 2011, Art. 6, Rdnr. 31. 19 Koch/Kullas, Subsidiarität nach Lissabon – Scharfes Schwert oder stumpfe Klinge?, Centrum für Europäische Politik (cep), Studie, März 2010, S. 14. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 8 2.4. Prüfung der Regelungsvorschläge Gegenstand der Subsidiaritätsprüfung sind folgende Regelungsvorschläge: Zu den Inhaltsstoffen und Emissionen Die Höchstgehalte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid sowie die Messverfahren sollen unverändert bleiben. Die Mitgliedstaaten schreiben den Herstellern und Importeuren von Tabakerzeugnissen vor, die in diesen Erzeugnissen verwendeten Inhaltsstoffe zu melden. Dieses obligatorische Meldesystem für Inhaltsstoffe soll bestehen bleiben; zusätzlich ist ein einheitliches elektronisches Meldeformat vorgesehen. Außerdem werden von den Herstellern Belege verlangt (z. B. Marketingberichte). Eventuelle Gebühren der Mitgliedstaaten für die Bearbeitung der ihnen bereitgestellten Informationen dürfen nicht höher sein als die Kosten, die diesen Tätigkeiten zuzuordnen sind. Darüber hinaus sieht der Vorschlag vor, dass neue oder modifizierte Tabakerzeugnisse erst in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn die Angaben zu den Inhaltsstoffen vorgelegt worden sind. Die gemeldeten Daten (außer den vertraulichen Informationen) werden veröffentlicht. Entgegen der derzeit geltenden Tabakproduktrichtlinie werden Regelungen zu Zusatzstoffen in Tabakprodukten harmonisiert. Tabakerzeugnisse mit einem charakteristischen Aroma oder mit Zusatzstoffen, mit denen man Energie und Vitalität verbindet oder solche mit erhöhter Toxizität, sollen verboten werden. In Filtern, Papieren oder Packungen sollen keine Aromastoffe verwendet werden dürfen. Zur Kennzeichnung und Verpackung Künftig sollen kombinierte Warnhinweise, die 75% der Fläche einnehmen, in einer bestimmten Wechselfolge auf beiden Seiten von Tabakerzeugnissen erscheinen. Textliche Warnhinweise sind bereits nach geltendem Recht obligatorisch. Künftig sollen auch bildliche Warnhinweise obligatorisch sein. Zur Rückverfolgbarkeit und zu Sicherheitsmerkmalen Die Richtliniennovelle sieht die Einführung eines eu-weiten Systems der Verfolgung und Rückverfolgung von Packungen von Tabakerzeugnissen entlang der Lieferkette vor. Mitgliedstaaten wären hiernach künftig gehalten dafür zu sorgen, dass die Hersteller von Tabakerzeugnissen Datenspeicherverträge mit unabhängigen Dritten schließen. Dies soll die Unabhängigkeit dieses Systems, die volle Transparenz und die dauernde Zugriffsmöglichkeit der Mitgliedstaaten und der Kommission sicherstellen. Zum Tabak zum oralen Gebrauch An dem bereits in der geltenden Tabakproduktrichtlinie vorgesehenen Verbot des In-Verkehr- Bringens von Tabak zum oralen Gebrauch soll festgehalten werden. Die Zulässigkeit dieses Verbots wurde vom EuGH bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 festgestellt.20 20 EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2002, Rs. C-434/02, Slg. 2004, I-11825. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 9 Zum Verkauf von Tabakerzeugnissen im Fernabsatz Anders als in der derzeit geltenden Tabakproduktrichtlinie soll der grenzüberschreitende Fernabsatz von Tabakerzeugnissen eu-weit geregelt werden. Vorgesehen ist eine Meldepflicht für Einzelhändler von Tabakerzeugnissen, die grenzüberschreitend im Fernabsatz tätig werden wollen. Künftig dürfen die Mitgliedstaaten dem Einzelhändler eine natürliche Person benennen, die die Richtlinienkonformität der Tabakprodukte sicherstellen muss, welche an Kunden in den jeweiligen Mitgliedstaaten geliefert werden. Vorgesehen ist auch ein obligatorisches Altersüberprüfungssystem. zu neuartigen Tabakerzeugnissen Neuartige Tabakerzeugnisse sollen bestimmten Regelungen der novellierten Tabakproduktrichtlinie unterworfen werden. Vorgesehen ist darüber hinaus eine Anmeldepflicht für neuartige Tabakerzeugnisse. zu nikotinhaltigen Erzeugnissen Anders als auf Grundlage der bisher geltenden Tabakproduktrichtlinie sollen nikotinhaltige Erzeugnisse, die einen Nikotingehalt von über 2 mg oder eine Nikotinkonzentration von über 4 mg/ml aufweisen oder deren bestimmungsgemäße Verwendung zu einer mittleren maximalen Peak- Plasmakonzentration über 4 ng/ml führt, gemäß dem Vorschlag nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie – aufgrund ihrer Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit sowie einer positiven Risiko- Nutzen-Bilanz – als Arzneimittel zugelassen worden sind. Nikotinhaltige Erzeugnisse mit einem geringeren Nikotingehalt dürfen als Verbraucherprodukte verkauft werden, sofern sie einen angepassten gesundheitsbezogenen Warnhinweis tragen. zu pflanzlichen Raucherzeugnissen Künftig sollen gesundheitsbezogene obligatorische Warnhinweise gegeben werden, mit denen die Verbraucher über die gesundheitsschädigenden Wirkungen der pflanzlichen Raucherzeugnisse aufgeklärt werden sollen. 2.4.1. Keine ausschließliche Zuständigkeit der Union Art. 5 Abs. 3 EUV legt fest, dass das Subsidiaritätsprinzip allein auf jene Bereiche Anwendung findet, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen. Der Richtlinienvorschlag wird auf Art. 114 AEUV gestützt, soll mithin der Verwirklichung des Binnenmarktes und dessen Funktionieren (Art. 26 AEUV) dienen (Art. 114 Abs. 1 AEUV). Der Bereich Binnenmarkt fällt gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) AEUV in die von der Union mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit (Art. 4 Abs. 1 AEUV). Der Vorschlag wird auf Art. 114 AEUV (vormals Art. 95 EGV) gestützt. Bereits die derzeit geltende Tabakproduktrichtlinie wurde auf diese Kompetenznorm gestützt. Eine Überprüfung anhand des Subsidiaritätsprinzips ist damit grundsätzlich möglich. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 10 2.4.2. Keine ausreichende Verwirklichung der Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten Gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV darf die EU nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können. 2.4.2.1. Ziele des Richtlinienentwurfs Der zu überprüfende Richtlinienvorschlag zielt auf Verbesserungen des Binnenmarktes für Tabakprodukte ab. Ziel sei es, durch die Angleichung einzelstaatlicher Vorschriften für Tabakerzeugnisse Behinderungen des freien Warenverkehrs zu beseitigen. In seinem ersten Urteil zur Tabakproduktrichtlinie prüft der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes. Die Prüfung fällt denkbar knapp aus.21 Zu den Zielen der Tabakproduktrichtlinie führt der EuGH lediglich aus, dass diese der Beseitigung der Hindernisse diene, die noch zwischen den Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen fortbestehen, wobei sie gem. Art. 95 Abs. 3 EGV gleichzeitig ein hohes Schutzniveau im Bereich der Gesundheit sicherstellen solle.22 Die im Richtlinienvorschlag gegebene Begründung zur Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes knüpft offenbar an diese Rechtsprechung an, indem sie die von den Vorschlägen erwarteten Verbesserungen für den Binnenmarkt für Tabakprodukte in den Mittelpunkt stellt. 2.4.2.2. Grenzüberschreitende Aspekte Nr. 5 Protokoll Nr. 30 sah vor, zunächst zu prüfen, ob der zu regelnde Bereich überhaupt transnationale, also grenzüberschreitende Aspekte aufweist. Trotz des Verzichts auf dieses Erfordernis in dem neuen Protokoll Nr. 2 bleibt die Frage hiernach unentbehrlich: Gerade aufgrund der stark dehnbaren Zielformulierungen gibt der Rückgriff auf die Natur des zugrundeliegenden Sachverhalts den entscheidenden Hinweis, ob die Mitgliedstaaten schon rein faktisch nicht in der Lage sind, die Ziele des Unionsgesetzgebers hinreichend selbst zu verwirklichen, für den Fall dass ein Problem grenzüberschreitenden Charakter hat und damit auch nur grenzüberschreitend gelöst werden kann.23 Für eine Bejahung des grenzüberschreitenden Aspekts kann – wie der EuGH dies in seinem Urteil zur Tabakproduktrichtlinie getan hat – schlicht auf die Tatsache verwiesen werden, dass der Markt für Tabakerzeugnisse ein Markt ist, auf dem der Handel zwischen den Mitgliedstaaten eine verhältnismäßig wichtige Rolle spielt.24 21 EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2002, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rdnr. 177 ff. 22 EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2002, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rdnr. 181. 23 Koch/Kullas, Subsidiarität nach Lissabon – Scharfes Schwert oder stumpfe Klinge?, cep-Studie, März 2010, S. 17. 24 EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2002, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rdnr. 64. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 11 2.4.2.3. Gefährdung der Vertragsziele Nach den Leitlinien des Protokolls Nr. 30 kam es des Weiteren darauf an, ob alleinige Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen gegen die Anforderungen des Vertrags verstoßen oder auf sonstige Weise die Interessen der Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen würden. Einheitlichkeit mit einer Unionsrechtsnorm sollte dann angestrebt werden, wenn „Gleichberechtigung oder Wettbewerb eindeutig gefährdet werden könnten.“25 Bislang vertritt die Kommission die Auffassung, dass dieses Kriterium auch künftig zu beachten ist.26 Der EuGH hat in seinem ersten Urteil zur Tabakproduktrichtlinie diesen Punkt nicht vertieft geprüft, sondern lediglich festgestellt, dass sich das Ziel der Beseitigung von Handelshemmnissen nicht ausreichend auf der Ebene der Mitgliedstaaten erreichen lasse; eine Maßnahme auf Gemeinschaftsebene sei erforderlich, wie die heterogene Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften im vorliegendem Fall zeige.27 Mit einer solchen Argumentation kann eine Gefährdung der Vertragsziele leicht bejaht werden. Darauf zielt auch die im Richtlinienvorschlag gegebene Begründung ab, indem darauf verwiesen wird, dass die Uneinheitlichkeit der Regeln für Kennzeichnung und Inhaltsstoffe dazu führe, dass die Unternehmen je nach Markt unterschiedliche Produktlinien herstellen müssten.28 Tragend für das Erfordernis einer unionseinheitlichen Regelung des grenzüberschreitenden Fernabsatzes, der Rückverfolgbarkeit und eines einheitlichen Sicherheitsstandards für Tabakprodukte ist auch die in dem Richtlinienvorschlag gegebene Begründung, eine Harmonisierung unterschiedlicher Regelungen in den Mitgliedstaaten sei gerechtfertigt, damit bestimmte Normen des Binnenmarktes nicht umgangen werden könnten.29 2.4.2.4. Bessere Verwirklichung der Ziele auf der Ebene der Europäischen Union: Begründungskontrolle Dieses Prüfungsmerkmal erfährt in Art. 5 Protokoll Nr. 2 insofern eine Konkretisierung, als festgelegt ist, dass „die Feststellung, dass ein Ziel der Union besser auf Unionsebene erreicht werden kann, auf qualitativen und, soweit möglich, quantitativen Kriterien“ beruhen muss. Die Entwürfe von Gesetzgebungsakten sollen dabei berücksichtigen, dass die finanzielle Belastung und der Verwaltungsaufwand der EU, der nationalen Regierungen, der regionalen und lokalen Behörden, der Wirtschaftsteilnehmer und der Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen müssen. 25 Europäisches Parlament, Ausschuss für konstitutionelle Fragen, Bericht vom 24. April 2002, A5-0133/2002, S. 12. 26 In der Folgenabschätzung zum Aktionsplan urbane Mobilität stellt die Kommission – ausgehend von der Rechtslage nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon – weiterhin darauf ab; vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Aktionsplan urbane Mobilität, 30. September 2009, KOM (2009) 490 endg. 27 EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2002, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rdnr. 182. 28 KOM(2012) 788, S. 12 f. 29 EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2002, RS. C-491/01, Slg. 2002, I-11551 Rdnr. 82 f. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 12 Das Protokoll Nr. 30 legte fest, dass zur Erfüllung des Kriteriums der besseren Verwirklichung auf Unionsebene die fraglichen Maßnahmen auf der Ebene der EU aufgrund ihrer Größenordnung oder ihrer Auswirkungen im Verhältnis zu einem Tätigwerden auf der mitgliedstaatlicher Ebene deutliche Vorteile erbringen müssten. Auch die überwiegende Meinung in der Literatur nimmt an dieser Stelle eine vergleichende Abwägung vor: Danach sind die Gemeinschaftsbefugnisse dort nicht voll auszuüben, wo der zusätzliche Integrationsgewinn minimal, der Eingriff in die verbliebenen Zuständigkeitsbereiche der Mitgliedstaaten jedoch beträchtlich ist.30 Nachfolgend ist der Frage nachzugehen, ob die vorgeschlagene Novelle der Tabakproduktrichtlinie auf EU-Ebene tatsächlich zu einem Mehrwert gegenüber einer Regelung auf der Ebene der Mitgliedstaaten führt. Zu beurteilen, ob die Ziele einer Maßnahme besser auf Unionsebene verwirklicht werden können, ist rechtlich schwierig, da eine Einschätzung der Wirksamkeit von Maßnahmen nur durch eine Prognoseentscheidung möglich ist. Die rechtliche Kontrolle richtet sich daher vielmehr auf die Begründung zur Vereinbarkeit von Gesetzentwürfen mit Subsidiarität, die die Kommission gemäß Art. 5 Protokoll Nr. 2 zwingend vorlegen muss.31 Pauschale Formeln und abstrakte Rechtserwägungen auf Seiten der Kommission können jedoch ebenso wenig genügen wie salvatorische Klauseln, da gerade diese Begründungskontrolle die fehlenden rechtlichen Maßstäbe durch zu unbestimmte Begriffe und mangelnde Anhaltspunkte kompensieren muss.32 Auch kann die mit einem Gesetzgebungsakt angestrebte Harmonisierung der unterschiedlichen Vorschriften in den Mitgliedstaaten nicht per se als Zielsetzung genannt werden. Zu benennen ist vielmehr das mit einer Maßnahme materiell verfolgte Ziel, wie beispielsweise die Einführung bestimmter Standards für Produkte und Dienstleistungen. Auf Zieldefinition und Ausübung der Kompetenz können sich Querschnittsklauseln, etwas zum Verbraucherschutz, auswirken, die bestimmte Wertvorstellungen widerspiegeln.33 Der Richtlinienvorschlag nennt die mit ihm verfolgten Ziele und die diesen Zielen dienenden Instrumente hinreichend präzise. Als Mehrwert der angestrebten Regelungen auf EU-Ebene führt der Richtlinienvorschlag im Wesentlichen an, dass mit der vorgeschlagenen Harmonisierung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Herstellung, Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandter Erzeugnisse das Funktionieren des Binnenmarktes verbessert würde.34 Der Entwurf macht außerdem geltend, dass die Größe des Binnenmarktes für Tabakerzeugnisse und für verwandte Erzeugnisse, eine auszumachende Tendenz, die Produktion für die gesamte EU zunehmend in nur wenigen Produktionsstätten in den Mitgliedstaaten zu 30 Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 19. 31 Koch/Kullas, Subsidiarität nach Lissabon – Scharfes Schwert oder stumpfe Klinge?, cep-Studie, März 2010, S. 18. 32 Von Danwitz, Der Vertrag von Lissabon und der Fortgang der Integration, DIJV, 10. Oktober 2008, S. 10. 33 Koch/Kullas, Subsidiarität nach Lissabon – Scharfes Schwert oder stumpfe Klinge?, cep-Studie, März 2010, S. 16. 34 KOM(2012) 788, S. 16 Erwägungsgrund 4 Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 13 konzentrieren unionsweit einheitlich geltende Regelungen zur Gewährleistung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarktes erforderlich machten.35 Für die vorgeschlagenen Detailregelungen wird diese Begründung präzisiert. Die vorgeschlagene Verschärfung der bestehenden Meldepflichten zu Inhaltsstoffen und Emissionen sollen i.S.d. Art. 114 Abs. 2 AEUV einen hohen Gesundheitsschutz gewährleisten.36 Ein verpflichtend einheitliches Formular für die Meldung von Inhaltsstoffen und Emissionen sei geboten, weil die derzeit verwendeten unterschiedlichen Meldeformulare es Herstellern und Importeuren erschwerten, ihren Meldepflichten nachzukommen; außerdem führte dies für die Mitgliedstaaten und die Kommission zu einem hohen Aufwand, die eingehenden Informationen zu vergleichen, zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.37 Die vorgeschlagenen Regelungen zu Inhaltsstoffen und Emissionen sollen ausweislich der Begründung zu gleichen Ausgangsbedingungen führen.38 Im Richtlinienvorschlag wird zudem ausgeführt, dass das Fehlen eines harmonisierten Ansatzes für die Regelung der Inhaltsstoffe das Funktionieren des Binnenmarktes und des freien Warenverkehrs in der EU behindere.39 Die bestehenden Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Vorschriften zur Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen, namentlich zu den kombinierten gesundheitsbezogenen Warnhinweisen , und zu den Informationen über Rauchentwöhnungsangeboten und Werbeelementen in und auf Packungen, könnten Handelshemmnisse darstellen und das Funktionieren des Binnenmarktes für Tabakerzeugnisse behindern und sollten daher beseitigt werden. Ohne unionseinheitliche Regelungen würden nach Einschätzung der Kommission sich diese Unterschiede künftig noch vergrößern.40 Der Vorschlag zur Einführung eines EU-Systems für die Verfolgung und Rückverfolgung von Packungen von Tabakerzeugnissen entlang der Lieferkette sorge für gleiche Ausgangsbedingungen der verschiedenen Marktakteure, erleichtere die Marktüberwachung und ermögliche es den Verbrauchern, die Echtheit von Tabakerzeugnissen zu überprüfen.41 Auch damit werden Regelungsziele benannt zur Verbesserung bzw. Weiterentwicklung des Binnenmarktes für Tabakerzeugnisse. Die Notwendigkeit einheitlicher Regelungen in der EU für ein Meldesystem im grenzüberschreitenden Fernabsatz von Tabakwaren wird damit begründet, dass der Richtlinienvorschlag so sein volles Potenzial entfalten könne, da der grenzüberschreitende Verkauf von 35 KOM(2012) 788, S. 16 Erwägungsgrund 6. 36 KOM(2012) 788, S. 17 Erwägungsgrund 12. 37 KOM(2012) 788, S. 17 Erwägungsgrund 13. 38 KOM(2012) 788, S. 5. 39 KOM(2012) 788, S. 17 Erwägungsgrund 14. 40 KOM(2012) 788, S. 19 Erwägungsgründe 19/20. 41 KOM(2012) 788, S. 8 f. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 14 Tabakerzeugnissen im Fernabsatz den Zugang zu Tabakprodukten erleichtere, insb. zu auf dem heimischen Markt nicht angebotenen Tabakerzeugnissen. Dieser Vorschlag fördere zudem die Einhaltung der Tabakgesetzgebung,42 was zudem den Binnenmarkteffekt verstärke, indem Käufe von nicht richtlinienkonformen Erzeugnissen vermieden würden. Neuartige Tabakerzeugnisse würden eu-weit verbindlichen Regelungen unterworfen, damit auch für diese Produkte gleiche Ausgangsbedingungen gewährleistet sind.43 Die vorgeschlagenen Regelungen zu nikotinhaltigen Erzeugnissen werden damit gerechtfertigt, dass die bestehenden unterschiedlichen Regelungsansätze der Mitgliedstaaten, was die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte dieser Produkte betrifft, sich negativ auf das Funktionieren des Binnenmarkts auswirkten, insb. mit Blick darauf, dass diese in erheblichem Umfang im grenzüberschreitenden Fernabsatz verkauft würden.44 Auch die vorgeschlagenen eu-weit einheitlichen Kennzeichnungsbestimmungen pflanzlicher Raucherzeugnisse sollen dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes und der besseren Information der Verbraucher dienen.45 Bei einer Gesamtbetrachtung dürfte der Richtlinienvorschlag den Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips entsprechen. Die vorgeschlagenen Regelungen sollen das Funktionieren des Binnenmarktes für Tabakprodukte verbessern. Angestrebt werden mithin Verbesserungen auf einer über die nationalen Märkte der Mitgliedstaaten hinausgehenden Makroebene des Binnenmarktes insgesamt, die durch (von einander abweichende) Gesetzgebungsakte der Mitgliedstaaten sich schwerlich verwirklichen ließen. Für die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips dürfte auch sprechen, dass dieser Vorschlag den Mitgliedstaaten dort, wo es die Belange des Binnenmarktes aus Sicht der Kommission nicht zwingend erfordern, Spielräume bei der Umsetzung ins nationale Recht belässt. Mitgliedstaaten steht es frei, strengere nationale, für alle Produkte gleichermaßen geltende Normen beizubehalten „aufgrund übergeordneter Erfordernisse im Zusammenhang mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit“. Im Geltungsbereich des Richtlinienvorschlags dürfen auch strengere, für alle Produkte gleichermaßen geltende Regelungen eingeführt werden, „wenn dies durch die besonderen Gegebenheiten in dem betreffenden Mitgliedstaat und durch die Notwendigkeit, die öffentliche Gesundheit zu schützen, gerechtfertigt ist.“46 3. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Neben dem Subsidiaritätsprinzip bildet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine weitere Ausübungsschranke für das Handeln der EU. Art. 5 Abs. 4 EUV fordert, dass die Maßnahmen der Union „inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche 42 KOM(2012) 788, S. 21 Erwägungsgrund 30. 43 KOM(2012) 788, S. 22 Erwägungsgrund 32. 44 KOM(2012) 788, S. 22 Erwägungsgrund 33. 45 KOM(2012) 788, S. 22 Erwägungsgrund 36. 46 KOM(2012) 788, S. 23 Erwägungsgrund 40. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 15 Maß“ hinausgehen dürfen. Hier geht es also darum, wie die Gemeinschaft ihre Kompetenz ausübt. Dies soll, in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Grundsatz der Begrenzung des unionsrechtlichen Handelns, in einer die Mitgliedstaaten möglichst schonenden Weise geschehen.47 Ähnlich wie bei der gerichtlichen Überprüfung des Subsidiaritätsprinzips hält sich der EuGH bisher bei der Würdigung der Erforderlichkeit der Maßnahme zurück: „Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit (…) betrifft, so verfügt der Gemeinschaftsgesetzgeber über ein weites Ermessen in einem Bereich wie dem hier betroffenen, in dem von ihm politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt werden und in dem er komplexe Prüfungen durchführen muss. Folglich ist eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des Zieles, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist“.48 Der EuGH gesteht dem Unionsgesetzgeber mithin einen weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu und prüft lediglich, ob die gesetzgeberische Entscheidung offenkundig fehlerhaft ist. Die Unionsgesetzgeber muss sich dabei allerdings auf objektive Kriterien stützen.49 In dem Richtlinienvorschlag wird zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgendes ausgeführt: „Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus (Artikel 5 Absatz 4 EUV). Dieser Vorschlag lässt den Mitgliedstaaten einen angemessenen Spielraum bei der Durchführung. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation, Finanzierung und Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen und der medizinischen Versorgung wird in vollem Umfang gewahrt. Es handelt sich um einen ausgewogenen Vorschlag, der ehrgeizig ist und zugleich die legitimen Interessen der Beteiligten wahrt.“50 Entsprechend diesem Prüfungsmaßstab gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Richtlinienvorschlag erkennbar über das zur Erreichung der vorgegebenen Regelungsziele hinausginge. Die vorgeschlagenen Regelungen sollen das Funktionieren des Binnenmarktes für Tabakprodukte verbessern, wobei nicht offenkundig erkennbar ist, dass diese zur Erreichung der angegebenen Zielsetzungen ungeeignet wären oder diese sich mit weniger eingriffsintensiven Maßnahmen verwirklichen ließen. Der Vorschlag lässt zudem den Mitgliedstaaten einen weiten Spielraum für die Umsetzung der vorgeschlagenen Regelungen. Den Mitgliedstaaten soll es frei stehen, „zu Aspekten, die in den 47 Vgl. Fischer, Hans Georg, Europarecht, München 2005, Rn. 176. 48 EuGH, Urteil vom 10.12.2002, C-491/01, British American Tobacco, Rn. 123.; in gleicher Weise auch die Entscheidung Vodafone, vgl. EuGH, Urteil vom 8. Juni 2010, Rs. C-58/08, Slg. 2010, I- Rdnr. 52. 49 EuGH, Urteil vom 8. Juni 2010, Rs. C-58/08, Slg. 2010, I- Rdnr. 53. 50 KOM (2012) 788, S. 13. Fachbereich Europa PE 6 - 3000 - 4/13 Seite 16 Regelungsbereich dieser Richtlinie fallen, strengere nationale, für alle Produkte gleichermaßen geltende Vorschriften aufrechtzuerhalten,“ soweit dies aufgrund übergeordneter Erfordernisse im Zusammenhang mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit erfolgt. „Die Mitgliedstaaten sollten außerdem strengere, für alle Produkte gleichermaßen geltende Vorschriften aufstellen dürfen, wenn dies durch die besonderen Gegebenheiten in dem betreffenden Mitgliedstaat und durch die Notwendigkeit, die öffentliche Gesundheit zu schützen, gerechtfertigt ist.“51 Eine Unvereinbarkeit des Vorschlags zur Änderung der Richtlinie zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (KOM(2012) 788) mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht erkennbar. - Fachbereich Europa - 51 KOM (2012) 788, S. 23 Erwägungsgrund 40.