PE 6 - 3000 - 001/21 (7.1.2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Der Fachbereich wird gebeten, ergänzend zu den in der Ausarbeitung PE 6 75/20 bereitgestellten Informationen zu der Frage Stellung zu beziehen, welche unionsrechtlichen Anforderungen an einen Auftrag der Mitgliedstaaten bestehen, auf Grundlage der Verordnung (EU) 2016/369 über die Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union1 (nachfolgend: ESI) Impfstoffe zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu beschaffen. Wie bereits dargestellt, sind in Art. 4 Abs. 5 ESI die Formen der Durchführung von Soforthilfemaßnahmen vorgegeben. Erstens ist eine gemeinsame Auftragsvergabe der Mitgliedstaaten nach Art. 165 Abs. 2 der der Verordnung (EU, Euratom) 2018/10462 möglich (lit. a), zweitens kann eine Auftragsvergabe durch die Kommission im Namen der Mitgliedstaaten auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten erfolgen (lit. b), drittens kann die Kommission als Großhändler in Verhandlungen eintreten und durch Ankauf, Lagerung und Weiterverkauf die Zwecke der Soforthilfe fördern (lit. c). Bei der hier gewählten Durchführungsform handelt es sich um die Auftragsvergabe durch die Kommission im Namen der Mitgliedstaaten auf Grundlage einer gemeinsamen Vereinbarung nach Art. 4 Abs. 5 lit. b) ESI. Hiernach erfolgt die Auftragsvergabe auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten. In der ESI werden die an dieser Vereinbarung zu stellenden 1 Verordnung (EU) 2016/369 des Rates vom 15.3.2016 über die Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union, ABl L 70/1 in der Fassung der Verordnung (EU) 2020/521 des Rates vom 14.4.2020 zur Aktivierung der Soforthilfe gemäß der Verordnung (EU) 2016/369 und zur Änderung von deren Bestimmungen unter Berücksichtigung des COVID-19-Ausbruchs, ABl L 117/3. 2 Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012, ABl. vom 30.72018, L 193/1. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Kurzinformation Zu den Anforderungen eines Auftrags der Mitgliedstaaten an die Kommission , in ihrem Namen Verhandlungen zur Impfstoffbeschaffung zu führen Kurzinformation Zu den Anforderungen eines Auftrags der Mitgliedstaaten an die Kommission, in ihrem Namen Verhandlungen zur Impfstoffbeschaffung zu führen Fachbereich Europa (PE 6) Seite 2 Anforderungen nicht qualifiziert. Das Erfordernis der Mandatierung der EU durch die Mitgliedstaaten dürfte mit Rücksicht auf die begrenzte Zuständigkeit der EU im Gesundheitsbereich vorgesehen worden sein.3 De lege lata wird die Beteiligung der Mitgliedstaaten allerdings unionsrechtlich in Art. 4 Abs. 5 lit. b ESI vorausgesetzt, ohne dafür qualifizierte Vorgaben vorzusehen. Die primärrechtliche Regelung in Art. 122 Abs. 1 AEUV, worauf die ESI sich stützt, sieht keine Mandatierung der Mitgliedstaaten vor, so dass sich dieser Norm daher auch keine Vorgaben für die Art der Mandatierung durch die Mitgliedstaaten entnehmen lassen. Art. 122 Abs. 1 AEUV eröffnet dem Rat die Möglichkeit, angemessene Maßnahmen zu beschließen , falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren auftreten. „Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen, insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich , auftreten. Hinsichtlich der Auswahl der Maßnahmen der Union verfügt der Rat über einen weiten Spielraum .4 Eine Ermächtigung dieser Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten wäre hiernach nicht ausgeschlossen , wird allerdings auch nicht vorausgesetzt. Zu berücksichtigen ist auch, dass Art. 168 AEUV und Art. 122 AEUV auf der gleichen normhierarchischen Stufe stehen. Da Art. 122 Abs. 1 AEUV für den temporären Sonderfall5 gravierender Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren gilt und die hierauf gestützten Maßnahmen ökonomischer Natur sein müssen, was bereits daraus folgt, dass Art. 122 AEUV dem Kapitel zur Wirtschaftspolitik unterfällt6, könnte diese Norm für diesen engen Regelungsbereichs als lex spezialis zu Art. 168 AEUV angesehen werden. Vor diesem Hintergrund folgte aus den in Art. 168 AEUV für das Gesundheitswesen normierten Kompetenzgrenzen der EU für den Bereich des Gesundheitswesens nicht zwingend eine Einschränkung des Geltungsumfangs des § 122 Abs. 1 AEUV. Beschaffungsmaßnahmen , die sich auf Art. 122 Abs. 1 stützen lassen, können die Unionsorgane daher auf unionsrechtlicher Grundlage durchführen, ohne dass es hierfür einer ergänzenden Ermächtigung der Mitgliedstaaten wegen Fehlens (umfassender) eigener unionsrechtlicher Zuständigkeit bedürfte. Auch aus dieser Perspektive ließen sich nicht besondere Anforderungen an die Mandatierung 3 Dazu PE 6 – 3000 – 75/20, S. 6. 4 Bandilla, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim AEUV (EL 44 Mai 2011), Art. 122 I AEUV Rn 10 f.; Bernardus Smulders /Jean-Paul Keppenne, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht 7. Auflage 2015, Art . 122 Rn. 8; Kempen, in: Streinz, EUV/AEUV 3. Auflage 2018 Art. 122 Rn. 6. 5 EuGH, Urt. v. 24.10.1973, Rs. 5/73 Rn. 15 ff. auf Grundlage der Vorgängerregelung zu Art. 122 AEUV in Art. 103 EWG-Vertrag. 6 Gutachten des juristischen Dienstes, Vorschläge zu „Next Generation EU“, 3. Juli 2020, abrufbar unter: eudoxap 01.bundestag.btg,Port=8080+dokumentInhalt?id=250870 , Eudox Dok. NR. 9062/20. Die rechtlichen Ausführungen befinden sich in dem LIMITE eingestuften Bereich und können daher in diesem Text daher wiedergegeben werden. Kurzinformation Zu den Anforderungen eines Auftrags der Mitgliedstaaten an die Kommission, in ihrem Namen Verhandlungen zur Impfstoffbeschaffung zu führen Fachbereich Europa (PE 6) Seite 3 durch die Mitgliedstaaten unionsrechtlich begründen. In der Rechtsprechung des EuGH sind die vorstehend abgehandelten Rechtsfragen – soweit ersichtlich – noch nicht erörtert worden. – Fachbereich Europa –