© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 2/15 Unionsrechtliche Zulässigkeit einer nach Straßenart differenzierenden Infrastrukturabgabe Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 2/15 Seite 2 Unionsrechtliche Zulässigkeit einer nach Straßenart differenzierenden Infrastrukturabgabe Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 2/15 Abschluss der Arbeit: 22. Januar 2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 2/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Hintergrund 4 3. Antwort 4 3.1. Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit 5 3.2. Unionsbürgerliche Freizügigkeit nach Art. 21 Abs.1 AEUV und Grundfreiheiten 6 3.3. Exkurs: Phänomen der sog. Inländerdiskriminierung 8 4. Zusammenfassung 9 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 2/15 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung geht der Frage nach, wie es nach dem Recht der Europäischen Union zu beurteilen ist, dass bei der angestrebten „PKW-Maut“ in Gestalt der Infrastrukturabgabe inländische Autofahrer für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen herangezogen werden, während ausländische Autofahrer eine Vignette nur für die Benutzung von Bundesautobahnen erwerben müssen. 2. Hintergrund Am 17. Dezember 2014 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen beschlossen. In Art. 1 ist der Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer zeitbezogenen Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen (Infrastrukturabgabengesetz, im Folgenden: InfrAG-E) enthalten. Nach § 1 Abs. 1 InfAG-E ist für die Benutzung der Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen und Bundesstraßen) durch Kraftfahrzeuge bis 3,5 t und Wohnmobile eine Infrastrukturabgabe zu entrichten . Nach § 1 Abs. 2 InfrAG-E ist die Benutzung von Bundesstraßen durch im Ausland zugelassenen Kraftfahrzeuge davon allerdings ausgenommen. In der „Einführungsphase“ der Infrastrukturabgabe soll dadurch der grenzüberschreitende Verkehr in Grenzregionen nicht zu stark belastet werden.1 3. Antwort Ob diese unterschiedliche Behandlung bei der Abgabenpflicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, könnte zunächst am Maßstab des Diskriminierungsverbots aus Gründen der Staatsangehörigkeit geprüft werden (siehe unter 3.1.). Scheidet seine Anwendbarkeit insoweit aus, ist zu erörtern , ob nicht die Freizügigkeit und die Grundfreiheiten weitergehende Gewährleistungsgehalte aufweisen, an denen eine solche Ungleichbehandlung messbar wäre (siehe unter 3.2.). Der Sachstand schließt mit einem kurzen Exkurs zum Phänomen der sog. Inländerdiskriminierung (siehe unter 3.3.) und einer Zusammenfassung (siehe unter 4.). 1 Entwurf einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen, S. 39f., abrufbar unter http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/Strasse/entwurf-infrastrukturabgabengesetz -neu.pdf?__blob=publicationFile. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 2/15 Seite 5 3.1. Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit Art. 18 Abs. 1 AEUV und die Grundfreiheiten untersagen in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.2 EU-Ausländer dürfen danach im Vergleich zu Inländern nicht benachteiligt werden.3 Betrachtet man die unterschiedliche Behandlung bei der Abgabenpflicht im Lichte dieses Prüfungsmaßstabs , so ist festzustellen, dass der Regelung keine Schlechterstellung von EU-Ausländern gegenüber Inländern zugrunde liegt, sondern umgekehrt eine Schlechterstellung von Inländern gegenüber EU-Ausländern. Ausgehend davon, dass im Inland registrierte Kraftfahrzeuge und Wohnmobile weit überwiegend auf Inländer und im Ausland registrierte Fahrzeuge dieser Art in der Regel auf EU-Ausländer zugelassen sind, ergibt sich dies durch den Umstand, dass die im Ausland zugelassenen Fahrzeuge Bundesstraßen benutzen dürfen, ohne die Abgabe entrichten zu müssen, während sie für inländische Halter auch für diese Straßenart anfällt.4 Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Benachteiligung von Inländern im Vergleich zu EU- Ausländern vom unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit nicht erfasst.5 Der Gerichtshof begründet dies mit dem Fehlen eines grenzüberschreitenden Bezugs . Denn die Ungleichbehandlung geht in derartigen Fällen zu Lasten eines rein innerstaatli- 2 Dass auch die Grundfreiheiten ein Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthalten, ergibt sich bei den Personenverkehrsfreiheiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit (vgl. Art. 45 Abs. 2 AEUV), der Niederlassungsfreiheit (vgl. Art. 49 Abs. 2 AEUV) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 Abs. 2 AEUV) bereits aus deren Wortlaut. Für die insoweit anders formulierten Warenverkehrs- (Art. 34 AEUV) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) ist dieser Diskriminierungsschutz, wenngleich nicht zwingend als eigenständige Kategorie, ebenfalls anerkannt, vgl. etwa Koenig/Haratsch/Pechstein, Europarecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 866, 1048. 3 Vgl. etwa EuGH, Urt. 28.01.1992, Rs. C-332/90 (Steen), Rn. 8 f. Siehe auch von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim , Das Recht der Europäischen Union, 54. Ergänzungslieferung 2014, Art. 18 AEUV, Rn. 1, 49. 4 Und zwar nach § 6 Abs. 1 InfrAG-E jeweils jährlich und zudem automatisch. Dies hat allerdings keinen Einfluss auf die hier vorliegende Benachteiligung. 5 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 28.01.1992, Rs. C-332/90 (Steen), Rn. 8 ff.; Gleichwohl wird ein solcher Inhalt in der Literatur zum Teil befürwortet, allerdings nur im Zusammenhang mit der hier nicht vorliegenden Fall der sog. Inländerdiskriminierung, siehe dazu unten unter 3.3. Soweit ersichtlich, finden sich im Schrifttum keine Stimmen , die eine Anwendung des Diskriminierungsverbots aus Gründen der Staatsangehörigkeit auch auf autonom auf nationales Recht zurückzuführende Benachteiligung von Inländern gegenüber EU-Ausländern befürworten. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 2/15 Seite 6 chen Sachverhalts, auf den das in Art. 18 Abs. 1 AEUV und den Grundfreiheiten enthaltende Diskriminierungsverbot keine Anwendung findet.6 Die durch die Ungleichbehandlung besser gestellten EU-Ausländer und deren (gesetzliche) „Behandlung“ vermögen in dieser Konstellation keinen grenzüberschreitenden Bezug zu begründen, da bei der hier relevanten Fragestellung nicht ihre Behandlung durch das mitgliedstaatliche Recht in Rede steht. 3.2. Unionsbürgerliche Freizügigkeit nach Art. 21 Abs.1 AEUV und Grundfreiheiten Die Grundfreiheiten und die von der Ausübung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Tätigkeiten losgelöste unionsbürgerliche Freizügigkeit nach Art. 21 Abs.1 AEUV schützen jedoch nicht nur EU-Ausländer gegenüber Maßnahmen des jeweiligen Aufenthaltsstaates.7 Sie gewähren in bestimmten Konstellationen auch Inländern Schutz gegenüber ihrem eigenen (Mitglieds- bzw. Herkunfts-) Staat.8 Fraglich ist, ob diese Gewährleistungsgehalte auch die hier vorliegende Schlechterstellung von Inländern gegenüber EU-Ausländern erfassen. In dieser Wirkungsdimension verbieten die Grundfreiheiten und die Freizügigkeit zunächst die Benachteiligung grenzüberschreitender Sachverhalte gegenüber rein inländischen Konstellationen .9 Solche Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass das nationale Recht an den Weggang eige- 6 Ständige Rspr., siehe bspw. EuGH, Urt. v. 15.01.1986, Rs. 44/84 (Hurd), Rn. 54 f.; EuGH, Urt. v. 28.01.1992, Rs. C-332/90 (Steen), Rn. 9 ff.; EuGH, Urt. v. 19.06.2008, Rs. C-104/08 (Kurt/Bürgermeister der Stadt Wels), Rn. 23. Vgl. Albers, „Inländerdiskriminierung“ am Beispiel des Handwerksrechts, JZ 2008, 708 (711), die allerdings im Übrigen fälschlich davon ausgeht, dass das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit auch Mitgliedstaaten gegenüber ihren eigenen Angehörigen verpflichtet, soweit diese sich in einer grenzüberschreitenden Situation befinden. Siehe hierzu Koenig/Haratsch/Pechstein, Europarecht (Fn. 2), Rn. 742. Der Schutz von Inländern gegenüber ihrem Herkunftsstaat erfolgt am Maßstab anderer grundfreiheitlicher Gewährleistungsgehalte und im Rahmen der unionsbürgerlichen Freizügigkeit nach Art. 21 Abs. 1 AEUV, siehe dazu sogleich unter 3.2. 7 Diese, gegen den jeweiligen Aufenthaltsstaats des EU-Ausländers gerichtete Wirkung der Grundfreiheiten, des Diskriminierungsverbots aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 Abs. 1 AEUV und der unionsbürgerlichen Freizügigkeit nach Art. 21 Abs. 1 AEUV steht allerdings in der Praxis regelmäßig im Vordergrund und spiegelt sich auch im Wortlaut dieser Individualrechte wider. Sie bildet den ursprünglichen Kerngehalt dieser Rechtspositionen, die hierauf aber nicht beschränkt sind. Vgl. dazu allgemein Koenig/Haratsch/Pechstein, Europarecht (Fn. 2), Rn. 767. 8 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 26.01.1999, Rs. C-18/95 (Terhoeve), Rn. 37 (zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung); EuGH, Urt. v. 31.3.1993, Rs. C-19/92 (Kraus), Rn. 15f. (zur Niederlassungsfreiheit ); EuGH, Urt. v. 13.12.2004, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Rn. 30ff. (sekundäre Niederlassungsfreiheit ); EuGH, Urt. v. 11.01.2007, Rs. C-208/05 (ITC), Rn. 25ff., 33 (zur Dienstleistungsfreiheit); EuGH, Rs. C-224/98 (D’Hoop), Rn. 33ff. (zur Freizügigkeit); EuGH, Rs. C-224/02 (Pusa), Rn. 19 (zur Freizügigkeit). 9 Vgl. bspw. EuGH, Urt. 23.2.1994, Rs. C-419/92 (Scholz), Rn. 12; EuGH, Urt. v. 26.01.1999, Rs. C-18/95 (Terhoeve ), Rn. 41; EuGH, Urt. v. 11.07.2002, Rs. C-224/98 (D’Hoop), Rn. 33ff.; EuGH, Urt. v. 29.04.2004, Rs. C- 224/02 (Pusa), Rn. 20. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 2/15 Seite 7 ner Angehöriger aus dem Inland oder deren Aufenthalt im Ausland Nachteile knüpft, die bei vergleichbaren , reinen Inlandssachverhalten nicht bestehen.10 Diesem Differenzierungsverbot liegt somit ein Vergleich zwischen ins EU-Ausland strebenden oder sich dort aufhaltenden Inländern einerseits und denjenigen, die im Inland verbleiben, andererseits zugrunde. Dabei begründen der Wegzug bzw. die Absicht hierzu oder der Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat in diesen Situationen das für die Anwendung der Grundfreiheiten oder der unionsbürgerlichen Freizügigkeit konstitutive grenzüberschreitende Element.11 Betrachtet man die Schlechterstellung bei der Abgabenpflicht im Lichte dieses Prüfungsmaßstabs , so ist zunächst festzustellen, dass diese zwar Inlandssachverhalte (Halter von im Inland zugelassenen Kraftfahrzeugen und Wohnmobilen) trifft, aber insoweit gerade nicht etwa danach unterscheidet, mit welchem Ziel die Nutzung der von der Infrastrukturabgabe erfassten Bundesfernstraßen erfolgt, d.h. ob man ein inländisches oder im EU-Ausland gelegenes Ziel ansteuert. Es ist nicht ersichtlich, dass Halter von im Inland zugelassenen Kraftfahrzeugen und Wohnmobilen, die bei Inanspruchnahme der Grundfreiheiten (z.B. durch im EU-Ausland arbeitende sog. Grenzgänger ) oder der Freizügigkeit die Grenze nach außen überschreiten (wollen), durch die Abgabenpflicht für alle Bundesfernstraßen gegenüber denjenigen schlechter gestellt sind, die allein in Deutschland die Bundesfernstraßen benutzen. Die Schlechterstellung ergibt sich hier vielmehr allein aus dem Vergleich mit EU-ausländischen Haltern von Kraftfahrzeugen und Wohnmobilen. Sie steht somit außerhalb der durch die Grundfreiheiten und die unionsbürgerliche Freizügigkeit gewährleisteten Gleichbehandlung (rein) innerstaatlicher und grenzüberschreitender Sachverhalte . Auch der darüber hinausgehende Schutzgehalt der Grundfreiheiten und der unionsbürgerlichen Freizügigkeit richtet sich in dieser Dimension (nur) gegen eine (unterschiedslose) Behinderung des Wegzugs aus dem eigenen Herkunftsstaat und erfasst alle Maßnahmen, die diesen „weniger attraktiv“ machen oder von ihm „abhalten“.12 Das ist bei der Schlechterstellung inländischer Halter von Kraftfahrzeugen und Wohnmobilen hinsichtlich der Abgabenpflicht aber nicht der Fall. Der Umstand, dass diese Personengruppe die Infrastrukturabgabe für Bundesautobahnen und Bundesstraßen entrichten muss, während EU-ausländische Halter der entsprechenden Fahrzeuge 10 Siehe z.B. EuGH, Urt. v. 26.01.1999, Rs. C-18/95 (Terhoeve), Rn. 12ff.: Der Kläger hat in einem Jahr sowohl im Herkunfts- als auch im Zielstaat nichtselbständige Einkünfte erzielt und wurde in zwei Bescheiden zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen. Hätte er die gleiche Summe nur im Herkunftsstaat verdient, wären die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge wegen einer Bemessungsgrenze niedriger ausgefallen als im kombinierten Fall, weil beide Bescheide, getrennt betrachtet, diese Grenze jeweils nicht erreichten; EuGH, Urt. v. 13.12.2004, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Rn. 18ff.: Das Steuerrecht des Herkunftsstaates verwehrte es einer Muttergesellschaft, Verluste von Tochtergesellschaften im EU-Ausland von seinem Gewinn abzuziehen, während es den Verlustabzug für Tochtergesellschaften im Herkunftsstaat zuließ. 11 St. Rspr., siehe etwa EuGH, Urt. v. 15.01.1986, Rs. 44/84 (Hurd), Rn. 54; EuGH, Urt. 23.2.1994, Rs. C-419/92 (Scholz), Rn. 9; EuGH, Urt. v. 15.12.1995, C-415/93 (Bosman), Rn. 88 ff. 12 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.12.1995, C-415/93 (Bosman), Rn. 96; EuGH, Urt. v. 11.07.2002, Rs. C-60/00 (Carpenter), Rn. 39; EuGH, Urt. v. 26.10.2006, Rs. C-192/05 (Tas-Hagen-Tas), Rn. 30; EuGH, Urt. v. 23.10.2007, Rs. C-11 u. 12/06 (Morgan), Rn. 26; EuGH, Urt. v. 18.12.2014, Rs. C-523 u. 585/11 (Prinz & Seeberger), Rn. 28. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 2/15 Seite 8 nur für die Benutzung von Bundesautobahnen abgabenpflichtig sind, macht das Überschreiten der Inlandsgrenzen nicht „weniger attraktiv“, sondern ist diesem gegenüber ohne Einfluss. Somit erfasst auch der durch die Grundfreiheiten und die unionsbürgerliche Freizügigkeit gewährleistete Schutz von Inländern nicht die Schlechterstellung dieser Personengruppe gegenüber EU-Ausländern im Zusammenhang mit der Infrastrukturabgabenpflicht. 3.3. Exkurs: Phänomen der sog. Inländerdiskriminierung Dass die Schlechterstellung von Inländern gegenüber EU-Ausländern durch den Herkunftsstaat der erstgenannten unionsrechtlich indifferent ist, zeigt auch das Phänomen der sog. Inländerdiskriminierung .13 Es handelt sich hierbei um eine Konsequenz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts 14 im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten und der unionsbürgerlichen Freizügigkeit : Danach muss eine nationale Regelung, die Grundfreiheiten oder die Freizügigkeit verletzt, nur für die davon erfassten grenzüberschreitenden Aktivitäten unangewendet bleiben. Rein inländische Vorgänge fallen dagegen nicht in den Anwendungsbereich der genannten Individualrechte und bleiben durch das Unionsrecht entsprechend unberührt.15 Solange die nationale Regelung durch den Gesetzgeber nicht aufgehoben oder angepasst wird, beansprucht sie für den gegen das Unionsrecht nicht verstoßenden „inländischen Teil“ weiter Geltung. Dadurch können für den gleichen Sachbereich – je nach Inlands- oder Auslandsbezug – unterschiedliche Regelungen gelten. Ein Beispiel hierzu bildete – vor einer Anpassung der Handwerksordnung – der sog. Meisterzwang16: Deutsche Handwerker dürfen ohne Meisterbrief in Deutschland im Regelfall nicht selbstständig arbeiten.17 EU-Ausländische Unternehmer bedurften vor der Novelle ebenfalls der kostenträchtigen Eintragung in die Handwerksrolle. Die Rechtsprechung des EuGH, die auf 13 EuGH, Urt. v. 28.01.1992, Rs. C-332/90 (Steen), Rn. 9; BVerwG, Urteil vom 17.12.1992 - 10 C 6/91, NVwZ 1993, S. 1195 (1196). Vgl. auch eingehend hierzu Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 343 ff.; Riese/Noll, Europarechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte der Inländerdiskriminierung, NVwZ 2007, S. 516 ff. 14 Siehe hierzu allgemein Koenig/Haratsch/Pechstein, Europarecht (Fn. 2), Rn. 182, 184. 15 Für eine Anwendung des Unionsrechts auch in solchen Fällen eintretend, etwa von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 54. Ergänzungslieferung 2014, Art. 18 AEUV, Rn. 50 ff.; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 18 AEUV, Rn. 35 ff. – jeweils mit weiteren Nachweisen. 16 Siehe dazu Albers, „Inländerdiskriminierung“ am Beispiel des Handwerksrechts, JZ 2008, S. 708 ff. (709). 17 Siehe § 1 Abs. 1 S. 1 sowie § 7 Abs. 1, 1a HwO. Dies gilt für 40 zulassungspflichtige Handwerksberufe, Anlage A zur HwO. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 2/15 Seite 9 einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit erkannte, befreite sie aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts von diesem Erfordernis.18 Hierdurch wurden inländische Handwerker potenziell gegenüber EU-ausländischen schlechter gestellt.19 Im vorliegenden Fall ist die Schlechterstellung bei der Infrastrukturabgabenpflicht jedoch nicht auf einen Anwendungsvorrang des Unionsrechts zurückzuführen, sondern würde – bei Inkrafttreten des InfrAG – allein aus einer autonomen Entscheidung des nationalen Gesetzgebers folgen. Das unterscheidet die unionsrechtlich veranlasste sog. Inländerdiskriminierung von der hier vorliegenden Schlechterstellung der inländischen Kraftfahrzeug- und Wohnmobilhalter. Beiden Konstellationen gemeinsam ist der Umstand, dass solche Ungleichbehandlungen hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit allein am Maßstab des nationalen Rechts zu beurteilen sind.20 4. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Regelung, nach der inländische Autofahrer eine sog. PKW-Maut für das gesamte Bundesfernstraßennetz entrichten müssen, während diese Abgabenpflicht ausländische Autofahrer nur für Bundesautobahnen trifft, der Sache nach zwar zu einer Ungleichbehandlung von inländischen gegenüber EU-ausländischen Kfz-Haltern führt. Eine derartige Ungleichbehandlung zum Nachteil eigener Staatsangehöriger wird jedoch weder von dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit noch von den Gewährleistungsgehalten der Grundfreiheiten und der unionsbürgerlichen Freizügigkeit erfasst , die Inländer gegenüber Maßnahmen ihres Herkunftsstaates schützen. Das Unionsrecht ist einer solchen „Besserstellung“ von EU-Ausländern gegenüber eigenen Bürgern indifferent. Deutlich wird dies insbesondere an der parallel gelagerten Konstellation der sog. Inländerdiskriminierung . Ungleichbehandlungen zu Lasten eigener Bürger im Vergleich zu EU-Ausländern können allerdings am Maßstab des nationalen Rechts auf ihre Rechtmäßigkeit beurteilt werden. - Fachbereich Europa - 18 EuGH, Urteil v. 11.12.2003, Rs. C 215/01 (Bruno Schnitzer), Rn. 36 ff.; EuGH, Urteil v. 03.10.2000, Rs. C-58/98 (Corsten), Rn. 46ff. 19 Mittlerweile wurde die Rechtsprechung des EuGH in Gesetzesrecht umgesetzt, siehe § 7ff. EU/EWR-Handwerksverordnung sowie Albers, „Inländerdiskriminierung“ am Beispiel des Handwerksrechts, JZ 2008, S. 708 (709). 20 Siehe hierzu das Gutachten von Franziska Brandt vom 19.01.2015, Az.: WD 3 – 3000 – 002/15.